© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 029/15 Zulässigkeit einer zwingenden Anpassung der Gehälter von Abgeordnetenmitarbeitern bei einer Anpassung des Höchstsatzes der Mitarbeiterpauschale an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 029/15 Seite 2 Zulässigkeit einer zwingenden Anpassung der Gehälter von Abgeordnetenmitarbeitern bei einer Anpassung des Höchstsatzes der Mitarbeiterpauschale an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 029/15 Abschluss der Arbeit: 11.02.2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 029/15 Seite 3 1. Fragestellung Die Mitglieder des Deutschen Bundestages erhalten die Aufwendungen für die Beschäftigung von Mitarbeitern zur Unterstützung ihrer parlamentarischen Arbeit ersetzt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 AbgG). Die Mitarbeiter werden nicht von der Bundestagsverwaltung im öffentlichen Dienst beschäftigt (§ 12 Abs. 3 Satz 8 und 9 AbgG), sondern es entsteht ein privatrechtlicher Arbeitsvertrag zwischen den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern. Für die Erstattung der Gehälter sehen die Ausführungsbestimmungen des Ältestenrates des Deutschen Bundestages1 u.a. zwei wichtige Grundsätze vor. Zum einen darf die Höhe der Gehälter den vereinbarten, allerdings weit gefassten Gehaltsrahmen, der sich an der jeweiligen Aufgabe des Mitarbeiters (z.B. Bürokraft oder Wissenschaftlicher Mitarbeiter ) in vier Stufen orientiert,2 weder unter- noch überschreiten (Nr. 3 Abs. 1 Satz 2 bis 4 der Ausführungsbestimmungen). Zum anderen können die Gehälter aller Mitarbeiter eines Abgeordneten nur bis zu einem Höchstbetrag erstattet werden (Nr. 2 Satz 1 der Ausführungsbestimmungen). Dieser Höchstbetrag wird jedes Jahr im Haushaltsgesetz3 festgelegt und im Laufe des Haushaltsjahres der Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst angepasst. Hat eine solche Anpassung stattgefunden , ergibt sich aus Nr. 2 Satz 3 der Ausführungsbestimmungen, dass die „Gehälter der Mitarbeiter […] durch die Verwaltung des Bundestages (Referat PM 2) entsprechend dieser Anpassung neu berechnet [werden], sofern das Mitglied des Bundestages keine entgegenstehende Verfügung trifft.“ Treffen die Mitglieder des Bundestages eine solche Verfügung (so genannte Widerspruchslösung), werden die Gehälter ihrer Mitarbeiter nicht von der Bundestagsverwaltung angepasst. Der Mehrbetrag, der nach der Anpassung des Höchstbetrages zur Verfügung steht, verfällt in diesem Fall jedoch nicht, sondern er kann von den Abgeordneten für sonstige Personalausgaben verwendet werden. In solchen Fällen nehmen somit die Mitarbeiter der Abgeordneten nicht an der Erhöhung der Gehälter teil, obwohl den Abgeordneten wegen der Tariferhöhung im öffentlichen Dienst ein entsprechender Mehrbetrag gerade für ihre Mitarbeiter zur Verfügung gestellt wird. In diesem Zusammenhang ist die Frage gestellt worden, ob dem Wegfall dieser Widerspruchslösung rechtliche, insbesondere verfassungsrechtliche Bedenken entgegenstehen würden. Im Folgenden werden zunächst die verfassungsrechtlichen (unten Ziff. 2.) und im Anschluss die einfachgesetzlichen Erwägungen (unten Ziff. 3.) dargestellt. 1 Die Ausführungsbestimmungen sind auf der Intranetseite des Bundestages veröffentlicht: http://www.bundestag .btg/ButagVerw/P/M/2/Ausfuehrungsbestimmungen.pdf. 2 Der aktuelle Gehaltsrahmen ist ebenfalls auf der Intranetseite des Bundestags veröffentlicht: http://www.bundestag .btg/ButagVerw/P/M/2/Gehaltsrahmen.pdf. 3 Vgl. die jährlichen Haushaltsgesetze des Bundes, Einzelplan 02 (Bundestag), Kapitel 02 01, Titel 411 03 – 011. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 029/15 Seite 4 Schließlich wird kurz betrachtet, ob der Ältestenrat diese Streichung vornehmen kann oder ob dazu nur der Gesetzgeber berufen wäre (unten Ziff. 4). 