© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 038/16 Zur Einrichtung eines Bundesbeauftragten für die Aufarbeitung/Bewältigung der Folgen kommunistischer Diktatur Möglichkeiten der Gestaltung des Amtes Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 2 Zur Einrichtung eines Bundesbeauftragten für die Aufarbeitung/Bewältigung der Folgen kommunistischer Diktatur Möglichkeiten der Gestaltung des Amtes Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 038/16 Abschluss der Arbeit: 16. Februar 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 3 1. Einleitung In Bezug auf die Einrichtung eines Bundesbeauftragten für die Aufarbeitung/Bewältigung der Folgen kommunistischer Diktatur (nachfolgend: BAkD), der das Amt des bisherigen Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) ablöst, stellt sich die Frage nach der konkreten Ausgestaltung dieses Amtes in Bezug auf die Wahl, Finanzierung und Rechtsstellung. Ausgehend von den Grundlagen des Beauftragtenstatus (2.), dem bisherigen Amt des BStU sowie dem entsprechenden Landesbeauftragtenwesen (3.) soll in der nachfolgenden Darstellung auf Möglichkeiten der Ausgestaltung eines BAkD eingegangen werden (4.). Hierbei wird insbesondere auch darauf eingegangen, ob bei einer Wahl durch den Bundestag ein Vorschlagsrecht definiert werden muss, aus welchem Etat der BAkD bei einer Wahl durch den Deutschen Bundestag und der dortigen Ansiedelung des Amtes finanziert werden sollte und wer die Rechtsaufsicht über den BAkD ausübt. 2. Grundlagen des Beauftragtenstatus Eine abschließende Definition des Beauftragten auf Bundesebene gibt es bislang nicht.1 Es existiert lediglich die Vorgabe des § 21 Abs. 3 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO), beim Bundesministerium des Innern eine Liste über die Beauftragten der Bundesregierung, die Bundesbeauftragten sowie die Koordinatorinnen und Koordinatoren der Bundesregierung zu führen.2 Status, Aufgaben und Berufung der einzelnen Beauftragten sowie die Fach-, Dienst- und Rechtsaufsicht unterliegen keinen einheitlichen Maßstäben, sondern sind sehr unterschiedlich geregelt.3 1 Vgl. Kruse Der öffentlich-rechtliche Beauftragte, 2007, S. 32, 34 f., 42 ff.; vgl. auch Franke-Wöller, Die Einführung eines Kinderrechtsbeauftragten in Deutschland nach polnischem Vorbild, 2009, S. 350 f. 2 Abrufbar unter http://www.intranet.bund.de/SharedDocs/Publikationen/Organisation/AfO/Uebersicht-der-Beauftragten -der-Bundesregierung_barrfrei.pdf?__blob=publicationFile&v=3 (Stand: 2. Februar 2016, zuletzt abgerufen am 16. Februar 2016). 3 Busse, in: Friauf/Höfling (Hrsg.), Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, Art. 32-82, 48. EL 2015, Stand der Bearbeitung: 33. EL 2011, Art. 62 Rn. 10; vgl. Tettinger, Die Beauftragten, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band V, Rechtsquellen, Organisation, Finanzen, 3. Aufl. 2007, § 111 Rn. 2; siehe zu Einzelheiten in Bezug auf einzelne Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung (WD 3 - 3000 - 331/10); BT-Drucks. 16/6785. