© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 029/17 Ausschluss einer verfassungsfeindlichen Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung (Aktualisierung der Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 504/10 vom 21.10.2010) Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. 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Seine Entscheidung begründete der Zweite Senat damit, dass die NPD zwar nach ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger eine Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebe, es für ein Parteiverbot aber am Merkmal des „darauf Ausgehens“ mangele. Hierfür müssten zumindest Anhaltspunkte für eine Realisierung der Parteiziele existieren.1 Da es der NPD in der Zeit ihres bisherigen Bestehens aber kaum gelungen sei, entsprechende Wahlerfolge zu erzielen, erscheine ein praktisches Erreichen der Parteiziele eher fernliegend. Darüber hinaus habe die NPD aber auch mangels realisierbarer Koalitionsoptionen keine Möglichkeit, ihre verfassungsfeindlichen Ziele mithilfe einer Zusammenarbeit mit anderen Parteien zu verwirklichen.2 Im Ergebnis attestierte das Bundesverfassungsgericht der NPD damit zwar eine verfassungsfeindliche Grundausrichtung, äußerte aber hinsichtlich ihrer tatsächlichen Gefährlichkeit für die bestehende freiheitliche demokratische Grundordnung deutliche Zweifel. Bei der Urteilsverkündung wies der Präsident des Bundesverfassungsgerichts zudem auf die Möglichkeit hin, eine Einschränkung der Parteienfinanzierung für verfassungsfeindliche Parteien im Wege der Verfassungsänderung zu regeln.3 Auch dem Urteil lassen sich diesbezügliche allgemeine Aussagen entnehmen. So verweist die Entscheidung etwa auf die Möglichkeit von Sanktionen unterhalb der Schwelle eines Parteiverbotes. Das Land Niedersachsen hat mit Gesetzesantrag vom 01.02.2017 nun ein gesetzgeberisches Konzept zum Ausschluss extremistischer Parteien von der Parteienfinanzierung vorgelegt.4 Gesetzgeberischer Kern des Konzepts ist eine Änderung des Art. 21 GG. Es sollen folgende Änderungen eingefügt werden: „1. Dem Absatz 1 wird folgender Satz 5 angefügt: Eine Teilfinanzierung der allgemeinen Tätigkeit der Parteien aus staatlichen Mitteln ist zulässig. 2. Dem Absatz 3 wird folgender Satz 2 angefügt: Parteien, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland verfolgen, können auf Grund eines Gesetzes von der staatlichen Teilfinanzierung der Parteien ausgeschlossen werden.“ 1 BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 – 2 BvB 1/13 –, juris, Rn. 633; siehe hierzu auch den Aktuellen Begriff der Wissenschaftlichen Dienste, Nr. 3/17 vom 20.01.2017. 2 Vgl. hierzu auch die Ausführungen in der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.01.2017, abrufbar unter: http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2017/bvg17-004.html (letzter Zugriff: 10.02.2017). 3 Vgl. hierzu etwa die Berichterstattung von Roßner über die Urteilsverkündung, abrufbar unter: http://www.lto.de/recht/hintergruende/h/bverfg-2-bvb-1-13-npd-verbotsverfahren-parteiverbot-voraussetzungen -potentialitaet-bedeutung/2/ (Stand: 10.02.2017). 4 BR-Drs. 113/17. Wissenschaftliche Dienste WD 3 - 3000 - 029/17 Seite 4 Zusätzlich enthält der Entwurf Änderungsvorschläge für das Parteiengesetz. Durch diese soll die Ausschlussentscheidung in das bereits bestehende Regelungssystem der Parteienfinanzierung eingefügt werden. Der hierzu neu zu schaffende Satz 3 des § 18 Abs. 1 PartG soll dazu wie folgt formuliert werden: „Parteien, die Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland verfolgen, sind von der Teilfinanzierung ausgeschlossen.