© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 039/15 Verkaufsverbot für E-Zigaretten und E-Shishas Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 2 Verkaufsverbot für E-Zigaretten und E-Shishas Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 039/15 Abschluss der Arbeit: 25.02.2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtliche Einordnung von E-Zigaretten/E-Shishas 4 3. Verkaufsverbote 5 4. Gesetzgebungskompetenz des Bundes 6 5. Vereinbarkeit mit Grundrechten 7 5.1. Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) 7 5.1.1. Eingriff in den Schutzbereich 7 5.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung 7 5.2. Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) 10 5.3. Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) 10 6. Unionsrechtsrelevanz 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 4 1. Einleitung E-Zigaretten und E-Shishas sind elektronische Geräte, die auf der Basis bestimmter Inhalationsflüssigkeiten (Liquids) das Inhalieren von Dämpfen ermöglichen. Problematisch sind E-Zigaretten und E-Shishas in zweifacher Hinsicht: aufgrund ihrer äußeren Form und Funktionsweise simulieren sie das Rauchen und werden daher teilweise als Mittel angesehen, die den Einstieg in den herkömmlichen Tabakkonsum begünstigen; darüber hinaus könnten die in den Inhalationsflüssigkeiten enthaltenen Stoffe, z.B. Nikotin, Aromastoffe oder sonstige Chemikalien, erhebliche Gesundheitsgefahren bergen. Insbesondere wenn die Inhalation auf der Basis von nikotinhaltigen Liquids erfolgt, können E-Zigaretten und E-Shishas aber auch der Raucherentwöhnung dienen oder als weniger schädlicher Rauchersatzmittel verwendet werden. Angesichts der zunehmenden Beliebtheit von E-Zigaretten und E-Shishas, vor allem auch bei jungen Menschen, wird die Frage gestellt, ob ihr Verkauf aus Gründen des Gesundheits- und/oder Jugendschutzes gesetzlich verboten werden könnte. 2. Rechtliche Einordnung von E-Zigaretten/E-Shishas Schon die Produktvielfalt von E-Zigaretten und E-Shishas erschwert ihre rechtliche Einordnung. Es gibt Einwegprodukte und solche mit nachfüllbaren Behältern, E-Zigaretten und E-Shishas werden in verschiedenen Formen und Größen angeboten, mit starker Nachahmung des Rauchens (z.B. durch leuchtende „Zigarettenspitze“) oder in kindgerechten Formen und Geschmacksrichtungen, mit nikotinhaltigen oder nikotinfreien Liquids und weiteren unterschiedlichen Inhaltsstoffen.1 E-Shishas werden oft als nikotinfreie Produkte angeboten,2 aber auch bei ihnen kann nicht immer ausgeschlossen werden, dass sie zur Inhalation von Nikotin eingesetzt werden.3 In ihrer Funktionsweise bzw. ihren Verwendungsmöglichkeiten unterscheiden sich E-Zigaretten und E-Shishas daher nicht wesentlich, so dass sie im Folgenden zusammen betrachtet werden. Mangels spezifischer auf E-Zigaretten/E-Shishas bezogener Regelungen sind die für Produkte allgemein anwendbaren Vorschriften zu ihrer Beschaffenheit und -sicherheit, ihren Verwendungszwecken und Gebrauchsmöglichkeiten anwendbar. Im Einzelnen können – je nach Produkt, Verwendungszweck und Gebrauch – Vorschriften des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs (LGBG), des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG), des Arzneimittelgesetzes (AMG) und des Medizinproduktegesetzes (MPG) anwendbar sein.4 Diskutiert wird darüber hinaus 1 Zur Produktvielfalt siehe auch die Ausführungen der Bundesregierung in der BT-Drs. 17/8772, 2 f, 2 , E-Zigaretten - Abgabe an Kinder und Jugendliche, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 9 - 3000 - 059/14), 4. 