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 4 Unterschieden werden können die Beauftragten insbesondere nach ihrer funktionellen Zuordnung4 zu den einzelnen Staatsgewalten und ihren Organen.5 Hintergrund dieser Differenzierung ist, ob die Beauftragten der Legislative zuarbeiten und diese bei ihrer Arbeit unterstützen oder ob sie eher exekutive Aufgaben wahrnehmen und in die dortige Organisation eingegliedert sind.6 Für die erstgenannte Gruppe wird hier der Begriff Parlamentsbeauftragte gewählt; die zweite Gruppe wird nachfolgend als Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung bezeichnet.7 Parlamentsbeauftragte auf Bundesebene werden, soweit ersichtlich, stets durch die Verfassung oder durch ein Gesetz eingerichtet und vom Bundestag – oder einem Unterorgan8 – gewählt. Bundesbeauftragte und Beauftragte der Bundesregierung üben ihre Tätigkeit hingegen auf Basis verschiedener Formen von Rechtsgrundlagen9 – teilweise gesetzlich verankert10 – aus und werden auf unterschiedliche Arten bestimmt, mitunter auch durch eine Wahl durch den Bundestag.11 Die Rechtsgrundlage und die Art der Berufung sind daher keine alleine hinreichenden Abgrenzungskriterien für die funktionelle Zuordnung zum Parlament oder der Exekutive, können aber wohl indizielle Wirkung für diese entfalten.12 Maßgeblicher Gesichtspunkt ist vielmehr die Zuordnung der jeweils ausgeübten Tätigkeit zu den Aufgaben der Staatsorgane.13 Zu beachten ist insoweit, 4 Zu weiteren Möglichkeiten der Differenzierung siehe nur Kruse (Fn. 1), S. 80 ff.; v. Pfuhlstein, Über die Institution des Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung, Anhang: Über die Einsetzung von Staatsbeauftragten , in: Schiffer/Karehnke, Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle, Festschrift für Hans Schäfer, 1975, S. 405 (407 ff.). 5 Siehe Kruse (Fn. 1), 84 ff.; vgl. dazu Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 46 ff.; vgl. dazu auch Seibert, Zivilbeauftragte in Deutschland, 1970, S. 42 ff. 6 Vgl. Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 46, 48 f.; vgl. Seibert (Fn. 5), S. 2. 7 So auch mit weiteren Nuancen Kruse (Fn. 1), S. 84 f. 8 So z. B. der Ermittlungsbeauftragte durch den Untersuchungsausschuss gemäß § 10 Abs. 2 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) vom 19. Juni 2001 (BGBl. I S. 1142), das zuletzt durch Art. 4 Absatz 1 des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718) geändert worden ist. 9 Siehe dazu die Liste der Beauftragten der Bundesregierung, der Bundesbeauftragten sowie der Koordinatoren/Koordinatorinnen der Bundesregierung nach § 21 Abs. 3 GGO in Fn. 2. 10 Siehe bspw. §§ 92 ff. Aufenthaltsgesetz; §§ 35 ff. Stasi-Unterlagen-Gesetz. 11 Siehe bspw. § 35 Abs. 2 Satz 1 Stasi-Unterlagen-Gesetz; zur Zuordnung des BStU trotzdem zur Exekutive siehe nur Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 48. 12 Vgl. dazu und zu weiteren Indizien in Bezug auf den Bundesbeauftragten für Datenschutz Kruse (Fn. 1), S. 216 f. 13 Vgl. in diese Richtung Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 46, 48; vgl. Seibert (Fn. 5), S. 2; vgl. auch Kruse (Fn. 1), S. 216 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 5 dass ein der jeweiligen Gewalt zugeordneter Beauftragter keine Kompetenzen ausüben darf, die in den (Kern-)Bereich einer anderen Gewalt fallen.14 3. Bisherige Formen der Ausgestaltung 3.1. Ausgestaltung des BStU Das Amt des BStU beruht auf dem Stasi-Unterlagen-Gesetz (StUG)15 und ist stark am Vorbild des Bundesbeauftragten für Datenschutz orientiert.16 Gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 StUG wird der BStU auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundestag mit der Mitgliedermehrheit für fünf Jahre gewählt. Eine einmalige Wiederwahl ist nach § 35 Abs. 4 Satz 2 StUG zulässig. Der BStU ist trotz der Wahl durch den Bundestag kein Parlamentsorgan,17 sondern funktionell der Exekutive zuzuordnen.18 Dies schlägt sich auch organisatorisch nieder, da er gemäß § 35 Abs. 1 StUG eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich der für Kultur und Medien zuständigen obersten Bundesbehörde – dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) – ist. Finanziert wird der BStU aus dem Etat des Bundeskanzleramtes (Einzelplan 04).19 Die Rechtsaufsicht über den BStU nimmt die Bundesregierung wahr (§ 35 Abs. 5 Satz 3 StUG); die Dienstaufsicht führt der BKM (§ 35 Abs. 5 Satz 4 StUG). Der BStU ist in der Ausübung seines Amtes unabhängig (§ 35 Abs. 5 Satz 2 StUG) und unterliegt keiner Fachaufsicht.20 Die direkte Wahl durch den Bundestag trotz der Zuordnung zur Exekutive beruht auf der Erwägung, dass der Legitimationsakt der Wahl seine Position „vor dem Hintergrund seiner delikaten Aufgabenstellung 14 Vgl. Franke-Wöller (Fn. 1), S. 355; vgl. Seibert (Fn. 5), S. 2, 57; vgl. in eine solche Richtung tendenziell auch Kruse (Fn. 1), S. 102, 210,, 215 f., sowie Fuchs, „Beauftragte“ in der öffentlichen Verwaltung, 1985, S. 85, und Redeker, Notwendigkeit und rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten von Parlamentsbeauftragten in Deutschland, NJW 1967, 1297 (1299); diese Trennung gilt überdies auch vertikal: So dürfen auch Beauftragte auf Bundesebene nicht im Bereich von Landeskompetenzen tätig werden, siehe nur Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 51. 15 Stasi-Unterlagen-Gesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Februar 2007 (BGBl. I S. 162), zuletzt geändert durch Art. 4 Absatz 40 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl. I S. 3154). 16 Engel, Die rechtliche Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen auf der Grundlage des StUG, 1995, S. 129; Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (Fn. 3), S. 18. 17 Engel (Fn. 16), S. 127, 188 f. 18 Engel (Fn. 16), S. 127, 188 f.; Kruse (Fn. 1), S. 242; Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 48. 19 Kapitel 0455, siehe Bundeshaushaltsplan 2016, abzurufen unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/Content /DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Bundeshaushalt/Bundeshaushalt _2016/2016_01_01_HH2016_download.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (letzter Aufruf: 16.02.2016). 20 Stoltenberg/Bossack, Stasi-Unterlagen-Gesetz, 2012, § 35 Rn. 5. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 6 […] stärken sollte.“21 Er ist aufgrund der exekutiven Aufhängung aber kein Parlamentsbeauftragter im hiesigen Sinne.22 3.2. Ausgestaltungen auf Landesebene Auf Landesebene haben die Länder Berlin, Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen in Umsetzung des § 38 StUG Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR (LStU) eingerichtet, die in Einrichtung, Struktur und Berufung im Wesentlichen dem Amt des BStU entsprechen. Auch der LStU des Landes Sachsen-Anhalt ist aufsichtsrechtlich ebenso wie in Bezug auf den Haushalt der Landesregierung – nämlich dem Ministerium der Justiz- zugeordnet und wird vom dortigen Landtag gewählt, § 3 Abs. 1 des Ausführungsgesetzes zum Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR23. Anders als für den BStU ist ein Vorschlagsrecht der Regierung in Sachsen-Anhalt aber nicht normiert. Darüber hinaus existieren in Brandenburg und Thüringen Beauftragte im Bereich der Aufarbeitung von in der DDR begangenem Unrecht, die nachfolgend näher beleuchtet werden, da sie unmittelbar dem jeweiligen Landtag zugeordnet sind und daher Anhaltspunkte für eine denkbare Ausgestaltung des BAkD als echtem Parlamentsbeauftragtem geben können. 