© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 032/14 Auskunftsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union Insbesondere in Bezug auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 2 Auskunftsrechte des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union Insbesondere in Bezug auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 032/14 Abschluss der Arbeit: 27. Februar 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Erläuterungen 5 2.1. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den europapolitischen Auskunfts- und Informationsrechten des Bundestages 5 2.2. In welcher Art und Weise muss nach dieser Entscheidung das Auskunftsrecht ausgestaltet sein? 6 2.3. Wie wurde dies gesetzlich umgesetzt? 8 2.4. Welche Auskunftsrechte hat der Bundestag in Europafragen? Gilt dies nur für bestimmte institutionelle Fragen oder auch für den Europäischen Stabilitätsmechanismus? 9 2.5. Kann der Bundestag auch Auskünfte zum Stand der Komitologieverfahren erhalten? Muss dieses Auskunftsersuchen über das Bundesministerium der Finanzen geleitet werden? 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 4 1. Einleitung Die Auskunfts- und Informationsrechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung in europäischen Angelegenheiten sind seit dem Jahr 1992 im deutschen Verfassungsrecht verankert (Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG). Mit dem Vertrag von Lissabon wurden im Jahr 2009 auch in das europäische Primärrecht eine Reihe von Unterrichtungsregelungen zu Gunsten der nationalen Parlamente auch aufgenommen.1 Vor allem die Informationsrechte des Grundgesetzes sind Gegenstand umfangreicher wissenschaftlicher Betrachtung.2 Sie wurden zudem von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiter fortentwickelt. In diesem Zusammenhang werden im Weiteren folgende Fragen beantwortet: – Welche Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hatte die Auskunftsrechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung in europäischen Angelegenheiten zum Gegenstand? (dazu unten 2.1.) – In welcher Art und Weise muss nach dieser Entscheidung das Auskunftsrecht ausgestaltet sein? (dazu unten 2.2.) – Wie wurde dies gesetzlich umgesetzt? (dazu unten 2.3.) – Welche Auskunftsrechte hat der Bundestag in Europafragen? Gilt dies nur für bestimmte institutionelle Fragen oder auch für den Europäischen Stabilitätsmechanismus? (dazu unten 2.4.) – Kann der Bundestag auch Auskünfte zum Stand der Komitologieverfahren erhalten? Muss dieses Auskunftsersuchen über das Bundesministerium der Finanzen geleitet werden? (dazu unten 2.5.) 1 Art. 12 lit. a, Art. 48 Abs. 2 Satz 3, Art. 48 Abs. 7 UAbs. 3, Art. 49 Abs. 1 Satz 2 EUV, Art. 70 Satz 2, Art. 71 Satz 4, Art. 85 Abs. 1 UAbs. 3, Art. 88 Abs. 2 AEUV. Darüber hinaus sehen das Protokoll über der Rolle der nationalen Parlamente und das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Protokoll Nr. 1 und Nr. 2 zum Vertrag von Lissabon) eine ganze Reihe weiterer Informationsrechte der nationalen Parlamente vor. 2 Vgl. neben den gängigen rechtswissenschaftlichen Kommentaren zu Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG unter anderem: Arnauld/ Hufeld (Hrsg.), Systematischer Kommentar zu den Lissabon-Begleitgesetzen, Baden-Baden, 2011; Hölscheidt, Parlamentarische Kontrolle in der Eurokrise, in: Eberbach-Born/Kropp/Stuchlik/Zeh (Hrsg.), Parlamentarische Kontrolle und Europäische Union, 2013, S. 105; Sensburg, Wahrnehmung der Integrationsverantwortung durch den Bundestag in der Praxis, in: Pechstein (Hrsg.), Integrationsverantwortung, Frankfurt an der Oder 2012, S. 117; Vollrath, Herausforderung bei der Umsetzung der neuen Rechte nach dem Vertrag von Lissabon durch den Deutschen Bundestag und die Begleitgesetzgebung, in: Abels/Eppler (Hrsg.), Auf dem Weg zum Mehrebenenparlamentarismus, 2011, S. 177; Mayer, Die Europafunktion der nationalen Parlamente in der Europäischen Union, 2012; Schulz, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages in europäischen Angelegenheiten, 2011; Hansmeyer, Die Mitwirkung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung, Berlin, 2001, 211; Lang, Die Mitwirkungsrechte des Bundesrates und des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union gemäß Art. 23 Abs. 2 bis 7 GG, 1997; Kielmansegg, Parlamentarische Informationsrechte in der Euro-Rettung - Anmerkung zum ersten ESM-Urteil des BVerfG vom 19.6.2012 EuR 2012, 654; Schröder, Die Mitwirkung des Bundestages in EU-Angelegenheiten nach dem EUZBBG in der Praxis - ein Kurzkommentar, ZParl 2012, 250; Rohleder, Die Beteiligung des Deutschen Bundestages an der europäischen Rechtsetzung in Theorie und Praxis, ZG 2011, 105; Baddenhausen/ Schopp/Steinrück, Die Neue Begleitgesetzgebung zum Vertrag von Lissabon, EUGRZ 2009, 534; Brenner, Das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union, ThürVBl. 