© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 037/15 Inanspruchnahme privaten Wohnraums zur Unterbringung von Asylbewerbern Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 037/15 Seite 2 Inanspruchnahme privaten Wohnraums zur Unterbringung von Asylbewerbern Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 037/15 Abschluss der Arbeit: 11. Februar 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 037/15 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird nach den Voraussetzungen, unter denen privater Wohnraum zur Unterbringung obdachloser oder von Obdachlosigkeit bedrohter Asylbewerber in Anspruch genommen werden kann. 2. Inanspruchnahme von Wohnraum nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstandes Da der Eigentümer des betroffenen Wohnraums kein Störer im polizeirechtlichen Sinne ist („Nichtstörer“), kommt seine Inanspruchnahme nur unter den Voraussetzungen des sog. polizeilichen Notstandes in Betracht, der in dem Polizei- und Ordnungsrecht der Länder geregelt ist. Trotz unterschiedlicher Formulierungen in den Landesregelungen lassen sich im Wesentlichen folgende Voraussetzungen für ein entsprechendes Eingreifen der Ordnungsbehörden festhalten: Zunächst muss eine gegenwärtige erhebliche Störung oder Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu beseitigen sein. Es ist allgemein anerkannt, dass unfreiwillige Obdachlosigkeit als Störung der öffentlichen Sicherheit zu bewerten ist (vgl. Blank, in: Schmidt-Futterer, Mietrecht, 11. Aufl. 2013, Vorbem. zu § 535 BGB, Rn. 161). Weiter setzt eine Inanspruchnahme nach den Grundsätzen des polizeilichen Notstandes voraus, dass Maßnahmen gegen die an sich polizeirechtlich Verantwortlichen nicht oder nicht rechtzeitig möglich sind oder keinen Erfolg versprechen. Polizeirechtlich verantwortlich für die Obdachlosigkeit sind im vorliegenden Fall die Asylbewerber. (Die Qualifikation als Störer erfolgt im Polizeirecht ohne Rücksicht auf ein Verschulden.) Diese dürfen nicht in der Lage sein, sich selbst eine Unterkunft zu beschaffen. Erforderlich ist außerdem, dass die Ordnungsbehörden die Gefahr nicht oder nicht rechtzeitig entweder selbst oder durch Beauftragte abwehren kann. Das bedeutet, dass eine Inanspruchnahme von privatem Wohnraum erst nach Erschöpfung aller anderen Möglichkeiten (z.B. Unterbringung in einer städtischen Notunterkunft, Anmietung angemessener Hotelzimmer usw.) in Betracht kommt. Darüber hinaus ist eine Inanspruchnahme eines Nichtstörers nur zulässig, wenn die in Anspruch zu Nehmenden ihrer Verpflichtung ohne erhebliche eigene Gefährdung und ohne Verletzung eigener höherwertiger Pflichten nachkommen können. Schließlich muss der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als allgemeine Schranke für jede ordnungsbehördliche Maßnahme eingehalten werden. Die Inanspruchnahme privaten Wohnraums zur Unterbringung obdachloser Asylbewerber darf nicht zu einer Beeinträchtigung des Wohnungseigentümers führen, die zu dem beabsichtigen Erfolg in einem offenbaren Missverhältnis steht. Dabei ist eine Abwägung zwischen den Grundrechten der betroffenen Asylbewerber (Art. 2 Abs. 2 S. 1 Grundgesetz: Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit) und des Vermieters (Art. 14 Grundgesetz : Recht auf Verfügung über das Eigentum) vorzunehmen. Hieraus folgt auch, dass die Inanspruchnahme privaten Wohnraums keine Dauerlösung sein kann. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 037/15 Seite 4 3. Weiterführende Literatur Denninger, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage 2012, D Rn. 138 ff., 151 f. Ewer, Ausgewählte Rechtsfragen bei der Beschlagnahme von Wohnraum zur Obdachloseneinweisung , NJW 1993, S. 353 ff.