“ Durch die Regelung im Parteiengesetz wäre für die Entscheidung über den Ausschluss von der Teilfinanzierung der Präsident des Deutschen Bundestages zuständig. Rechtsschutz gegen dessen Entscheidung könnte eine Partei über den Verwaltungsrechtsweg erlangen. Der Entwurf sieht in Artikel 3 dafür eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts vor. Auch eine indirekte Parteifinanzierung ausgeschlossener Parteien über Vorteile bei der Einkommensteuer soll zukünftig nicht mehr möglich sein. Der Gesetzentwurf enthält in Artikel 4 die hierfür erforderlichen Änderungen im Einkommensteuergesetz. Bereits im Jahr 2010 thematisierte eine Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste den „Ausschluss einer verfassungsfeindlichen Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung“.5 Darin wird dessen Zulässigkeit bejaht, wenn er im Wege einer Verfassungsänderung erfolge. Dieser stehe nicht die Ewigkeitsgarantie des Art. 79 Abs. 3 GG entgegen. Eine mögliche Beeinträchtigung der Chancengleichheit der Parteien sei vielmehr durch den Grundsatz der wehrhaften Demokratie gerechtfertigt und stelle daher eine zulässige Modifizierung dieses Grundsatzes dar.6 Die folgende Ausarbeitung überprüft die damaligen Feststellungen im Lichte der jüngsten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Dabei soll insbesondere auf folgende Fragen eingegangen werden: – Inwiefern gibt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im NPD-Verbotsverfahren Anlass zu einer Neueinschätzung der bereits vom WD erstellten Ausarbeitung? – Wenn man die Verfassungskonformität eines Ausschlusses verfassungswidriger, aber nicht verbotener Parteien aus der Parteienfinanzierung grundsätzlich unterstellt: Wer müsste über einen solchen Ausschluss entscheiden bzw. die Verfassungswidrigkeit feststellen? Inwiefern könnte eine solche Entscheidung der Exekutive (Regierung, Verfassungsschutz usw.) überlassen bleiben? 5 Wissenschaftliche Dienste, Ausschluss einer verfassungsfeindlichen Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung (WD 3 - 3000 - 504/10). 6 Wissenschaftliche Dienste [Fn. 5], S. 6 f. Wissenschaftliche Dienste WD 3 - 3000 - 029/17 Seite 5 – Inwiefern genügt der Gesetzentwurf des Landes Niedersachsen den Anforderungen des Grundgesetzes? – Welche Anforderungen müssen an den Entzug von Leistungen für Wählervereinigungen gelegt werden? 2. Verfassungsmäßigkeit eines Ausschlusses von der Parteienfinanzierung Der Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung ist verfassungsrechtlich dem Grunde nach zulässig. Dieses Ergebnis liegt bereits der früheren Ausarbeitung zugrunde und dürfte sich durch die jüngere Rechtsprechung nicht geändert haben. Sowohl den Ausführungen im Urteilstext als auch den oben genannten Bemerkungen während der mündlichen Urteilsverkündung kann eine dementsprechende Rechtsaufassung entnommen werden. Neben dieser allgemeinen gehaltenen Grundaussage enthält das Urteil jedoch kaum Ausführungen über die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Ausschlussentscheidung. Wie eine solche rechtlich auszugestalten ist, obliegt zwar der Entscheidung des verfassungsändernden Gesetzgebers ; dabei müssen jedoch tragende Verfassungsprinzipien wie etwa der Bestimmtheitsgrundsatz berücksichtigt werden. Ferner muss sichergestellt werden, dass sich ein Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung nicht zu einer Aufsicht über die politische Gesinnung einer Partei auswirkt. Diese Grundaussage hat das Bundesverfassungsgericht bei der Prüfung der Verbotsvoraussetzungen ausdrücklich hervorgehoben.7 Bei der Schwere des Eingriffs in den demokratischen Wettbewerb, die auch ein Finanzierungsausschluss mit sich bringt, gilt es daher, die tatbestandlichen Anforderungen entsprechend hoch zu halten. Bei einer zu offenen Formulierung der tatbestandlichen Voraussetzungen würde die Gefahr entstehen, dass über eine Streichung der finanziellen Mittel ein empfindlicher Eingriff in die freie politische Auseinandersetzung erfolgen könnte. Der Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung stellt gerade bei kleinen finanzschwachen Parteien einen erheblichen Eingriff in deren Existenzgrundlage dar. Zwar wird der Partei nicht jeglicher Betätigungsrahmen entzogen; dennoch dürfte sich der Ausschluss von den staatlichen Finanzmitteln oftmals zu