Deutscher Bundestag Stiftungsuniversitäten im Spannungsverhältnis zur Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 033/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 033/13 Seite 2 Stiftungsuniversitäten im Spannungsverhältnis zur Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 033/13 Abschluss der Arbeit: 13. März 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 033/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Rechtsträgerwechsel einer Universität 4 3. Handlungskompetenz des Bundes bei Stiftungsuniversitäten 5 3.1. Hochschulen des Landes 5 3.2. Hochschulen des Bundes 6 4. Das Stiftungsmodell als Gefahr für die Wissenschaftsfreiheit? 7 4.1. Entscheidungshoheit in Lehre und Forschung 7 4.2. Organisationsfreiheit der Hochschulen 8 5. Voraussetzungen für die Vereinbarkeit einer öffentlichrechtlichen Stiftungsuniversität mit Art. 5 Abs. 3 GG 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 033/13 Seite 4 1. Einleitung Die Gründe für die Umwandlung einer staatlichen Hochschule in eine Stiftungsuniversität sind manngifaltig. So wird durch einen Rechtsträgerwechsel eine größere Staatsferne und eine Stärkung der Hochschulautonomie erwartet.1 Auch die stärkere Verankerung der Universität in der Bürgergesellschaft sowie die Nutzung des positiv besetzten Begriffs der Stiftung für verstärkte Identifikation mit der Hochschule und eine erfolgreichere Akquise privaten Kapitals werden als Erwägungsgründe für einen Rechtsträgerwechsel herangezogen.2 Im Folgenden soll geprüft werden, ob der Bund Einfluss auf den Rechtsträgerwechsel von Hochschulen hin zu Stiftungsuniversitäten hat und ob das Stiftungsmodell mit der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG) in Einklang steht. 2. Rechtsträgerwechsel einer Universität Niedersachsen hat bereits drei Universitäten in die Rechtsträgerschaft einer Stiftung überführt3, in Brandenburg hat derzeit die Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) den Rechtsträger gewechselt. Der rechtliche Ablauf eines Rechtsträgerwechsels ist in beiden Bundesländern ähnlich und soll vorliegend anhand der Universität Göttingen dargestellt werden. Zunächst ist eine landesgesetzliche Grundlage notwendig, nach welcher eine Universität in die Trägerschaft einer rechtsfähigen Stiftung überführt werden kann. Für Niedersachsen findet sich diese in § 55 Abs. 1 des Niedersächsischen Hochschulgesetz (NHG).4 Gem. § 55 Abs. 1 NHG kann die Landesregierung auf Antrag des Senats einer Universität durch Verordnung eine Stiftung errichten; in der entsprechenden Verordnung sind die Grundstücke und dinglichen Rechte aufzuführen, die mit Errichtung der Stiftung auf diese übergehen. Für die Universität Göttingen wurde dies in der Verordnung über die Neuregelung der Trägerschaft der Georg-August-Universität Göttingen vom 17. Dezember 2002 umgesetzt. Daneben erhält die Stiftung zur Erfüllung ihrer Aufgaben gem. § 56 Abs. 4 NHG eine jährliche Finanzhilfe vom Land Niedersachsen. § 55 Abs. 4 NHG schreibt weiterhin vor, dass die Stiftung die Rechtsaufsicht über die Universität ausübt. Die Stiftung unterliegt ihrerseits wiederum gem. § 62 Abs. 1 NHG der Rechtsaufsicht des Fachministeriums des Landes. 1 Hener/Kaudelka/Kirst, Stiftungshochschulen in Deutschland – Ein Zukunftsmodell?, Arbeitspapier Nr. 110 des CHE - Centrum für Hochschulentwicklung, 2008, S. 1. 2 Hener/Kaudelka/Kirst (Fn. 1), S. 1. 3 Universität Göttingen, Universität Hildesheim und Leuphana Universität Lüneburg. 