© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 033/18 Zulässigkeit einer Grenzschutzpolizei auf Landesebene Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/18 Seite 2 Zulässigkeit einer Grenzschutzpolizei auf Landesebene Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 033/18 Abschluss der Arbeit: 15. Februar 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/18 Seite 3 1. Fragestellung Bis 1998 bestand in Bayern als organisatorische Einheit der Polizei neben der Landespolizei und der Bereitschaftspolizei die Bayerische Grenzpolizei.1 Gefragt wird, ob die erneute Einrichtung einer solchen Landesgrenzschutzpolizei mit Bundesrecht vereinbar wäre und welche Befugnisse ihr eingeräumt werden könnten. 2. Verfassungsrechtlicher Rahmen Für die Regelungsmaterie des Grenzschutzes begründet Art. 73 Abs. 1 Nr. 5 Grundgesetz (GG) eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Der Bund hat von dieser Kompetenz insbesondere mit dem Bundespolizeigesetz (BPolG) Gebrauch gemacht. Die Verwaltungskompetenz regelt Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG: „Durch Bundesgesetz können Bundesgrenzschutzbehörden (…) eingerichtet werden.“ Geregelt ist hier ein Fall bundeseigener Verwaltung in der besonderen Form der fakultativen Bundesverwaltung. Der Bund kann also eigene Behörden einrichten, ist hierzu aber nicht verpflichtet.2 Auf dieser Grundlage hat der Bund die Bundespolizei (bis 2005: Bundesgrenzschutz) eingerichtet.3 3. Einfachgesetzlicher Rahmen Einfachgesetzlich ist die Zuständigkeit für den Grenzschutz in § 2 BPolG geregelt: „(1) Der Bundespolizei obliegt der grenzpolizeiliche Schutz des Bundesgebietes (Grenzschutz), soweit nicht ein Land im Einvernehmen mit dem Bund Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes mit eigenen Kräften wahrnimmt. (…) (3) Das Einvernehmen nach Absatz 1 ist in einer schriftlichen Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Innern und dem beteiligten Land herzustellen, die im Bundesanzeiger bekanntzugeben ist. In der Vereinbarung ist die Zusammenarbeit zwischen der Bundespolizei und der Polizei des Landes zu regeln. (4) Nimmt die Polizei eines Landes Aufgaben nach Absatz 1 im Einvernehmen mit dem Bund mit eigenen Kräften wahr, richtet sich die Durchführung der Aufgaben nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.“ 1 So noch Gallwas/Wolff, Bayerisches Polizei- und Sicherheitsrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 134, 137; vgl. auch die Ausführungen der Bayerischen Polizei unter http://www.polizei.bayern.de/wir/geschichte/index.html/23287; alle Internet-Quellen zuletzt abgerufen am 14. Februar 2018. 2 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2008, Art. 87 Rn. 31 ff.; Ibler, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz-Kommentar, 81. Lfg. 2017, Art. 87 Rn. 84. 3 Ibler, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG, Art. 87 Rn. 89. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/18 Seite 4 Nur vereinzelt werden Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung geäußert.4 Nach ganz überwiegender Auffassung ist die Vorschrift mit Art. 87 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar: Der Bund könne von seiner fakultativen Verwaltungskompetenz auch so Gebrauch machen, dass er die Aufgabe nicht in vollem Umfang wahrnehme, sondern in einzelnen Bundesländern die Grenzkontrollen der Landespolizei überlasse; dabei handele es sich auch nicht um einen Fall unzulässiger sogenannter Mischverwaltung.5 Wo die Landespolizei den grenzpolizeilichen Einzeldienst wahrnimmt, erfüllt sie ihre Aufgaben gemäß § 2 Abs. 4 BPolG „nach dem für die Polizei des Landes geltenden Recht.