© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 031/17 Gesetzliche Regelungen zum Lobbying von Richterinnen und Richtern in europäischen Staaten Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 031/17 Seite 2 Gesetzliche Regelungen zum Lobbying von Richterinnen und Richtern in europäischen Staaten Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 031/17 Abschluss der Arbeit: 22. März 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 031/17 Seite 3 1. Fragestellung In mindestens 22 Ländern weltweit bestehen Regelungen, die Grenzen für das Lobbying von Funktionsträgern der Legislative und Exekutive setzen.1 Es stellt sich die Frage, ob es in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder in Nordamerika auch Vorschriften gibt, die sich an Lobbyisten richten und die Interessenvertretung gegenüber der Judikative betreffen. 2. Ergebnis einer Abfrage bei ausländischen Parlamenten Eine Abfrage bei 29 Parlamentsverwaltungen hat 23 Rückmeldungen ergeben.2 Die folgenden Ausführungen basieren auf diesen Rückmeldungen. In allen Ländern bestehen Regelungen, die Richter verpflichten, sich bei außergerichtlichen Kontakten Einflussnahmen zu widersetzen. Hingegen gibt es in den meisten Ländern keine Regelungen, die sich an Interessenvertreter richten und der Einflussnahme von Richtern Grenzen setzen. Gleichwohl ergeben sich aus den Rückmeldungen drei Ansatzpunkte: – Das Lobbying-Gesetz von Slowenien erfasst ausnahmsweise auch das Lobbying gegenüber Richtern; Die Straftat der Justizbehinderung findet auf Lobbying unter Umständen Anwendung (Litauen); – Der Straftatbestand des „Einflusshandels“ findet auf Lobbyisten unter Umständen Anwendung (z.B. Griechenland). 2.1. Lobbying-Gesetz Slowenien Das „Integritäts- und Korruptionspräventions-Gesetz“ Sloweniens (ZIntPK)3 enthält ein Kapitel VIII zu Lobbying. Nach den Definitionen in Artikel 4 Nr. 3 und Nr. 13 des ZIntPK gehören Richter zu den möglichen „lobbied persons“. Zugleich sind aber nach Artikel 4 Nr. 11 ZIntPK Entscheidungen von der Lobbying-Definition ausgenommen, die Gegenstand justizieller Verfahren sind. Im Ergebnis unterfallen daher nur nicht-justizielle Entscheidungen der Lobbying-Regulierung, also insbesondere Verwaltungs- und Personalentscheidungen der Justiz. Rechtsprechung zu Fällen mit Lobbyisten ist nicht bekannt. 1 Tilman Hoppe, Legislative toolkit on lobbying (model provisions with commentaries), Council of Europe publishing , Strasbourg 2016, S. 5 (Australien, Brasilien, Chile, Deutschland, Frankreich, Georgien, Irland, Israel, Kanada , Litauen, Mazedonien, Mexico, Montenegro, Niederlande, Österreich, Peru, Polen, Slowenien, Taiwan, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten). 2 Folgende 29 Länder: Belgien, Bulgarien, Kroatien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Niederlande, Norwegen, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Vereinigtes Königreich, Kanada, USA. Von folgenden 6 Ländern liegt keine Antwort vor: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Irland, Italien, Tschechische Republik. 3 Englische Übersetzung auf der Netzseite der „Commission for the Prevention of Corruption of the Republic of Slovenia“: https://www.kpk-rs.si/upload/datoteke/ZintPK-ENG.pdf. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 031/17 Seite 4 2.2. Justizbehinderung Die Wissenschaftlichen Dienste des litauischen Parlamentes verweisen auf Artikel 231 des Litauischen Strafgesetzbuches. Der Artikel ist mit „Behinderung von Aktivitäten eines Richters [und anderer Justizvertreter]“ überschrieben. Absatz 1 des Artikels lautet verkürzt: „Wer auf irgendeine Weise einen Richter daran hindert, seine Aufgaben wahrzunehmen“ wird bestraft.4 Nach den Richtlinien des Obersten Gerichtshofs deckt der Tatbestand „jeden möglichen gewaltfreien Einfluss (Bitten, Anfragen, Ratschläge, Instruktionen, etc.) ab, die die beruflichen Aktivitäten eines Richters und anderer Beamter behindern“.5 Im Prinzip könnte nach Auskunft der litauischen Wissenschaftlichen Dienste Artikel 231 des litauischen Strafgesetzbuches auf Aktivitäten von Lobbyisten Anwendung finden. Rechtsprechung zu Fällen mit Lobbyisten ist auch hier nicht bekannt. 