4 Niedersächsisches Hochschulgesetz in der Bekanntmachung vom 26.02.2007 (Nds. GVBl. 69), das zuletzt durch Art. 7 des Gesetzes zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen vom 12.12.2012 (Nds. GVBl. S. 591) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 033/13 Seite 5 Als Stiftungsorgane konstituiert § 59 NHG sodann den Stiftungsrat und das Präsidium der Universität . Letzteres ist zugleich ein Organ der Universität und nimmt dadurch eine Doppelstellung ein. Der Stiftungsrat besteht in Niedersachsen gem. § 60 NHG aus sieben Mitgliedern. Dabei handelt es sich um fünf mit dem Hochschulwesen vertraute, aber nicht der Universität angehörende Personen, ein vom Senat zu bestimmendes Mitglied der Universität, sowie einen Vertreter des Fachministeriums des Landes. Aus welchen Personen sich der Stiftungsrat zusammensetzt bzw. wer die Zusammensetzung bestimmt, regelt die Stiftungssatzung. Für die Universität Göttingen legt die Stiftungssatzung fest, dass dem Dekanekonzil ein ausschlaggebender Einfluss auf die Zusammensetzung des Stiftungsrates zukommt (§ 8 der Stiftungssatzung der Georg-August- Universität Göttingen). Der Stiftungsrat berät die Universität, beschließt über Angelegenheiten der Stiftung von grundsätzlicher Bedeutung und überwacht die Tätigkeit des Präsidiums. Das Präsidium führt die laufenden Geschäfte der Stiftung. 3. Handlungskompetenz des Bundes bei Stiftungsuniversitäten Fraglich ist, ob der Bund Einflussmöglichkeiten auf die Entstehung und die Anzahl von Stiftungsuniversitäten hat. 3.1. Hochschulen des Landes Die Kompetenzen im Bereich des Bildungs- und Hochschulwesens liegen im Wesentlichen bei den Ländern (Art. 30, 70 GG).5 Für eine Handlungskompetenz des Bundes wäre damit eine gesonderte Kompetenzzuweisung an den Bund im Grundgesetz notwendig. Als Kompetenzgrundlage käme zunächst Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 Var. 2 GG in Betracht. Die Förderung der „wissenschaftlichen Forschung“ meint die Regelung finanzieller, organisatorischer und planerischer Maßnahmen zur Förderung von Forschungsprojekten und -einrichtungen sowie des wissenschaftlichen Nachwuchses.6 Allerdings darf der Bund diesen Kompetenztitel nicht dazu einsetzen, die Strukturen des Hochschulwesens zu gestalten, da ihm hierfür die Kompetenzen seit der Föderalismusreform 2006 nicht mehr zustehen.7 Nach allgemeiner Meinung ist dem Bund daher die Einrichtung einer allgemeinen Hochschule oder die institutionelle Förderung einer Universität verwehrt, da die Universität neben der Forschung auch zur Lehre verpflichtet 5 Vgl. hierzu: Universität des Bundes, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 – 206/11, 2011, S. 3 – 6.; siehe zu den Kompetenzen des Bundes im Bildungswesen auch: Kompetenzen des Bundes im Bereich des Bildungswesens – Handlungsoptionen für eine gesamtstaatliche Bildungspolitik , Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 3 – 126/09, 2009 sowie Fragen zur Kompetenzverteilung im Bereich „Bildung“, Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, WD 3 – 481/10, 2010. 6 Umbach/Clemens in: dies.(Hrsg.), Grundgesetz – Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Band 2, 2002, Art. 74 Rn. 73 f. 7 Seiler in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, 10. Edition, Stand 01.01.2013, Art. 74 Rn. 54. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 033/13 Seite 6 ist, deren Regelung in den Kompetenzbereich der Länder fällt.8 Dies umfasst zwingend auch, dass der Bund sich nicht in die Organisationsform bestehender Universitäten einmischen darf. Denn die durch die Föderalismusreform 2006 eingeführte Zuständigkeitsbeschränkung des Bundes im Bildungsbereich darf nicht durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG umgangen werden.9 Dem Bund sind folglich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG keine Handlungsmöglichkeiten gegeben, um in die Hochschulstrukturen der Länder einzugreifen. Dem Bund könnte auch keine Handlungskompetenz aus Art. 91b GG zukommen. Nach Art. 91b Abs.1 Nr. 2 GG können Bund und Länder auf Grund von Vereinbarungen in Fällen überregionaler Bedeutung bei Vorhaben der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen zusammenwirken .10 Sinn und Zweck dieser Vorschrift ist die gezielte finanzielle Förderung bestimmter wissenschaftlicher Vorhaben.11 Dies umfasst jedoch gerade nicht eine Einflussmöglichkeit des Bundes auf bereits bestehende Hochschulstrukturen, was denklogisch dazu führt, dass auch die Beeinflussung der Länder bei der Wahl des Rechtsträgers einer Universität nicht von Art. 91b Abs. 1 Nr. 2 GG umfasst sein kann. Eine Handlungskompetenz hinsichtlich der Einflussnahme auf das Entstehen von öffentlichrechtlichen Stiftungsuniversitäten der Länder kommt dem Bund nicht zu. 3.2. Hochschulen des Bundes Entsprechend der soeben dargestellten Kompetenzordnung des Grundgesetzes im Bereich des Hochschulwesens besteht keine Kompetenz des Bundes für die Errichtung oder den Unterhalt einer allgemein bildenden Bundesuniversität. Als Ausnahmen sind die beiden Universitäten der Bundeswehr in Hamburg und München zu sehen, deren Einrichtung – nach umstrittener Ansicht – auf einen Annex zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Verteidigung in Art. 73 Abs. 1 Nr. 1 Var. 2 GG gestützt wird.12 Sie sind „Dienststellen“ der Bundeswehr, die als mitgliedschaftlich organisierte Einrichtungen des Bildungswesens in Aufgaben, Strukturen und Rechten nach den Maßgaben des jeweiligen Landesrechts organisiert sind. 8 Maunz in: ders./Dürig (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 23. Lieferung, Art. 74 Rn. 182; Sannwald in: Schmidt- Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, 12. Aufl. 2011, Art. 74 Rn. 169. 9 Oeter in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 3, 6. Aufl. 2010, Art. 74 Abs. 1, Nr. 14 Rn. 109. 10 Daneben ist außerhalb des Hochschulbereichs ein Zusammenwirken bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung (Art. 91b Abs. 1 Nr. 1 GG) möglich. Einrichtungen im Sinne dieser Vorschrift sind sowohl solche, die selbst forschen (z. B. Max-Planck-Institut, Fraunhofer-Gesellschaft), als auch solche, deren Aufgabe selbst in der Forschungsförderung besteht. Der Begriff des Vorhabens bezeichnet abgegrenzte Sachaufgaben mit konkreten wissenschaftlichen Zielen. 11 Suerbaum in: Epping/Hillgruber (Fn. 7), Art. 91b Rn. 13; Siekmann in: Sachs (Hrsg.) Grundgesetz Kommentar, 5. Aufl. 2009, Art. 91b Rn. 18; Henneke in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Hopfauf (Fn. 8), Art. 91b Rn. 12. 12 Für eine Annexkompetenz des Bundes unter anderem Degenhart in: Sachs (Fn.11), Art. 73 Rn. 7, dagegen Uhle in: Maunz/Dürig (Fn. 8), Art. 73 Rn. 46; ausführlich zum Ganzen Kompetenzen des Bundes im Bereich der Hochschulen, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, WD 3 – 173/11, 2011, S. 10 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 033/13 Seite 7 Soweit das Grundgesetz so geändert wird, dass eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes zur Einrichtung einer Bundesuniversität geschaffen wird, würde Artikel 87 Abs. 3 GG die Einrichtung von Stiftungen des öffentlichen Rechts als Teil der mittelbaren Bundesverwaltung ermöglichen.13 Nur in diesem Rahmen hätte der Bund Einfluss auf die Anzahl von Stiftungsuniversitäten. 