© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 036/21 Zum staatlichen Einsatz von Drohnen bei Versammlungen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 2 Zum staatlichen Einsatz von Drohnen bei Versammlungen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 036/21 Abschluss der Arbeit: 26. Februar 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 3 1. Einleitung 4 2. Rechtsprechung 4 3. Befugnisnormen 7 3.1. Versammlungsgesetz des Bundes (VersG) 8 3.2. Landesrechtliche Regelungen 9 4. Umgang mit Bild- und Tonaufnahmen 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 4 1. Einleitung Durch unbemannte Luftfahrtsysteme im Sinne von § 1 Abs. 2 Satz 3 des Luftverkehrsgesetzes1 (im Folgenden: Drohnen) kann im Vergleich zu Hubschraubern ein erheblicher Mobilitätsgewinn der Polizei erreicht werden.2 Drohnen werden derzeit von mehreren Bundesländern sowie dem Bund in verschiedenen Einsatzbereichen erprobt.3 Diese Ausarbeitung gibt einen Überblick über Rechtsprechung, die für einen Einsatz von Kameradrohnen im Rahmen von Versammlungen von Bedeutung sein kann, beleuchtet in Betracht kommende Befugnisnormen und widmet sich schließlich der Frage, wie mit den Bild- und Tonaufnahmen hinsichtlich ihrer Speicherdauer umzugehen ist. 2. Rechtsprechung Gerichtsurteile zu staatlichen Drohneneinsätzen im Rahmen von Versammlungen sind in der Bundesrepublik Deutschland – soweit ersichtlich – noch nicht existent. Auch außerhalb des versammlungsrechtlichen Kontextes fehlt es weitestgehend an Judikatur zu polizeilichen oder ordnungsbehördlichen Einsätzen von Drohnen. Das Verwaltungsgericht Sigmaringen befand in einer jüngsten Entscheidung4 den polizeilichen Einsatz von Kameradrohnen anlässlich eines Fußballspiels für rechtswidrig, weil die Bildübertragungen und -aufzeichnungen nicht offenkundig waren und den Anforderungen an die Hinweispflicht der Ermächtigungsgrundlage nicht genügt wurde. Es konnte nach Auffassung des Gerichts deshalb dahinstehen, ob der baden-württembergische Landesgesetzgeber mit seiner polizeirechtlichen Befugnisnorm über Bild- und Tonaufzeichnungen5 auch hinsichtlich des Einsatzes von Drohnen dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung hinreichend Rechnung trug, oder ob es hierfür einer spezielleren Regelung bedürfte, die den Einsatz von Drohnen ausdrücklich regelt.6 1 Luftverkehrsgesetz (LuftVG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10.5.2007 (BGBl. I S. 698), das zuletzt durch Artikel 340 der Verordnung vom 19.6.2020 (BGBl. I S. 1328) geändert worden ist. https://www.gesetzeim -internet.de/luftvg/LuftVG.pdf. 2 Müller-ter Jung, Marco/Rexin, Lewin (2019). Datenschutz beim polizeilichen Drohneneinsatz. Die paradoxen Hürden polizeilicher Überwachung durch Drohnen. Computer und Recht, Band 35, Heft 10, 643 (644). 3 Skobel, Eva Katharina (2018). Unter den fliegenden Augen der Polizei – eine grundrechtliche Betrachtung des polizeilichen Drohneneinsatzes. Die POLIZEI 9/2018, 252 (252) m.w.N. Vgl. beispielshaft den Polizei-Aufgaben- Runderlass NRW vom 28.10.2020, wonach das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste für die Koordinierung polizeilich genutzter unbemannter Luftfahrtsysteme zuständig ist (3.1.3. e). 4 VG Sigmaringen, Urteil vom 20.10.2020, 14 K 7613/18, zitiert nach juris – Rn. 55. 5 § 21 Polizeigesetz Baden-Württemberg in der bis zum 16.1.2021 geltenden Fassung, abrufbar unter: https://dejure .org/gesetze/PolG_bis_16.01.2021/21.html. 6 Siehe Fn. 4. Rn. 50. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 5 Zur weiteren rechtlichen Bewertung von Drohneneinsätzen muss auf Gerichtsentscheidungen zurückgegriffen werden, in denen über den Einsatz von Überwachungsmethoden mit herkömmlichen Technologien geurteilt worden ist. Das Bundesverfassungsgericht hat schon in einer Entscheidung aus dem Jahr 2009 zum Bayerischen Versammlungsgesetz festgestellt, dass Übersichtsaufnahmen mit „gewichtigen Nachteilen“ für die Versammlungsteilnehmenden einhergehen: „Das Bewusstsein, dass die Teilnahme an einer Versammlung in dieser Weise festgehalten wird, kann Einschüchterungswirkungen haben, die zugleich auf die Grundlagen der demokratischen Auseinandersetzung zurückwirken. Denn wer damit rechnet, dass die Teilnahme an einer Versammlung behördlich registriert wird und dass ihm dadurch persönliche Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf die Ausübung seines Grundrechts verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil die kollektive öffentliche Meinungskundgabe eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger gegründeten demokratischen und freiheitlichen Gemeinwesens ist […].“7 Übersichtsaufnahmen dürften daher nicht anlasslos vorgenommen werden, sondern müssten im Einzelfall erforderlich sein.8 Zur Bewertung des Eingriffscharakters eines Drohneneinsatzes bei einer Versammlung ist zudem der Umstand zu berücksichtigen, den das Bundesverfassungsgericht als „große Streubreite“9 bezeichnet , wenn eine polizeiliche Maßnahme also in erheblichem Maße auch Nichtstörer betrifft. Hieraus folgt nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ein Grundrechtseingriff mit hoher Eingriffsintensität.10 Insbesondere bei verdeckten polizeilichen Maßnahmen11 sieht das Bundesverfassungsgericht eine hohe Intensität des Grundrechtseingriffs gegeben. Dass die betroffenen Personen von der polizeilichen Maßnahme nichts bemerken, hebe das Eingriffsgewicht nicht auf: „Denn dadurch entfällt zwar die Lästigkeit solcher Maßnahmen, nicht aber ihr Kontrollcharakter und die darin liegende Beeinträchtigung der individuellen Freiheit, die zugleich die Freiheitlichkeit der Gesellschaft insgesamt betrifft […].“12 7 BVerfG: Einstweilige Außerkraftsetzung von Teilen des Bayerischen Versammlungsgesetzes. NVwZ 2009, 441 (446). 8 Ebenda. S. 447. 9 BVerfG, Beschluss vom 4.4.2006, 1 BvR 518/02, zitiert nach juris – Rn. 117 (betreffend eine Rasterfahndung). 10 Ebenda. 11 Zur Abgrenzung zwischen offener und verdeckter Maßnahme im Falle eines Drohneneinsatzes siehe unter 3.2. dieser Ausarbeitung. 12 BVerfG, Beschluss vom 18.12.2018, 1 BvR 142/15, zitiert nach juris – Rn. 98 (betreffend eine automatisierte Kennzeichenerfassung). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 6 Das Verwaltungsgericht Berlin hat sich im Rahmen der rechtlichen Überprüfung der Überwachung einer Versammlung durch auf Polizeiwagen installierte Kameras bereits 2010 hinsichtlich des Eingriffscharakters des Kamera-Monitor-Verfahrens positioniert.13 Danach stelle „[…] die Beobachtung der Versammlung im Kamera-Monitor-Verfahren einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Denn wenn der einzelne Teilnehmer der Versammlung damit rechnen muss, dass seine Anwesenheit oder sein Verhalten bei einer Veranstaltung durch Behörden registriert wird, könnte ihn dies von einer Teilnahme abschrecken oder ihn zu ungewollten Verhaltensweisen zwingen, um den beobachtenden Polizeibeamten möglicherweise gerecht zu werden […]. Es macht hier keinen Unterschied, ob die durch die Polizei gefertigten Aufnahmen auch gespeichert wurden, denn das Beobachten der Teilnehmer stellt bereits einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit dar. Das polizeiliche Handeln knüpft einzig und allein an die Wahrnehmung des Versammlungsrechts durch die Teilnehmer an. Demnach ist die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen nach dem Kamera-Monitor-Prinzip auch geeignet, bei den Teilnehmern ein Gefühl des Beobachtetseins hervorzurufen und diese – wenn auch ungewollt – in ihrem Verhalten zu beeinflussen oder von der Teilnahme an der Versammlung abzuhalten . Ob die Aufnahmen tatsächlich auch gespeichert wurden, kann der einzelne Versammlungsteilnehmer nicht wissen. […] Der einzelne Versammlungsteilnehmer muss ständig damit rechnen, durch eine Vergrößerung des ihn betreffenden Bildausschnitts (Heranzoomen) individuell und besonders beobachtet zu werden. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist dies generell möglich , so dass ein prinzipieller Unterschied zwischen Übersichtsaufnahmen und personenbezogenen Aufnahmen nicht mehr besteht […].“ Hinsichtlich der Bestimmtheit einer gesetzlichen Befugnisnorm im Hinblick auf neue technische Eingriffsinstrumente sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts14 folgende Erwägungen anzustellen: „Wegen des schnellen und für den Grundrechtsschutz riskanten informationstechnischen Wandels muss der Gesetzgeber die technischen Entwicklungen aufmerksam beobachten und notfalls durch ergänzende Rechtssetzung korrigierend eingreifen.“ Es sei zu hinterfragen, ob es sich um ein „Observationsinstrument besonderer Art und spezifischer Tiefe“ handele, „dessen Einsatz von Verfassungs wegen nur unter restriktiveren Voraussetzungen gestattet werden“ dürfte. 13 VG Berlin, Urteil vom 5.7.2010, 1 K 905/09 (nicht rechtskräftig). NVwZ 2010, 1442 (1442 f.). 14 BVerfG, Urteil vom 12.4.2005, 2 BvR 581/01, zitiert nach juris – Leitsatz, Rn. 51 (betreffend eine Verwendung des Global Positioning System (GPS) in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 7 3. Befugnisnormen Bei Bild- und Tonaufnahmen von Personen sowie – nach Klarstellung durch das Bundesverfassungsgericht 15 – auch bei bloßen Übersichtsaufnahmen handelt es sich um rechtfertigungsbedürftige Eingriffe, die im Kontext von Versammlungen an dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Artikel 8 GG), im Übrigen vor allem an dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Artikel 2 Abs. 1 i.V.m. 1 Abs. 1 GG) zu messen sind.16 Bei polizeilichen Maßnahmen gegen Versammlungen wird das allgemeine Polizeirecht durch die spezielleren Regelungen des Versammlungsrechts verdrängt. Ein Rückgriff auf das allgemeine Polizeirecht und seine Ermächtigungsgrundlagen verbietet sich für versammlungsspezifische Gefahren (sog. Polizeifestigkeit des Versammlungsrechts).17 Für den staatlichen Einsatz von Kameradrohnen bei Versammlungen bedarf es daher einer versammlungsrechtlichen Befugnisnorm. Bis zum Jahr 2006 fiel die Gesetzgebungszuständigkeit, um Eingriffe in die Versammlungsfreiheit zu legitimieren, in die konkurrierende Kompetenz des Bundes (Artikel 74 Abs. 1 Nr. 3 GG a.F.). Infolge der Föderalismusreform ist die Gesetzgebungskompetenz auf die Länder übergegangen.18 Soweit die Länder keine eigenen Versammlungsgesetze erlassen haben, gilt das Versammlungsgesetz des Bundes (VersG) gemäß Artikel 125a Abs. 1 GG als Bundesrecht fort. Es kann durch Landesrecht ersetzt werden. In Bayern (BayVersG), Niedersachsen (NVersG), Sachsen (SächsVersG), Sachsen-Anhalt (VersammlG LSA) und Schleswig-Holstein (VersFG SH) ist das Versammlungsgesetz des Bundes vollständig abgelöst worden. In Berlin wurde lediglich § 19a VersG durch das Gesetz über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen vom 23. April 2013 ersetzt. In den übrigen Bundesländern gilt das Versammlungsgesetz des Bundes fort. Im Folgenden wird zunächst das fortgeltende Versammlungsgesetz des Bundes auf geeignete Befugnisnormen für den Einsatz von Kameradrohnen untersucht. Auf einzelne Landesregelungen wird sodann exemplarisch und nur insofern eingegangen, als sie sich von denen des Versammlungsgesetzes des Bundes unterscheiden. 15 BVerfG, einstweilige Anordnung vom 17.2.2009, 1 BvR 2492/08, zitiert nach juris – Rn. 129. 16 Zum Eingriffscharakter von Drohneneinsätzen vgl. auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Ausarbeitung „Einsatz von Drohnen durch die Bundespolizei“, WD 3 - 3000 - 281/20. 17 Maunz/Dürig/Depenheuer, 92. EL August 2020, GG Art. 8 Rn. 136. 18 Vgl. das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28.8.2006 (BGBl I, 2034). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 8 3.1. Versammlungsgesetz des Bundes (VersG) Für Bild- und Tonaufnahmen durch die Polizei bei öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen verweist § 19a VersG auf § 12a VersG. Dort heißt es in Absatz 1: „Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden.“ Die Vorschrift ist ihrem Wortlaut nach technikneutral ausgestaltet und damit grundsätzlich offen, auch den staatlichen Drohneneinsatz zu erfassen.19 Aufgrund der gesteigerten Eingriffsintensität durch Kameradrohnen und im Hinblick auf das Gebot der verfassungsrechtlichen Bestimmtheit sowie der demokratischen Rückbindung neuer technischer Einsatzmittel der Polizei an das Parlament wird von der Literatur jedoch zum Teil eine eigene ausdrückliche Rechtsgrundlage für notwendig erachtet.20 Als der Gesetzgeber die Vorschrift 1989 schuf, dürfte er völlig andere technische Rahmenbedingungen vor Augen gehabt haben.21 Auch im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz und das Gebot der Normenklarheit erscheint der Einsatz von Kameradrohnen bei Versammlungen auf der Grundlage von §§ 19a, 12a VersG fraglich.22 Ebenso fehlt es an einer gesonderten Ermächtigung für die Anfertigung von sog. Übersichtsaufnahmen . Aufgrund des höchstrichterlich bejahten Eingriffscharakters von Übersichtsaufnahmen23 und des damit verbundenen Erfordernisses einer Ermächtigungsgrundlage kommen solche Aufnahmen derzeit nur unter den engen Voraussetzungen der §§ 12a, 19a VersG, d.h. bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für die Annahme, dass von Versammlungsteilnehmern erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen, in Betracht.24 Schließlich unterscheidet der Wortlaut von §§ 19a, 12a VersG auch nicht zwischen verdeckten und offenen Maßnahmen, sodass verdeckte Maßnahmen auf dem ersten Blick nicht ausgeschlossen scheinen.25 In der Literatur wird aber argumentiert, dass verdeckte Aufnahmen einer Versammlung einen so bedeutsamen Grundrechtseingriff darstellen würden, dass sie nur bei einer ausdrücklichen 19 Martini, Mario (2019). Neue Freunde und Helfer? – Drohnen als Mittel der Beobachtung von Großveranstaltungen und Versammlungen. DÖV 2019, 732 (739). 20 Ebenda. 21 Martini, Mario (2019). aaO. S. 743. 22 Tomerius, Carolyn (2020). „Drohnen“ zur Gefahrenabwehr – Darf die Berliner Polizei nach jetziger Rechtslage Drohnen präventiv-polizeilich nutzen? LKV 2020, 481 (486) unter Verweis auf BVerfG 2 BvR 581/01. 23 Siehe oben, Fn. 15. 24 Ridder/Breitbach/Deiseroth – Clemens/Arzt, Versammlungsrecht, 2. Auflage 2020, VersammlG § 19a, Rn. 43 unter Bezugnahme auf VG Münster, Urteil vom 21.8.2009, 1 K 1403/08, zitiert nach juris – Rn. 22 f. 25 Bejahend Erbs/Kohlhaas/Wache, 233. EL Oktober 2020, VersammlG § 12a Rn. 2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 9 und hinreichend bestimmten Erlaubnis zulässig seien.26 Zur Abgrenzung zwischen dem offenen und verdeckten Drohneneinsatz bei Versammlungen wird auf den nachfolgenden Abschnitt 3.2. dieser Ausarbeitung verwiesen. Sofern ein Bundesland den Einsatz unbemannter Luftfahrtsysteme in seinem Polizeigesetz für bestimmte Bereiche ausdrücklich gestattet (vgl. § 34 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V)27, dürfte deren Einsatz im Rahmen von Versammlungen aus gesetzessystematischen Erwägungen nicht auf der Grundlage von §§ 19a, 12a VersG zulässig sein.28 Die polizeirechtliche Befugnisnorm des § 34 Satz 1 Nr. 1 SOG M-V etwa erstreckt sich explizit nur auf öffentliche Veranstaltungen oder Ansammlungen, die nicht dem Versammlungsgesetz unterliegen (vgl. der Verweis auf § 32 Abs. 1 SOG M-V). Dass der Landesgesetzgeber im Versammlungsrecht bisher keinen Regelungsbedarf für den staatlichen Drohneneinsatz sah, dürfte im Umkehrschluss dafür sprechen, dass ein solcher Einsatz dort unzulässig sein soll. 3.2. Landesrechtliche Regelungen Während § 1 Abs. 1 des Berliner Gesetzes über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen vom 23. April 201329 den Wortlaut des § 12a VersG wiederholt, heißt es in § 1 Abs. 3 dieses