3 , Rechtliche Einordnung von elektronischen Zigaretten aus arzneimittel- und medizinproduktrechtlicher Sicht, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 9 - 3000 - 008/12), 8 f. 4 Vgl. (Fn. 3) und , Rechtliche Einstufung der E-Zigarette, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 9 - 3000 - 006/12). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 5 die Anwendbarkeit des vorläufigen Tabakgesetzes (VTabakG) sowie der Gesetze zum Jugend- und Nichtraucherschutz.5 3. Verkaufsverbote Die o.g. Normen können zu Verkaufsverboten führen, indem sie das Inverkehrbringen nur unter bestimmten Voraussetzungen erlauben. So hat die Einstufung von E-Zigaretten/E-Shishas als Arzneimittel zur Folge, dass sie nur nach vorheriger Zulassung (§ 21 AMG) und nur über Apotheken (§ 43 AMG) in den Verkehr gebracht und verkauft werden dürfen. Ein allgemeines Verkaufsverbot für E-Zigaretten/E-Shishas folgt daraus aber nicht, denn die hohen Anforderungen an die Qualifizierung eines Produkts als Arzneimittel, u.a. die Verfolgung eines therapeutischen Zwecks, dürften nur ausnahmsweise erfüllt sein.6 Auch die Einstufung zumindest der nikotinhaltigen E-Zigaretten/ E-Shishas als Tabakwaren im Sinne des Tabakgesetzes könnte zu Verkaufsverboten führen, da die Produkte in der Regel für Tabakprodukte unzulässige Zusatzstoffe enthalten.7 Gegen eine solche Einstufung spricht aber die Vorschrift des § 3 Abs. 2 Nr. 1 VTabakG, wonach ein oraler Gebrauch vorliegen müsste. Ein solcher dürfte beim Inhalieren, also bei der Stoffaufnahme über die Lunge, nicht gegeben sein.8 Mangels Einordnung als Tabakprodukt greift auch das im Jugendschutzgesetz geregelte Verkaufsverbot gegenüber Kindern und Jugendlichen (§ 10 Abs. 1 JuschG) nicht. Die Regelung von Verkaufsverboten ist in verschiedenen Formen denkbar. Dabei kann das Verkaufsverbot an die Beschaffenheit des Produkts anknüpfen oder an die Art und Weise des Verkaufs. Geht es um bestimmte Produkteigenschaften, die vorliegen müssen oder nicht vorliegen dürfen, kann weiter danach differenziert werden, ob ein allgemeines Verkaufsverbot statuiert wird oder ob Ausnahmen vom Verkaufsverbot möglich sind. Ein Verkaufsverbot kann auch an die Art und Weise des Verkaufs geknüpft werden und z.B. Anforderungen an den Verkaufsort (z.B. Apotheken), die Zeiten des Verkaufs oder an die Käufer stellen (z.B. Beschränkung auf Erwachsene). Angesichts der o.g. Produktvielfalt und der unterschiedlichen Verwendungsmöglichkeiten sind im Hinblick auf E-Zigaretten und E-Shishas zahlreiche Anknüpfungspunkte für Verkaufsverbote denkbar, z.B. könnten sich Verkaufsverbote auf nikotinhaltige Produkte beschränken, auf eine Nikotin-Höchstmenge oder auf die Abgabe gegenüber Kindern und Jugendlichen. Die vorliegende Fragestellung nach der Möglichkeit von Verkaufsverboten für E-Zigaretten und E-Shishas enthält insoweit keine näheren Hinweise auf bestimmte Produkteigenschaften oder Verkaufsmodalitäten, die als Anknüpfungspunkte für Verkaufsverbote dienen sollen. Vielmehr wird der Verkauf von 5 Vgl. , Geltung der Nichtraucherschutzregelungen für elektronische Zigaretten, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 9 - 3000 - 130/11). 6 Siehe dazu die jüngste, bisher nur als Pressemitteilung veröffentlichte, Rechtsprechung des BVerwG, Az.: 3 C 27.13, wonach nicht zu therapeutischen Zwecken verwendete E-Zigaretten keine Arzneimittel darstellen. In der Folge fehle es daher auch an einer Befugnis, staatliche Warnungen für E-Zigaretten auszusprechen, die nicht als Arzneimittel zulassungspflichtig sind. 7 Schwemer, Rechtliche Zuordnung der E-Zigarette, ZLR 2014, 387, 393 mit Hinweis auf die Tabakverordnung, die das Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen, denen bestimmte Stoffe zugesetzt sind, untersagt. 8 Schwemer (Fn. 7), 392 ff.; Volkmer, Nicotin-Depots für elektrische Zigaretten - Arzneimittel wider Willen, PharmR 2012, 11, 15. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 6 E-Zigaretten und E-Shishas grundsätzlich in Frage gestellt. Daher ist im Folgenden das Ziel eines allgemeinen Verkaufsverbots für E-Zigaretten und E-Shishas zugrunde zu legen, das nicht von vornherein nach unterschiedlichen Produkteigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten differenziert. 4. Gesetzgebungskompetenz des Bundes Für eine solche gesetzliche Regelung müsste dem Bund zunächst die Gesetzgebungskompetenz zustehen. Eine ausschließliche Bundeskompetenz nach den Artt. 71, 73 GG besteht nicht. In Betracht kommt aber eine konkurrierende Bundeskompetenz nach den Artt. 72, 74 GG. Insofern berührt das hier fragliche Verkaufsverbot von E-Zigaretten/E-Shishas nach seinem Regelungsbereich und seinem Regelungszweck mehrere Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 GG. Durch seine Wirkung auf den Handel betrifft es zunächst das Recht der Wirtschaft (Nr. 11). Auf diesen Kompetenztitel ist aber nicht abzustellen, wenn ein stärkerer Sachzusammenhang zu spezielleren Kompetenztiteln besteht.9 Ein solcher stärkerer Sachzusammenhang könnte hier zu Kompetenztiteln bestehen, die den Schutz vor Gesundheitsgefahren oder den Jugendschutz betreffen. Das Recht der Arzneien und Medizinprodukte (Nr. 19) könnte grundsätzlich als Kompetenztitel zur Regelung von E-Zigaretten/E-Shishas dienen, doch schließt die hier fragliche Regelung eines allgemeinen Verkaufsverbotes eine mögliche therapeutische Verwendung und damit eine Regelung als Arzneimittel oder Medizinprodukt gerade aus. Das allgemeine Verkaufsverbot könnte aber eine Maßnahme gegen gemeingefährliche Krankheiten darstellen (Nr. 19). Unter diesen Kompetenztitel fallen auch vorbeugende Maßnahmen gegen schwerwiegende Krankheiten, wie z.B. gegen Krebs.10 Das Verkaufsverbot zielt u.a. darauf ab, Gesundheitsschäden durch die Inhalation krebserregender Stoffe zu verhindern,11 so dass die Voraussetzungen des Kompetenztitels vorliegen. Angesichts möglicher Nikotinvergiftungen12 ist auch das Recht der Gifte betroffen (Nr. 19). Bei Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG handelt es sich um eine sog. Kernkompetenz, die nicht unter dem Vorbehalt einer weiteren Erforderlichkeitsprüfung nach Art. 72 Abs. 2 GG steht, sondern als solche die Gesetzgebungskompetenz des Bundes begründet. Darüber hinaus könnte sich der Bund auf die Kompetenztitel zum Recht der Genussmittel (Nr. 20) und der öffentlichen Fürsorge (Nr. 7) berufen. Das Recht der Genussmittel schließt die hier maßgeblichen gesundheitlichen Aspekte mit ein13 und das Recht der öffentlichen Fürsorge umfasst den hier verfolgten Zweck des Kinder- und Jugendschutzes.14 Die für die beiden letztgenannten Kompetenztitel erforderlichen Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG dürften ebenfalls vorliegen: zum einen würden unterschiedliche Länderregelungen zur Verkehrsfähigkeit von Genussmitteln 9 Vgl. von Münch/Kunig, GG (6. Aufl., 2012), Rn. 38 zu Art. 74. 10 Degenhart, in: Sachs, GG (7. Aufl., 2014), Rn. 84 zu Art. 74. 11 Angaben zu krebserregenden Aldehyden enthält die Stellungnahme des Bundesamtes für Risikobewertung vom 24. 2. 2012, Nr. 016/2012, abrufbar unter: http://www.bfr.bund.de/cm/343/liquids-von-e-zigaretten-koennendie -gesundheit-beeintraechtigen.pdf. 12 Vgl. dazu die Stellungnahme des Bundesamtes für Risikobewertung (Fn. 11), 5, 7. 13 Degenhart (Fn. 10), Rn. 90 zu Art. 74. 14 Degenhart (Fn. 10), Rn. 36 zu Art. 74. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 7 eine erhebliche Beeinträchtigung der gesamtstaatlichen Wirtschaft darstellen und zum anderen hätte eine entsprechende Rechtszersplitterung, insbesondere auch für einen wirksamen Jugendschutz , wegen der zu erwartenden erheblichen Rechtsunsicherheiten „problematische Folgen“15. Eine bundesgesetzliche Regelung wäre danach zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich. Die einschlägigen Kompetenztitel umfassen das Verkaufsverbot somit umfassend - sowohl im Hinblick auf die Vorbeugung gegen schwerwiegende Krankheiten und Gifte als auch im Hinblick auf gesundheitliche Beeinträchtigungen durch den Konsum als von E-Zigaretten/E-Shishas als Genussmittel, insbesondere auch durch Kinder und Jugendliche. 5. Vereinbarkeit mit Grundrechten 5.1. Art. 12 Abs. 1 GG (Berufsfreiheit) 5.1.1. Eingriff in den Schutzbereich Ein Verkaufsverbot von E-Zigaretten/E-Shishas beeinträchtigt die unternehmerische Freiheit der betroffenen Hersteller und Händler und stellt einen Eingriff in ihre Berufsausübung dar. Ob solch ein Verkaufsverbot darüber hinaus die Eingriffsintensität einer Berufswahlregelung aufweisen könnte, lässt sich von hier aus nicht abschließend beurteilen. Insoweit bedürfte es einer tatsächlichen Klärung, ob z.B. durch Spezialisierung auf die Herstellung und den Handel mit E-Zigaretten/ E-Shishas typischerweise auch die Existenz und damit die Berufswahl der Betroffenen berührt wäre. 5.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung Eingriffe in die Berufsfreiheit bedürfen nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, die den verfassungsrechtlichen Anforderungen an grundrechtsbeschränkende Gesetze genügt.16 Neben dem – bereits behandelten – formellen Erfordernis, dass das hier fragliche Gesetz kompetenzgemäß erlassen werden müsste und könnte, muss es darüber hinaus materiell-rechtlich verfassungsgemäß , insbesondere verhältnismäßig sein. Die im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfenden Anforderungen an die Wichtigkeit und Dringlichkeit der zu schützenden Rechtsgüter sind wegen der hier nicht auszuschließenden auch existenzbedrohenden Wirkungen eines Verkaufsverbotes hoch anzusetzen. Im Sinne der sog. Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts müsste das Verkaufsverbot zum Schutz besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter notwendig sein. Die Regelung eines allgemeinen Verkaufsverbots von E-Zigaretten/E-Shishas dient den besonders wichtigen Gemeinschaftsgütern der Gesundheit der Bevölkerung17 sowie des Kinder- und Jugendschutzes (Art. 5 Abs. 2 GG). Insofern kommen nicht nur Gesundheitsgefahren durch den konkreten Konsum von E-Zigaretten/E-Shishas in Betracht, sondern auch allgemeine Suchtgefahren, die aufgrund der Einübung bestimmter Verhaltensmuster – hier des „Dampfens“ als Rauchen – entstehen 15 Zu dieser Formulierung BVerfGE 106, 62, 145. 16 BVerfG NVwZ 2011, 355 f. 17 BVerfGE 78, 179, 192. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 8 können und ggf. den Übergang zu nikotinhaltigen E-Zigaretten/E-Shishas oder zum herkömmlichen Tabakkonsum begünstigen. Das Verkaufsverbot müsste zur Erreichung dieser Zwecke geeignet, erforderlich und angemessen sein. Für die Annahme der Eignung einer gesetzlichen Regelung reicht es bereits aus, dass die Regelung die Zweckerreichung fördert.18 Von einer Eignung in diesem Sinn kann man hier ausgehen : Ein allgemeines Verkaufsverbot von E-Zigaretten/E-Shishas schränkt ihren Gebrauch und damit die Gefahren von Gesundheitsbeeinträchtigungen bei Erwachsenen sowie bei Kindern und Jugendlichen ein. Die Erforderlichkeit des Verkaufsverbots ist nur dann gegeben, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen, die die Zweckerreichung in gleicher Weise fördern.19 Als mildere Mittel kommen vorliegend zahlreiche Maßnahmen in Betracht. Anstelle eines allgemeinen Verbots sind zum Zweck des Gesundheitsschutzes Maßnahmen zur Produktbeschaffenheit denkbar, die