© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 038/17 Initiativrecht des Bundesrates für zustimmungsbedürftige Rechtsverordnungen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 038/17 Seite 2 Initiativrecht des Bundesrates für zustimmungsbedürftige Rechtsverordnungen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 038/17 Abschluss der Arbeit: 14. Februar 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 038/17 Seite 3 1. Einleitung Das Land Baden-Württemberg hat im Herbst 2016 im Bundesrat einen Verordnungsantrag mit einem Entwurf einer Verordnung zur Änderung der fünfunddreißigsten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung – 35. BImSchV) eingebracht. Vor diesem Hintergrund wird um eine Erläuterung des Verordnungsinitiativrechts des Bundesrates aus Art. 80 Abs. 3 GG gebeten. 2. Verordnungsinitiativrecht des Bundesrates Durch Gesetz können die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierung ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu erlassen (Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG). Hinsichtlich dieser Rechtsverordnungen räumt Art. 80 Abs. 3 GG dem Bundesrat ein Initiativrecht ein. Inhalt, Voraussetzungen und Verfahren dieses Verordnungsinitiativrechts des Bundesrates sollen im Folgenden näher erläutert werden. 2.1. Inhalt Mit Art. 80 Abs. 3 GG wird dem Verfassungsorgan Bundesrat als Gesamtheit die Kompetenz eingeräumt , Vorlagen (d.h. beschlussreife Entwürfe) für den Erlass von Rechtsverordnungen, die seiner Zustimmung bedürfen, der Bundesregierung zuzuleiten. Der Bundesrat verfügt damit über ein mit der Regelung für Gesetzesvorlagen (Art. 76 Abs. 1 GG) vergleichbares Einbringungsrecht.1 Da ein solches formelles Recht ohne ein gleichzeitig auf seinen Gegenstand bezogenes materielles Recht sinnlos wäre, liegt dem Einbringungsrecht zugleich ein Vorschlagsrecht zugrunde. Es handelt sich also um ein Verordnungsinitiativrecht im weiteren Sinne. Zu betonen ist aber, dass die Bundesregierung oder der Bundesminister nicht aufgrund des Initiativrechts des Bundesrates gezwungen sind, sich dessen Vorlage zu eigen zu machen oder überhaupt eine Rechtsverordnung zu erlassen.2 Der Bundesregierung oder dem Bundesminister steht es vielmehr frei, auch eine vom Vorschlag des Bundesrates abweichende Rechtsverordnung zu erlassen oder vom Erlass einer Rechtsverordnung abzusehen. Etwas anderes kann lediglich gelten, wenn beispielsweise eine normative Verpflichtung für den Erlass der Rechtsverordnung besteht. Eine solche Verpflichtung bestünde jedoch unabhängig vom Verordnungsinitiativrecht des Bundesrates. Die Kompetenz für den Erlass einer Rechtsverordnung verbleibt bei der Bundesregierung oder dem zuständigen Bundesminister, so dass dem Bundesrat eine Funktion als originärer Verordnungsgeber nicht zukommt. 1 Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 80 Rn. 44, dort zum Folgenden. 2 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 80 Abs. 3 Rn. 110. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 038/17 Seite 4 2.2. Voraussetzungen Das Verordnungsinitiativrecht bezieht sich nach Art. 80 Abs. 3 GG auf Rechtsverordnungen, die der Zustimmung des Bundesrates bedürfen. Welche Rechtsverordnungen hierbei in Rede stehen, ergibt sich insbesondere aus Art. 80 Abs. 2 GG. In dem eingangs genannten Fall der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung (35. BImSchV) ergibt sich die Zustimmungspflicht aus der gesetzlichen Ermächtigung, auf deren Grundlage die Verordnung erlassen wurde, d.h. aus § 40 Abs. 3 S. 1 Bundes-Immissionsschutzgesetz.3 Danach bedarf die Rechtsverordnung, mit der die Bundesregierung umweltfreundliche Kraftfahrzeuge von Verkehrsverboten ausnehmen kann, der Zustimmung des Bundesrates. Ferner muss sich bei dem Gegenstand der Vorlage um einen beschlussreifen und ausformulierten Entwurf handeln, wobei erkennbar sein muss, dass dieser durch die Bundesregierung oder den zuständigen Bundesminister als Rechtsverordnung erlassen werden soll.4 Im Übrigen muss es sich um eine Materie handeln, die einer Regelung durch Rechtverordnung zugänglich ist. 2.3. Verfahren Die Regelung des Art. 80 Abs. 3 GG enthält keine ausdrücklichen Aussagen darüber, ob die Bundesregierung oder der zuständige Bundesminister als die in Frage kommenden Verordnungsgeber über die Vorlagen des Bundesrates in angemessener Frist Beschluss zu fassen haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Beschlussfassung über die Verordnungsinitiative des Bundesrates in das Belieben der Bundesregierung oder des zuständigen Bundesministers gestellt wäre. Die Pflicht der Bundesregierung oder des zuständigen Bundesministers, über die Verordnungsinitiative des Bundesrates in angemessener Frist zu beraten und zu beschließen, wird vielmehr von der herrschenden Meinung als selbstverständlich angesehen.5 Andernfalls würde das Verordnungsinitiativrecht leer laufen. Eine entsprechende Pflicht der Bundesregierung oder des zuständigen Bundesministers wird zudem aus dem Grundsatz der Verfassungsorgantreue abgeleitet.6 *** 3 Dieser Fall fällt unter die Variante des Art. 80 Abs. 2 GG, wonach sich die Zustimmungspflicht auch aus „anderweitiger bundesgesetzlicher Regelung“ ergeben kann. 4 Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 80 Abs. 3 Rn. 108. 5 Wallrabenstein, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 80 Rn. 62; Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 80 Rn. 47; Brenner, in: von Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2010, Art. 80 Abs. 3 Rn. 110; anderer Auffassung Hofmann, Die Ausgestaltung des Gesetzgebungsverfahrens nach der Reform des Grundgesetzes, NVwZ 1995, S. 134 (137). 6 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2015, Art. 80 Rn. 66, m.w.N.