© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 034/18 Zulässigkeit eines Landesamtes für Asyl und Abschiebung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 034/18 Seite 2 Zulässigkeit eines Landesamtes für Asyl und Abschiebung Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 034/18 Abschluss der Arbeit: 16. Februar 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 034/18 Seite 3 1. Einleitung Die Vereinbarkeit eines Landesamtes für Asyl und Abschiebung mit dem Bundesrecht ist abhängig vom Aufgabenzuschnitt einer solchen Landesbehörde. Für wesentliche materielle Entscheidungen im Rahmen des Asylverfahrens ist nach aktuellem Bundesrecht ausschließlich das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig.1 Der Kompetenz der Bundesländer sind demgegenüber die Durchführung von Abschiebungen und die Erteilung von Duldungen unterstellt. Allein diese könnten Gegenstand der Zuständigkeit eines Landesamtes für Asyl und Abschiebung sein. 2. Entscheidungsmonopol des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge 2.1. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge Das Asylgesetz (AsylG) weist dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gemäß § 5 AsylG das Entscheidungsmonopol für Asylanträge und für sonstige wesentliche aufenthaltsrechtliche Entscheidungen zu. Mit der Errichtung einer selbstständigen Bundesoberbehörde ohne eigenen Verwaltungsunterbau hat der Bundesgesetzgeber die staatlichen Aufgaben im Bereich Asyl in bundeseigener Verwaltung übernommen (Art. 87 Abs. 3 Satz 1 Grundgesetz (GG).2 Damit hat er die ihm gemäß Art. 74 Abs. 1, Nr. 4 GG zustehende konkurrierende Gesetzgebungskompetenz über das materielle Aufenthaltsund Niederlassungsrecht der Ausländer, das auch das Asylrecht umfasst, genutzt. Die Voraussetzungen für die Errichtung einer zentralen oberen Bundesbehörde liegen ebenfalls vor, da sich die aus Art. 16a GG resultierenden staatlichen Aufgaben zentral erledigen lassen. Denn durch die Verfahrenskonzentration werden asylrechtliche Grundsätze einheitlich angewandt und somit eine gleiche Behandlung aller Asylbewerber erreicht.3 Damit besteht nach Maßgabe des Art. 72 GG keine landesgesetzliche Regelungskompetenz, soweit das Bundesgesetz das Asylverfahren normiert, und kein Spielraum für die Zuständigkeit eines Landesamtes für Asyl und Abschiebung, soweit der bundesgesetzlich festgelegte Aufgabenrahmen des BAMF reicht. 1 Dargestellt wird ausschließlich die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern nach aktueller Rechtslage. Siehe zu Änderungsplänen für das Asylverfahren den Entwurf des Koalitionsvertrags vom 7. Februar 2018, Seite 107, wonach zentrale Aufnahme-, Entscheidungs- und Rückführungseinrichtungen geschaffen werden sollen, in denen „BAMF, BA, Jugendämter, Justiz, Ausländerbehörden und andere Hand in Hand arbeiten“ und in denen „Ankunft, Entscheidung, kommunale Verteilung bzw. Rückführung stattfinden“ sollen. Über die Frage von Zuständigkeit und Trägerschaft soll eine Vereinbarung zwischen Bund und Ländern erfolgen. 2 Preisner, Damian, in: Kluth, Winfried/Heusch, Andreas, BeckOK Ausländerrecht, 16. Ausgabe, 2017, § 5 AsylG, Rdn. 1. 3 Preisner, Damian, ebenda , § 5 AsylG, Rdn. 1. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 034/18 Seite 4 2.2. Übertragene Aufgaben im Bereich Asyl Dem BAMF sind alle wesentlichen Sachentscheidungen des Asylverfahrens übertragen. So können Asylanträge ausschließlich beim Bundesamt oder bei einem seiner 50 Außenstellen gestellt werden (§ 14 AsylG).4 Ein Asylgesuch bei einer Grenzbehörde, einer Ausländerbehörde oder einer Polizeidienststelle ist entsprechend weiterzuleiten. Eine sachliche Befassung der genannten Behörden mit dem Asylantrag findet nicht statt.5 Das Entscheidungsmonopol des Bundesamtes erstreckt sich insbesondere auf die An- und Aberkennung als Asylberechtigter sowie die Zu- oder Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Entscheidungen zum Familienasyl (§ 26) und die Feststellung der Voraussetzung einer politischen Verfolgung nach § 60 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Zuständigkeit des Bundesamtes umfasst auch den Widerruf und die Rücknahme dieser Entscheidungen sowie sonstige Gründe