einem faktischen Betätigungsverbot auswirken. Gerade die Teilnahme an Wahlkämpfen hängt maßgeblich von der finanziellen Ausstattung einer Partei ab. Die Voraussetzungen eines Ausschlusses von der staatlichen Parteienfinanzierung ähneln daher bereits wegen dieser vergleichbaren Auswirkungen der Verbotsentscheidung. Der Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung dürfte tatbestandlich bereits nur dann zulässig sein, wenn eine Partei im Sinne des Art 21 Abs. 2 GG verfassungsfeindliche Ziele verfolgt .8 Dieser Auslegungstendenz scheint auch das Bundesverfassungsgericht zu folgen. In seiner Entscheidung zum NPD-Verbot verweist es ausdrücklich auf die „Erfüllung einzelne(r) Tatbestandsmerkmale des Art. 21 Abs. 2 GG“ als Voraussetzung einer Sanktionierung unterhalb der 7 BVerfG [Fn. 1] Rn. 573. 8 Vgl. hierzu umfassend: Epping, Rechtsgutachten über die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verbotene Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung ausgeschlossen werden kann, 2008, S. 46 ff., abrufbar unter: www.mi.niedersachsen.de/download/34931 (letzter Zugriff: 13.02.2017). Wissenschaftliche Dienste WD 3 - 3000 - 029/17 Seite 6 Schwelle des Parteiverbotes.9 Zwar ist der Entscheidung nicht ausdrücklich zu entnehmen, welche der Merkmale des Art. 21 Abs. 2 GG damit gemeint sind. Das Urteil enthält diesbezüglich jedoch einige Hinweise. Das Verbot der NPD scheiterte maßgeblich an deren fehlender Gefährlichkeit.10 Das Bundesverfassungsgericht sah aus diesem Grunde das Tatbestandsmerkmal des „darauf Ausgehens “ als nicht erfüllt an. Die verfassungsfeindliche Grundausrichtung der NPD stellte es hingegen fest und verwies den Gesetzgeber auf die genannten Sanktionen unterhalb der Schwelle des Parteiverbotes. Der maßgebliche tatbestandliche Unterschied zwischen den Anforderungen an ein Parteiverbot und denen eines möglichen Ausschlusses von der staatlichen Parteienfinanzierung dürfte daher im Merkmal des „darauf Ausgehens“ zu finden sein. Demnach müsste es für den Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung ausreichen, wenn eine Partei zwar verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, diese jedoch mangels praktischer Möglichkeiten nicht umzusetzen vermag. Vereinfacht könnte dies auf die Formel „Verfassungsfeindlichkeit minus Gefährdungspotenzial“ gebracht werden.11 Dabei bleibt jedoch unsicher, ab wann einer Partei die Verfassungswidrigkeit attestiert werden kann. Eine gewisse Orientierung bringen an dieser Stelle die Ausführungen im Urteilstext zur Verfassungswidrigkeit einer Partei.12 Der vorliegende Gesetzentwurf des Landes Niedersachsen stellt tatbestandlich darauf ab, dass eine Partei „Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland verfolgt“. Mit dieser Formulierung knüpft die Vorschrift ausdrücklich an die bereits geregelten Schutzgüter des Art. 21 Abs. 2 GG an. Anders als bei der Regelung zum Parteiverbot werden für einen Ausschluss von der Parteienfinanzierung nunmehr „Bestrebungen “ gegen die freiheitliche Grundordnung gefordert. Begrifflich bleiben diese Anforderungen hinter dem „darauf ausgehen“ zurück und ermöglichen einen Ausschluss auch bei fehlender Gefährlichkeit. Dennoch ist die Formulierung weit gefasst. Der Begriff der Bestrebungen kann dabei rein passiv im Sinne einer subjektiven Absicht der jeweiligen Partei verstanden werden, ist aber auch einer Auslegung zugunsten eines aktiven Verfolgens von Bestrebungen zugänglich. 3. Zuständigkeit für die Ausschlussentscheidung Das Grundgesetz beinhaltet keine zwingenden Vorgaben zugunsten einer bestimmten Zuständigkeit . Dennoch können der Verfassung organisatorische Vorgaben für die Umsetzung eines Ausschlusses von der staatlichen Parteienfinanzierung entnommen werden. Bei einer solchen Entscheidung handelt es sich um einen schwerwiegenden Eingriff in die Chancengleichheit einer Partei, womit auch immer das Demokratieprinzip berührt wird. Das Ausschlussverfahren muss dieser besonderen Ausgangslage hinreichend Rechnung tragen. Insbesondere müssen dabei die Rechtsschutzmöglichkeiten einer Partei gewahrt und eine missbräuchliche Inanspruchnahme zum Zwecke einer politischen Wettbewerbsverzerrung verhindert werden. In der juristischen Literatur wurden mehrere Verfahrensmodelle vorgeschlagen, die unterschiedlichen Institutionen 9 BVerfG [Fn. 1], Rn. 527. 