Gesetzes: „(3) Im Übrigen darf die Polizei Übersichtsaufnahmen von Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen sowie ihrem Umfeld nur anfertigen, wenn dies wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung oder des Aufzuges im Einzelfall zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes erforderlich ist. Die Übersichtsaufnahmen sind offen anzufertigen und dürfen weder aufgezeichnet noch zur Identifikation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer genutzt werden. Die Versammlungsleitung ist unverzüglich über die Anfertigung von Übersichtsaufnahmen in Kenntnis zu setzen.“ Der Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin sah in einer Entscheidung aus dem Jahr 201430 die Ermächtigung der Polizei zur Anfertigung von Übersichtsaufnahmen nach § 1 Abs. 3 des Berliner Gesetzes über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen vom 23. April 2013 als mit der Verfassung von Berlin vereinbar an. 26 Skobel, Eva Katharina (2018). aaO. S. 256 f. 27 Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz - SOG M-V) vom 27.4.2020 (GVOBl. M-V 2020, S. 334). http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal /page/bsmvprod.psml;jsessionid=A314EE460F467BAD1A033AD23A98916E.jp18?showdoccase =1&st=lr&doc.id=jlr-SOGMV2020rahmen&doc.part=X&doc.origin=bs. 28 So auch die Rechtslage nach bayrischem Landesrecht, dazu unter 3.2. 29 Gesetz über Aufnahmen und Aufzeichnungen von Bild und Ton bei Versammlungen unter freiem Himmel und Aufzügen vom 23.4.2013 (GVBl. 2013, 103). https://gesetze.berlin.de/bsbe/document/jlr-VersAufn_AufzGBEpELS. 30 Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urteil vom 11.4.2014, 129/13, zitiert nach juris – Leitsatz, Orientierungssätze . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 10 Die Vorschrift hielt einer abstrakten Normenkontrolle stand. Es erging indes ein Sondervotum31, wonach die Entscheidung die Schwere des Eingriffs durch die abschreckende Wirkung polizeilicher Videoaufnahmen nicht ausreichend würdigen würde.32 Derzeit befasst sich das Abgeordnetenhaus von Berlin mit dem Entwurf eines Gesetzes über die Versammlungsfreiheit im Land Berlin (Versammlungsfreiheitsgesetz Berlin – VersFG BE)33, welches das bisher in Berlin fortgeltende Versammlungsgesetz des Bundes vollständig ablösen soll. Der Gesetzesentwurf sieht in § 18 nur offene Bild- und Tonübertragungen und -aufzeichnungen vor. Das Schutzgut der öffentlichen Ordnung ist im Gesetzesentwurf nicht enthalten. Übersichtsaufnahmen dürfen ausweislich des Gesetzesentwurfs weder aufgezeichnet noch zur Identifikation der Teilnehmenden genutzt werden. Die Befugnisnorm für Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen in § 9 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG)34 lautet wie folgt: „(1) Die Polizei darf bei oder im Zusammenhang mit Versammlungen Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen von Teilnehmern nur offen und nur dann anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Die Maßnahmen dürfen auch durchgeführt werden, wenn Dritte unvermeidbar betroffen werden. (2) Die Polizei darf Übersichtsaufnahmen von Versammlungen unter freiem Himmel und ihrem Umfeld zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes nur offen und nur dann anfertigen , wenn dies wegen der Größe oder Unübersichtlichkeit der Versammlung im Einzelfall erforderlich ist. Übersichtsaufnahmen dürfen aufgezeichnet werden, soweit Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass von Versammlungen, von Teilen hiervon oder ihrem Umfeld erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Die Identifizierung einer auf den Übersichtsaufnahmen oder -aufzeichnungen abgebildeten Person ist nur zulässig, soweit die Voraussetzungen nach Abs. 1 vorliegen.“ Trotz dieser vom Wortlaut her technikoffenen Vorschrift könnte eine gesetzessystematische Betrachtung den staatlichen Drohneneinsatz bei Versammlungen nach bayrischem Landesrecht ausschließen. 