© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 034/16 Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst Übertragbarkeit von Versorgungsanwartschaften in das System der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 034/16 Seite 2 Zusatzversorgung im öffentlichen Dienst Übertragbarkeit von Versorgungsanwartschaften in das System der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 034/16 Abschluss der Arbeit: 11. Februar 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 034/16 Seite 3 1. Einleitung Hintergrund der Fragestellung sind vorrübergehende Tätigkeiten von Bundesbediensteten im Ausland und die Auswirkungen auf deren Zusatzversorgung in Deutschland. Gefragt wird zunächst, ob in anderen Ländern der Europäischen Union (EU) Zusatzversorgungssysteme für den öffentlichen Dienst vergleichbar dem der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) existieren. Ferner wird sich nach Bestrebungen zur Harmonisierung der Zusatzversorgungssysteme erkundigt, damit Anwartschaften der versicherten Mitglieder zwischen den verschiedenen Mitgliedstaaten der EU übertragen werden können. 2. Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in Deutschland Das System der Alterssicherung beruht in der Bundesrepublik Deutschland auf Säulen der gesetzlichen Rentenversicherung, der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Altersvorsorge. Die Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes gehört zur Säule der betrieblichen Altersversorgung. Die VBL ist die Zusatzversorgungskasse für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bund und Ländern, deren Zweck in der Gewährung einer zusätzlichen Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung im Wege privatrechtlicher Versicherung liegt.1 Die Versicherung in der VBL bestimmt sich nach dem Tarifvertrag über die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes (ATV). Der ATV findet für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und Auszubildende Anwendung, sofern für diese beispielsweise der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) oder der Tarifvertrag für die Auszubildenden des öffentlichen Dienstes (TVAöD) gelten.2 Er gilt jedoch ausschließlich für Tarifbeschäftigte und nicht für Beamte. Die VBL bietet eine umlagefinanzierte Pflichtversicherung3 sowie eine freiwillige kapitalgedeckte Zusatzversicherung4 an. Beschäftigte des Bundes, die unter den Geltungsbereich des ATV fallen, sind gemäß § 2 ATV in der umlagefinanzierten Pflichtversicherung der VBL obligatorisch versichert. Fraglich ist, was im Falle einer vorrübergehenden Tätigkeit im Ausland mit der Pflichtversicherung bei der VBL und den daraus erwachsenen Versorgungsanwartschaften erfolgt. Werden Tarifbeschäftigte des Bundes unter Weitergewährung ihrer Bezüge an eine Dienststelle im Ausland entsandt, sind sie weiterhin in der VBL pflichtversichert und erwerben dementsprechende Versorgungsanwartschaften. Allerdings werden diejenigen Bestandteile des Arbeitsentgelts , die wegen der Verwendung im Ausland über das für eine gleichwertige Tätigkeit im Inland 1 Vgl. § 2 Satzung der VBL. 2 Vgl. Anlage 1 des ATV. 3 §§ 2 ff. ATV. 4 §§ 26 ff. ATV. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 034/16 Seite 4 zustehende Arbeitsentgelt hinaus gezahlt werden, bei der Feststellung des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts nicht berücksichtigt.5 Werden Beschäftigte des öffentlichen Dienstes dagegen beurlaubt, um bei einer anderen öffentlichen zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung oder einer Verwaltung oder öffentlichen Einrichtung eines Mitgliedstaates der EU tätig zu werden, wird kein zusatzversorgungspflichtiges Entgelt gezahlt . Beiträge zur Pflichtversicherung bei der VBL werden für die Dauer der Beurlaubung daher nicht entrichtet und es erwachsen demnach auch keine Versorgungsanwartschaften.6 3. Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes in anderen Mitgliedstaaten der EU Zusatzversorgungssysteme des öffentlichen Dienstes existieren in den meisten EU-Staaten. So sind insgesamt 26 Zusatzversorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes aus zahlreichen europäischen Ländern Mitglieder im Europäischen Verband der Versorgungseinrichtungen des öffentlichen Dienstes (European Association of Public Sector Pension Institutions - EAPSPI) organisiert. Die Zusatzversorgungssysteme sind unterschiedlich ausgestaltet. Sie unterscheiden sich beispielsweise im Hinblick auf die Gewährung einer Grund- oder Zusatzversorgung, können eine obligatorische oder freiwillige Versicherung der Arbeitnehmer vorsehen oder per Gesetz oder Tarifvertrag ausgestaltet sein.7 Gemein ist allen Zusatzversorgungssystemen das Ziel der Sicherstellung der Altersversorgung für Beamte oder der Zusatzversorgung für Angestellte des öffentlichen Dienstes. Die folgenden Zusatzversorgungssysteme sind Mitglieder in der EAPSPI:8 Belgien o ONSSAPL, Office national de sécurité sociale des administrations provinciales et locales o SdPSP, Service des Pensions du Secteur Public Dänemark o SAMPENSION KP LIVSFORSIKRING A/S Deutschland o AKA, Arbeitsgemeinschaft kommunale und kirchliche Altersversorgung o VBL, Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder Finnland o KEVA, The Local Government Pensions Institution Frankreich o CDC, Caisse des Dépôts et Consignations o Préfon, Caisse Nationale de Prévoyance de la Fonction Publique o RAFP, Retraite additionnelle de la fonction publique 5 Vgl. Anlage 1 Nr. 16 des ATV. 6 Vgl. Merkblatt zu häufig gestellten Fragen im Zusammenhang mit einer Entsendung nach der Entsendungsrichtlinie Bund, S. 16. 7 http://portal.versorgungskammer.de/portal/page/portal/eapspi/de/eapspedia. 8 http://portal.versorgungskammer.de/portal/page/portal/eapspi/de/members. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 034/16 Seite 5 Irland o DEHLG, Department of the Environment, Heritage and Local Government o Department of Public Expenditure and Reform Niederlande o APG, Supplementary scheme for Dutch public employees Norwegen o KLP, Kommunal Landspensjonskasse Österreich o BPK, Bundespensionskasse AG o Valida Pension AG o VBV-Pensionskasse AG Portugal o CGA, Caixa Geral de Aposentações Schweiz o ASIP, Association Intercantonale Suisse de Prévoyance Professionnelle Slowenien o Modra zavarovalnica, d.d. Služba za pravne in kadrovske zadeve Spanien o Elkarkidetza, Supplementary scheme for the Basque County and Local public sector o E.P.S.V., Federación de Entidades de Previsión Social Voluntaria de Euskadi Schweden o KPA Pension o SPV, Statens Pensionsverk Vereinigtes Königreich von Großbritannien und Nordirland o DOE, Department of the Environment o LGPS, Local Government Pension Scheme o SPPA, Scotish Public Pensions Agency 4. Übertragbarkeit erworbener Zusatzversorgungsansprüche im öffentlichen Dienst Prinzipiell besteht die Möglichkeit der Übertragung von Anwartschaften aus Zusatzversorgungssystemen anderer EU-Staaten oder dem Versorgungssystem der Europäischen Gemeinschaften in und aus der VBL. Eine Übertragung von Versorgungsanwartschaften in Form von Barwerten in und aus der Pflichtversicherung der VBL ist aufgrund der Umlagefinanzierung grundsätzlich jedoch nicht möglich. Allerdings können Barwerte gemäß § 31 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4 Satzung der VBL in eine freiwillige kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung bei der VBL übertragen werden.9 Dies gilt prinzipiell auch für Ansprüche, die in einem Zusatzversorgungssystem des öffentlichen Dienstes eines anderen EU-Staates erworben wurden. Soweit ersichtlich sind Barwertübertragungen derzeit aber nur mit Österreich, dem Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland, der Schweiz und den Niederlanden möglich.10 Laut telefonischer Aussage der 9 Vgl. Broschüre der VBL zur Portabilität Ihrer Altersvorsorge auf https://www.vbl.de/de/app/media/resource /_if6ka7zp.html. 10 Vgl. Informationen der VBL auf https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/agfortbildung/mobilit __tsfragen_wegner-wahnschaffe.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 034/16 Seite 6 VBL werden Überleitungsabkommen auch mit Zusatzversorgungseinrichtungen anderer EU-Staaten angestrebt. Unabhängig davon besäßen Barwertübertragungen in der Praxis jedoch nur eine geringe Relevanz. Bei einem Wechsel eines Arbeitnehmers zu europäischen Institutionen und einer Beschäftigung auf der Grundlage des EU-Beamtenstatuts können dagegen auch Ansprüche aus der Pflichtversicherung der VBL auf das Versorgungssystem der EU übertragen werden. Die Übertragung erfolgt nach § 31 Abs. 4 Satz 2 Satzung der VBL in Verbindung mit Artikel 11 Nummer 2 des Anhangs VIII des EU-Beamtenstatuts. Scheidet ein Arbeitnehmer aus dem Dienst bei europäischen Institutionen aus und nimmt ein Arbeitsverhältnis beim Bund an, kann eine Bartwertübertragung nach § 31 Abs. 4 Satzung der VBL dagegen nur in eine freiwillige kapitalgedeckte betriebliche Altersversorgung bei der VBL erfolgen. Eine Übertragung in die umlagefinanzierte Pflichtversicherung ist in diesem Fall nicht möglich. 