ihre Gefährlichkeit reduzieren, z.B. Verbot bestimmter Inhaltsstoffe oder die Beschränkung auf bestimmte Höchstmengen. Der Konsum von E-Zigaretten/E-Shishas könnte darüber hinaus durch Aufklärungskampagnen , verpflichtenden Warnhinweisen auf den Verpackungen, sonstigen Kennzeichnungspflichten und weniger kindgerechten Aufmachungen eingedämmt werden. Zudem könnte man Kontroll- und Zulassungssysteme in Betracht ziehen. Im Hinblick auf den Kinder- und Jugendschutz würde ein Verkaufsverbot gegenüber Kindern und Jugendlichen ein milderes Mittel darstellen . Dass die genannten Alternativen die Erreichung der Zwecke in gleicher Weise wie ein allgemeines Verkaufsverbot fördern, könnte man jedoch mit der Begründung verneinen, ein Verkaufsverbot schließe den Konsum von E-Zigaretten/E-Shishas schon durch die geringere Verfügbarkeit weitgehend aus. Auf der anderen Seite ist zu bedenken, dass der Umgang mit Genussmitteln – auch durch Kinder und Jugendliche – allein durch Verbote nicht zu regulieren ist. Denn abgesehen von der Möglichkeit anderweitiger Beschaffung ist davon auszugehen, dass stets alternative Genussmittel gesucht und gefunden werden, die nach dieser Logik – bei entsprechender Gefährlichkeit – auch wieder zu verbieten wären. Vor diesem Hintergrund erscheinen die o.g., auf Reduzierung der Gesundheitsrisiken und Aufklärung der Nutzer gerichteten Alternativen nicht von vornherein als weniger wirksam, so dass man an der Erforderlichkeit eines allgemeinen Verkaufsverbotes zumindest zweifeln kann. Schließlich müsste sich das Verkaufsverbot als angemessen erweisen. Insofern ist eine Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs einerseits und dem Gewicht und der Dringlichkeit der zu schützenden (besonders wichtigen) Gemeinschaftsgüter vorzunehmen.20 Dabei ist nicht schon das abstrakt sehr hohe Gewicht des Gesundheits- und Jugendschutzes gegenüber der Berufsfreiheit ausschlaggebend. Vielmehr kommt es auf die konkrete Betroffenheit der Rechts- bzw. Gemeinschaftsgüter an. Insofern liegt auf Seiten der betroffenen Hersteller und Händler eine schwere Eingriffsintensität vor; denn durch die vollständige Untersagung des Verkaufs bestehen zumindest auf dem deutschen Markt keine alternativen Absatzmöglichkeiten. Bei entsprechender Spezialisierung, die – wie oben ausgeführt – nicht auszuschließen ist, könnte ein allgemeines 18 BVerfGE 30, 392, 316. 19 BVerfGE 30, 292, 316. 20 BVerfGE 90, 145, 173. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 9 Verkaufsverbot auch existenzbedrohende Wirkung haben. Angesichts einer solchen besonders schweren Beeinträchtigung der Berufsfreiheit der betroffenen Hersteller und Händler müsste der Gesundheits- und Kinder- und Jugendschutz besonders wichtig und dringlich sein. Für erhebliche Gesundheitsgefahren durch E-Zigaretten/E-Shishas sprechen die Warnungen des Bundesinstituts für Risikobewertung.21 Danach soll nicht nur der Konsum von nikotinhaltigen, sondern auch von nikotinfreien E-Zigaretten/E-Shishas gefährlich sein. Letztere sollen wegen der enthaltenen Zusatzstoffe und auch durch die allgemeinen Reizungen beim Inhalieren der Dämpfe Gesundheitsschäden verursachen können, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen. Auf der anderen Seite fehlen – soweit ersichtlich – entsprechende umfassende wissenschaftliche Untersuchungen.22 Vor allem ist unklar, ob die Gefährlichkeit der E-Zigaretten/E-Shishas für alle Produkte, etwa durch einen stets verwendeten Trägerstoff, und für alle Produkte gleichermaßen gelten würde. Überschreiten nicht alle Produkte die Schwelle einer erheblichen Gesundheitsgefährdung durch den unmittelbaren Konsum, könnte man fragen, ob zumindest alle Produkte eine erhebliche Suchtgefahr aufweisen.23 