3.2.1. Landesbeauftragte zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur des Landes Brandenburg Das Land Brandenburg hat einen Landesbeauftragten zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur (LAkD) eingerichtet. Rechtsgrundlage ist das Brandenburgische Aufarbeitungsbeauftragtengesetz (BbgAufarbBG)24. Unter die Aufgaben des LAkD fallen nach § 2 BbgAufarbBG vor allem die folgenden Tätigkeiten: – Die Beratung von Menschen, die von der Verfolgung zur Zeit der sowjetischen Besatzungszone und der DDR unmittelbar und mittelbar betroffen sind, sowie die Vermittlung psychosozialer Betreuung; 21 Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 12, siehe dazu auch nochmal Rn. 48. 22 Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 12, 48 dort wird er auch als „unechter Parlamentsbeauftragter“ bezeichnet. 23 Ausführungsgesetz zum Gesetz über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik vom 18. August 1993, verkündet als Art. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes über die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik und zur Änderung des Landesbesoldungsgesetzes vom 18. August 1993 (GVBl. 1993 Sachsen Anhalt, S. 433). 24 Gesetz über den Beauftragten des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur vom 7. Juli 2009 (GVBl. I Brandenburg, Nr. 9 v. 10. Juli 2009, S.190), zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. Juni 2012 (GVBl. I Brandenburg, Nr. 24 v. 25. Juni 2012) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 7 – die Wahrnehmung der Aufgaben gemäß § 38 Abs. 1, 3 StUG für das Land Brandenburg; – die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Wirkungsweisen diktatorischer Herrschaftsformen; – die Beratung der öffentlichen Stellen des Landes. Der LAkD wird vom Landtag mit der Mitgliedermehrheit für eine Amtszeit von sechs Jahren gewählt, § 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 BbgAufarbBG. Nach § 5 Abs. 4 Satz 4 BbgAufarbBG ist eine einmalige Wiederwahl zulässig. Das Amt des Landesbeauftragten wird bei dem Präsidenten des Landtages Brandenburg eingerichtet (§ 5 Abs. 5 Satz 1 BbgAufarbBG). Der Landesbeauftragte ist in Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (§ 5 Abs. 5 Satz 2 BbgAufarbBG). Er untersteht der Dienst- und Rechtsaufsicht des Landtagspräsidenten, soweit seine Unabhängigkeit dadurch nicht beeinträchtigt wird (§ 5 Abs. 5 Satz 3 BbgAufarbBG).25 Für die Erfüllung der Aufgaben ist die notwendige Personal- und Sachausstattung zur Verfügung zu stellen; die Mittel sind im Einzelplan des Landtages in einem gesonderten Kapitel auszuweisen (§ 5 Abs. 6 Satz 1 BbgAufarbBG). Die Ermächtigung zur Wahl eines dem Landtag direkt zugeordneten Beauftragten ergibt sich dabei aus Art. 74 Abs. 2 der Verfassung des Landes Brandenburg (BbgVerf). Demnach kann der Landtag neben dem Landesbeauftragten für Datenschutz nach Art. 74 Abs. 1 BbgVerf weitere Beauftragte wählen, die durch Gesetz einzurichten sind (Art. 74 Abs. 3 BbgVerf).26 Diese Beauftragten sind – genau wie der Landesbeauftragte für Datenschutz, vgl. Art. 74 Abs. 1 BbgVerf – ebenfalls beim Präsidenten des Landtags angesiedelt.27 Der Landtag ist in der Ausgestaltung der Beauftragten grundsätzlich frei, darf allerdings nicht in die verfassungsmäßigen Rechte eines anderen Verfassungsorgans eingreifen.28 3.2.2. Landesbeauftragter des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur Die Grundlage für den Landesbeauftragten des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der SED- Diktatur (Landesbeauftragter SED-Diktatur) ist