4. Das Stiftungsmodell als Gefahr für die Wissenschaftsfreiheit? Auf der einen Seite schützt die Wissenschaftsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 GG als Freiheitsrecht die Freiheit von Lehre und Forschung.14 Auf der anderen Seite schützt sie auch die Organisation der Wissenschaft und der Hochschulen. Fraglich ist, ob das Universitätsmodell der Stiftungsuniversität ungerechtfertigt in diese Freiheiten eingreift. 4.1. Entscheidungshoheit in Lehre und Forschung Zur wissenschaftlichen Forschung gehören u.a. die Entscheidungen über die Fragestellung, die angewandte Methode sowie die Bewertung und Verbreitung des Forschungsergebnisses.15 Das inhaltliche Merkmal der wissenschaftlichen Lehre umfasst die didaktische Vermittlung des durch eigene und ergänzend durch fremde Forschung Erkannten.16 Diese Freiheiten sind nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nur dann sichergestellt , wenn der Gruppe der Hochschullehrer in diesen Bereichen zumindest maßgeblicher, in Fragen der Forschung ausschlaggebender Einfluss eingeräumt ist, was wiederum voraussetzt, dass dieser Gruppe die absolute Mehrheit der Stimmen in dem entscheidungszuständigen Gremium zusteht.17 Ein Teil der Literatur vertritt vor diesem Hintergrund den Standpunkt, dass bei dem Hochschulmodell der Stiftungsuniversität gerade diese Einflussmöglichkeiten beschnitten würde. Hierfür wird angeführt, bei Stiftungsuniversitäten entstehe aufgrund der Doppelstellung des Präsidiums als Organ der Universität einerseits und als Organ der die Universität tragenden Stiftung andererseits eine funktionswidrige Organisationsstruktur, die die Freiheit von wissenschaftlicher Lehre und Forschung nicht mehr sicherstellen könne.18 Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) geht hingegen davon aus, dass der notwendige Einfluss der Hochschullehrer auch beim Stiftungsmodell gewährleistet sein könne, sofern dem Senat der 13 Ibler in: Maunz/Dürig (Fn. 8), Art. 83 Rn. 260. 14 BVerfGE 50, 290 (337). 15 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, Band 1, 6. Auflage, 2010, Art. 5 Abs. 3, Rn. 361. 16 Starck (Fn. 15), Art. 5 Abs. 3, Rn. 375. 17 BVerfG, Beschluss vom 20.07.2010, Az. 1 BvR 748/06, Rn. 90 ff. 18 Braukmann, Mangelnde demokratische Legitimation und funktionswidrige Organisationsstrukturen der niedersächsischen Stiftungsuniversitäten, JZ 2004, 662 (665). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 033/13 Seite 8 Hochschule dauerhaft ausschlaggebender Einfluss auf die personelle Zusammensetzung der Stiftungsorgane eingeräumt werde. Es sei darüber hinaus nicht erforderlich, dass ein mehrheitlich aus Hochschullehrern bestehender Senat selbst entscheide, sofern er zumindest die Besetzung der entscheidenden Organe maßgeblich bzw. ausschlaggebend und dauerhaft determinieren könne.19 In seiner Entscheidung stützt sich das BVerwG auf eine gefestigte Rechtsprechung des BVerfG20, nach welcher es dem Gesetzgeber frei steht, den Wissenschaftsbetrieb nach seinem Ermessen zu regeln, solange er ein hinreichendes Maß an wissenschaftlicher Selbstbestimmung sicherstellt. Der Gesetzgeber ist dabei weder an bestehende