Aber auch insofern liegen - soweit ersichtlich - keine entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen vor.24 Das Fehlen wissenschaftlicher Nachweise schließt ein Tätigwerden des Gesetzgebers zum Schutz der Gesundheit und von Kindern und Jugendlichen aber nicht aus. Denn dem Gesetzgeber steht insofern ein Beurteilungsspielraum zu. Das Bundesverfassungsgericht führt dazu aus: „Wird der Gesetzgeber zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig, so belässt ihm die Verfassung bei der Prognose und Einschätzung der in den Blick genommenen Gefährdung einen Beurteilungsspielraum, der vom Bundesverfassungsgericht bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung je nach der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter nur in begrenztem Umfang überprüft werden kann. Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen abgeben können (vgl. BVerfGE 77, 84 [106]; 110, 141 [157 f.]; 117, 163 [183]).“25 Von einer offensichtlich fehlerhaften Einschätzung der möglichen Gesundheitsgefahren wird man wohl nicht ausgehen können, so dass nach diesem Maßstab grundsätzlich Maßnahmen zur Verhütung von Gesundheitsgefahren möglich wären. Die Unsicherheit über die Wahrscheinlichkeit und das Ausmaß der Gesundheits- und Suchtgefahren schränkt aber die Wahl der gesetzgeberischen 21 Siehe oben Fn. 11. 22 Zu den vorhandenen wissenschaftlichen Untersuchungsergebnisse siehe die Angaben der Bundesregierung BT- Drs. 17/8772, 4 ff., die von der Bundesregierung allerdings nicht als hinreichend eingeschätzt werden, vgl. BT-Drs. 17/9872, 2. 23 Zu vereinzelten Hinweisen in der Literatur, wonach der herkömmliche Tabakkonsums durch die Verwendung von E-Zigaretten begünstigt werden könnte, BT-Drs. 17/8772, 8. 24 BT-Drs. 17/9872, 3. 25 BVerfGE 121, 317, 350. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 10 Maßnahmen ein. Die mit einem allgemeinen Verkaufsverbot verbundenen schweren Grundrechtsbeeinträchtigungen wären nur dann zumutbar, wenn der Eintritt von schwerwiegenden Gesundheits - und Suchtgefahren sehr wahrscheinlich wäre. Davon wird man hier wohl nicht ausgehen können, zumindest nicht für alle Produkte. Dies gilt vor allem für diejenigen Nutzer, die E-Zigaretten /E-Shishas zur Raucherentwöhnung26 oder als weniger schädliche Art des Tabakrauchens einsetzen. Daher wären die o.g. alternativen Maßnahmen zur Reduzierung der Gefährlichkeit und zur Eindämmung des Konsums, z.B. Vorgaben für die Inhaltsstoffe, die Aufmachung, die Abgabe an Kinder und Jugendliche, angesichts der schweren Grundrechtsbeeinträchtigungen auf Seiten der Hersteller und Händler vorrangig einzusetzen. Ein pauschales Verkaufsverbot von E-Zigaretten/E-Shishas dürfte danach unverhältnismäßig sein und gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen. 5.2. Art. 3 Abs. 1 GG (allgemeiner Gleichheitssatz) Das allgemeine Verkaufsverbot von E-Zigaretten/E-Shishas könnte zudem gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen. Danach darf wesentlich Gleiches nicht ungleich und muss wesentlich Ungleiches gleich behandelt werden.27 Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liegt vor, wenn eine Ungleichbehandlung verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt ist. Eine Ungleichbehandlung könnte hier im Verhältnis zu den „verwandten“ Tabakzigaretten bestehen. Zwar bestehen in der jeweiligen Beschaffenheit große Unterschiede, doch werden die Produkte zu demselben Zweck des Rauchens eingesetzt, jedenfalls soll das Dampfen der E-Zigaretten/E-Shishas das Rauchen nachahmen. Geht man in diesem Sinne von einer Vergleichbarkeit aus, würde das Verkaufsverbot von E-Zigaretten/E-Shishas gegenüber der Verkäuflichkeit von Tabakzigaretten eine rechtfertigungsbedürftige