1993, 196. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 5 2. Erläuterungen 2.1. Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den europapolitischen Auskunfts- und Informationsrechten des Bundestages Bereits in der Entscheidung zum Vertrag von Lissabon im Jahr 2009 hat das Bundesverfassungsgericht die Informationsrechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung der diesen Verfassungsorganen gemeinsam obliegenden Integrationsverantwortung zugeordnet.3 Das Konzept der Integrationsverantwortung sieht vor, dass die deutschen Verfassungsorgane - und dabei insbesondere der Gesetzgeber - dafür Sorge zu tragen haben, dass bei der Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union und bei der Ausgestaltung der europäischen Entscheidungsverfahren das politische System Deutschlands und seine demokratischen Grundsätze (Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 in Verbindung mit Art. 79 Abs. 3 GG) gewahrt bleiben.4 Ohne diese Informationen wäre es dem Bundestag nicht möglich, an den europäischen Entscheidungen mitzuwirken, wie es das Grundgesetz vorsieht (Art. 23 Abs. 2 Satz 1 GG), und seine Integrationsverantwortung wahrzunehmen.5 Die bedeutendste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den europapolitischen Informationsrechten erging in dem Verfahren, das die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2012 gegen die Bundesregierung angestrengt hatte.6 Sie wandte sich gegen die Informationspolitik der Bundesregierung in Bezug auf den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)7 und die Selbstverpflichtung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes für eine stärkere wirtschaftliche Koordinierung („Euro-Plus-Pakt“)8. Beide Vorhaben wurden als völkerrechtliche Verträge bzw. als intergouvernementale Vereinbarungen zwischen den Mitgliedstaaten der Union geschlossen. Daher sah die Bundesregierung diese nicht als „Angelegenheiten der Europäischen Union“ an und war der Auffassung, der Bundestag müsse darüber nicht bereits im Vorfeld (Art. 23 Abs. 2 GG), sondern erst nach einer abschließenden Entscheidung auf intergouvernementaler Ebene informiert werden (Art. 59 Abs. 2 GG). Das Bundesverfassungsgericht stützt diese Ansicht der Bun- 3 BVerfGE 123, 267, 419 f. – Lissabon. 4 BVerfGE 123, 267, 356 – Lissabon. 5 Herrschende Meinung: BVerfGE 132, 195, 241 f. – Europäischer Stabilitätsmechanismus/Eilverfahren, mit weitern Nachweisen aus der ständigen Rechtsprechung; aus der Literatur statt vieler: Schorkopf, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, 153. Ergänzungslieferung (Stand: August 2011), Art. 23 Rdnr. 136 f.; Hölscheidt, Die Verantwortung des Bundestages für die europäische Integration, DÖV 2012, 105, 108. 6 BVerfGE 131, 152 – parlamentarische Informationsrechte. 7 Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus zwischen dem Königreich Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, der Republik Estland, Irland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, der Italienischen Republik, der Republik Zypern, dem Großherzogtum Luxemburg, Malta, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik und der Republik Finnland, BGBl. 2012 II S. 983. 8 Schlussfolgerungen der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebietes vom 11.3.2011. Dieser Vereinbarung sind als Nicht-Euro-Länder mittlerweile Bulgarien, Dänemark, Litauen, Polen und Rumänien beigetreten. Im Internet aufrufbar unter: http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_data/docs/pressdata/de/ec/119824.pdf. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 6 desregierung jedoch nicht. Es ordnet den ESM und den Euro-Plus-Pakt den Angelegenheiten der Europäischen Union im Sinne des Grundgesetzes (Art. 23 Abs. 2 GG) zu, so dass die Bundesregierung verpflichtet gewesen wäre, die Vertragsentwürfe dem Bundestag im Vorfeld zuzuleiten und ihm Gelegenheit zur Mitwirkung zu geben. Das Gericht begründet dies damit, dass diese intergouvernementalen Vereinbarungen „in einem Ergänzungs- oder sonstigen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen“.9 Ein solches Näheverhältnis komme in Betracht, wenn der Vertrag durch Sekundärrecht umgesetzt und im Wege der Organleihe von Unionsorganen ausgeführt werde, wenn der Kreis der Vertragsstaaten auf die Mitgliedstaaten der Union beschränkt oder wenn ein qualifizierter Zusammenhang mit einem Politikbereich der Union gegeben sei.10 Aufgrund dieser Entscheidung umfassen die Angelegenheiten der Europäischen Union (Art. 23 Abs. 2 GG) und damit auch das europapolitische Auskunftsrecht des Bundestages nicht nur das Unionsrecht selbst, sondern auch sein rechtliches Umfeld. Dazu gehören vor allem auch Vereinbarungen der Mitgliedstaaten, deren Umsetzung durch Unionsrecht zwar rechtlich möglich , aber politisch nicht gewollt ist, so dass die Mitgliedstaaten auf intergouvernementale Vereinbarungen „ausweichen“.11 In der viel beachteten Eilentscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den ESM vom 12. September 201212 ging das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf die europapolitischen Informationsrechte des Bundestages (Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG) noch einen Schritt weiter und verankerte ihren Kern in der Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG.13 Aufgrund dieser Rechtsprechung reichen die Informationsrechte nicht nur sehr weit, sondern sind auch verfassungsrechtlich bestmöglich gesichert. Sie werden zu einem der bedeutsamsten Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung. 2.2. In welcher Art und Weise muss nach dieser Entscheidung das Auskunftsrecht ausgestaltet sein? Das Grundgesetz bestimmt den Inhalt des Informationsrechts wie folgt: „Die Bundesregierung hat den Bundestag und den Bundesrat umfassend und zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten “ (Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG). In der oben genannten Entscheidung zu den Informations- 9 BVerfGE 131, 152, 199 f. – parlamentarische Informationsrechte. 10 BVerfGE 131, 152, 215 ff. – parlamentarische Informationsrechte. 11 BVerfGE 131, 152, 199 f. – parlamentarische Informationsrechte. Kielmansegg spricht von ausgelagerten „Quasi- Unionsvorhaben“: Kielmansegg, Parlamentarische Informationsrechte in der Euro-Rettung - Anmerkung zum ersten ESM-Urteil des BVerfG vom 19.6.2012, EuR 2012, 654, 659. 12 BVerfGE 132, 195 – Europäischer Stabilitätsmechanismus/Eilverfahren. 13 Das Gericht entwickelt dies zwar an der haushaltspolitischen Gesamtverantwortung des Bundestages, überträgt dies jedoch auch auf die Angelegenheiten der Europäischen Union: „Das Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und Abs. 2 GG gebietet daher, dass der Deutsche Bundestag an diejenigen Informationen gelangen kann, die er für eine Abschätzung der wesentlichen Grundlagen und Konsequenzen seiner Entscheidung benötigt […]. In seinem Kern ist dieser parlamentarische Unterrichtungsanspruch deshalb auch in Art. 79 Abs. 3 GG verankert. […]. Dieser Grundsatz gilt nicht nur im nationalen Haushaltsrecht (vgl. etwa Art. 114 GG), sondern auch in Angelegenheiten der Europäischen Union (vgl. Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG).“: BVerfGE 132, 195, 241 f., Rdnr. 111 – Europäischer Stabilitätsmechanismus/Eilverfahren . Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 7 rechten in Bezug auf den ESM und Euro-Plus-Pakt14 stellt das Bundesverfassungsgericht eine Reihe weiterführender Anforderungen auf:15 – Informationsempfänger ist der gesamte Bundestag. Die europapolitischen Informationen müssen allen Mitgliedern des Bundestages zugänglich gemacht werden.16 Es ist nicht zulässig, dass die Bundesregierung nur einzelne Abgeordnete gegebenenfalls sogar nur „inoffiziell“ informiert. – Inhaltlich umfasst die Unterrichtung europapolitische Initiativen und Positionen der Bundesregierung , der Organe, Behörden und Gremien der Union sowie der anderen Mitgliedstaaten. Dies