© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 032/17 Ausländische Finanzierung von Vereinen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 2 Ausländische Finanzierung von Vereinen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 032/17 Abschluss der Arbeit: 15. Februar 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Vergleichbare Rechtslage in Deutschland 4 2.1. Finanzierungsverbot 4 2.1.1. Vereinigungsfreiheit 4 2.1.2. Schutzbereich 5 2.1.3. Eingriff 5 2.1.4. Legitimer Zweck 5 2.1.5. Geeignetheit 5 2.1.6. Milderes Mittel, Angemessenheit 6 2.2. Pflicht zur Offenlegung 6 2.2.1. Vereinigungsfreiheit 6 2.2.2. Informationelle Selbstbestimmung 7 2.2.3. Betriebs- und Geschäftsgeheimnis 7 3. Internationales Recht 7 3.1. Abkommen 7 3.2. Empfehlungen 8 3.3. Gutachten 9 4. Länder mit Restriktionen 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 4 1. Einleitung In mehreren Staaten bestehen Regelungen, die die ausländische Finanzierung von Vereinen beschränken . In der Regel zielt dies auf Nicht-Regierungs-Organisationen (NROs) ab. Zuletzt verpflichtete Israel im Sommer vergangenen Jahres NROs, ihre ausländischen Finanzierungen offenzulegen.1 Noch weiter geht ein Gesetzentwurf in Vietnam aus dem Jahr 2016, der die ausländische Finanzierung von NROs im Grundsatz untersagen würde. In der aus den Medien bekannten Entwurfsfassung lautet der betreffende Passus: „Nationale Vereinigungen sind nicht mit ausländischen Vereinigungen verbunden und erhalten keine Mittel aus dem Ausland, es sei denn, die Regierung sieht Ausnahmen vor.“2 Es stellen sich die folgenden drei Fragen: – Wäre ein Finanzierungsverbot oder eine Offenlegungspflicht nach deutschem Recht verfassungsgemäß? – Wäre ein Finanzierungsverbot oder eine Offenlegungspflicht mit internationalem Recht vereinbar? – Aus welchen Ländern sind vergleichbare Einschränkungen bekannt? 2. Vergleichbare Rechtslage in Deutschland Das Vereinsgesetz beschränkt Vereine nicht darin, sich mit ausländischen Mitteln zu finanzieren. Aus diesem Grund existiert hierzu keine Rechtsprechung der Verfassungsgerichte. Ein künftiges Verbot ausländischer Finanzierung oder eine Offenlegungspflicht dürften aber verfassungswidrig sein. 2.1. Finanzierungsverbot 2.1.1. Vereinigungsfreiheit Nach Art. 9 Abs. 1 Grundgesetz (GG) haben alle „Deutschen […] das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden“. Eine behördliche Genehmigung ist hierfür nicht erforderlich. 1 Vgl. Zeit-Online, Israel verschärft Auflagen für NGOs, 12. Juli 2016, http://www.zeit.de/politik/ausland/2016- 07/knesset-israel-umstrittenes-ngo-gesetz; Spiegel-Online, Knesset verabschiedet umstrittenes NGO-Gesetz, 12. Juli 2016, http://www.spiegel.de/politik/ausland/israel-knesset-verabschiedet-umstrittenes-ngo-gesetz-a-1102531.html. 2 Art. 8 Abs. 5 des Gesetzentwurfs: „Domestic associations are not affiliated with foreign associations and not receiving funds from external sources, except in the cases stipulated by the government“, Quelle; vietnmanbreakingnews .com, Draft association law withdrawn, 27. Oktober 2016, https://m.vietnambreakingnews .com/2016/10/draft-association-law-withdrawn/, deutsche Übersetzung durch Autor. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 5 2.1.2. Schutzbereich Art. 9 Abs. 1 GG schützt nicht nur die Bildung, sondern auch das Bestehen des Vereins.3 Hierzu gehören eine wirkungsvolle Mitgliederwerbung, die Außendarstellung und Mitgliederkontakte.4 Hiermit vergleichbar dürfte die Akquirierung von Finanzmitteln sein. Sie ist für den Bestand von Vereinen ähnlich essentiell wie die Mitgliederwerbung oder die Außendarstellung. 