2.3. Einflusshandel Die Verwaltung des griechischen Parlaments hat darauf hingewiesen, dass Lobbying von Richtern dem Straftatbestand des Einflusshandels unterfallen könnte. Der griechische Gesetzgeber hat den Straftatbestand im Jahr 2014 als neuen Artikel 237A eingeführt. Absatz 1 lautet verkürzt: „Wer einen Vorteil verlangt oder annimmt im Gegenzug dafür, dass er angeblich einen unlauteren Einfluss ausüben kann“ auf Mandats- oder Amtsträger wird bestraft.6 Auch hier ist keine Rechtsprechung zu Fällen mit Lobbyisten bekannt. 3. Ergänzende Hinweise Auf Grundlage eigener punktueller Recherche ergeben sich noch die folgenden Hinweise: 3.1. Einflusshandel Internationale Konventionen zur Korruption empfehlen die Kriminalisierung von Einflusshandel. Das „Strafrechtsübereinkommen über Korruption“ (1999) des Europarats sieht in Artikel 12 unter dem Titel „Missbräuchliche Einflussnahme“ folgendes vor: „Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als 4 Übersetzung des Autors aus der englischen Übersetzung des Strafgesetzbuchs, abrufbar unter: https://e-seimas .lrs.lt/rs/legalact/TAD/04d3aa62d16911e59019a599c5cbd673/format/ISO_PDF/ („Article 231. Hindering the Activities of a Judge, Prosecutor, Pre-trial Investigation Officer, Lawyer or Bailiff: 1. A person who, in any manner, hinders a judge, prosecutor, pre-trial investigation officer, lawyer or an officer of the International Criminal Court or of another international judicial institution in performing the duties relating to investigation or hearing of a criminal, civil, administrative case or a case of the international judicial institution or hinders a bailiff in executing a court judgement shall be punished by community service or by a fine or by restriction of liberty or by a custodial sentence for a term of up to two years.“). 5 Übersetzung des Autors aus der englischen Rückmeldung des litauischen Parlamentes. 6 Übersetzung des Autors aus der englischen Übersetzung des Artikels in: Greco RC-III (2014) 8E, Seite 10, Fußnote 6, abrufbar unter: https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?document Id=09000016806c6485. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 031/17 Seite 5 Straftaten zu umschreiben: das unmittelbare oder mittelbare Versprechen, Anbieten oder Gewähren eines ungerechtfertigten Vorteils als Gegenleistung an eine Person, die behauptet oder bestätigt, missbräuchlich Einfluss auf die Entscheidungsfindung einer der in den Artikeln 2, 4 bis 6 und 9 bis 11 genannten Personen nehmen zu können, für diese selbst oder für einen Dritten sowie das Fordern oder Annehmen oder das Annehmen des Angebots oder Versprechens eines solchen Vorteils durch eine solche Person als Gegenleistung für eine solche Einflussnahme, unabhängig davon, ob die Einflussnahme erfolgt ist oder nicht oder ob die vermutete Einflussnahme zu dem gewünschten Ergebnis führt oder nicht.“7 Ein entsprechender Straftatbestand besteht in mehreren Ländern mit unterschiedlicher Ausgestaltung (z. B. in Frankreich, Österreich, Portugal, Rumänien, Spanien). In Österreich ist Einflusshandel unter dem Stichwort „Verbotene Intervention“ strafbar (§ 308 Strafgesetzbuch – StGB). Absatz 1 und 4 lauten:8 „(1) Wer für sich oder einen Dritten dafür einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, dass er einen ungebührlichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung eines Amtsträgers oder eines Schiedsrichters nehme, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (4) Eine Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung eines Amtsträgers oder Schiedsrichters ist dann ungebührlich, wenn sie auf die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung eines Amtsgeschäfts abzielt oder mit dem Anbieten, Versprechen oder Gewähren eines ungebührlichen Vorteils […] für den Amtsträger oder für ihn an einen Dritten verbunden ist.