Hochschulstrukturen noch an deren einzelne Elemente gebunden. Der Gesetzgeber dürfe nicht nur neue Modelle und Steuerungstechniken entwickeln und erproben, vielmehr sei er sogar verpflichtet, bisherige Entscheidungsformen kritisch zu beobachten und zeitgemäß zu reformieren. Ihm stehe dabei gerade hinsichtlich der Eignung neuer Entscheidungsstrukturen eine Einschätzungsprärogative und ein Prognosespielraum zu. Insbesondere darf nach der Rechtsprechung des BVerfG21 der Gesetzgeber die Art und Weise der Beteiligung an der Entscheidungsfindung frei gestalten, solange die Strukturen der freien Lehre und Forschung hinreichend gewährleistet sind. Er kann daher nach Belieben eine direkte oder repräsentative Beteiligung an Entscheidungen, eine unmittelbare oder mittelbare Einflussnahme regeln, je nachdem, welche organisatorischen Strukturen ihm für eine funktionsfähige Wissenschaftsverwaltung geeignet erscheinen. Die zur Sicherung der Wissenschaftsfreiheit gebotene Teilhabe der wissenschaftlich Tätigen muss nicht in jedem Fall im Sinne der herkömmlichen Selbstverwaltung erfolgen. Vor diesem Hintergrund kann ein Eingriff in die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung und Lehre aufgrund der Entscheidungsstrukturen einer Stiftungsuniversität nicht von vornherein angenommen werden. Vielmehr stehen auch diese im Ermessen des Gesetzgebers und sind zulässig , solange ein hinreichendes Maß an wissenschaftlicher Selbstbestimmung sichergestellt ist. 4.2. Organisationsfreiheit der Hochschulen Was die Organisationfreiheit von Hochschulen angeht, umschreibt das BVerfG den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 GG wie folgt: Im Bereich des mit öffentlichen Mitteln eingerichteten und unterhaltenen Wissenschaftsbetriebes hat der Staat durch geeignete organisatorische Maßnahmen dafür zu sorgen, dass das Grundrecht der freien wissenschaftlichen Betätigung soweit unangetastet bleibt, wie es unter Berücksichtigung der anderen legitimen Aufgaben der Wissenschaftseinrichtungen und der Grundrechte der verschiedenen Beteiligten möglich ist.22 Daraus folgt die Pflicht des Staates, die personellen , finanziellen und organisatorischen Mittel bereitzustellen, um die Pflege der freien Wissen- 19 BVerwG, Urteil vom 26.11.2009, Az. 2 C 15/08, NVwZ-RR 2010, 569. 20 BVerfGE 35, 79 (115); BVerfGE 111, 333 (363 f.). 21 BVerfGE 35, 79 (115); BVerfGE 111, 333 (363 f.). 22 BVerfGE 35, 79 (115). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 033/13 Seite 9 schaft und ihre Vermittlung an die nachfolgende Generation zu ermöglichen und zu fördern.23 Der Staat (bzw. das jeweilige Land) muss daher insbesondere funktionsfähige Institutionen für einen freien Wissenschaftsbetrieb zur Verfügung stellen. Ein völliger Rückzug des Staates aus dem Hochschulbetrieb, etwa durch Privatisierung der Hochschulen, wäre mit diesen Vorgaben in jedem Falle nicht vereinbar. Vor diesem Hintergrund ist zu beachten, dass dem Gesetzgeber auch für die organisatorische Gestaltung der Universität ein erheblicher Gestaltungsspielraum zukommt.24 Bezüglich der Errichtung von Stiftungsuniversitäten wird mit Hinblick auf die Organisationshoheit des Staates teilweise der Begriff der Entstaatlichung als Argument gegen die Zulässigkeit von Stiftungsuniversitäten angeführt.25 So wird befürchtet, die Entstaatlichung führe dazu, dass der Staat auf hoheitliche Kompetenzen und damit insbesondere auf die Übernahme organisatorischer Verantwortung verzichte. Nach Auffassung