© 2021Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 COVID-19-Impfnachweis als Bedingung für einen Vertragsschluss Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 Seite 2 COVID-19-Impfnachweis als Bedingung für einen Vertragsschluss Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 Abschluss der Arbeit: 19. Februar 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung (Gliederungspunkte 1., 2. und 3.) WD 7: Zivil-, Straf- und Verfahrensrecht, Bau und Stadtentwicklung (Gliederungspunkt 4.) Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 Seite 3 1. Einleitung und Fragestellung Seit Dezember 2020 ist für bestimmte Gruppen von Menschen eine Impfung gegen COVID-19 möglich.1 Darunter fallen vor allem Menschen, die einem besonders hohen Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs ausgesetzt oder durch ihren Beruf besonders anfällig für eine Infektion sind.2 Der Bundesregierung zufolge sollen bis Ende dieses Sommers genügend Impfdosen zur Verfügung stehen, sodass das Impfangebot auf die ganze Bevölkerung ausgeweitet werden kann.3 Einige Unternehmen haben bereits bekannt gegeben, dass sie das Erbringen ihrer Dienstleistung von dem Vorlegen eines Impfnachweises abhängig machen wollen.4 Gefragt wird, ob Unternehmen aufgrund datenschutzrechtlicher Bestimmungen daran gehindert sind, den Besuch von ihren Veranstaltungen, den Zutritt zu ihren Geschäften bzw. Gaststätten oder die Erbringung einer Dienstleistung von der Vorlage eines Impfnachweises abhängig zu machen. Weiter wird gefragt, ob eine Verweigerung des Vertragsschlusses aufgrund eines nicht vorgelegten Impfnachweises einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) begründet. Schließlich soll erörtert werden, ob hierdurch der Straftatbestand der Nötigung erfüllt sein kann. 2. Datenschutzrechtliche Voraussetzungen Die derzeitigen Überlegungen von Unternehmen sind insbesondere im Hinblick darauf, wie der Nachweis über die Impfung erbracht und kontrolliert werden soll, noch vage. Denkbar sind beispielsweise Einlasskontrollen, bei denen der Impfpass oder ein anderes Nachweisdokument in Augenschein genommen wird. Denkbar ist aber auch, dass zum Beispiel bei Onlinebuchungen der Impfstatus automatisiert abgefragt wird und nachgewiesen werden muss oder dass zum Nachweis der Impfung ein QR-Code generiert wird, der dann mit mobilen Endgeräten ausgelesen werden kann. Es stellt sich zunächst die Frage, in welchen dieser Fälle die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Anwendung findet. Ergänzend müssen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), insbesondere die Erlaubnistatbestände des § 22 BDSG beachtet werden. Auch im Infektionsschutzgesetz gibt es datenschutzrechtliche Vorschriften. Im Bereich privater Rechtsverhältnisse gelten diese gemäß § 23a IfSG jedoch nur im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen. 1 Siehe bspw. tagesschau vom 27. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/coronavirusimpfstart -103.html (letzter Abruf 17. Februar 2021). 2 Siehe tagesschau vom 8. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/impfen-priorisierung -101.html (letzter Abruf 17. Februar 2021). 3 Siehe tagesschau vom 1. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.tagesschau.de/inland/impfgipfel-107.html (letzter Abruf 17. Februar 2021). 4 Siehe Spiegel Online vom 24. November 2020, abrufbar unter: https://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen /corona-schutz-bei-airlines-qantas-will-die-impfpflicht-fuer-flugpassagiere-a-251975f4-0abe-4e8d-b5a5- cd6995d14957 sowie Weser Kurier vom 4. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.weser-kurier.de/deutschland -welt/deutschland-welt-politik_artikel,-eventimchef-fordert-konzertbesuche-mit-impfung-moeglich-machen -_arid,1957393.html (letzter Abruf jeweils 17. Februar 2021). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 Seite 4 2.1. Anwendungsbereich Die DSGVO ist gemäß ihrem Art. 2 Abs. 1 sachlich anwendbar, wenn personenbezogene Daten ganz oder teilweise automatisiert verarbeitet werden. Darunter kann beispielsweise das Erfassen von Impfnachweisen fallen, die auf der Website eines Flug- oder Veranstaltungsunternehmens abgefragt und hochgeladen werden sollen oder das Scannen eines QR-Codes, hinter dem sich Informationen zum Impfstatus verbergen. Für eine nichtautomatisierte Verarbeitung gilt nach dieser Vorschrift die DSGVO nur, wenn personenbezogene Daten in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Ein Dateisystem ist eine strukturierte Sammlung von Daten, die nach mindestens zwei Kriterien ausgewertet werden können müssen.5 Demnach ist der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet, wenn Unternehmen das Vorhandensein eines vorgezeigten Impfnachweises in eine Liste eintragen, die z. B. durch das Datum und die Namen der Personen strukturiert ist. Das bloße In-Augenschein- Nehmen von Daten ohne schriftliche Fixierung fällt dagegen nicht in den Anwendungsbereich der DSGVO, da keine Daten in einem Dateisystem gespeichert werden.6 2.2. Gesundheitsdaten, Art. 9 DSGVO Personenbezogene Daten über die Gesundheit unterliegen dem besonderen Schutz des Art. 9 DSGVO, der die Verarbeitung dieser besonders sensiblen Daten grundsätzlich untersagt. Der Begriff der Gesundheitsdaten ist weit zu verstehen und umfasst alle Angaben zur physischen und psychischen Gesundheit.7 Das Ereignis einer Impfung ist vom Begriff der Gesundheitsdaten erfasst.8 Eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten einer natürlichen Person ist nur unter den in Art. 9 Abs. 2 DSGVO geregelten Erlaubnistatbeständen möglich. 2.2.1. Einwilligung, Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO Soweit der Anwendungsbereich der DSGVO eröffnet ist, weil Unternehmen die Auskunft über die Impfung ganz oder teilweise automatisiert verarbeiten bzw. in einem Dateisystem speichern, müssen die Unternehmen den Voraussetzungen eines der Ausnahmetatbestände des Art. 9 Abs. 2 DSGVO genügen. Aus dem Katalog des Art. 9 Abs. 2 DSGVO kommt insbesondere die Einwilligung gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. a DSGVO in Betracht. Danach ist eine Verarbeitung von Gesundheitsdaten und genetischen Daten möglich, wenn die betroffene Person in diese für einen oder mehrere festgelegte Zwecke ausdrücklich eingewilligt hat. 5 Roßnagel, in: Simitis/Hornung/Spiecker, Datenschutzrecht, 1. Auflage 2019, Art. 4 Nr. 6 Rn. 7, 10. 6 So auch Haschert, in: Schmidt, COVID-19, Rechtsfragen zur Corona-Krise, 2. Auflage, § 20 Datenschutz Rn. 107; a.A. Bock, Keine Corona-App dient als Eintrittskarte vom 14. Mai 2020, abrufbar unter: https://www.cr-online .de/blog/2020/05/14/keine-corona-app-dient-als-eintrittskarte/ (Letzter Abruf 17. Februar 2021). 7 Klabunde, in: Ehrmann/Selmayer, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, DS-GVO Art. 4 Rn. 61. 8 Weichert, in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2020, DS-GVO Art. 9 Rn. 37. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 Seite 5 Für das Einholen der Einwilligungserklärung gelten die allgemeinen datenschutzrechtlichen Grundsätze . Gemäß Art. 7 DSGVO muss die Einwilligungserklärung insbesondere ausdrücklich erklärt werden sowie unmissverständlich und nachweisbar sein. Bei einer rein mündlichen Erklärung ist für die Nachweisbarkeit eine schriftliche Fixierung angezeigt.9 Der Verantwortliche muss zudem gewährleisten, dass die Einverständniserklärung freiwillig, d.h. ohne jeden Druck und Zwang erfolgt .10 An der Freiwilligkeit kann es fehlen, wenn der betroffenen Person eine Leistung nur unter der Bedingung angeboten wird, dass sie in eine Nutzung der Daten einwilligt, die für die Erbringung des Dienstes gar nicht erforderlich ist (sogenanntes relatives Kopplungsverbot11). Vereinzelt wird ohne nähere Begründung vertreten, dass das Erfordernis eines Impfnachweises als Voraussetzung für einen Vertragsschluss in jedem Fall ein Verstoß gegen das Kopplungsverbot sei und eine Einwilligung somit nicht freiwillig wäre.12 Damit private Unternehmen Impfdaten verarbeiten können, müsse ein Gesetz verabschiedet werden, das den Anforderungen der DSGVO genüge.13 Richtigerweise wird es hier auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. So weisen