5. Harmonisierungsbestrebungen innerhalb der EU Bestrebungen zur Harmonisierung verschiedener Zusatzversorgungssysteme durch die EU ergaben sich vor dem Hintergrund der Förderung der Arbeitnehmerfreizügigkeit innerhalb Europas bereits seit den 1990er Jahren. Ein erster konkreter Schritt zur Harmonisierung bestand in der Verabschiedung der Richtlinie 98/49/EG vom 29. Juni 1998 zur Wahrung ergänzender Rentenansprüche von Arbeitnehmern und Selbständigen, die innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu- und abwandern. Allerdings enthält diese Richtlinie keine konkreten Bestimmungen zur grenzüberschreitenden Übertragung von Betriebsrenten oder zur Setzung von Mindeststandards für den Erwerb und die Wahrung ruhender Versorgungsanwartschaften. In der Folge legte die EU-Kommission am 20. Oktober 2005 den ersten Vorschlag einer Richtlinie zur Verbesserung der Portabilität von Zusatzrentenansprüchen vor. Inhalt des Entwurfs waren unter anderem Bestimmungen zur Übertragbarkeit von Zusatzrentenansprüchen sowie zur Festschreibung der Unverfallbarkeitsfrist. Aufgrund nachfolgend geäußerter Kritik legte die EU-Kommission am 9. Oktober 2007 einen überarbeiteten Vorschlag vor, der keine Regelung mehr zur Übertragung von Versorgungsanwartschaften enthielt. Der neue Vorschlag beschränkte sich stattdessen auf Bestimmungen zum Anspruchserwerb und zur Wahrung ruhender Rentenansprüche. Allerdings wurde der Richtlinienvorschlag nicht verabschiedet. Mit dem Grünbuch „Angemessene, nachhaltige und sichere europäische Pensions- und Rentensysteme “ vom 7. Juli 2010 folgte ein erneuter Vorstoß der EU-Kommission zur Harmonisierung von Zusatzversorgungssystemen in den Mitgliedstaaten.11 Das Grünbuch enthielt unter anderem Regelungen zur Übertragbarkeit von Versorgungsanwartschaften sowie Mindeststandards für den Anspruchserwerb und zur Wahrung ruhender Versorgungsansprüche. Die anschließenden Diskussionen ergaben, dass Regelungen zur Übertragbarkeit von Versorgungsansprüchen mehrheitlich abgelehnt wurden. 11 Kommissionsdokument KOM(2010) 365 final. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 034/16 Seite 7 In dem folgenden Weißbuch „Eine Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Pensionen und Renten“ der EU-Kommission vom 16. Februar 201212 wurde sich auf Regelungen zu den Mindestvoraussetzungen für den Erwerb und die Wahrung von Zusatzversorgungsansprüchen beschränkt. Diese Regelungen wurden schließlich als Richtlinie 2014/50/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 über Mindestvorschriften zur Erhöhung der Mobilität von Arbeitnehmern zwischen den Mitgliedstaaten durch Verbesserung des Erwerbs und der Wahrung von Zusatzrentenansprüchen verabschiedet. Die Richtlinie 2014/50/EU sah potentielle Hindernisse für die Mobilität von Beschäftigten bei der Zusatzversorgung unter anderem durch zu lange Unverfallbarkeitsfristen für den Erwerb von Betriebsrentenanwartschaften und die fehlende Wahrung von Betriebsrentenanwartschaften bei einem Arbeitgeberwechsel.13 Die Richtlinie 2014/50/EU enthält keine Bestimmungen zur Übertragung unverfallbarer Rentenanwartschaften zwischen den Zusatzversorgungssystemen der Mitgliedstaaten. Zur Förderung der Mobilität von Arbeitnehmern wurden die Mitgliedstaaten jedoch aufgefordert, im Rahmen des Möglichen und insbesondere bei Einführung neuer Zusatzrentensysteme die Übertragbarkeit unverfallbarer Rentenanwartschaften zu verbessern.14 Die notwendige Umsetzung der Richtlinie 2014/50/EU in nationales Recht machte Änderungen im Betriebsrentengesetz und im Einkommenssteuergesetz notwendig. Die Übernahme der entsprechenden Mindestvorgaben der Richtlinie erfolgte mit dem Gesetz zur Umsetzung der EU- Mobilitätsrichtlinie vom 21. Dezember 2015.15 Die neuen Regelungen zur Unverfallbarkeit und zur Wahrung von Betriebsrentenanwartschaften gelten für Beschäftigungszeiträume nach dem Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 2018. Ende der Bearbeitung 12 Kommissionsdokument KOM(2012)55 final, Anhang 1, Initiative Nr. 15. 13 Vgl. BT-Drucksache 18/6283, S. 9. 14 Richtlinie 2014/50/EU, Erwägungsgrund 24. 15 Bundesgesetzblatt Teil I 2015, Nr. 55 vom 30.12.2015, S. 2553.