das Thüringer Aufarbeitungsbeauftragtengesetz 25 Darüber hinaus ist ausnahmsweise für die nach § 2a BbgAufarbBG dem LAkD zugewiesene Aufgabe als regionale Anlauf- und Beratungsstelle für ehemalige Heimkinder in der DDR, denen Unrecht und Leid während ihrer Heimunterbringung zugefügt wurden, eine Dienst- und Rechtsaufsicht des für Jugend zuständigen Ministeriums des Landes Brandenburg vorgesehen, § 5 Abs. 5 Satz 4 BbgAufarbBG. §§ 2a, 5 Abs. 5 Satz 4 BbgAufarbBG treten allerdings gemäß § 8 BbgAufarbBG am 30. Juni 2017 außer Kraft. 26 Lieber/Iwers/Ernst, Praxis der Kommunalverwaltung, Verfassung des Landes Brandenburg, Band A 3 Br, Lv Bbg, Stand der Bearbeitung: April 2012, Art. 74, S. 472. 27 Lieber/Iwers/Ernst (Fn. 26), Art. 74, S. 472. 28 Lieber/Iwers/Ernst (Fn. 26), Art. 74, S. 472. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 8 (ThürAufarbBG)29. Der Landesbeauftragte SED-Diktatur hat insbesondere die folgenden Aufgaben (§ 3 ThürAufarbBG): – Die Beratung von Menschen, die von der Verfolgung zur Zeit der sowjetischen Besatzungszone sowie der DDR unmittelbar oder mittelbar betroffen sind, insbesondere über die Rechte nach dem Strafrechtlichen, Beruflichen und Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und jeweiligen Folgeansprüchen; – die Wahrnehmung der Aufgaben gemäß § 38 StUG für das Land Thüringen; – die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Wirkungsweisen diktatorischer Herrschaftsformen; – die Unterstützung von Opferverbänden, Haftgedenkstätten, Grenzlandmuseen und die Zusammenarbeit mit anderen Institutionen des Landes, die der Aufarbeitung der SED-Diktatur dienen. Gewählt wird der Landesbeauftragte SED-Diktatur unmittelbar vom Landtag mit der Mitgliedermehrheit auf Vorschlag der im Landtag vertretenen Fraktionen, die jeweils nur einen Kandidaten vorschlagen können, für die Dauer von fünf Jahren (§§ 4 Abs. 2, 5 Abs. 2 Satz 1 ThürAufarbBG). Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig (§ 5 Abs. 2 Satz 2 ThürAufarbBG). Der Landesbeauftragte SED-Diktatur ist eine Einrichtung beim Landtag selbst (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ThürAufarbBG). Eine ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung speziell zur Einrichtung dieses Beauftragten ist in der Landesverfassung Thüringen nicht ersichtlich. Der Landesbeauftragte SED-Diktatur ist in der Ausübung seines Amtes unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen (§ 6 Abs. 1 Satz 2 ThürAufarbBG). Er untersteht der Rechts- und Dienstaufsicht des Präsidenten des Landtags, sofern seine Unabhängigkeit dadurch nicht beeinträchtigt wird (§ 6 Abs. 1 Satz 1 ThürAufarbBG). Zur Erfüllung seiner Aufgaben erhält der Landesbeauftragte SED-Diktatur eine angemessene Personal- und Sachausstattung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 ThürAufarbBG). Die Mittel sind im Einzelplan des Landtags in einem gesonderten Kapitel auszuweisen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 ThürAufarbBG). 4. Die Einrichtung des BAkD Nachfolgend werden zwei Modelle der Amtsgestaltung in ihren grundsätzlichen Formen aufgezeigt . Denkbar ist, auch unter Berücksichtigung des bisherigen Beauftragtenwesens auf Bundes- und Landesebene, prinzipiell, den BAkD als Parlamentsbeauftragten oder als Beauftragten der Bundesregierung oder Bundesbeauftragten einzurichten. 29 Gesetz über den Beauftragten des Freistaats Thüringen zur Aufarbeitung der SED-Diktatur vom 3. Juli 2013 (GVBl. 2013 Thüringen, S. 158 ff.