Deutscher Bundestag Personalwesen als Aufgabe der Bundeswehrverwaltung Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufgabenverlagerung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 031/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 031/12 Seite 2 Personalwesen als Aufgabe der Bundeswehrverwaltung Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Aufgabenverlagerung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 031/12 Abschluss der Arbeit: 8. März 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 031/12 Seite 3 1. Fragestellung Im Zuge der Strukturreform der Bundeswehr sollen u.a. Aufgaben und Personal der Bundeswehrverwaltung in den Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern (BMI) verlagert werden. Dies betrifft den Bereich der Personalabrechnung (Besoldung, Versorgung, Beihilfe, Reise - und Umzugskosten) mit rund 2.500 Mitarbeitern.1 In diesem Zusammenhang stellen sich die folgenden Fragen: Inwiefern ist die geplante Verlagerung verfassungsrechtlich zulässig? Bestehen insoweit Besonderheiten im Bereich der Bundeswehrverwaltung? Inwiefern führen andere Ressorts der Bundesregierung die Funktionen der Personalabrechnung noch selbst aus bzw. haben diese an einer zentralen Stelle in der Bundesverwaltung zusammengeführt ? Zur Frage der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer Auslagerung von Teilen der Bundeswehrverwaltung in den Geschäftsbereich eines anderen Ressorts hat der Verband der Beschäftigten der Bundeswehr (VBB) ein Gutachten in Auftrag gegeben.2 Danach bestehen Zweifel daran, dass eine vollständige Auslagerung des Bereichs Personalabrechnung in den Geschäftsbereich des BMI mit den Vorgaben des Art. 87b GG vereinbar sei. 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben Die Wehrverwaltung ist die zivile Verwaltung der Streitkräfte. Gemeinsam bilden sie die Bundeswehr , die dem Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) untersteht. Organisatorische Veränderungen der Bundeswehrverwaltung müssen sich an Art. 87b GG messen lassen. Dieser bestimmt, dass die Bundeswehrverwaltung in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt wird, Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG. Die Bundeswehrverwaltung dient nach Art. 87b Abs. 1 S. 2 GG den Aufgaben des Personalwesens und der unmittelbaren Deckung des Sachbedarfs der Streitkräfte. Aus Art. 87b Abs. 1 GG lassen sich folglich drei Grundsätze über die Organisation der Bundeswehrverwaltung ableiten. 1 Vgl. Kritik an der Bundeswehrreform, FAZ vom 18. Januar 2011. 2 Wolff, Die Zuständigkeit der Bundeswehrverwaltung für das Personalwesen der Bundeswehr, 2011. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 031/12 Seite 4 2.1. Trennungsgebot Die Streitkräfte verwalten sich nicht selbst, sondern werden von einer zivilen Verwaltung verwaltet (sog. Trennungsgebot). In einem Beschluss des OVG Münster wird dieses Trennungsgebot näher umschrieben3: „verfassungsrechtlich durch Art. 87a, Art. 87b GG vorgegebenen grundsätzlichen organisatorischen , funktionellen und personellen Trennung zwischen den auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam beruhenden Streitkräften einerseits und der - selbständigen - zivilen, den allgemeinen Regeln des Verwaltungshandelns unterworfenen Bundeswehrverwaltung andererseits (…).“ 2.2. Verwaltung mit eigenen Unterbau Darüber hinaus folgt aus Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG, dass die Bundeswehrverwaltung einen eigenen Verwaltungsunterbau aufweisen muss. Vergleichbares gilt nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG für den Auswärtigen Dienst, die Bundesfinanzverwaltung und die Verwaltung der Bundeswasserstraßen und der Schifffahrt unter Berücksichtigung des Art. 89 GG. Die Bundeswehrverwaltung besteht derzeit aus der territorialen Wehrverwaltung (u.a. Wehrbereichsverwaltungen , Kreiswehrersatzämter) und dem Rüstungsbereich (z.B. Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung).4 Dieser Grundsatz ist für die Auslagerung der Personalabrechnung von Bedeutung, da sich insoweit die Frage stellt, ob es eine eigene von anderen Zweigen der Bundesverwaltung getrennte Bundeswehrverwaltung geben muss oder ob auch eine Verwaltung der Bundeswehr durch Stellen außerhalb des Geschäftsbereichs des BMVg zulässig ist. 2.3. Personalwesen als Aufgabe der Bundeswehrverwaltung Art. 87b Abs. 1 S. 2 GG regelt, dass das Personalwesen eine Aufgabe der Bundeswehrverwaltung ist. Der Begriff des Personalwesens umfasst das Wehrdisziplin- und Wehrbeschwerdewesen, das Beamten- und Arbeitsrecht einschließlich des Dienst-, Besoldungs- und Arbeitszeitrechts.5 3. Auslagerung des Personalwesens Die geplante Auslagerung einzelner Aufgaben des Personalwesens könnte gegen die Grundsätze aus Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG und Art. 87b Abs. 1 S. 2 GG verstoßen, wonach die Bundeswehrver- 3 OVG Münster vom 16. Februar 2010, AZ 1 E 825/09. 4 www.terrwv.bundeswehr.de/portal/a/terrwv/!ut/p/c4/04_SB8K8xLLM9MSSzPy8xBz9CP3I5EyrpHK9k tSiovIyvdKk1KL40rxi_YJsR0UAfuHD9A!!/ 5 Baldus in von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, Band 3, 6. Auflage 2011, Art. 87b Rn. 12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 031/12 Seite 5 waltung einen eigenen Verwaltungsunterbau haben muss und das Personalwesen eine Aufgabe der Bundeswehrverwaltung ist. 3.1. Bundeswehrverwaltung als eigener Verwaltungszweig Fraglich ist insoweit zunächst, ob die Wendung „die Bundeswehrverwaltung“ zwingend eine Verwaltung im Geschäftsbereich des BMVg fordert oder ob auch eine „Verwaltung der Bundeswehr “ durch Bundesbehörden außerhalb des Geschäftsbereichs des BMVg zulässig wäre. Der Wortlaut der Norm spricht durch den Begriff „Bundeswehrverwaltung“ eher dafür, dass es für die Bundeswehr eine eigene Verwaltung geben soll und nicht eine beliebige Verwaltung durch andere Zweige der Bundesverwaltung. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm lassen sich keine eindeutigen Hinweise für diese Frage ableiten, da andere Fragen bei der Diskussion um die Einführung des Art. 87b GG im Vordergrund standen.6 Sinn und Zweck der Norm dürften wie auch der Wortlaut eher dafür sprechen, dass die Verwaltung der Bundeswehr einen eigenen Zweig in der Bundesverwaltung bildet. Die Aufgaben der Bundeswehrverwaltung werden durch die spezifischen Bedürfnisse der Streitkräfte geprägt und dürften sich in vielen Bereichen deutlich von denen anderer Zweige der Bundesverwaltung unterscheiden . Im Ergebnis dürfte daher aus Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG zunächst folgen, dass die Bundeswehr eine eigene Verwaltung haben muss.7 3.2. Erfüllungs- oder Gewährleistungspflicht? Darüber hinaus ist jedoch fraglich, ob aus dem Umstand, dass Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG eine eigene Verwaltung der Bundeswehr fordert, zwingend gefolgert werden kann, dass alle Aufgaben, die bislang von der Bundeswehrverwaltung wahrgenommen werden auch künftig von ihr wahrzunehmen sind. Eine derartige dauerhafte Erfüllungspflicht bzw. „Aufgabenversteinerung“ dürfte verfassungsrechtlich wohl nicht verankert sein.8 Verwaltung ist grundsätzlich kein Selbstzweck und muss sich veränderten tatsächlichen, insbesondere gesellschaftlichen und technischen Rahmenbedingungen anpassen können. Entscheidend ist, dass die jeweilige Verwaltungsstruktur eine wirksame Erledigung der zugewiesenen Aufgaben gewährleistet. Dementsprechend ist es grundsätzlich möglich, Verwaltungsstrukturen zu reorganisieren, Aufgaben auf andere Behörden zu verlagern 6 Umstritten war bspw. die Verteilung der Verwaltungskompetenz zwischen Bund und Ländern, Wolff (Fn. 2), S. 37 ff. 7 Vgl. Dürig, in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand 63. Ergänzungslieferung 2011, Art. 87b Rn. 17; Wolff (Fn. 2) S. 89. 