des Erlöschens.6 Nach Maßgabe des Asylgesetzes werden auch weitere ausländerrechtliche Entscheidungen der Bundesamtzuständigkeit unterstellt, wie die Feststellung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2- 5 oder Abs. 7 AufenthG, den Erlass einer Abschiebungsandrohung (§§ 34 ff. AsylG) und die Anordnung einer Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 34a AsylG).7 Das BAMF ist im Zuge dessen auch zuständig für Rückübernahmeanträge an andere Staaten sowie die Prüfung entsprechender Ersuchen im Rahmen des unionsrechtlichen Verteilungssystems nach den Dublin II- und Dublin III-Verordnungen.8 Schließlich kommen dem Bundesamt gemäß § 75 AufenthG auch dem eigentlichen Asylverfahren nachgelagerte Aufgaben zu, wie Informations- und Koordinationsaufgaben oder die Organisation von Integrationskursen. 3. Zuständigkeit auf Landesebene Die Ausländerbehörden der Länder sind demgegenüber gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG für die aufenthaltsrechtlichen Vollzugsmaßnahmen nach dem Aufenthalts- bzw. Asylgesetz oder anderen ausländerrechtlichen Bestimmungen zuständig. Unter ihre Zuständigkeit fallen insbesondere die Mitwirkung bei der Einleitung eines Asylverfahrens (§ 13 Abs. 3, §§ 14, 15-21 AsylG) und vor allem der Vollzug der Abschiebung sowie die Erteilung von Aufenthaltstiteln oder Duldungen bei Zuerkennung von Abschiebungshindernissen. Bisweilen ist die Abgrenzung von Länderkompetenz und Zuständigkeit des BAMF im Bereich der Abschiebung schwierig. Die Ausländerbehörden sind grundsätzlich an die ausländerrechtlichen 4 Die Außenstellen sind ausgegliederte Arbeitseinheiten, die unselbständiger Teil des Bundesamtes sind. Sie sollen an allen Aufnahmeeinrichtungen geschaffen werden, die mehr als 1000 Plätze haben (§ 5 Abs. 3 AsylG). 5 Hadamitzky, Anke/Senge, Lothar, in: Erbs, Georg/Kohlhaas, Max, Strafrechtliche Nebengesetze, 217. Ergänzungslieferung , Oktober 2017, § 5 AsylG, Rdn. 3. 6 Preisner, Damian, ebenda, § 5 AsylG, Rdn. 3. 7 Erbs, Georg/Kohlhaas, Max, AsylG, 217. Ergänzungslieferung, Oktober 2017, § 5, Rdn. 3. 8 Dublin II-Verordnung 343/2003/EG und Dublin III-Verordnung 604/2013/EU. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 034/18 Seite 5 Entscheidungen des Bundesamtes hinsichtlich Abschiebungshindernissen gebunden (§ 42 S. 1 AsylG).9 Konkret bedeutet dies, dass der Erlass der Abschiebungsandrohung und damit die Verantwortung für die Einhaltung der Bestimmungen über die Abschiebung in der Zuständigkeit des BAMF liegen. Die Länder sind jedoch im Rahmen des Vollzuges für die Beachtung der Aussetzungs- und Duldungsgründe der § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 sowie § 60a AufenthG verantwortlich.10 Dabei sind auch die Prüfung des Eintritts oder des Wegfalls eines späteren Abschiebungshindernisses nach § 60 AufenthG (§ 42 S. 2 AsylG) sowie inlandsbezogener Abschiebungshindernisse, deren Vorliegen zu einer Duldung nach § 60a Abs. 2 AufenthG führen, von der Länderzuständigkeit erfasst. Grundsätzlich gilt: Die zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisse, die in § 60 AufenthG verankert sind, fallen in die Zuständigkeit des BAMF, und die inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse obliegen im Rahmen der Duldungserteilung nach § 60a Abs. 2 AufenthG der Prüfung der Ausländerbehörden .11 Eine Landesregierung ist frei in der Entscheidung, ob die übertragenen Vollzugsaufgaben durch mehrere Ausländerbehörden wahrgenommen oder einer zentralen Behörde übertragen werden.12 Beispielsweise Hessen und Baden-Württemberg haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht und zentrale Abschiebebehörden geschaffen. Ein zentrales Landesamt für Asyl und Abschiebung, das den Vollzug der Abschiebung im Rahmen der dargestellten bundesgesetzlichen Zuständigkeitsaufteilung zwischen Bund und Ländern zentral verwaltet, ist mithin zulässig. 9 Bergmann, Jan, in: Bergmann, Jan/Dienelt, Klaus, Ausländerrecht, 12. Auflage, 2018, § 5 AsylG, Rdn. 5; Preisner, Damian, ebenda, Rdn. 4. 10 Bergmann, Jan, ebenda, § 5 AsylG, Rdn. 6. 11 Bergmann, Jan, ebenda, § 5 AsylG, Rdn. 6. 12 Winkelmann, Holger, in: Bergmann, Jan/Dienelt, Klaus, Ausländerrecht, 12. Auflage, 2018, § 71 AufenthG, Rdn. 11.