10 BVerfG [Fn. 1], Rn. 845 ff. 11 Janisch, in: Süddeutsche Zeitung, 13.02.2017, S. 4. 12 BVerfG [Fn. 1], Rn. 510 ff. Wissenschaftliche Dienste WD 3 - 3000 - 029/17 Seite 7 die Entscheidung über den Ausschluss zukommen lassen.13 Dabei wurden das Bundesverfassungsgericht , der Bundespräsident und der Bundestagspräsident für die Entscheidungszuständigkeit in Betracht gezogen. Sämtliche dieser Varianten weisen Vor- und Nachteile auf. Darüber hinaus sind auch weitere Zuständigkeitsregelungen denkbar. Zunächst kommt eine Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht in Betracht. Eine solche Zuständigkeit ist zwar mangels ausdrücklichen Richtervorbehalts verfassungsrechtlich nicht zwingend vorgegeben;14 es bestehen aber gewichtige Argumente für eine solche Verfahrenszuweisung .15 Für einen Richtervorbehalt sprechen zunächst die Objektivität und Neutralität einer solchen Entscheidung. Wie beim Parteiverbot wäre es damit einer politisch neutralen Institution übertragen, über diesen sensiblen Eingriff in das demokratische Geschehen zu entscheiden. Das Grundgesetz ordnet zudem auch die wesensverwandten Verfahren dem Bundesverfassungsgericht zu. Hierzu zählen sowohl das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG als auch die Entscheidung über die Verwirkung von Grundrechten nach Art. 18 GG. Es entspricht daher dieser Systematik, auch über einen Ausschluss einer verfassungswidrigen Partei von der staatlichen Parteienfinanzierung durch das Bundesverfassungsgericht entscheiden zu lassen. Gegen eine solche Zuständigkeit könnte jedoch die übliche Rolle von Gerichten eingewendet werden. Gerichte sind im Regelfall berufen, bereits getroffene Verwaltungsentscheidungen zu überprüfen. Eine gerichtliche Erstentscheidung stellt eher eine Ausnahme dar. Zudem spricht auch der in der Literatur aufgezeigte besondere Verfahrensaufwand einer richterlichen Entscheidung gegen ein solches Modell.16 Dabei dürfte sich der zuletzt genannte Einwand jedoch bereits dadurch relativieren, dass auch bei einer Verwaltungsentscheidung und einer späteren Überprüfung durch die Gerichte ein erheblicher Verfahrensaufwand anfällt. Neben einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht kommen auch die oben aufgezeigten Zuständigkeiten in Betracht (Bundespräsident, Bundestagspräsident etc.). Zunächst ist es dem Gesetzgeber dabei grundsätzlich freigestellt, wie er die Zuständigkeit für eine Entscheidung ausgestaltet. Dennoch ist in gewissem Umfang die Sicherstellung der Verwaltungseffizienz zu berücksichtigen.17 Bereits das Verwaltungsverfahren hat eine Wahrung der betroffenen Rechtspositionen sicherzustellen . Vorliegend muss das Verfahren daher zu einer abschließenden Beurteilung der Verfassungswidrigkeit einer Partei führen. Für die organisationsrechtliche Ausgestaltung sollten daher der Verfahrensaufwand aber auch die erforderliche Kenntnislage und Kenntniserlangung berücksichtigt werden. Bei der praktischen Bestimmung dieses Aufwandes liegt ein Vergleich mit dem Parteiverbotsverfahren nahe. Auch eine Entziehung der Mittel aus der staatlichen Parteienfinanzierung würde auf einer festgestellten Verfassungswidrigkeit der Partei beruhen.18 Diese Feststellung bedarf 13 Epping [Fn. 8], S. 56 ff. 14 Vgl. etwa für den Grundrechtsbereich: BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2008 – 1 BvR 370/07 –, juris, Rn. 257; Durner, in: Maunz/Dürig, 78. EL 2016, Art. 10 GG Rn. 152 ff. 15 Janisch, [Fn. 11]. 16 Epping [Fn. 8], S. 57. 17 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, 78. EL 2016, Art. 19 GG Rn. 27. 