andere Stimmen darauf hin, dass die Erforderlichkeit der Angabe insbesondere von der Art der zu erbringenden Dienstleistung abhängig sei.14 Eine Erforderlichkeit sei zum einen zu bejahen, wenn die Umstände eines Vertrages eine Verbreitung von COVID-19 trotz Schutzmaßnahmen besonders begünstigen. Dies betreffe vor allem Gewerbezweige, bei denen räumliche Nähe zwischen Personal und Gästen oder der Kundschaft untereinander unumgänglich sei. Auch umfasst seien Dienstleistungen, die mit dem Ausschank von Alkohol verbunden sind, was sich negativ auf die Regeltreue der Gäste auswirke und dadurch die Einhaltung und Durchsetzung der Abstands- und Hygienemaßnahmen durch das Unternehmen erschwere. Das Unternehmen habe eine nebenvertragliche Schutzpflicht für die Gesundheit seiner Gäste, was einen Impfnachweis als Voraussetzung für einen Vertragsschluss erforderlich machen könne.15 Zwar gibt es noch keine sicheren wissenschaftlichen Erkenntnisse dafür, dass geimpfte Personen nicht bzw. weniger infektiös sind.16 Aufgrund der hohen 9 Schulz, in: Gola, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 9 Rn. 17. 10 Schulz, in: Gola, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 7 Rn. 21. 11 Siehe dazu auch Kühling/Schildbach, NJW 2020, 1545. 12 Siehe Pressemitteilung des Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Bremen vom 9. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.datenschutz.bremen.de/aktuelles-1459 (letzter Abruf 17. Februar 2021). 13 Ebenda. 14 Siehe Kießling/Müllmann, Bald wird geimpft vom 16. Dezember 2020, abrufbar unter: https://verfassungsblog .de/bald-wird-geimpft/ (Letzter Abruf 17. Februar 2021). 15 Siehe dazu Kammerberger, Dienstleistungen nur nach Corona-Impfungen – Utopie oder Dystopie? vom 2. Dezember 2020, abrufbar unter: https://www.datenschutz-notizen.de/dienstleistungen-nur-nach-corona-impfungen-utopieoder -dystopie-4327971/ (Letzter Abruf 17. Februar 2021). 16 Siehe dazu COVID-19 und Impfen: Antwort auf häufig gestellte Fragen (FAQ) des RKI vom 11. Februar 2021, abrufbar unter: https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/gesamt.html (Letzter Abruf 17. Februar 2021). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 Seite 6 Wirksamkeit der aktuellen Impfstoffe von 95% bzw. 70%17 ist jedenfalls die Wahrscheinlichkeit geringer, dass Gäste an COVID-19 erheblich erkranken, wenn sie alle geimpft sind. Zum anderen könne das Vorzeigen eines Impfnachweises erforderlich sein, wenn für das Unternehmen im Falle einer Virusverbreitung in den eigenen Räumen eine besondere wirtschaftliche Belastung, z. B. durch eine Geschäftsschließung oder aus den dagegen zu ergreifenden Schutzmaßnahmen entstehen würde.18 Ein weiteres Beispiel wären Fluggesellschaften, die aufgrund der Einlassbestimmungen verschiedener Länder ungeimpfte Gäste gegebenenfalls auf eigene Kosten wieder zurückfliegen müssen.19 Für Unternehmen, die die obigen Eigenschaften nicht aufweisen und die im Falle einer Virusverbreitung keiner besonderen Härte ausgesetzt sind, ergebe sich in der Regel keine Erforderlichkeit für das Vorzeigen eines Impfnachweises. In diesen Fällen würden Unternehmen das Kopplungsverbot verletzen, wenn sie ihre Leistungserbringung von einem Impfnachweis abhängig machen würden.20 Weiter kann ein klares Machtungleichgewicht zwischen der betroffenen Person und dem Verantwortlichen der Freiwilligkeit entgegenstehen.21 Dies wird vermutet, wenn die Datenverarbeitung durch eine Behörde geschieht.22 Das bloße Verhältnis zwischen Verbrauchern und Unternehmen stellt noch kein Ungleichgewicht dar.23 Es müssen weitere konkrete Umstände dazukommen, wie eine Angewiesenheit des Verbrauchers auf Dienstleistungen oder Produkte eines bestimmten Unternehmens oder eine faktische Monopolstellung am Markt.24 Des Weiteren ist relevant, ob der Betroffene eine echte Wahlfreiheit bezüglich des Adressaten, Inhalts und Umfangs seiner Einwilligung hat.25 Dies ist zu verneinen, wenn unter Bezugnahme der Umstände des Einzelfalls eine Freiwilligkeit nicht angenommen werden kann, insbesondere wenn der Betroffene bei einer Verweigerung Nachteile zu befürchten hätte.26 Ein Nachteil liegt vor, wenn der betroffenen Person bei einer Verweigerung schwerwiegende Folgen drohen; bloße Unannehmlichkeiten reichen nicht.27 Aufgrund der Privatautonomie stellt eine Ablehnung eines 17 Ebenda. 