2.1.3. Eingriff Grundsätzlich stellt jede staatliche Beeinträchtigung der Vereinigungsfreiheit einen Eingriff in das Grundrecht dar. Erfasst sind auch faktische Behinderungen, wenn sie ein gewisses Gewicht haben.5 Das Verbot einer ausländischen Finanzierung beschränkt Vereine darin, Spenden zu akquirieren, und dürfte daher einen Eingriff darstellen. Auch wenn man statt eines Eingriffs nur eine Ausgestaltung des Vereinsrechts annähme, käme man zum gleichen Ergebnis: Das Bundesverfassungsgericht misst sowohl Eingriffe als auch Ausgestaltungen am Verhältnismäßigkeitsgrundsatz .6 2.1.4. Legitimer Zweck Ein Eingriff in die Vereinigungsfreiheit ist nur zulässig zum Schutz von Gütern mit Verfassungsrang .7 Zweck eines Finanzierungsverbots wäre es wohl, den Einfluss von Ausländern auf deutsche Vereine grundsätzlich zu unterbinden. Es ist schon nicht ersichtlich, welches Gut von Verfassungsrang hier geschützt werden soll. Auch liegt wohl kein legitimes gesetzgeberisches Ziel vor: Der Vereinigungsfreiheit liegt das Leitbild einer demokratischen, pluralistischen Gesellschaft zugrunde.8 Im Übrigen steht ein Finanzierungsverbot im Hinblick auf Ausländer aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) mit der Kapitalverkehrsfreiheit und dem allgemeinen Diskriminierungsverbot in Widerspruch (Art. 18 und Art. 63 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union, AEUV). 2.1.5. Geeignetheit Es erscheint auch fraglich, ob ein Finanzierungsverbot geeignet wäre, seinen Zweck zu erreichen. Ein Finanzierungsverbot könnte wohl nicht für die Finanzierung aus dem EU-Ausland gelten. Sonst würde dies die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 63 AEUV) innerhalb der EU beschränken. Damit hat aber z.B. ein Verein aus Frankreich das Recht, einen Verein in Deutschland finanziell zu 3 BVerfGE 84, 372, 378. 4 BVerfGE 84, 372, 378; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Bd. 1, 3. Auflage, 2013, Art. 9 Rn. 45. 5 Cornils, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar, Stand: 1. März 2015, Art. 9 Rn. 17. 6 Vgl. BVerfG 84, 372, 379; BVerfG (Kammer), NJW 2001, 2617, 2618; keinen praktischen Unterschied sieht auch Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 3. Auflage, 2013, Art. 9 Rn. 52. 7 Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 3. Auflage, 2013, Art. 9 Rn. 59; Kemper, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 6. Auflage, 2010, Art. 9 Rn. 79 f. 8 Scholz, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Art. 9, 78. EL September 2016, Rn. 14. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 6 fördern. Finanziert sich der französische Verein aus Drittstaaten, läuft das deutsche Finanzierungsverbot leer. 2.1.6. Milderes Mittel, Angemessenheit Gegenüber dem Verbot der Finanzierung wäre die Pflicht zur Offenlegung das mildere Mittel (insoweit diese Pflicht überhaupt verfassungsgemäß ist). Im Übrigen steht die kaum erkennbare Gefahr aus einer ausländischen Finanzierung von Vereinen in keinem Verhältnis zu dem Eingriff in die Vereinsfreiheit aus einem Finanzierungsverbot: Ein Verein steht und fällt mit seiner Finanzierung . 