8 Für die Bundeswehrverwaltung wird diese Frage nur ansatzweise erörtert, vgl. Nachweise bei Wolff (Fn. ) S. 97; für andere Zweige der Bundesverwaltung wird diese Frage hingegen eingehender diskutiert, so etwa für die Verwaltung der Bundeswasserstraßen etwa Gröpl in: Maunz/Dürig (Fn. 7), Art. 89 Rn. 89 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 031/12 Seite 6 oder sogar bestimmte Aufgaben zu privatisieren. Es obliegt dem BMVg, die Bundeswehrverwaltung so zu organisieren, dass eine wirksame Erledigung der Aufgaben gewährleistet ist. Zwar dient die Bundeswehrverwaltung nach Art. 87b Abs. 1 S. 2 GG den Aufgaben des Personalwesens , hieraus dürfte aber wohl keine Verbot der Auslagerung bestimmter Aufgaben aus der Bundeswehrverwaltung folgen. Auch insoweit dürfte entscheidend sein, dass durch die Bundeswehrverwaltung eine wirksame Aufgabenerledigung gewährleistet wird. In diesem Sinne wird auch vom BMVg in der Debatte um eine Verlagerung der Personalabrechnung eine Gewährleistungsplicht der Bundeswehrverwaltung angenommen, nach der diese für eine effektive Wahrnehmung der Aufgaben der Personalabrechnung Sorge zu tragen habe. Dies soll durch Mitsteuerung der Rechts- und Fachaufsicht erfolgen.9 Für die Frage, ob hierdurch eine effektive Aufgabenerledigung gewährleistet werden könnte, käme es auf die konkrete Ausgestaltung der Verlagerung der Personalabrechnung und der bei der Bundeswehrverwaltung verbleibenden Befugnisse an. Grundsätzlich stünde Art. 87b Abs. 1 S. 1 GG einer Verlagerung einzelner Aufgaben des Personalwesens in den Geschäftsbereich des BMI nicht entgegen. 4. Personalabrechnung der anderen Ressorts Innerhalb der Bundesverwaltung nehmen sowohl das Bundesverwaltungsamt (BVA), eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern, sowie das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV), eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Finanzen, Aufgaben der Personalabrechnung (z.B. Bezüge, Beihilfe, Reisekosten) für Bundesministerien und nachgeordnete Behörden und Einrichtungen wahr. Das BADV übernimmt bspw. die Bezügezahlung für das Bundesministerium der Finanzen, das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und den Bundesrat. Das BADV stellt auf seiner Interseite eine Liste der Behörden und Einrichtungen zur Verfügung, die die Bezügezahlung an das BADV übertragen haben.10 Entsprechende Informationen werden auch zur Beihilfe-11 und Reisekostenabrechnung12 durch das BADV zur Verfügung gestellt. Daraus ergibt sich, dass nicht jede Behörde, die eine der angebotenen Dienstleistungen in Anspruch nimmt, auch die anderen Aufgaben an das BADV übertragen hat. 9 Darstellung bei Wolff (Fn. 2), S. 121. 10 http://www.badv.bund.de/003_menue_links/d0_serviceangebot/bezuegeabrechnung/f1_bezuege_zentral/index.html. 11 http://www.badv.bund.de/003_menue_links/d0_serviceangebot/personalnebenleistungen/a1_beihilfe/index.html. 12 http://www.badv.bund.de/003_menue_links/d0_serviceangebot/personalnebenleistungen/b1_reisekosten/index.html. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 031/12 Seite 7 Vergleichbares gilt für das BVA. Dieses übernimmt die Bezügezahlung für das Bundesministerium des Innern, das Bundesministerium für Arbeit und Soziales.13 Ebenso werden auch die Beihilfe -14 und Reisekostenabrechnung15 für andere Ministerien und Behörden übernommen. 13 http://www.dienstleistungszentrum.de/cln_091/nn_2214656/DLZ/DE/010__Dienstleistungen/010__Bezuege/030 __UnsereKunden/unsereKunden__node.html?__nnn=true. 14 http://www.dienstleistungszentrum.de/cln_091/nn_2156346/DLZ/DE/010__Dienstleistungen/020__Beihilfe/030 __UnsereKunden/unsereKunden__node.html?__nnn=true. 15 http://www.dienstleistungszentrum.de/cln_091/nn_2152344/DLZ/DE/010__Dienstleistungen/030__Dienstreisen/ 030__UnsereKunden/unsereKunden__node.html?__nnn=true.