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 9 4.1. Einrichtung des BAkD als Parlamentsbeauftragter beim Bundestag Von den Parlamentsbeauftragten wird nur der Wehrbeauftragte im Grundgesetz (GG) genannt,30 Art. 45b GG. Dieser ist Hilfsorgan des Bundestages (Art. 45b Satz 1 GG) und damit der legislativen Gewalt zuzuordnen.31 Die Berufung weiterer Parlamentsbeauftragter wird – wohl auch ohne Verfassungsänderung – grundsätzlich als zulässig erachtet,32 wobei nicht abschließend geklärt ist, ob sie ebenfalls nur als Hilfsorgane des Bundestages – als den Bundestag bei seinen Aufgaben unterstützende Organisationseinheiten definiert –33 berufen werden können.34 Dementsprechend könnte der BAkD prinzipiell direkt als Parlamentsbeauftragter beim Bundestag angesiedelt werden, jedenfalls sofern er im Rahmen der Organkompetenzen des Bundestages agierte. Das wäre insbesondere bei einer die Exekutive kontrollierenden Tätigkeit der Fall.35 Einem Hilfsorgan des Parlaments können in diesem Zusammenhang nur die Rechte zustehen, die auch das Parlament selbst hat.36 Grundlage für eine solche Einrichtung müsste dabei entweder das GG oder jedenfalls ein einfaches Gesetz sein,37 wobei Äußerungen in der Literatur für Hilfsorgane des Bundestages grundsätzlich sogar eine verfassungsrechtliche Ermächtigung für „angebracht“ halten.38 Unzulässig dürfte es jedenfalls sein, dem BAkD bei einer Zuordnung zum Bundestag (originär) exekutive Tätigkeiten zu übertragen oder ihn als einen „freischwebenden Beauftragten zwischen den Staatsfunktionen“39 zu einzurichten,40 da dem der Grundsatz der Gewaltenteilung aus Art. 20 30 Schmidt-Radefeldt, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar zum Grundgesetz, 25. Aufl. 2015, Art. 45b Rn. 1; Kruse (Fn. 1), S. 186 f., 196. 31 Krings, in: Friauf/Höfling, Berliner Kommentar zum Grundgesetz, Band 3, Art. 32-82, 48. EL 2015, Stand der Bearbeitung : 27. EL 2009, Art. 45b Rn. 12 f.; Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 6, 46. 32 Seibert (Fn. 5), passim; vgl. Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 8, 46, der insoweit den Ermittlungsbeauftragten nach § 10 des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages nennt und auch in diesem ein Hilfsorgan des Parlaments sieht; vgl. Kruse (Fn. 1), S. 84, 196, die im Wehrbeauftragten den „Prototypen des Parlamentsbeauftragten sieht und ausführt, es gebe im Bereich der ersten Gewalt „nur Beauftragte für den Bereich der parlamentarischen Kontrolle“, was schon durch die Auswahl des Plurals impliziert, dass es noch weitere geben kann; vgl. auch Redeker (Fn. 14), 1297 ff. 33 Klein, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Band 4, Art. 23-53a, 75. EL 2015, Stand der Bearbeitung: 73. EL 2014, Art. 45b Rn. 16. 34 In diese Richtung wohl Franke-Wöller (Fn. 1), S. 374 und die allgemeinen Fundstellen in Fn. 14. 35 Siehe dazu Franke-Wöller (Fn. 1), S. 372. 36 Franke-Wöller (Fn. 1), S. 372. 37 In diese Richtung auch Franke-Wöller (Fn. 1), S. 374, 376. 38 Franke-Wöller (Fn. 1), S. 374. 39 Siehe dazu Kruse (Fn. 1), S. 102. 40 Vgl. auch Franke-Wöller (Fn. 1), S. 350. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 10 Abs. 3 GG entgegenstünde. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass der bisherige BStU als funktionell der Exekutive zugehörig angesehen wird,41 was teils auch auf seine Tätigkeiten zurückgeführt wird.42 Für die grundsätzliche Möglichkeit, den BAkD beim Bundestag direkt anzusiedeln, lässt sich hingegen die Tatsache anführen, dass zwei Bundesländer einen ähnlichen Beauftragten – einmal aufgrund eines durch die Landesverfassung legitimierten Gesetzes – direkt bei den jeweiligen Landtagen eingerichtet haben (siehe 3.2.1, 3.2.2). Bei einer Einrichtung des BAkD beim Bundestag müsste dieser prinzipiell vom Bundestag gewählt werden.43 Vorbild könnte insoweit die Wahl des Wehrbeauftragten als „Parlamentsbeauftragtem in Reinform“44 mit der Mitgliedermehrheit des Bundestages sein, § 14 Abs. 2 Satz 1 Wehrbeauftragtengesetz (WBeauftrG)45. Es ist dabei nicht ersichtlich, dass der Bundesregierung ein Vorschlagsrecht zustehen müsste.46 Beim Wehrbeauftragten ist kein solches normiert. Vorschlagsberechtigt sind diesbezüglich vielmehr der Verteidigungsausschuss, die Fraktionen und so viele Abgeordnete, wie nach der Geschäftsordnung der Stärke einer Fraktion entsprechen (§ 13 Satz 2 WBeauftrG). Auf Landesebene wird bei vergleichbaren Positionen in einem Fall den Landtagsfraktionen ein Vorschlagsrecht eingeräumt (siehe 3.2.2, § 4 Abs. 2 ThürAufarbBG). Der Etat des BAkD in Gestalt eines Parlamentsbeauftragten müsste in den Haushalt des Bundestages aufgenommen werden. Vergleichbar ist es bei bisherigen Parlamentsbeauftragten auf Bundes- und Landesebene geregelt: Der Etat des Wehrbeauftragten ist in einem eigenen Kapitel des Einzelplans des Bundestages auszuweisen.47 Auf Landesebene werden die Sach- und Personalmittel bei den besonderen Beauftragten zur Aufarbeitung des Unrechts unter dem SED-Regime als eigenes Kapitel in den Haushalt des jeweiligen Landtags aufgenommen (siehe 3.2.1, 3.2.2). Bezüglich der Dienst- und Rechtsaufsicht wäre es unzulässig, diese bei einem Status als Parlamentsbeauftragtem der Exekutive zu übertragen.48 Auf Landesebene werden diese Formen der 41 Tettinger (Fn. 3), § 111 Rn. 48; siehe nur Engel (Fn. 16), S. 188 f. 42 Knapp auf die Verwaltung der Unterlagen und die Entscheidung über den Zugang zu ihnen bezugnehmend Engel (Fn. 16), S. 127. 43 Vgl. Seibert (Fn. 5), S. 163. 44 Kruse (Fn. 1), S. 84 45 Gesetz zu Art. 45b des Grundgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Juni 1982 (BGBl. I S. 677), das zuletzt durch Art. 15 Absatz 68 des Gesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160) geändert worden ist. 46 Vgl. in diese Richtung – mangels Erwähnung eines solchen Rechts – wohl auch Franke-Wöller (Fn. 1), S. 380; ob es gänzlich unzulässig wäre, ihr jedenfalls auch ein Vorschlagsrecht zuzugestehen, lässt sich nicht abschließend beantworten – eine generelle Mitwirkung bei der Berufung, wobei den Ausführungen die Konstellation zugrunde liegt, dass der Bundestag einen Beauftragten wählt, hält wohl Kruse (Fn. 1), S. 215, für zulässig. 47 Klein (Fn. 33), Art. 45b Rn. 88. 48 Vgl. Engel (Fn. 16), S. 188; vgl. in diese Richtung Seibert (Fn. 5), S. 144: „Es muß jedoch verhindert werden, daß neben dem Parlament selbst noch andere Instanzen Einfluß auf das Amt erlangen.“ Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 11 Aufsicht beim Landtagspräsidenten verankert (siehe 3.2.1, 3.2.2). Der Wehrbeauftragte des Bundes selbst unterliegt keiner Disziplinargewalt49 und steht insoweit – wie die Mitglieder der Bundesregierung und die Parlamentarischen Staatssekretäre – in einem speziellen „öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis“.50 Seine Kontrolle erfolgt nur parlamentarisch.51 Gemäß § 7 Abs. 5 Geschäftsordnung des Bundestages (GO BT) ist der Präsident des Deutschen Bundestages aber oberste Dienstbehörde für die dem Wehrbeauftragten beigegebenen Beschäftigten.52 Der Direktor beim Bundestag ist in dienstrechtlicher Hinsicht