“ Das österreichische Bundesministerium der Justiz hat hierzu klargestellt: „Als Intervenient konnte und kann sich jeder strafbar machen, ein Freund oder Angehöriger des Amtsträgers ebenso wie ein Lobbyist […]“.9 Ähnlich beurteilt dies die Kommentierung: „Diese Bestimmung [§ 308 StGB] soll das Interventionsunwesen, das heißt Formen des gesetzwidrigen Lobbyismus bekämpfen.“10 Wissenschaftliche Veröffentlichungen weisen schon seit einigen Jahren darauf hin, dass Lobbyismus- Regeln Klarheit verschaffen können, unter welchen Umständen ein Einflusshandel „unlauter“ und damit strafbar ist.11 7 Bereinigte Übersetzung, zwischen Deutschland, Österreich und der Schweiz abgestimmte Fassung, abrufbar unter: https://www.coe.int/de/web/conventions/full-list/-/conventions/rms/090000168007f589. 8 Abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer =10002296 (Hervorhebung durch Autor). 9 Bundesministerium der Justiz, Fibel zum Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2012, S. 70 (Hervorhebung durch Autor). 10 Maria Eder-Rieder, Strafrechtliche und strafprozessuale Aspekte der neuen Korruptionsbestimmungen im österreichischen Strafrecht, Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik 2014, S. 71 (S. 81) – Hervorhebung durch Autor. 11 Willeke Slingerland, The Fight against Trading in Influence, Public Policy and Administration 2011, S. 53-66 (S. 55-56). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 031/17 Seite 6 In der Praxis gibt es Fälle, bei denen Gerichte Lobbyisten wegen Einflusshandels verurteilt haben. Medienberichten zufolge hatte in Rumänen ein Politiker von einem Geschäftsmann 260.000 € erhalten. Der Politiker sollte als Gegenleistung auf einen Richter des Kassationsgerichts Einfluss nehmen, bei dem ein Verfahren des Geschäftsmanns anhängig war. Der Politiker und der Geschäftsmann wurden im Jahr 2012 wegen Einflusshandels verurteilt, der Richter als Teilnehmer an dieser Straftat.12 In Deutschland wäre dieser Sachverhalt nicht strafbar. Einflusshandel ist in Deutschland kein Straftatbestand. Nur wenn der mit Einfluss handelnde Lobbyist ein Amts- oder Mandatsträger ist, käme unter Umständen Vorteilsnahme oder Bestechlichkeit in Betracht (§§ 108e, 331, 332 StGB). Ist der Lobbyist hingegen eine Privatperson, greifen diese Straftatbestände nicht. 3.2. Österreich: Position der Richterschaft Die „Vereinigung der österreichischen Richterinnen und Richter“ und die „Bundesvertretung Richter und Staatsanwälte“ haben im Gesetzgebungsverfahren zum österreichischen Lobbygesetz eine gemeinsame Stellungnahme abgegeben. Darin fordern sie, das künftige Gesetz auch auf Richter anzuwenden: „Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb Aktivitäten mit dem Ziel direkter Einflussnahme auf einen bestimmten Entscheidungsprozess auch der österreichischen Gerichtsbarkeit ausgenommen sein sollen. Der in den Erläuterungen angeführte Umstand, dass die Beeinflussung von Entscheidungen der Gerichtsbarkeit generell unzulässig ist, wird hierfür allein wohl nicht ausreichen.“13 Dem ist der Gesetzgeber in dem 2012 erlassenen Gesetz nicht gefolgt.14 Der Anwendungsbereich in § 1 erfasst nur „Entscheidungsprozesse in der Gesetzgebung oder Vollziehung“. *** 12 Romania Insider (4. Juni 2012), Former MP, former judge and two Romanian businessmen get jail time for trading influence, abrufbar unter: http://www.romania-insider.com/former-mp-former-judge-and-two-romanian-businessmen -get-jail-time-for-trading-influence/. 13 Stellungnahme vom 19. Juli 2011, BMJ-Z7.053/0003-I 2/2011, abrufbar unter: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXIV/SNME/SNME_07005/imfname_226745.pdf. 14 Bundesgesetz zur Sicherung der Transparenz bei der Wahrnehmung politischer und wirtschaftlicher Interessen (Lobbying- und Interessenvertretungs-Transparenz-Gesetz – LobbyG), BGBl. I Nr. 64/2012, abrufbar unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=20007924.