gilt auch für Informationen, die die Bundesregierung aus inoffiziellen Quellen erhält. – Es handelt sich um eine dynamische, fortlaufende Informationspflicht. Dies bedeutet, dass sich die Unterrichtung nicht in der schlichten Übersendung des Ausgangsdokuments erschöpft. Die Informationen sind stets an die Entwicklung des Verhandlungsstand anzupassen und daher immer dann zu aktualisieren, wenn sich in der Angelegenheit neue politische oder rechtliche Fragen stellen, Entwicklungen ergeben haben oder die Bundesregierung ihre Haltung zu einem Vorhaben ändert. Mit zunehmender Konkretisierung des Vorhabens und Annäherung an die endgültige Entscheidung muss der Bundestag intensiver unterrichtet werden, um seine Haltung überprüfen und gegebenenfalls (erneut) Einfluss auf die Bundesregierung nehmen zu können. – Die Unterrichtung des Bundestages muss umso intensiver sein, „je komplexer ein Vorgang ist, je tiefer er in den Zuständigkeitsbereich der Legislative eingreift und je mehr er sich einer förmlichen Beschlussfassung oder Vereinbarung annähert“. – Allerdings ist eine Überflutung des Bundestages mit Informationen zu vermeiden. Daher genügt bei wenig bedeutenden Angelegenheiten oder bei solchen, die sich noch in einem sehr frühen Planungsstadium befinden, „eine kursorische, auf die wesentlichen Eckpunkte beschränkte Unterrichtung“. – Frühestmögliche Unterrichtung bedeutet, dass die Informationen den Bundestag so rechtzeitig erreichen müssen, dass ihm ausreichend Zeit bleibt, sich vertieft mit dem Vorhaben zu befassen und gegebenenfalls gegenüber der Bundesregierung dazu Stellung zu nehmen. Das bedeutet, dass die Bundesregierung die Informationen und Dokumente an den Bundestag weitergeben muss, „sobald sie - gegebenenfalls über die Ständige Vertretung der Bun- 14 BVerfGE 131, 152 – parlamentarische Informationsrechte. 15 Vgl. zu den nachfolgenden Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an die Unterrichtung durch die Bundesregierung stellt: BVerfGE 131, 152, 206 ff. – parlamentarische Informationsrechte. 16 In seiner Entscheidung über die Frage, ob besonders vertrauliche Informationen auf ein Sondergremium, das aus neun Mitgliedern des Haushaltsausschusses besteht, beschränkt werden dürfen, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass dies nur bei geplanten Käufen von Staatsanleihen am Sekundärmarkt zulässig ist; vgl. Entscheidung vom 27.10.2011; Az.: - 2 BvE 8/11 – Sondergremium/Eilverfahren, sowie BVerfGE 130, 138 – Sondergremium/ Hauptsacheverfahren. Siehe dazu auch die auf diese Rechtsprechung abgestimmte Regelung des § 7 Abs. 7 in Verbindung mit § 6 ESMFinG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 8 desrepublik Deutschland bei der Europäischen Union - in den Einflussbereich der Bundesregierung gelangen“. – Schließlich muss – auch wenn Art. 23 Abs. 2 Satz 2 GG dies nicht ausdrücklich vorsieht – die Unterrichtung im Grundsatz schriftlich erfolgen, da nur dann eine ausreichende Klarheit , Verstetigung und Reproduzierbarkeit der Informationen erreicht werden kann. Die mündliche Unterrichtung kommt nur ausnahmsweise, vor allem in Eilfällen in Betracht, in denen schriftliche Unterlagen noch nicht vorliegen und auch nicht hergestellt werden können , der Bundestag aber ohne Verzögerung unterrichtet werden muss. Das Bundesverfassungsgericht hat somit sehr strenge Anforderungen an die europapolitische Unterrichtung des Bundestages gestellt, die zu einem sehr weitgreifenden parlamentarischen Informationsanspruch führen. 2.3. Wie wurde dies gesetzlich umgesetzt? Die europapolitischen Informationsrechte wurden zum größten Teil im Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Deutschem Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG)17 umgesetzt und detailliert ausgestaltet. Das EUZBBG wurde als Begleitgesetz zum Vertrag von Lissabon erheblich erweitert, nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu diesem Vertrag eine umfassendere gesetzliche Ausgestaltung der Informationsund Beteiligungsrechte des Bundestages in europapolitischen Angelegenheiten angemahnt hatte.18 Die wesentlichen Aussagen der oben dargestellten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den europapolitischen Informationsrechten des Bundestages19 wurden bereits drei Monate nach ihrer