2.2. Pflicht zur Offenlegung Als (mildere) Alternative zu einem Verbot ist denkbar, Vereine zur Offenlegung ausländischer Finanzierung zu zwingen. Die Offenlegung könnte die Identität oder die Herkunftsländer der Spender betreffen. Auch dies dürfte jedoch verfassungswidrig sein. 2.2.1. Vereinigungsfreiheit Wie das Finanzierungsverbot, greift auch die Pflicht zur Offenlegung in die grundrechtlich gewährleistete Vereinigungsfreiheit ein. Zum einen ist eine solche Pflicht mit einem zusätzlichen und unter Umständen erheblichen Verwaltungsaufwand für die Vereinigungen verbunden. Zum anderen umfasst die Vereinigungsfreiheit auch Vereinsdaten, wie Namen und Anschriften der Mitglieder.9 Die Offenlegung einer ausländischen Finanzierung kann zu einer Bloßstellung der Spender führen und damit Spender abschrecken. Ferner kann die Offenlegung NROs stigmatisieren.10 Transparenz könnte ein legitimes Ziel der Offenlegungspflicht sein. Dies gilt vor allem bei politisch aktiven Vereinen: Oft bestimmen Finanzgeber die inhaltliche Ausrichtung des Vereins. Dieser Einfluss kann für Dritte aber schwer erkennbar sein. Jedoch wäre eine Offenlegung wohl wenig geeignet, hinreichend Transparenz herzustellen. Ausländische Finanzgeber könnten zur Umgehung der Offenlegungspflicht über einen im EU-Ausland ansässigen Verein nach Deutschland Finanzmittel zuleiten und so deren ursprüngliche Herkunft verschleiern. In jedem Fall aber dürfte eine Offenlegungspflicht unangemessen intensiv in die Vereinigungsfreiheit eingreifen. Vereinigungen sind Zusammenschlüsse mehrerer Bürger mit einem gemeinsamen Ziel. Der einzelne Bürger ist nicht verpflichtet, seine Finanzen offenzulegen, wenn er am gesellschaftlichen Diskurs teilnehmen will. Selbiges muss für den Zusammenschluss mehrerer Bürger gelten. Dies unterscheidet Bürger und Vereine von Abgeordneten oder politischen Parteien: Abgeordnete nehmen ein politisches Mandat für die Bürger wahr; Parteien bilden die Schnittstelle 9 Merten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band 7, 3. Auflage, 2009, § 165 Rn. 53. 10 So die Venedig-Kommission des Europarats in ihrem Gutachten zu dem russischen Gesetz über „Ausländische Agenten“, CDL-AD(2014)025-e, Punkt 132 f., abrufbar (in Englisch) unter: http://www.venice.coe.int/webforms /documents/default.aspx?pdffile=CDL-AD(2014)025-e. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 7 zwischen Staat und Gesellschaft. Beide erhalten gesetzlich vorgesehene Zuwendungen vom Staat. Allein aus diesem Grund müssen sie die Herkunft ihrer Finanzen in gewissem Maße offenlegen. 2.2.2. Informationelle Selbstbestimmung Der Schutz von Vereinsdaten unterfällt zumindest teilweise der Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 1 GG.11 Daneben könnte nach Meinung einiger Kommentatoren noch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung zur Anwendung kommen.12 In diesem Fall wäre es wohl mit ähnlichen Überlegungen verletzt, die für die Vereinigungsfreiheit gelten. 2.2.3. Betriebs- und Geschäftsgeheimnis Das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis ist Ausfluss der Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und unter Umständen auch der Eigentumsfreiheit (Art. 14 GG).13 Es gilt nur für gewinnorientierte Vereinigungen (GmbH, Wirtschaftsverein, etc.). Die ausländischen Finanzierungsverbote hingegen zielen auf gemeinnützige NROs ab. Insofern ist das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nicht einschlägig. 3. Internationales Recht Ein Verbot ausländischer Finanzierung ist mit internationalen Rechtsgrundsätzen nicht vereinbar. Ferner dürfte eine Offenlegungspflicht ebenfalls gegen internationale Rechtsgrundsätze verstoßen. 3.1. Abkommen Die internationale Gemeinschaft misst der Vereinigungsfreiheit einen hohen Stellenwert bei, insbesondere in folgenden Abkommen: – Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt), Art. 22;14 – Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (der Vereinten Nationen), Art. 20;15 – Europäische Menschenrechtskonvention (des Europarats), Art. 11;16 11 Merten, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band 7, 3. Auflage, 2009, § 165 Rn. 53. 