18 Kießling/Müllmann (Fn. 14). 19 Ebenda. 20 Ebenda. 21 Siehe dazu auch Erwägungsgrund 43 der DSGVO. 22 Heckmann/Paschke, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 7 Rn. 52. 23 Buchner/Kühling, in: Kühling/Buchner, DS-GVO BDSG, 3. Auflage 2020, Art. 7 DSGVO Rn. 44. 24 Ebenda. 25 Heckmann/Paschke, in: Ehmann/Selmayr, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 7 Rn. 53 sowie Kießling/Müllmann (Fn. 14). 26 Ebenda. 27 Schulz, in: Gola, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 7 Rn. 29. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 Seite 7 Vertragsschlusses aufgrund der Verweigerung einer Datenverarbeitung durch die betroffene Person keinen Nachteil im Sinne des Datenschutzrechts dar, solange keine besonderen Umstände hinzutreten .28 Für eine wirksame Einwilligung ist schließlich erforderlich, dass die betroffene Person darüber informiert wird, was mit ihren Daten geschieht.29 Darüber hinaus muss die betroffene Person über ihr Widerrufsrecht informiert werden. 2.2.2. Weitere Erlaubnistatbestände erhebliches öffentliches Interesse, Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO und öffentliche Gesundheitsbelange, Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO Es kommen zwei weitere Erlaubnistatbestände in Betracht, und zwar Art. 9 Abs. 2 lit. g DSGVO (erhebliches öffentliches Interesse) sowie Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO (öffentliche Gesundheitsbelange ).30 In der Literatur werden z.T. massive Zweifel daran geäußert, ob die Vorschrift dem rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgebot genügt.31 Nach Auffassung des Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit berechtigt dagegen Art. 9 Abs. 2 lit. i DSGVO Unternehmen dazu, die Gesundheitsdaten ihrer Gäste zu verarbeiten, um festzustellen, ob diese selbst infiziert sind.32 Dabei müsse der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, also insbesondere die Erforderlichkeit und die Angemessenheit33 der Verarbeitung beachtet werden.34 Diese Auffassung wird auch von anderen Stimmen in der Literatur gestützt.35 2.3. Grundsatz der Datenminimierung Art. 5 Abs. 1 lit. c DSGVO schreibt vor, dass personenbezogene Daten „dem Zweck angemessen und erheblich sowie auf das für die Zwecke der Verarbeitung notwendige Maß beschränkt sein“36 müssen. Bei einer Verarbeitung von Gesundheitsdaten bezüglich des Impfstatus muss der Verantwortliche diesen Grundsatz der Datenminimierung beachten. Wenn Unternehmen den Impfpass 28 Ebenda. 29 Dazu Schulz, in: Gola, Datenschutz-Grundverordnung, 2. Auflage 2018, Art. 7 Rn. 34. 30 Ausführlich hierzu siehe die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste, Fragen zur Einführung einer Immunitätsdokumentation , WD 3 - 3000 - 123/20, S. 17 f. 31 Schantz, in: Schantz/Wolff, Das neue Datenschutzrecht, § 22 BDSG Rn. 716 sowie Albers/Veit, in: BeckOK Datenschutzrecht , Wolff/Brink, 34. Edition, Stand: 01.05.2020, § 22 BDSG Rn. 18. 32 Siehe dazu Information des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, abrufbar unter: https://www.bfdi.bund.de/DE/Datenschutz/Themen/Gesundheit_Soziales/GesundheitSozialesArtikel/Datenschutz -in-Corona-Pandemie.html (Letzter Abruf: 17. Februar 2021). 33 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 20 Rn. 110. 34 Siehe dazu Information des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (Fn. 32). 35 Siehe dazu Kammerberger (Fn. 15). 36 Hervorhebung nur hier. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 Seite 8 vorgelegt haben möchten, müssen sie gewährleisten, dass nur die Informationen zur COVID-19- Impfung erfasst und verarbeitet werden. 3. Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz? Aufgrund der aus Art. 2 Abs. 1 GG folgenden Privatautonomie können natürliche und juristische Personen des Privatrechts ihre individuellen Rechtsbeziehungen grundsätzlich frei gestalten. Einschränkungen der Vertragsfreiheit sieht das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vor. Dieses regelt den Schutz vor Diskriminierung aus rassistischen Gründen oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität durch private Akteure, wie beispielsweise Arbeitgeber, Vermieter, sowie Anbieter von Waren und Dienstleistungen.37 Allerdings dürfte der Impfstatus unter keines dieser Merkmale zu fassen sein. Es wird zum Teil erwogen, das Merkmal der Behinderung zumindest für solche Personen heranzuziehen, die aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden können.38 Diese Argumentation vermag jedoch nicht zu überzeugen.39 Zudem regelt § 20 Abs.1 AGG, dass in bestimmten Fällen eine Ungleichbehandlung durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt sein kann. Dies kann insbesondere dann der Fall sein, wenn die unterschiedliche Behandlung der Vermeidung von Gefahren, der Verhütung von Schäden oder anderen Zwecken vergleichbarer Art dient, § 20 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AGG. Das unterschiedliche Erkrankungsrisiko von geimpften und ungeimpften Personen (siehe oben unter 2.2.1.) könnte damit die Ungleichbehandlung als sachlichen Grund rechtfertigen. 4. Erfüllung des Nötigungstatbestandes? Im Ergebnis dürfte das Verlangen der Vorlage des Impfpasses als Bedingung für den Abschluss eines privatrechtlichen Rechtsgeschäftes auch kaum Relevanz in Bezug auf den strafrechtlichen Nötigungstatbestand, § 240 Strafgesetzbuch (StGB),40 entfalten. Wegen einer Nötigung wird bestraft, wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt.41 Nötigungserfolg wäre hier die Handlung des Vorzeigens des Impfpasses. Als Nötigungshandlung käme vorliegend von vornherein nur die Drohung mit einem empfindlichen Übel in Betracht. Problematisch wäre hierbei vor allem die Empfindlichkeit des in Aussicht gestellten Übels. Dies 37 Schlachter, in: Erfurter Komm, ArbR, 21. Auflage 2021, Vorb. AGG Rn. 1. 38 Kießling/Müllmann (Fn. 14). 39 Vgl. auch Lindner, „Privilegien“ für einige oder Lockdown für alle?, 19. Dezember 2020, https://verfassungsblog .de/privilegien-oder-lockdown/ (Letzter Abruf: 17. Februar 2021). 40 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 47 des Gesetzes vom 21. Dezember 2020 (BGBl. I S. 3096) geändert worden ist, abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/ (Letzter Abruf 17. Februar 2021). 41 § 240 Abs. 1 StGB. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/21; WD 7 - 3000 - 015/21 Seite 9 ist nach der Rechtsprechung allgemein nicht gegeben, wenn vom Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, dass er der Drohung in „besonnener Selbstbehauptung“ standhält.42 Vorliegend bestünde die Besonderheit, dass der vermeintliche Täter nicht mit einer Handlung, sondern mit einem Unterlassen, nämlich dem Nichtabschluss eines Rechtsgeschäftes, drohen würde. Als maßgebliches Wertungskriterium für die Frage der Strafwürdigkeit einer solchen Drohung setzt die Rechtsprechung vor allem das allgemeine Kriterium der Verwerflichkeit an.43 Rechtswidrig ist eine Tat hiernach, wenn die Androhung des Übels als Mittel zu dem damit angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist (Zweck-Mittel-Relation).44 Die Verwerflichkeit im Sinne der „sozialen Unerträglichkeit“45 dürfte vorliegend mit guten Gründen zu verneinen sein, sofern jedenfalls das verlangte Mittel der Vorlage des Impfpasses mit dem adäquat verbundenen Zweck der Gewährleistung des Gesundheitsschutzes im Rahmen der Geschäftstätigkeit korreliert. Insbesondere bei der stark wertungsabhängigen Konstellation der Drohung mit einem Unterlassen ist jedoch stets eine Bewertung der genauen Umstände des Einzelfalles durch die hierzu berufenen Strafverfolgungsorgane vonnöten.46 *** 42 Vgl. etwa BGH, Beschluss vom 5. September 2013, Az. 1 StR 162/13, Rn. 54 m.w.N. (juris). 43 BGH, Beschluss vom 13. Januar 1983, Az. 1 StR 737/81, Rn. 19 (juris). 44 Vgl. § 240 Abs. 2 StGB. 45 Vgl. etwa BGH, Urteil vom 21. Dezember 2016, Az. 1 StR 253/16, Rn. 51 (juris). 46 Sinn, in: Münchener Kommentar zum StGB, 3. Auflage 2017, Band 4, § 240 StGB, Rn. 91.