ihr unmittelbarer Vorgesetzter.53 Seibert äußert insgesamt Zweifel daran, ob eine Dienstaufsicht durch den Parlamentspräsidenten angesichts der möglicherweise angedachten Unabhängigkeit von Beauftragten sinnvoll ist,54 ohne sie zwingend als unzulässig zu verwerfen. Seines Erachtens reicht die Möglichkeit der Abwahl insoweit aus.55 Kruse führt allgemein aus, dass einer Verselbstständigung der Beauftragten durch die Normierung einer Rechtsaufsicht entgegengewirkt werden solle.56 Seinen Sitz müsste der BAkD im Falle der Ansiedelung beim Bundestag nach einer Äußerung in der Literatur wohl auch bei diesem haben.57 In der Praxis ist dies nach § 16 Abs. 2 WBeauftrG beim Wehrbeauftragten auch der Fall. 4.2. Einrichtung des BAkD als Bundesbeauftragter/Beauftragter der Regierung Es sind verschiedene Konstruktionen der exekutiven Ansiedelung denkbar. So könnte der BAkD bei der Bundesregierung oder einem einzelnen Fachressort oder selbst als oberste Bundesbehörde eingerichtet werden.58 Wie der BStU könnte der BAkD auch als Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich einer obersten Bundesbehörde geführt werden. Eine Wahl durch den Bundestag wäre – wie beim bisherigen BStU - bei exekutiver Verortung zweifellos zulässig und führte aber nicht automatisch dazu, dass der BAkD Parlamentsbeauftragter 49 Kruse (Fn. 1), S. 195; vgl. Franke-Wöller (Fn. 1), S. 377. 50 Hernekamp, in: von Münch/Mager, Grundgesetz, Kommentar, Band 1, Präambel bis Art. 69, 6. Aufl. 2012, Art. 45b Rn. 12; Franke-Wöller (Fn. 1), S. 377. 51 Siehe Kruse (Fn. 1), S. 195; vgl. Franke-Wöller (Fn. 1), S. 377. 52 Krings (Fn. 31), Art. 45b Rn. 37. 53 Krings (Fn. 31), Art. 45b Rn. 37. 54 Seibert (Fn. 5), S. 143, 150 f. 55 Seibert (Fn. 5), S. 150 f. 56 Kruse (Fn. 1), S. 102. 57 Vgl. Engel (Fn. 16), S. 188. 58 Vgl. allgemein zu den Ausgestaltungsmöglichkeiten Franke-Wöller (Fn. 1), S. 359 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 038/16 Seite 12 wäre.59 Ein weiterer vergleichbarer Fall eines Bundesbeauftragten, der vom Bundestag gewählt wird und trotzdem der Exekutive zuzuordnen ist, ist der Bundesdatenschutzbeauftragte (§ 22 Abs. 1 Satz 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)60).61 Bisher in der Literatur unbeantwortet ist die Frage, ob in diesem Falle ein Vorschlagsrecht der Bundesregierung zwingend vorzusehen wäre. Zumindest wäre es mit Blick auf die Ansiedelung bei der Exekutive jedoch naheliegend und wird in der Praxis – zum Beispiel beim BStU (siehe 3.1) und beim Bundesdatenschutzbeauftragten (§ 22 Abs. 1 Satz 1 BDSG) – auch umgesetzt. Als Beauftragter der Exekutive könnte der BAkD – je nach Ausgestaltung – der Rechts- und Dienstaufsicht der Bundesregierung bzw. eines einzelnen Ressorts unterworfen werden. Gegebenenfalls ließe er sich außerdem – vergleichbar dem Bundesdatenschutzbeauftragten (§ 22 Abs. 5 Satz 1 BDSG) – als oberste Bundesbehörde ohne eine gesonderte Aufsicht einrichten. Hinsichtlich des Etats könnte der BAkD – je nach Ausgestaltung – bei den einzelnen exekutiven Haushaltspositionen angesiedelt werden oder einen komplett eigenen Etat erhalten. Ende der Bearbeitung 59 Kruse (Fn. 1), S. 215; Engel (Fn. 16), S. 128; siehe dazu auch die Darstellung unter 2. 60 Bundesdatenschutzgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Januar 2003 (BGBl. I S. 66), das zuletzt durch Art. 1 des Gesetzes vom 25. Februar 2015 (BGBl. I S. 162) geändert worden ist 61 Zur Zuordnung auch des Bundesdatenschutzbeauftragten zur Exekutive siehe Kruse (Fn. 1), S. 216 ff. m. w. N.