12 Dreier, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 3. Auflage, 2013, Art. 2 Rn. 79; Lang, in: Epping/ Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar, Grundgesetz, Stand: 1. März 2015, Art. 2 Rn. 45; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, Band 1, 6. Auflage, 2010, Art. 2 Rn. 114. 13 Axer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar, Grundgesetz, Stand: 1. Dezember 2016, Art. 14 Rn. 50; offen gelassen in BVerfGE 115, 205, 229, 248. 14 Von 1966, BGBl. 1973 II 1553. 15 Von 1948, abrufbar unter: http://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf. 16 Von 1950, abrufbar unter: http://www.echr.coe.int/Documents/Convention_DEU.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 8 – Grundrechtecharta der Europäischen Union, Art. 12;17 – Afrikanische Charta der Menschenrechte und Rechte der Völker, Art. 10 Abs. 1;18 – Amerikanische Menschenrechtskonvention, Art. 16.19 Die Menschenrechtskonvention des Verbands Südostasiatischer Nationen (ASEAN)20 enthält hingegen keine Regelung zur Vereinigungsfreiheit. 3.2. Empfehlungen Auf Basis vorgenannter Abkommen haben mehrere internationale Organisationen dazu Stellung genommen, ob sich die ausländische Finanzierung von Vereinen beschränken lässt: Der Berichterstatter der UNO für Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit21 führt aus: „Die Fähigkeit Mittel zu akquirieren und zu verwenden ist für Bestand und effektive Führung jeder Vereinigung, gleich wie klein, essentiell. Die Vereinigungsfreiheit beinhaltet die Freiheit (…) Mittel zu suchen, erhalten und verwenden (…) aus nationalen, ausländischen und internationalen Quellen“. In den gemeinsamen Richtlinien22 von OSZE23 und Venedig-Kommission24 zur Vereinigungsfreiheit heißt es in Grundsatz Nr. 7: „Recht Mittel zu beantragen, erhalten und verwenden: Vereinigungen haben das Recht, Mittel für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu beantragen, erhalten und verwenden, gleich ob die Mittel nationalen, ausländischen oder internationalen Ursprungs sind.“ In den Erläuterungen hierzu heißt es: 17 Von 2000, abrufbar unter: http://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf. 18 Von 1981, abrufbar unter: http://www.dadalos.org/deutsch/Menschenrechte/Grundkurs_MR2/Materialien/dokument _7.htm. 19 Von 1969, abrufbar unter: http://www.oas.org/dil/treaties_B-32_American_Convention_on_Human_Rights.pdf. 20 Von 2012, abrufbar unter: http://www.asean.org/storage/images/ASEAN_RTK_2014/6_AHRD_Booklet.pdf. 21 Report of the Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, A/HRC/23/39, Punkt 8; deutsche Übersetzung durch Autor. 22 CDL-AD(2014)046, Absatz 32, im englischen Original abrufbar unter: http://www.venice.coe.int/webforms /documents/default.aspx?pdffile=CDL-AD(2014)046-e oder http://www.osce.org/odihr/132371?download =true; deutsche Übersetzung durch Autor. 23 Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. 24 Europäische Kommission für Demokratie durch Recht (Kommission des Europarats). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 9 „Vereinigungen dürfen für ihre Aktivitäten Finanzmittel erhalten von privaten und anderen nichtstaatlichen, auch ausländischen und internationalen Quellen. […] Sofern die ausländische Finanzierung von Organisationen Anlass zu berechtigten Bedenken gibt, sollte darauf anders als durch ein pauschales Verbot oder sonst übermäßig restriktive Regelungen reagiert werden.