© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 – 029/18 Behördlicher Genehmigungsvorbehalt für Wohnraummietverträge Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 029/18 Seite 2 Behördlicher Genehmigungsvorbehalt für Wohnraummietverträge Aktenzeichen: WD 3 - 3000 – 029/18 Abschluss der Arbeit: 5. Februar 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 029/18 Seite 3 1. Fragestellung Vereinzelt bestanden oder bestehen noch Genehmigungsvorbehalte für bestimmte Mietverhältnisse : - Wohn- und Gewerberaummietverträge können die Entwicklung der Miete an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten knüpfen. Bis Ende 1998 standen diese sogenannten „Indexmieten “ unter Genehmigungsvorbehalt der Bundesbank bzw. der Landeszentralbanken , § 3 S. 2 Währungsgesetz. Der Genehmigungsvorbehalt entfiel durch das EURO-Einführungsgesetz vom 9. Juni 1998 zum 31. Dezember 1998. - In „förmlich festgelegten Sanierungsgebieten“ bedürfen nach § 144 Baugesetzbuch bestimmte Verträge, einschließlich Wohnraummietverträge,1 der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde. Denkbar sind Genehmigungsvorbehalte auch für andere Zwecke, z.B. die Verhinderung von Mietpreisüberhöhung .2 Es stellt sich die Frage, ob es mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist, Mietverträge über Wohnraum auch in solchen Fällen einem Vorbehalt der Genehmigung durch eine Behörde zu unterstellen. 2. Grundrechte Als einschlägige Grundrechte kommen in Betracht: - Die Eigentumsfreiheit des Vermieters, so er Eigentümer ist (Art. 14 GG); - die Berufsfreiheit des Vermieters, so er gewerblicher Vermieter ist (Art. 12 GG); - die allgemeine Handlungsfreiheit des Vermieters sowie die allgemeine Handlungsfreiheit des Mieters (Art. 2 GG).3 Im Einzelnen kann dahingestellt bleiben, welches Grundrecht bei welcher Fallgestaltung greift. Ein Genehmigungsvorbehalt könnte in alle drei Grundrechte eingreifen; in jedem Fall aber in die allgemeine Handlungsfreiheit:4 - Der Genehmigungsvorbehalt legt generell und abstrakt Pflichten hinsichtlich des Eigentums fest. Damit greift der Genehmigungsvorbehalt als Inhalts- und Schrankenbestimmung in das Eigentum ein. 1 Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Auflage 2016, § 144 Rn. 12. 2 Die Verfassungsmäßigkeit der sogenannten Mietpreisbremse ist nicht Gegenstand dieser Ausarbeitung. Siehe zu dieser Frage: WD 3 - 256/17, Verfassungsrechtliche Fragen zur sog. Mietpreisbremse – Unter besonderer Berücksichtigung des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Berlin vom 7. Dezember 2017 (Az. 67 S 218/17). 3 Zur Abgrenzung in einzelnen Fallkonstellationen siehe Axer, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 35. Edition, Stand: 15. November 2017, Art. 14 GG Rn. 27-28. 4 Zur Auffangfunktion von Art. 2 GG siehe Lang, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 35. Edition, Stand: 15. November 2017, Art. 2 GG Rn. 29. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 029/18 Seite 4 - Der Genehmigungsvorbehalt regelt nicht den Zugang zu einem Beruf, sondern bestimmt, in welcher Weise er auszuüben ist. Damit handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung . - Die Pflicht der Vorlage zur Genehmigung bedeutet zugleich die Pflicht zu einer Handlung. Damit greift der Genehmigungsvorbehalt in die allgemeine Handlungsfreiheit ein. Alle Eingriffe müssen auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführen sein (Art. 2 Abs. 1 GG,5 Art. 12 Abs. 1 S. 2, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG). Bei Eingriffen durch untergesetzliche Normen ist daher eine hinreichende formell-gesetzliche Ermächtigung notwendig.6 Für alle vorgenannten drei Eingriffe gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Damit muss der Eingriff - ein legitimes Ziel verfolgen; - geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen; - das mildeste Mittel sein; - und angemessen sein. Die Verhinderung von Mietpreisüberhöhung ist ein legitimes gesetzgeberisches Ziel: Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist „der Schutz vor Nachteilen aufgrund […] der Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt“ Ausfluss des im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG).7 Für eine Berufsausübungsregelung muss es sich bei dem gesetzgeberischen Ziel um eine „vernünftige Allgemeinwohlerwägung“ handeln. Auch diese Anforderung wäre im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip erfüllt. Ein Genehmigungsvorbehalt würde nur sicherstellen, dass bereits bestehende gesetzliche Vorschriften zum Mieterschutz in der Praxis möglichst eingehalten werden. Der Genehmigungsvorbehalt wäre geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen. Hierfür wäre ein größerer personeller Aufwand erforderlich. Es wird unterstellt, dass entsprechende Kapazitäten zur Verfügung stünden . Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung der Geeignetheit ein Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu.8 Mildere Mittel könnten Aufklärungskampagnen, behördliche Beratungsstellen oder Gutscheine für eine Beratung beim Rechtsanwalt sein. Diese Mittel dürften aber weniger geeignet sein, alle 5 Das Kriterium „Sittengesetz“ hat außerhalb formeller Rechtsnormen wohl keine eigenständige Bedeutung: Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. EL September 2017, Art. 2 Rn. 45. 6 Vgl. zu Art. 12 GG Ruffert, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 35. Edition, Stand: 15. November 2017, Art. 12 Rn. 75. 7 BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2016, 1 BvR 1015/15, Rn. 88 (NJW-RR 2016, 1349). 8 Vgl. zu Art. 12 GG Ruffert, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 35. Edition, Stand: 15. November 2017, Art. 12 Rn. 90. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 029/18 Seite 5 Mietverträge einer Prüfung zu unterziehen. Damit ist ein milderes Mittel nicht ersichtlich. Auch bei diesem Punkt steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu.9 Der Genehmigungsvorbehalt ist – je nach Ausgestaltung – grundsätzlich auch angemessen. Dabei gilt: Je weniger der Genehmigungsprozess den Abschluss des Mietvertrages verzögert oder anderweitig behindert, desto eher ist er angemessen. So wäre es z.B. eher problematisch, wenn der Genehmigungsvorbehalt den Beginn des Mietverhältnisses länger aufschieben würde („keine Wirksamkeit des Vertrages ohne Genehmigung“). Hingegen würde es den Mietbeginn und die Wirksamkeit des Vertrages nicht berühren, wenn der Mietvertrag unbeachtlich des Genehmigungsverfahrens wirksam würde, aber sein Inhalt vom Ausgang des Genehmigungsverfahrens abhinge (z. B. die Miethöhe nachträglich per Verwaltungsakt an die gesetzlichen Vorschriften angepasst würde). 3. Bestimmtheitsgebot Das Bestimmtheitsgebot ist Teil des Rechtsstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 3 GG). Ein künftiger Genehmigungsvorbehalt müsste hinreichend bestimmt formuliert sein. 4. Rechtsprechung Für die Verhältnismäßigkeit eines Genehmigungsvorbehalts für Mietverträge spricht auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Das Gericht hat den Genehmigungsvorbehalt bei der Nutzungsänderung von Wohnraum als verfassungsgemäß beurteilt.10 Dieser Genehmigungsvorbehalt dürfte das Eigentumsrecht des Vermieters wohl stärker einschränken, als es bei einem Genehmigungsvorbehalt für Mietverträge der Fall wäre: Kommt eine Nutzungsänderung nicht zustande , ist es dem Eigentümer verwehrt, sein Eigentum in einer für ihn lukrativeren Weise zu nutzen, z.B. durch Vermietung an ein Gewerbe. Im Übrigen haben Bundesverwaltungsgericht und Bundesgerichtshof es als verfassungsgemäß erachtet, dass § 144 Baugesetzbuch u. a. Wohnungsmietverträge einem sanierungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt unterstellt. Der Vorbehalt stelle eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Entscheidend sei das Gemeinwohlinteresse daran, dass die Sanierung eines Gebiets nicht durch einzelne Bauvorhaben und Rechtsvorgänge nachteilig berührt werden soll.11 *** 9 Vgl. zu Art. 12 GG Ruffert, in: BeckOK Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 35. Edition, Stand: 15. November 2017, Art. 12 Rn. 91. 10 BVerfG NJW 1975, 727. 11 BVerwGE 57, 88; NJW 1982, 398; BGH NVwZ 1982, 329.