“ Hierzu zählt nicht nur das Landesrecht, etwa das Landespolizei- und Datenschutzrecht, sondern auch das von der Landespolizei zu vollziehende Bundesrecht, z.B. das Aufenthaltsgesetz, das Ordnungswidrigkeitengesetz oder das Paßgesetz.6 4. Regelung landespolizeilicher Zuständigkeiten durch Verwaltungsabkommen Vereinbarungen mit dem Bund nach § 2 Abs. 1, 3 BPolG haben derzeit die Freie und Hansestadt Hamburg und der Freistaat Bayern geschlossen. Das Hamburger Verwaltungsabkommen betrifft grenzpolizeiliche Kontrollen im Hamburger Hafen.7 Frühere Verwaltungsabkommen mit Bayern von 1953 und 1973 sahen noch die umfassende Wahrnehmung des Grenzschutzes durch die bayerische Polizei vor.8 Hierfür bestand bis 1998 die Bayerische Grenzpolizei.9 Nach dem aktuellen Verwaltungsabkommen von 2008 (VerwAbk) übernimmt die Landespolizei nur noch Kontrollen des grenzüberschreitenden Verkehrs, „soweit dieser über Einrichtungen des Luftverkehrs abgewickelt wird, die ganz oder teilweise auf dem Gebiet des Freistaates Bayern liegen“; der Münchener Flughafen „Franz Josef Strauß“ ist hiervon ausgenommen (§ 1 Abs. 1 VerwAbk).10 Die Landespolizei hat sich dabei an Verwaltungsvorschriften und fachliche Weisungen des Bundesministeriums 4 Zweifel bei Denninger/Poscher, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, Rn. B 150; weitere Nachweise bei Winkeler, Von der Grenzpolizei zur multifunktionalen Polizei des Bundes?, 2004, S. 40. 5 Hermes, in: Dreier (Hrsg.), GG, Art. 87 Rn. 33; Wehr, Bundespolizeigesetz, 2. Aufl. 2015, § 2 Rn. 3; Drewes/ Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 5. Aufl. 2015, Rn. 16 f.; Winkeler, Von der Grenzpolizei zur multifunktionalen Polizei des Bundes?, S. 40 f. 6 Graulich, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 2 BPolG Rn. 5; Drewes/ Malmberg/Walter, BPolG, § 2 Rn. 90; Winkeler, Von der Grenzpolizei zur multifunktionalen Polizei des Bundes?, S. 38 f. 7 Verwaltungsabkommen über die Wahrnehmung der polizeilichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs im Hamburger Hafen vom 22. Januar 1974, BAnz. Nr. 18 vom 26. Januar 1974; ein entsprechendes Abkommen mit der Freien Hansestadt Bremen wurde von der Landesregierung 2010 gekündigt, vgl. Drewes/Malmberg/Walter, BPolG, § 2 Rn. 89. 8 Vgl. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE, BT-Drs. 16/8303 vom 28. Februar 2008. 9 Vgl. Art. 5 des Gesetzes über die Organisation der Bayerischen Staatlichen Polizei in der Fassung vom 1. Januar 1983, Juris; s. auch oben Fn. 1. 10 Verwaltungsabkommen zwischen dem Bundesministerium des Innern und der Bayerischen Staatsregierung über die Wahrnehmung von Aufgaben des grenzpolizeilichen Einzeldienstes in Bayern vom 17. April 2008, BAnz. AT Nr. 61 vom 22. April 2008, S. 1448, abrufbar unter http://www.gesetze-bayern.de/Content/Document/BayGrenz VwAbk/true. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 033/18 Seite 5 des Innern oder des Bundespolizeipräsidiums zu halten und ist deren Beauftragten gegenüber auskunftspflichtig (§§ 3, 5 VerwAbk). Der organisatorische Aufbau der Landespolizei ist jedem Bundesland überlassen. Der Freistaat Bayern könnte daher für die ihm verbliebenen grenzpolizeilichen Aufgaben wieder eine Grenzpolizei einrichten. Weiterreichende Aufgaben, etwa die Überwachung der Landesgrenzen, könnten ihr allerdings nur zugewiesen werden, wenn hierüber das Einvernehmen mit dem Bund in einem entsprechenden neuen Verwaltungsabkommen hergestellt würde. ***