“25 In ihrem Gutachten zum ägyptischen Recht hat die Venedig-Kommission klargestellt, dass der Begriff der “berechtigten Bedenken” eng auszulegen ist:26 “Die Venedig-Kommission erkannt an, dass es für Staaten verschieden Gründe geben kann, die ausländische Finanzierung von Vereinigungen einzuschränken, etwa der Kampf gegen Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung. Diese legitimen Ziele sollten jedoch nicht als Vorwand genutzt werden um NROs zu kontrollieren oder sie in ihrer Fähigkeit einzuschränken ihre legitime Arbeit umzusetzen, insbesondere im Bereich der Verteidigung von Menschenrechten . Der Kampf gegen Geldwäsche oder Terrorismusfinanzierung erfordert nicht und rechtfertigt nicht ein Verbot oder einen staatlichen Genehmigungsvorbehalt für ausländische Finanzierung von NROs.“ Das Ministerkomitee des Europarats hat 2007 in einer Empfehlung über den rechtlichen Status von NROs in Europa festgestellt:27 „NROs sollte es frei stehen, um Spenden zu bitten und Spenden zu erhalten, sei es als Bargeld oder in Form von Sachleistungen, und dies nicht nur von öffentlichen Einrichtungen ihres eigenen Landes, sondern auch von institutionellen oder privaten Spendern, anderen Staaten oder multilateralen Agenturen, vorbehaltlich nur der Gesetze, die allgemein anwendbar sind auf Zölle, Fremdwährungen und Geldwäsche und jenen in Bezug auf Wahlfinanzierung und politische Parteien.“ 3.3. Gutachten Die Venedig-Kommission hat in ihrem Gutachten zu dem russischen Gesetz über „Ausländische Agenten“ die Stigmatisierung von Vereinen kritisiert, die ausländische Finanzierung erhalten:28 „Die Verwendung des Begriffs ‚ausländischer Agent‘ ist hoch kontrovers. Durch die Rückkehr zur Rhetorik der kommunistischen Regierungszeit werden die NROs, auf die der Begriff angewendet wird, stigmatisiert, ihr Ansehen wird getrübt, ihre Aktivitäten werden erheblich behindert.“ 25 CDL-AD(2014)046, Punkt 218 (S. 73) und Punkt 219 (S. 73), http://www.osce.org/odihr/132371?download=true, deutsche Übersetzung und Hervorhebung durch Autor. 26 „Interim Opinion on the Draft Law on Civic Work Organisations of Egypt“, CDL(2013)023, 16 Oktober 2013, Nr. 35, http://www.venice.coe.int/webforms/documents/default.aspx?pdffile=CDL-AD(2013)023-e, Übersetzung und Hervorhebung durch Autor. 27 CM/Rec(2007)14, Punkt 50, abrufbar unter: http://www.coe.int/en/web/ingo/legal-standards-for-ngos. 28 CDL-AD(2014)025-e, Punkt 132 f., abrufbar unter: http://www.venice.coe.int/webforms /documents/default.aspx?pdffile=CDL-AD(2014)025-e, Übersetzung und Hervorhebung durch Autor. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 10 Die Parlamentarische Versammlung des Europarats hat sich die Bedenken der Venedig-Kommission zu eigen gemacht.29 4. Länder mit Restriktionen Die Venedig-Kommission hat in ihren 61 Mitgliedsstaaten30 untersucht, ob Vereinen eine ausländische Finanzierung verboten ist. In keinem dieser 61 Staaten ist dies der Fall. Ausdrücklich erlaubt ist die ausländische Finanzierung in Armenien, Bulgarien, Finnland, Tunesien und der Türkei; in Italien gilt dies für Zuwendungen internationaler Organisationen.31 Eine Recherche zu weiteren Staaten identifiziert mindestens 14 Fälle, in denen die ausländische Finanzierung von Vereinigungen Einschränkungen unterliegt. Die folgende Übersicht speist sich aus Informationen von Netzseiten in deutscher und englischer Sprache und ist daher nicht abschließend . Die Angaben zu Finanzierungsrestriktionen beruhen im Wesentlichen auf Einschätzungen Dritter.32 Sofern Felder frei geblieben sind („./.