des BVerwG26 kommt es jedoch nicht zu einer derartigen Entstaatlichung. Der Staat (genauer das Land) ziehe sich aus dem Hochschulwesen keineswegs vollständig zurück. Zwar würde das bisher bestehende unmittelbare Band zwischen Staat und Hochschule tatsächlich gekappt, über die Stiftung würde jedoch eine mittelbare Verknüpfung dieser beiden Einheiten weiterhin aufrecht erhalten. Die Stiftung selbst stehe nämlich in der Trägerschaft des Landes, so dass sie nunmehr als Mittler zwischen Hochschule und Staat fungiere. Zudem würden bisher vom Staat wahrgenommene Aufgaben zwar nunmehr von der Stiftung im eigenen Namen erfüllt, diese unterstehe indes ihrerseits der Rechtsaufsicht des Landes. Einer solchermaßen herbeigeführten größeren Staatsferne steht Art. 5 Abs. 3 GG nach Auffassung des BVerwG jedoch nicht von vornherein entgegen. Vielmehr ist der Gesetzgeber nicht auf bestimmte Organisationsstrukturen und Finanzierungsmodelle festgelegt. Tatsächlich besteht damit jedenfalls aus verfassungsrechtlicher Perspektive eine grundsätzliche Organisationsfreiheit des Landesgesetzgebers, wie schon bei den Entscheidungsstrukturen. Auch die durch einen Rechtsträgerwechsel hin zu einer Stiftungsuniversität herbeigeführte Staatsferne ist damit nicht geeignet, die Wissenschaftsfreiheit zu gefährden, solange dem Staat seinerseits zumindest eine mittelbare organisatorische Verantwortung zukommt. 23 BVerfGE 35, 79 (114 f.). 24 Starck (Fn. 15), Art. 5 Abs. 3, Rn. 383. 25 Geis, Das Selbstbestimmungsrecht der Universitäten, WissR 2004, S. 5; Smeddinck, Die deregulierte Hochschule, DÖV 2007, S. 274. 26 BVerwG, Urteil vom 26.11.2009, Az. 2 C 15/08, NVwZ-RR 2010, S. 568. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 033/13 Seite 10 5. Voraussetzungen für die Vereinbarkeit einer öffentlich-rechtlichen Stiftungsuniversität mit Art. 5 Abs. 3 GG Die Vereinbarkeit des Rechtsträgerwechsels der niedersächsischen Georg-August-Universität in Göttingen mit Art. 5 Abs. 3 GG war Gegenstand eines Verfahrens vor dem BVerwG27. Aufgrund dieser Entscheidung lassen sich folgende grundsätzlichen Anforderungen an eine öffentlichrechtliche Stiftungsuniversität formulieren, die eine Vereinbarkeit des Rechtsträgerwechsels mit der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG sicherstellen sollen: Das Fachministerium muss durch Ausübung seines Weisungsrechts gegenüber der Stiftung eine wirkungsvolle Rechtsaufsicht gegenüber der Hochschule sicherstellen. Dem Senat einer Hochschule muss auf die Bestellung und Entlassung der Mitglieder des Stiftungsrats und des Präsidiums maßgeblicher Einfluss zukommen. Die gesetzliche Hochschulverfassung muss die freie wissenschaftliche Betätigung der Hochschullehrer gewährleisten. Eine strukturelle Gefährdung der Freiheit von Forschung und Lehre ist durch organisationsrechtliche Vorkehrungen auszuschließen. Bei Zuständigkeit eines Kollegialorgans der Hochschule in wissenschaftsrelevanten, d.h. Forschung und Lehre betreffenden Angelegenheiten muss organisatorisch sichergestellt sein, dass es wissenschaftsadäquate Entscheidungen treffen kann. Hierfür ist erforderlich, dass die Gruppe der Hochschullehrer in Angelegenheiten, die unmittelbar Fragen der Forschung betreffen, ausschlaggebenden Einfluss besitzt. Eine Stiftungsmodell, das vorstehende Voraussetzungen erfüllt, ist als mit der Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG vereinbar anzusehen. 27 BVerwG, Urteil vom 26.11.2009, Az. 2 C 15/08, NVwZ-RR 2010, S. 565 f.