Ungleichbehandlung darstellen. Eine besondere Gefährlichkeit der E-Zigaretten/E-Shishas im Hinblick auf Gesundheits- und Suchtgefahren könnte die Ungleichbehandlung grundsätzlich rechtfertigen. Ob eine solche gesteigerte Gefährlichkeit gegenüber herkömmlichen Tabakzigaretten anzunehmen ist, erscheint zweifelhaft. Aber auch wenn man sie unterstellt, wäre die Ungleichbehandlung nicht schon gerechtfertigt. Angesichts der schweren freiheitsrechtlichen Betroffenheit (konkret der Berufsfreiheit) ist im Rahmen der gleichheitsrechtlichen Rechtfertigungsprüfung eine Verhältnismäßigkeitskontrolle durchzuführen. Nach den obigen Ausführungen dürfte ein pauschales Verkaufsverbot den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit nicht genügen, so dass eine Rechtfertigung der vorliegenden Ungleichbehandlung ebenfalls ausgeschlossen wäre. 5.3. Art. 2 Abs. 1 GG (allgemeine Handlungsfreiheit) Das hier fragliche Verkaufsverbot von E-Zigaretten/E-Shishas ist zwar kein Gebrauchsverbot, doch schränkt es die Nutzungsmöglichkeiten der Konsumenten durch die geringere Verfügbarkeit und damit ihre von Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit (mittelbar) ein. Eine solche Beschränkung kann durch ein verfassungsmäßiges, insbesondere verhältnismäßiges Gesetz eingeschränkt werden. Insoweit ist wiederum auf die obigen Ausführungen zur fehlenden 26 Zur Eignung von E-Zigaretten zur Raucherentwöhnung liegen bereits einige Studien vor, vgl. BT-Drs. 17/8772, 14 f. 27 BVerfGE 90, 145, 195 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 039/15 Seite 11 Verhältnismäßigkeit eines pauschalen Verkaufsverbotes zu verweisen. Danach wäre also auch von einem Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit auszugehen. 6. Unionsrechtsrelevanz Ein allgemeines Verkaufsverbot von E-Zigaretten/E-Shishas dürfte darüber hinaus unionsrechtlich sehr problematisch sein. Soweit das Verkaufsverbot nicht nur innerstaatliche Sachverhalte umfasst, sondern auch – wovon auszugehen ist – den innergemeinschaftlichen Handel mit Unionswaren betrifft, kommt ein Verstoß gegen Bestimmungen zur Gewährleistung des freien Warenverkehrs in Betracht. Darüber hinaus werden von der neuen EU-Tabakrichtlinie bestimmte E-Zigaretten/E- Shishas reguliert, und zwar solche, die zum Konsum nikotinhaltigen Dampfes mittels eines Mundstücks verwendet werden können (Art. 2 Nr. 16 RL 2014/40/EU). Die in der EU-Tabakrichtlinie für nikotinfähige Produkte aufgestellten Anforderungen gelten auch für rein innerstaatliche Sachverhalte . Diese Anforderungen geben ein bestimmtes Schutzniveau vor, u.a. Meldepflichten zu Inhaltsstoffen , toxikologischen Daten, zum Herstellungsverfahren (Art. 20 Abs. 2 RL 2014/40/EU), Kennzeichnungs - und Informationspflichten auf den Verpackungen (Art. 20 Abs. 4 RL 2014/40/EU), Vorgaben für die Werbung (Art. 20 Abs. 5 RL 2014/40/EU), für Höchstmengen des Nikotingehalts und des nikotinhaltigen Liquids (Art. 20 Abs. 3 lit. a)-c) und für Zusatzstoffe (Art. 20 Abs. 3 lit. d) und e). Die Möglichkeit eines höheren nationalen Schutzniveaus ist in der EU-Tabakrichtlinie nur in bestimmten Fällen vorgesehen, z.B. können die Mitgliedstaaten Altersgrenzen für E-Zigaretten einführen (Erwägungsgrund 48) oder aromatisierte E-Zigaretten verbieten (Erwägungsgrund 47). Ein darüber hinaus gehendes nationales Verkaufsverbot kommt nur unter sehr engen, äußerst schwer erfüllbaren Voraussetzungen in Betracht (Art. 24 Abs. 1 und 3 RL 2014/40/EU). Eine weitere vertiefte Auseinandersetzung mit den unionsrechtlichen Vorgaben erfordert die vorliegende Fragestellung jedoch nicht. Vielmehr stellen schon die verfassungsrechtlichen bzw. grundrechtlichen Anforderungen kaum zu überwindende Hürden für ein allgemeines Verkaufsverbot dar.