18 Vgl. zu diesem Merkmal die Ausführungen zu Ziff. 2. Wissenschaftliche Dienste WD 3 - 3000 - 029/17 Seite 8 einer umfassenden Kenntnis und Bewertung der Ziele und Strukturen der Partei. Der Verfahrensaufwand dürfte sich bereits deshalb nicht wesentlich vom Aufwand eines Verbotsverfahrens unterscheiden . Bei diesem handelt es sich offenkundig um ein aufwendiges Verfahren. Insbesondere ist zu dessen Durchführung eine umfassende Sachverhaltsermittlung vorzunehmen, die sich in aller Regel nur durch eine intensive Zusammenarbeit verschiedenster Behörden realisieren lässt. Hierbei sind ausdrücklich die Verfassungsschutzämter der Länder und des Bundes zu nennen, auf deren Erkenntnissen ein solches Verfahren in aller Regel beruhen wird. Eine Entscheidung durch den Bundespräsidenten dürfte diesen Anforderungen nur schwer gerecht werden. Der ersichtliche Vorteil einer solchen Verfahrenszuweisung dürfte vor allem in der Überparteilichkeit bestehen, die zumindest in der Gegenwart von den jeweiligen Amtsinhabern ausgestrahlt wird. Erhebliche Zweifel bestehen jedoch hinsichtlich einer effizienten Umsetzung der Entscheidung. Die verfassungsrechtliche Ausgestaltung dieses Amtes mit nur wenigen hoheitlichen Befugnissen spricht eher gegen eine Zuständigkeit des Bundespräsidenten. Daneben erscheint auch die tatsächlich bestehende Amtsausstattung, die eher auf repräsentative Aufgaben ausgerichtet ist, derzeit nicht für ein derart aufwendiges Verfahren auszureichen. Ähnlichen Bedenken begegnet auch eine Entscheidung durch den Präsidenten des Deutschen Bundestages. Zwar obliegt diesem bereits gegenwärtig die Zuständigkeit im Bereich der Parteienfinanzierung . Zu berücksichtigen ist aber, dass die derzeitigen Verwaltungsstrukturen der Bundestagsverwaltung nicht ausreichen, eine selbstständige Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei zu treffen. Daneben könnte auch die politische Neutralität einer solchen Zuständigkeit infrage gestellt werden, da der Bundestagspräsident stark in das politische Geschehen einbezogen ist. Neben den genannten Zuständigkeiten kommt auch eine Entscheidung durch den Bundesinnenminister in Betracht. Dieser ist bereits mit der vergleichbaren Thematik der Vereinsverbote befasst. Ferner fällt in das Innenressort auch der Verfassungsschutz und damit die wesentliche Erkenntnisquelle zur Feststellung der Verfassungswidrigkeit. Stärker noch als beim Bundestagspräsidenten würde es bei einer solchen Zuständigkeit jedoch an politischer Neutralität mangeln. 4. Rechtsschutzfragen Je nach Ausgestaltung der Zuständigkeit gestalten sich auch die Rechtsschutzmöglichkeiten einer Partei. Hierbei ist zu unterscheiden, ob die Ausschlussentscheidung unmittelbar durch das Bundesverfassungsgericht erfolgt oder bei einer der genannten Institutionen angesiedelt ist. Bei einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung wird der notwendige Rechtsschutz bereits durch diese Erst-entscheidung sichergestellt. Das Gericht wäre in diesem Fall zumindest für die verfassungsrechtlichen Fragen Erst- und Letztentscheider. Einer betroffenen Partei bliebe nur die Möglichkeit , gegen eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Rechtsschutz beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu suchen.19 Anders gestaltet sich der Rechtsweg bei einer Zuständigkeitszuweisung an eine der oben aufgezeigten Institutionen. Gegen deren Entscheidung wäre der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Einer 19 Zur Vereinbarkeit eines Parteiverbotes mit der EMRK: Ipsen, in: Sachs, 7. Aufl. 2014, Art. 21 GG Rn. 210. Wissenschaftliche Dienste WD 3 - 3000 - 029/17 Seite 9 Partei würde dann der vollständige Instanzenzug der Verwaltungsgerichtsbarkeit offenstehen. Der Gesetzgeber könnte diesen jedoch verkürzen, indem er entsprechende Regelungen zum Instanzenzug trifft. Aus verfassungsrechtlicher Sicht bestehen an dieser Zuständigkeitszuweisung und Verkürzung des Instanzenzuges keine Bedenken.20 Beim vorliegenden Gesetzentwurf des Landes Niedersachsen wurde dieser