“), ist die Informationslage nicht ausreichend klar. Land Pflicht zur Offenlegung Genehmigungsvor - behalt Verbot Anmerkung Ägypten ./. Ja Nein Algerien ./. Ja Nein Aserbaidschan Ja Ja Nein Ausländische Spender müssen eine generelle Spendenvereinbarung mit dem Justizministerium treffen. Äthiopien Ja ./. Teilweise Max. 10% ausländische Finanzierung. China Ja Teilweise Nein Eritrea Entfällt Entfällt Ja 29 Resolution 2096 (2016), Punkt 6: „Die parlamentarische Versammlung drückt ihre starke Besorgnis aus über das so genannte ‚Gesetz über ausländische Agenten‘, […] nach welchem ausländisch finanzierte NRO sich nunmehr als ‚Ausländischer Agent‘ registrieren müssen. […] Die Versammlung fordert Russland auf, die Gesetze über NRO in Übereinstimmung mit Hinweisen der Venedig-Kommission (716/2013 und 717/2013) anzupassen.“ Deutsche Übersetzung durch Autor. 30 Netzseite der Venedig-Kommission, abrufbar unter: http://www.venice.coe.int/WebForms/pages/?p=01_Presentation &lang=DE. 31 CDL-AD(2014)025, Punkt 68, abrufbar unter: http://www.venice.coe.int/webforms /documents/default.aspx?pdffile=CDL-AD(2014)025-e. 32 Sofern nicht anders angegeben: „Civic Freedom Monitor“ des International Center for Not-for-Profit Law (ICNL), abrufbar unter: http://www.icnl.org/research/monitor/; Global Trends in NGO Law (ICNL), Global Philanthropy in a Time of Crisis (Stand 2009), abrufbar unter: http://www.icnl.org/research/trends/trends1-2.pdf; Report „Freedom of the World“ (Stand: 2016) der NRO „Freedom House“, abrufbar unter: https://freedomhouse.org/report/freedomworld /freedom-world-2016; Freedom House, Freedom of Association Under Threat: The New Authoritarians‘ Offensive Against Civil Society (Stand 2007), abrufbar unter: https://freedomhouse.org/report/freedom-associationunder -threat-new-authoritarians-offensive-against-civil-society-2. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/17 Seite 11 Land Pflicht zur Offenlegung Genehmigungsvor - behalt Verbot Anmerkung Indien Ja Teilweise Teilweise Vereine müssen für ausländische Spenden registriert sein. In Einzelfällen ist ein Verbot möglich. Indonesien Ja Ja Teilweise Verbot für ausländische Finanzierungen die „gesellschaftliche Angst und eine Störung der nationalen und regionalen Wirtschaft“ verursachen. Israel Ja Nein Nein Offenlegung bei mehr als 50% Finanzierung durch ausländische staatliche Organisationen. Russland Ja Nein Nein Bezeichnung als „ausländischer Agent“ bei ausländischer Finanzierung. Tadschikistan Ja Nein Nein Registrierung der Mittel vor Nutzung erforderlich. Behörden überwachen Verwendung ausländischer Mittel. Turkmenistan Ja Ja Nein Internationale Kooperation bedarf der „Beteiligung“ der Regierung. Usbekistan Ja Ja Teilweise Verbot, insoweit NROs im Bereich der „Menschenrechte oder politischer Themen“ engagiert sind. Venezuela entfällt entfällt Ja Das kirgisische Parlament hat im Mai 2016 einen Gesetzentwurf abgelehnt, der erhebliche Beschränkungen für Vereinigungen vorsah, einschließlich für deren ausländische Finanzierung.33 In Zimbabwe hat das Parlament im Jahr 2004 ein Gesetz über NROs beschlossen, das der Präsident aber nicht unterzeichnet hat. Das Gesetz sieht ein Verbot ausländischer Finanzierung vor.34 *** 33 The Guardian, Disputed 'foreign agent' law shot down by Kyrgyzstan‘s parliament, 12. Mai 2016, abrufbar unter: https://www.theguardian.com/world/2016/may/12/foreign-agent-law-shot-down-by-kyrgyzstan-parliament. 34 Rebecca B. Verno, Closing the Door on Aid, The International Journal of Not-for-Profit Law, Volume 11, Issue 4, August 2009, abrufbar unter: http://www.icnl.org/research/journal/vol11iss4/special_1.htm.