Veröffentlichung, d.h. im September 2012, in das EUZBBG aufgenommen. Damit wurde auch gesetzlich festgehalten, dass die Bundesregierung den Bundestag über Entwürfe zu völkerrechtlichen oder sonstigen Vereinbarungen unterrichten muss, die in einem Ergänzungs- oder sonstigen besonderen Näheverhältnis zum Recht der Europäischen Union stehen.20 Zudem hat sie nun auch über Vorhaben in Zusammenhang mit dem Fiskalvertrag21 und sonstige, die Wirtschafts - und Währungsunion betreffende völkerrechtliche Verträge und Vereinbarungen zu informieren .22 Die gesamte Bandbreite dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde schließlich in der Neufassung des EUZBBG im Juli 201323 berücksichtigt. Die Ausführungen des 17 Gesetz vom 4.7.2013, BGBl. I S. 2170. 18 BVerfGE 123, 267, 432 ff. – Lissabon. 19 BVerfGE 131, 152 – parlamentarische Informationsrechte. 20 Vgl. § 3 Abs. 1 Ziff. 15 EUZBBG in der Fassung vom 13.9.2012, BGBl. II S. 1006. 21 Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion. Zustimmung des Bundestages Art. 1 des Gesetzes vom 13.9.2012, BGBl. II S. 1006. 22 Vgl. § 3 Abs. 1 Ziff. 16 EUZBBG in der Fassung vom 13.9.2012, BGBl. II S. 1006. 23 BGBl. 2013 I, S. 2170. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 9 Gerichts wurden darin teilweise wörtlich übernommen.24 Darüber hinaus wurde auch der Erste Bericht über die Anwendung der Begleitgesetze zum Vertrag von Lissabon berücksichtigt, in dem eine Reihe rechtlicher und praktischer Probleme bei der Umsetzung des EUZBBG dargestellt sind.25 Die Einzelheiten der Neufassung des EUZBBG sind bei Schäfer/Schulz aufgeführt.26 2.4. Welche Auskunftsrechte hat der Bundestag in Europafragen? Gilt dies nur für bestimmte institutionelle Fragen oder auch für den Europäischen Stabilitätsmechanismus? Die grundlegenden europapolitischen Auskunftsrechte finden sich im EUZBBG, das die Auskunftsrechte in enger Anlehnung an die verfassungsrechtlichen Regeln (Art. 23 Abs. 2 und Abs. 3 GG) und die Rechtsprechung ausgestaltet. In § 3 und § 4 EUZBBG werden die Grundsätze der Unterrichtung sowie die zu übermittelnden Dokumente und die sonstigen Berichtspflichten festgelegt. § 5 Abs. 1 EUZBBG enthält den besonders wichtigen Katalog der europäischen „Vorhaben “, über die die Bundesregierung förmlich zu informieren hat. Zu diesem umfangreichen Katalog gehören unter anderem geplante Änderungen des Primär- und Sekundärrechts, Informationen zur gemeinsamen Handelspolitik, zur Haushalts- und Finanzplanung der Union und über geplante völkerrechtliche Verträge, die ein besonderes Näheverhältnis zum Unionsrecht aufweisen. § 7 EUZBBG sieht besondere Informationsrechte für den Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor. Welche Mitwirkungsrechte dem Bundestag in europäischen Angelegenheiten zustehen und welche Folgen sich an seine Mitwirkungshandlungen, insbesondere an Stellungnahmen, knüpfen , ergibt sich einfachgesetzlich aus § 8, § 9 und § 9a EUZBBG. Eine vertiefte Darstellung der Informationsrechte des EUZBBG findet sich im „Wegweiser in EU-Angelegenheiten“ des Deutschen Bundestages.27 Neben den Regelungen des EUZBBG finden sich weitere spezifische Auskunftsrechte im Integrationsverantwortungsgesetz (IntVG),28 im Stabilisierungsmechanismusgesetz (StabMechG)29 und im ESM-Finanzierungsgesetz (ESMFinG).30 24 In der 4,5 seitigen Begründung zum Entwurf der EUZBBG-Neufassung (BT-Drs. 17/12816, S. 8 ff.) wird 19 Mal die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu den parlamentarischen Informationsrechte zitiert bzw. darauf verwiesen . 25 Unterrichtung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages, Erster Bericht über die Anwendung der Begleitgesetze zum Vertrag von Lissabon, BT-Drs. 17/14601. 26 Schäfer/Schulz, Der Bundestag wird europäisch – zur Reform des Beteiligungsgesetzes EUZBBG, Integration 2013, 199, 202. Der Volltext dieses Aufsatzes kann über die Suchfunktion der Bibliothek des Bundestages aufgerufen werden. 27 Als Druckausgabe kann der Wegweiser über das Referat Öffentlichkeitsarbeit (IO 2) der Bundestagsverwaltung bezogen werden (Ausführungen zum EUZBBG: S. 96 ff.), er findet sich auch in digitaler Form im Intranet des Bundestages : http://www.bundestag.btg/Wissen/Europa/Wegweiser/Bundestag/EUZBBG.php. 28 Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 22.9.2009, BGBl. I S. 3022, geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 1.12.2009, BGBl. I S. 3822. 