31 Gemäß § 29 Abs. 2 VerfGHG Berlin kann jedes Mitglied des Verfassungsgerichtshofs seine in der Beratung vertretene abweichende Meinung zu der Entscheidung oder zu deren Begründung in einem Sondervotum niederlegen, welches der Entscheidung anzuschließen ist. 32 Dem Sondervotum zufolge müsse im Rahmen der Abwägung insbesondere berücksichtigt werden, dass die Teilnehmer in der Regel erkennbar seien und dass die Teilnehmer den Zweck der Aufnahmen nicht erkennen können. Das Interesse an einer öffentlichen Meinungs- und Willensbildung ohne behördliche Eingriffe und das Interesse des Einzelnen, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ohne die Befürchtung einer behördlichen Erfassung wahrnehmen zu dürfen, würde im Rahmen der Abwägung überwiegen. 33 Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 18/2764 vom 2.6.2020, Antrag der Fraktion der SPD, der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Gesetz über die Versammlungsfreiheit im Land Berlin. https://www.parlament-berlin.de/ados/18/IIIPlen/vorgang/d18-2764.pdf. 34 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG) vom 22.7.2008 (GVBl S. 421). https://www.gesetze-bayern.de/Content /Document/BayVersG08/true. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 11 Artikel 47 Abs. 1 Nr. 1 des bayrischen Polizeiaufgabengesetzes (BayPAG)35 gestattet nämlich den Einsatz von unbemannten Luftfahrtsystemen für offene Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen nach Artikel 33 Abs. 1 bis 3 BayPAG. Für Bild- und Tonaufnahmen oder -aufzeichnungen durch die Polizei bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen und Aufzügen verweist Artikel 33 Abs. 9 BayPAG auf den zuvor zitierten Artikel 9 BayVersG, welcher den Drohneneinsatz nicht ausdrücklich regelt. Hierin wird in der Literatur eine normative Wertentscheidung dahingehend erkannt, dass Drohneneinsätze im Kontext von Versammlungen unzulässig sind.36 § 12 des Niedersächsisches Versammlungsgesetzes (NVersG)37 und § 16 des Versammlungsfreiheitsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (VersFG SH)38 sehen Bild- und Tonaufnahmen sowie Übersichtsaufzeichnungen bzw. -aufnahmen vor, sofern diese offen vorgenommen werden. Der Landesgesetzgeber Sachsens hat den Wortlaut des § 12a des Versammlungsgesetzes des Bundes in § 12 des Sächsischen Versammlungsgesetzes (SächsVersG)39 mit dem Zusatz übernommen, dass Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmenden einer öffentlichen Versammlung „nur offen“ erfolgen dürfen. Die landesrechtlichen Bestimmungen zum Versammlungsrecht sehen damit einhellig nur offene Bild- und Tonaufnahmen sowie offene Übersichtsaufnahmen bzw. -aufzeichnungen vor, ohne den Einsatz von Kameradrohnen explizit zu normieren.40 Die Einordnung von Kameradrohnen als offene oder verdeckte polizeiliche Maßnahme ist strittig. Zum einen wird jede für die Betroffenen aus tatsächlichen Gründen nicht wahrnehmbare Maßnahme als verdeckt (bzw. nicht erkennbar41) 35 Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (Polizeiaufgabengesetz – PAG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 14.9.1990 (GVBl. S. 397, BayRS 2012-1-1-I), das zuletzt durch § 1 des Gesetzes vom 10.12.2019 (GVBl. S. 691) geändert worden ist. https://www.gesetze-bayern.de/Content /Document/BayPAG/true. 36 Martini, Mario (2019). aaO. S. 739. 37 Niedersächsisches Versammlungsgesetz (NVersG) vom 7.10.2010 (Nds. GVBl. 2010, 465, 532). http://www.voris .niedersachsen.de/jportal/;jsessionid=373C8BAE1851FC64CDA2DD83D2EB0E75.jp14?quelle=jlink&query=Versamml G+ND&psml=bsvorisprod.psml&max=true&aiz=true#jlr-VersammlGNDpP12. 38 Versammlungsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (VersFG SH) vom 18.6.2015 (GVOBl. 2015 135). http://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/jportal/portal/t/1b7f/page/bsshoprod.psml;jsessionid =B5CA56390ECC99B0E7EC4E93598DA699.jp17?