Weg gewählt. Nach Artikel 3 soll die Zuständigkeit für Klagen gegen einen Ausschluss einer Partei von der Teilfinanzierung erstinstanzlich beim Bundesverwaltungsgericht liegen. Gegen eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts bliebe einer Partei noch die Möglichkeit einer Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht. 5. Voraussetzungen für den Entzug von Leistungen für Wählervereinigungen Unter die Oberbegriffe Wählervereinigung oder Wählergemeinschaften fallen politische Zusammenschlüsse , die die Parteieigenschaft i.S.d. § 2 PartG nicht erfüllen. Ihr Betätigungsbereich erstreckt sich zumeist auf die kommunale Ebene. In mehreren Bundesländern sind sie darüber hinaus auch zu den Landtagswahlen zugelassen. Über § 8 Abs. 1 Europawahlgesetz ist es ihnen zudem möglich, als sonstige politische Vereinigung eigene Wahlvorschläge für die Wahlen zum Europäischen Parlament zu machen. Bei Bundestagwahlen spielen die Wählervereinigungen hingegen keine Rolle, da das Listenvorschlagsrecht nach § 27 Abs. 1 BWG allein den Parteien zusteht. Aus diesem Grund bestehen für die Bundesebene auch keine Regelungen zur Finanzierung solcher Zusammenschlüsse. Mangels Parteieigenschaft nehmen sie auch nicht an der staatlichen Parteifinanzierung nach §§ 18 ff. PartG teil. Staatliche Mittel erhalten Wählervereinigungen bisher überwiegend auf landesgesetzlicher Grundlage. Die Finanzierungspraxis in den jeweiligen Bundesländern weicht erheblich voneinander ab.21 Zusätzlich zu diesen landesrechtlichen Finanzierungszuwendungen erhalten Wählervereinigungen unter Umständen auch Mittel für ihre Teilnahme an den Wahlen zum Europäischen Parlament. Grundlage hierfür bildet § 28 EuWG, der auch die näheren Voraussetzungen der Finanzierung regelt. Verfassungsrechtlich genießen Wählervereinigungen und damit auch ihre jeweiligen Finanzierungsmodelle nicht denselben Schutz wie politische Parteien. Dies zeigt sich bereits darin, dass über ein Verbot einer solchen Vereinigung im Wege des Vereinsverbotes durch den jeweiligen Innenminister entschieden wird.22 Auch ein Entzug der staatlichen Finanzierungsquellen würde daher geringeren verfassungsrechtlichen Anforderungen unterliegen, als dies bei Parteien der Fall ist. Sollte eine Wählervereinigung daher Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung unternehmen, so könnten ihr bei entsprechender Ausgestaltung der jeweiligen landesgesetzlichen Vorgaben die staatlichen Finanzmittel entzogen werden, wenn sie aufgrund ihrer Verfassungswidrigkeit nicht ohnehin ein Verbotsverfahren durchlaufen würde. Verfassungsrechtlich wären bei einer solchen Entscheidung vor allem die Verhältnismäßigkeit sowie die Grundsätze der poli- 20 Vgl. zur Zulässigkeit eines verkürzten Instanzenzuges: Bier, in: Schoch/Schneider/Bier, 31. EL 2016, § 50 VwGO Rn. 4. 21 Vgl. hierzu die umfassende Darstellung bei: Morlok/Merten, DÖV 2011, 125 [131]. 22 BVerfG, Beschluss vom 17. November 1994 – 2 BvB 2/93 –, juris, Rn. 26. Wissenschaftliche Dienste WD 3 - 3000 - 029/17 Seite 10 tischen Freiheit und Gleichheit zu berücksichtigen. Letztere stellen eine Ausprägung des Demokratieprinzips dar.23 Ob einer solchen Entscheidung darüber hinaus im Einzelfall gegebenenfalls auch landesverfassungsrechtliche Hürden entgegenstehen, kann hier nicht abschließend beurteilt werden. Dies obliegt der verfassungsrechtlichen Prüfung in den jeweiligen Bundesländern. Für eine Streichung der staatlichen Mittel für verfassungsfeindliche Wählervereinigungen, die an den Wahlen zum Europäischen Parlament teilnehmen, bedürfte es einer entsprechenden Änderung des § 28 EuWG. Materiell bestehen hinsichtlich einer solchen Neuregelung keine grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken. Auch hier müsste ein Entzug der Finanzmittel jedoch mit den oben genannten Grundsätzen in Einklang gebracht werden. *** 23 Vgl. zur politischen Freiheit und Gleichheit die Darstellung bei: Pieroth in Jarass/Pieroth, 14. Aufl., Art. 20 GG Rn. 8.