29 Gesetz zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus vom 22.5.2010, BGBl. I S. 627, zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 23.5.2012, BGBl. I S. 1166. 30 Gesetz zur finanziellen Beteiligung am Europäischen Stabilitätsmechanismus vom 13.9.2012, BGBl. I S. 1918. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 10 Das Integrationsverantwortungsgesetz sieht insbesondere die Zustimmungspflichten des Bundestages bei Entscheidungen der Union vor, die eine Änderung des Primärrechts zur Folge haben können und für die das Bundesverfassungsgericht daher entsprechende parlamentarische Beteiligungsrechte gefordert hatte.31 In diesem Zusammenhang legt § 13 IntVG eine Reihe von Informations - und Erläuterungspflichten der Bundesregierung fest, die den Bundestag in die Lage versetzen sollen, die erforderlichen Entscheidungen auf einer angemessenen Informationsbasis treffen zu können. Das Stabilisierungsmechanismusgesetz regelt nicht nur die Ermächtigung zur Übernahme von Gewährleistungen der Bundesrepublik Deutschland für Notkredite der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität , sondern auch darauf zugeschnittene spezifische Informationsrechte des Bundestages . Diese Unterrichtung durch die Bundesregierung ist zunächst an die Grundsätze der Unterrichtung nach dem EUZBBG angelehnt, sieht aber auch besondere Regelungen zur Vertraulichkeit der Informationen und zur Unterrichtung des Haushaltsausschusses oder in besonders vertraulichen Fällen nur eines kleinen Sondergremiums32 vor (§ 5 StabMechG). Nachdem das Bundesverfassungsgericht entschieden hatte, dass der ESM aufgrund seines besonderen Näheverhältnisses zum Unionsrecht als „Angelegenheit der Europäischen Union“ unter das verfassungsrechtliche Informationsrecht fällt,33 hätte es besonderer Unterrichtungsrechte in diesem Bereich aus rechtlicher Sicht nicht bedurft. Der ESM umfasst jedoch so spezifische Themen, dass es gerade für die Praxis notwendig war, eigene, eindeutig darauf zugeschnittene Regeln zu schaffen (§ 7 ESMFinG). Die allgemeinen Informationsvorschriften des EUZBBG bleiben jedoch daneben bestehen (§ 7 Abs. 10 ESMFinG). Ähnlich wie das Stabilisierungsmechanismusgesetz nimmt auch § 7 ESMFinG die allgemeinen Informationsgrundsätze auf (Abs. 1 und Abs. 2), betont die gegebenenfalls notwendige Vertraulichkeit der Informationen (Abs. 3) und regelt besondere Erläuterungspflichten der Bundesregierung (Abs. 4). Es sieht ebenfalls besondere Informationsrechte des Haushaltsausschusses vor (Abs. 5) und beschränkt die Informationen in Fällen besonderer Vertraulichkeit auch hier auf ein kleines Sondergremium des Bundestages (Abs. 7). Schließlich ist festgelegt, dass sich der deutsche Gouverneur oder sein Vertreter im ESM bei einem Auskunftsverlangen des Bundestages nicht auf die Schweigepflicht nach Art. 34 ESM-Vertrag berufen dürfen (Abs. 9).34 31 BVerfGE 123, 267, 432 ff. – Lissabon. Siehe zum Inhalt der Regelungen des Integrationsverantwortungsgesetzes ausführlich : Hölscheidt/Menzenbach/Schröder, Das Integrationsverantwortungsgesetz – Ein Kurzkommentar, ZParl 2009, 758. Außerdem auch hier: Wegweiser in EU-Angelegenheiten, Druckausgabe S. 116 ff., im Intranet des Bundestages : http://www.bundestag.btg/Wissen/Europa/Wegweiser/Bundestag/IntVG.php. 32 Vgl. dazu die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Themenkomplex: Entscheidung vom 27.10.2011, Az.: - 2 BvE 8/11 – Sondergremium/Eilverfahren, sowie BVerfGE 130, 138 – Sondergremium/Hauptsacheverfahren . 33 BVerfGE 131, 152, 199 ff. – parlamentarische Informationsrechte; vgl. auch oben S. 5 f. 34 Siehe zu den Mitwirkungs- und Auskunftsrechten des Bundestages in Bezug auf den ESM auch hier: Wegweiser in EU-Angelegenheiten, Druckausgabe S. 135 ff., im Intranet des Bundestages: http://www.bundestag.btg/Wissen/Europa/Wegweiser/Bundestag/ESM.php. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 11 2.5. Kann der Bundestag auch Auskünfte zum Stand der Komitologieverfahren erhalten? Muss dieses Auskunftsersuchen über das Bundesministerium der Finanzen geleitet werden? Das so genannte CRD IV-Paket, bestehend aus der Richtlinie 2013/36/EU (Capital Requirements Directive IV - CRD IV)35 und der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 (Capital Requirements Regulation - CRR)36, enthält eine Reihe von Themen, die durch delegierte Rechtsakte (Art. 290 AEUV)37 oder durch Durchführungsrechtsakte (Art. 291 Abs. 2 AEUV) von der Kommission auf Vorschlag der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA) geregelt werden sollen. Mit der Neufassung der Komitologie-Verordnung (Komitologie-VO) im Jahr 201138 wurde das Komitologiesystem neu geordnet. Danach werden delegierte Rechtsakte nun nicht mehr von dem strukturierten Komitologieverfahren, wie es diese Verordnung vorsieht, erfasst. Allerdings hat die Kommission in Zusammenhang mit dem Abschluss des Lissabon-Vertrages39 erklärt, auch bei dem Erlass von delegierten Rechtsakten im Bereich der Finanzdienstleistungen Experten der Mitgliedstaaten in Anlehnung an das Komitologieverfahren zu konsultieren.40 Zudem legen sowohl die CRD IV-Richtlinie als auch die CRR-Verordnung fest, dass die darin vorgesehenen delegierten Rechtsakte nur dann in Kraft treten, wenn das Europäische Parlament und der Rat innerhalb von drei Monaten, nach dem ihnen der entsprechende Entwurf vorgelegt wurde, dem nicht widersprechen.41 Folglich werden die Mitgliedstaaten in diesem Rahmen an dem Erlass von delegierten Rechtsakten des CRD IV-Paketes beteiligt. Für den Erlass von Durchführungsrechtsakten legt das Primärrecht hingegen ausdrücklich fest, dass die Kommission dabei von den Mitgliedstaaten kontrolliert wird (Art. 291 Abs. 3 AEUV). Die Komitologie-Verordnung sieht daher ein besonderes Entscheidungs- und Kontrollverfahren vor.42 Die Kontrolle der Kommission nimmt ein besonderer Ausschuss wahr, der sich aus Vertre- 35 Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG; ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338. 36 Verordnung (EU) Nr. 575/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.6.2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 646/2012; ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 1. 37 Vgl. die in Art. 145 CRD IV–Richtlinie und in Art. 456, Art. 457, Art. 459, Art. 460 und Art. 461 CRR-Verordnung einzeln aufgeführten delegierten Rechtsakte. Bei dem Erlass dieser Rechtsakte richten sich die Beteiligungs- und Informationsrechte des Rates und damit der Regierungen der Mitgliedstaaten nach Art. 148 Abs. 4 und Abs. 5 CRD IV– Richtlinie und Art. 462 Abs. 4 und Abs. 5 CRR-Verordnung. 38 Verordnung (EU) Nr. 182/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.2.2011 zur Festlegung der allgemeinen Regeln und Grundsätze, nach denen die Mitgliedstaaten die Wahrnehmung der Durchführungsbefugnisse durch die Kommission kontrollieren, ABl. EU L 55 vom 28.2.2011, S. 13 ff. 39 ABl. EU C 115 vom 9.5.2008, S. 13 ff. 40 Siehe Erklärung Nr. 39 zu Art. 290 AEUV (Lissabon-Vertrag), ABl. EU C 115, S. 350. 41 Vgl. Art. 148 Abs. 5 CRD IV–Richtlinie und Art. 462 Abs. 5 CRR-Verordnung. 42 Siehe zu diesem Verfahren statt vieler: Daiber, EU-Durchführungsrechtsetzung nach Inkrafttreten der neuen Komitologie -Verordnung, EuR 2012, 240. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 12 tern der Mitgliedstaaten zusammensetzt (Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Komitologie-VO). Die Durchführungsrechtsakte , zu der die CRD IV–Richtlinie und die CRR-Verordnung ermächtigen, ergehen im Rahmen des Komitologie-Prüfverfahrens.43 In den Komitologieverfahren unterbreitet die Kommission den Ausschüssen, dem die Experten der Mitgliedstaaten angehören, den Entwurf des von der Kommission zu erlassenden Durchführungsrechtsaktes (Art. 3 Abs. 3 UAbs. 1 Komitologie-Verordnung). Der Ausschuss kann dann zu dem Entwurf eine Stellungnahme abgeben. Lehnt der Ausschuss den Entwurf ab oder gibt gar keine Stellungnahme ab, kann die Kommission den Rechtsakt nicht erlassen.44 Die Kommission führt über das Komitologie-Verfahren ein Register, das neben den Entwürfen der Durchführungsrechtsakte umfangreiche Informationen enthält (Art. 10 Abs. 1 Komitologie- Verordnung).45 Der Rat und darüber auch die Bundesregierung haben Zugriff auf diese Informationen (Art. 10 Abs. 3 Komitologie-VO). Ein entsprechendes Zugriffsrecht ist für die nationalen Parlamente hingegen nicht vorgesehen. Auch das