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste &fromdoctodoc=yes&doc.id=jlr-VersammlFrhGSHrahmen&doc.part=X&doc.price=0.0#jlr-VersammlFrhGSHpP16. 39 Gesetz über Versammlungen und Aufzüge im Freistaat Sachsen (Sächsisches Versammlungsgesetz – SächsVersG) vom 25.1.2012 (SächsGVBl. S. 54). https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift_gesamt/12206/38710.html. 40 Hinsichtlich der Frage, ob es für den staatlichen Einsatz von Kameradrohnen aufgrund seiner Eingriffsintensität einer ausdrücklichen Befugnisnorm bedarf, wird auf die Ausführungen zu §§ 19a, 12a VersG verwiesen. 41 So Roggan, Fredrik (2011). Der Einsatz von Video-Drohnen bei Versammlungen. Verdeckte und andere nicht erkennbare Datenerhebungen im Gewährleistungsbereich von Art. 8 I GG. NVwZ 2011, 590 (591). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 12 bezeichnet42; zum anderen wird für die Abgrenzung (zusätzlich) auf die polizeiliche bzw. sicherheitsbehördliche Intention abgestellt.43 Stellt man auf die tatsächliche Wahrnehmbarkeit ab, so kommt es aus der Sicht der Versammlungsteilnehmenden auf die Bauart der Drohne, ihre Größe, farbliche Gestaltung, Betriebsgeräusche, Flughöhe bzw. Position zu dem videografierten Geschehen sowie auf weitere Umstände des Einzelfalls, etwa Lichtverhältnisse etc., an.44 Der Offenheit des Drohneneinsatzes in der Anwendungspraxis gerecht zu werden, dürfte auf praktische Schwierigkeiten stoßen, denn Drohnen bewegen sich typischerweise außerhalb des Sichtfeldes der Betroffenen .45 Jedenfalls dürften mit Blick auf Artikel 8 GG erhöhte Anforderungen an die Gewährleistung der Offenheit der Überwachung (z.B. Mindestgröße, Warnlicht, Signalton in vorgegebener Lautstärke ) und die Hinweispflichten (z.B. gegenüber der Versammlungsleitung, durch Schilder im Bereich des Versammlungsgeschehens) zu stellen sein.46 4. Umgang mit Bild- und Tonaufnahmen Im Falle von Videoüberwachungen bei Versammlungen ist seit Mai 2018 die JI-Richtlinie 2016/68047 zu beachten.48 Diese Richtlinie hat die europaweite Harmonisierung des Datenschutzes auch im Bereich der Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit zum Ziel.49 Polizeiliche Tätigkeiten bei Demonstrationen sind ausweislich des Erwägungsgrundes 12 der Richtlinie ausdrücklich von ihrem Geltungsbereich umfasst. Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung bei der Durchführung eines Drohneneinsatzes zur polizeilichen Aufgabenerfüllung ist die jeweilige bereichsspezifische Ermächtigungsgrundlage.50 Hinsichtlich der Speicherfristen gelten die nachfolgenden datenschutzrechtlichen Vorgaben. 42 So Martini, Mario (2019). aaO. S. 740. Ebenfalls Ridder/Breitbach/Deiseroth – Clemens/Arzt, Versammlungsrecht, 2. Auflage 2020, VersammlG § 19a, Rn. 34. 43 So Lisken/Denninger – Petri, Handbuch des Polizeirechts, 6. Auflage 2018, Informationsverarbeitung im Polizeiund Strafverfahrensrecht, Rn. 539 f. 44 Roggan, Fredrik (2011). aaO. S. 592. Skobel, Eva Katharina (2018). aaO. S. 254 f. 45 Martini, Mario (2019). aaO. S. 740. Tomerius, Carolyn (2020). aaO. S. 485. 46 Buckler, Julius (2019). (Verfassungs-)Rechtliche Rahmenbedingungen für den polizeilichen Einsatz sog. „Drohnen“. GSZ 2019, 23 (27). Martini, Mario (2019). aaO. S. 740. 47 Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 27.4.2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung , Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des Rahmenbeschlusses 2008/977/JI des Rates. https://eur-lex.europa.eu/legal -content/DE/TXT/?uri=uriserv%3AOJ.L_.2016.119.01.0089.01.DEU. 48 Ridder/Breitbach/Deiseroth, Versammlungsrecht, 2. Auflage 2020, Transnationalisierung des Versammlungsrechts , Rn. 143. 49 Ebenda. 50 Müller-ter Jung, Marco/Rexin, Lewin (2019). aaO. S. 654 mit Verweis auf Artikel 8 Abs. 1 der JI-Richtlinie. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 13 Artikel 5 der JI-Richtlinie lautet: „Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass für die Löschung von personenbezogenen Daten oder eine regelmäßige Überprüfung der Notwendigkeit ihrer Speicherung angemessene Fristen vorzusehen sind. Durch verfahrensrechtliche Vorkehrungen ist sicherzustellen, dass diese Fristen eingehalten werden.“ In Deutschland erfuhr die JI-Richtlinie ihre Umsetzung beispielsweise in Polizei- und Datenschutzgesetzen der Länder.51 Beobachtern zufolge stehe eine vollumfängliche Anpassung der Polizeigesetze an die Erfordernisse der JI-Richtlinie noch aus.52 Daneben bleiben spezialgesetzliche Normen gültig, die Vorgaben zu Bild- und Tonaufnahmen enthalten. So bestimmen die §§ 19a, 12a Abs. 2 des Versammlungsgesetzes des Bundes (Hervorhebung nur hier): „Die Unterlagen sind nach Beendigung der öffentlichen Versammlung oder zeitlich und sachlich damit unmittelbar im Zusammenhang stehender Ereignisse unverzüglich zu vernichten, soweit sie nicht benötigt werden 1. für die Verfolgung von Straftaten von Teilnehmern oder 2. im Einzelfall zur Gefahrenabwehr, weil die betroffene Person verdächtig ist, Straftaten bei oder im Zusammenhang mit der öffentlichen Versammlung vorbereitet oder begangen zu haben, und deshalb zu besorgen ist, daß von ihr erhebliche Gefahren für künftige öffentliche Versammlungen oder Aufzüge ausgehen. Unterlagen, die aus den in Satz 1 Nr. 2 aufgeführten Gründen nicht vernichtet wurden, sind in jedem Fall spätestens nach Ablauf von drei Jahren seit ihrer Entstehung zu vernichten , es sei denn, sie würden inzwischen zu dem in Satz 1 Nr. 1 aufgeführten Zweck benötigt.“ Einige Landesversammlungsgesetze der Bundesländer, welche eigene Bestimmungen zum Versammlungsrecht getroffen haben, enthalten (im Wesentlichen) gleichlautende Bestimmungen wie die §§19a, 12a Abs. 2 VersG.53 Die entsprechende Regelung in § 9 Abs. 3 des Bayerischen Versammlungsgesetzes (BayVersG) sieht eine unverzügliche Auswertung und eine Löschung spätestens innerhalb von zwei Monaten vor, es sei denn die Bild-, Ton- und Übersichtsaufnahmen werden zur Strafverfolgung oder zur Gefahrenabwehr benötigt. Besteht kein gefahrenabwehrrechtliches Erfordernis, so ist die Identifizierung von Personen technisch unumkehrbar auszuschließen. Für die Gefahrenabwehr benötigte Aufnahmen sind spätestens nach Ablauf von sechs Monaten seit ihrer Entstehung zu löschen. § 12 Abs. 3 des niedersächsischen Versammlungsgesetzes (NVersG) 51 Golla, Sebastian (2019). Datenschutzrechtliche Schattengewächse in den Ländern – Herausforderungen bei der Umsetzung der JI-Richtlinie für die Polizei. KriPoZ 4 | 2019. https://kripoz.de/wp-content/uploads /2019/07/golla-datenschutzrechtliche-schattengewaechse-in-den-laendern.pdf. 52 Ruthig, Josef (2018). Der Einsatz mobiler Videotechnik im Polizeirecht. GSZ 2018, 12 (16). 53 Dies trifft auf Berlin (§ 1 Abs. 2 VersAufn/AufzG), Sachsen (§ 12 Abs. 2 SächsVersG) und Sachsen-Anhalt (§ 18 Abs. 2 VersammlG LSA) zu. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 036/21 Seite 14 verlangt, dass die Bild- und Tonaufzeichnungen unverzüglich, spätestens aber nach zwei Monaten zu löschen oder unumkehrbar zu anonymisieren sind, soweit sie nicht zur Verfolgung von Straftaten benötigt werden oder zur Behebung einer Beweisnot unerlässlich sind. § 16 Abs. 4 des Versammlungsfreiheitsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein (VersFG SH) normiert zwar ein unverzügliches Löschen der Aufzeichnungen, sieht aber vier Ausnahmetatbestände vor, die eine Aufbewahrung von bis zu sechs Monaten oder länger rechtfertigen. Mit Inkrafttreten des europäischen Datenschutzrechts werden zukünftig auch Anforderungen von privacy by design sowie besondere Pflichten bei der Datenverarbeitung seitens der Polizei aus Artikel 19 und 20 der JI-Richtlinie zu beachten sein. Beobachtern zufolge fehlte es aber bisher an einer entsprechenden Umsetzung in Deutschland.54 *** 54 Ridder/Breitbach/Deiseroth – Clemens/Arzt, Versammlungsrecht, 2. Auflage 2020, VersammlG § 19a, Rn. 41.