Informationsrecht nach Art. 12 lit. a) EUV, nach dem den nationalen Parlamenten „Entwürfe von Gesetzgebungsakten“ zugeleitet werden, greift hier nicht. Der Begriff „Gesetzgebungsakt“ ist im Primärrecht abschließend definiert. Darunter fallen nur solche Rechtsakte (Richtlinie, Verordnung oder Beschluss), die in den ebenfalls definierten ordentlichen oder besonderen Gesetzgebungsverfahren erlassen worden sind.46 Dies trifft auf die Durchführungsrechtsakte und im Übrigen auch auf die delegierten Rechtsakte nicht zu. Soweit die Mitglieder des Bundestages Informationen über einzelne Vorschläge und Entscheidungen zu delegierten Rechtsakten oder Durchführungsrechtsakten erhalten möchten, kann dies somit nur über die Bundesregierung erfolgen. Delegierte Rechtsakte oder Durchführungsrechtsakte, die im Rahmen des Komitologieverfahrens ergehen, werden im EUZBBG nicht ausdrücklich genannt. Allerdings ist im EUZBBG vorgesehen, dass die Bundesregierung über die „Vorbereitung und den Verlauf der Beratungen innerhalb der Organe der Europäischen Union“ (hier: Kommission und Rat) unterrichten und alle diesbezüglichen Dokumente, die bei ihr eingehen, übersenden muss (§ 3 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) EUZBBG). Unter den Katalog der Vorhaben fallen die delegierten Rechtsakte und die Durchführungsrechtsakte hingegen nicht. Auch in diesem Zusammenhang können sie nicht als „Vorschläge für Gesetzgebungsakte der Europäischen Union“ (§ 5 Abs. 1 Nr. 4 EUZBBG) angesehen werden, da sich die Auslegung dieses Begriffes auch hier nach dem Unionsrecht richtet, das die delegierten Rechtsakte und die Durchführungsrechtsakte gerade nicht den 43 Vgl. Art. 146 in Verbindung mit Art. 147 Abs. 2 CRD IV–Richtlinie und Art. 462 Abs. 4 und Abs. 5 CRR-Verordnung jeweils in Verbindung mit Art. 5 der Komitologie-Verordnung. 44 Bei ablehnender Stellungnahme: Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 UAbs. 2 lit. c) Komitologie-Verordnung; bei ausbleibender Stellungnahme Art. 5 Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 UAbs. 2 lit. a) - „Finanzdienstleistungen“ - Komitologie-Verordnung. 45 Dazu gehört außerdem eine Liste der Ausschüsse, die Tagesordnungen der Ausschusssitzungen, die Kurzniederschriften sowie Listen der Behörden und Stellen, denen die Personen angehören, die die Mitgliedstaaten in deren Auftrag vertreten, die Abstimmungsergebnisse in den Ausschüssen, die endgültigen Entwürfe der Durchführungsrechtsakte nach Abgabe der Stellungnahme der Ausschüsse, Angaben zum Erlass der im endgültigen Entwurf vorgesehenen Durchführungsrechtsakte durch die Kommission sowie statistische Angaben zur Arbeit der Ausschüsse. 46 Vgl. Art. 289 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 und Abs. 2 AEUV sowie Art. 1 und 2 des Protokolls über der Rolle der nationalen Parlamente (Protokoll Nr. 1 zum Vertrag von Lissabon). Siehe zum Ganzen auch: Ruffert, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, 4. Auflage 2011, Art. 288 AEUV Rdnr. 4 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 032/14 Seite 13 „Gesetzgebungsakten“ zuordnet.47 Vor diesem Hintergrund entsteht in Bezug auf die Informationen, über die die Bundesregierung zu delegierten Rechtsakten und Durchführungsrechtsakten verfügt, eine „informationspolitische Grauzone“. Die Bundesregierung lehnt eine solche Informationspflicht bisher ab. Bislang werden die entsprechenden Dokumente dem Bundestag nur in wenigen Einzelfällen und nur auf Nachfrage vorgelegt, ohne dass die Bunderegierung damit eine Rechtspflicht anerkennt. Daher können bestimmte Informationen und Dokumente bei der Bundesregierung in Bezug auf Durchführungsrechtsakte und delegierten Rechtsakte nur angefragt werden.48 Im Übrigen besteht auch die Möglichkeit, die Informationen und Dokumente in dem öffentlichen Register der Kommission („Register der Expertengruppen der Kommission“)49 zu suchen. Allerdings werden dort die Dokumente in der Regel nur in französischer oder englischer Sprache eingestellt. 47 Siehe oben S. 12. 48 Für das Verfahren zur Unterrichtung des Bundestages in europäischen Angelgeneheiten und solche Nachfragen in Einzelfällen ist das Referat PE 5 (Europa-Dokumentation) der Bundestagsverwaltung zuständig. 49 http://ec.europa.eu/transparency/regexpert/index.cfm.