2. Verfassungsrechtliche Erwägungen Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Streichung der Widerspruchslösung können nur bestehen, wenn die Entscheidung der Abgeordneten, ob sich die Gehälter ihrer Mitarbeiter aufgrund dieser Anpassung des Höchstbetrages erhöhen oder nicht, verfassungsrechtlich geschützt ist. Dafür kommen drei Verfassungsvorgaben in Betracht. Zunächst könnte das Recht auf Entschädigung der Abgeordneten (Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG) durch die beschriebene Streichung berührt sein (dazu unten Ziff. 2.1.). Daneben könnte auch das verfassungsrechtlich garantierte „freie Mandat“ der Abgeordneten (Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG) gegen den Wegfall der Widerspruchslösung sprechen (dazu unten Ziff. 2.2.). Schließlich könnte auch die aus Art. 2 Abs. 1 GG folgende Vertragsfreiheit der Abgeordneten dieser Streichung entgegenstehen (dazu unten Ziff. 2.3.). 2.1. Die Entschädigung von Abgeordneten Das Grundgesetz gewährt den Mitgliedern des Deutschen Bundestages das Recht auf eine angemessene , ihre Unabhängigkeit sichernde „Entschädigung“, deren nähere Einzelheiten in einem Bundesgesetz zu regeln sind (Art. 48 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 GG). Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG spricht somit nur von „Entschädigung“, die Kostenerstattung für die Beschäftigung von Mitarbeitern ist nicht ausdrücklich erwähnt. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Kostenerstattung von dem Begriff der „Entschädigung“ umfasst ist und diese daher auch zu den verfassungsrechtlich gesicherten Rechten der Abgeordneten gehört. Das Bundesverfassungsgericht hat sich dazu bisher nicht eindeutig geäußert, auch nicht in seinem grundlegenden Diätenurteil aus dem Jahr 1975.4 Soweit sich die verfassungsrechtliche Literatur dieser Frage annimmt, wird allerdings auch die Kostenerstattung für die Beschäftigung von Mitarbeitern als zweiter Bestandteil der „Entschädigung“ im Sinne des Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG angesehen. Sie trete neben den ersten Bestandteil, d.h. der Entschädigung mit Alimentationscharakter zur Versorgung des Abgeordneten und seiner Familie.5 Im Ergebnis kann diese Frage jedoch offen bleiben. Denn auch wenn die Kostenerstattung für die Mitarbeiter als verfassungsmäßiges Recht der Abgeordneten im Sinne von Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG 4 In seinem Diäten-Urteil hält das Bundesverfassungsgericht die einfachgesetzlich vorgesehene (teilweise pauschalierte ) Entschädigung der Abgeordneten in Bezug auf ihre Amtsausstattung (Aufwandsentschädigung) für vereinbar mit dem Grundgesetz. Es führt jedoch nicht aus, dass die Aufwandsentschädigung ein durch Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG geschütztes Recht der Abgeordneten ist, verneint dies jedoch auch nicht: BVerfGE 40, 296, 328 – Diätenurteil. Dagegen sieht Waldhoff in dem Diätenurteil des Bundesverfassungsgerichts bestätigt, dass auch die Aufwandsentschädigung von der Entschädigung im Sinne des Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG erfasst wird, bezieht dies aber im Kontext auf die Kostenpauschale für Abgeordnete wie sie einfachgesetzlich in § 12 Abs. 2 AbgG vorgesehen ist: Waldhoff, Die steuerfreie Kostenpauschale der Bundestagsabgeordneten, FR 2007, 225, 232. 5 So ausdrücklich Trute, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 6. Auflage 2012, Art. 48 Rdnr. 34; von Arnim/Drysch, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, 149. Aktualisierung (Stand: Dezember 2010), Art. 48 Rdnr. 252. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 029/15 Seite 5 angesehen wird, führt dies aus Sicht der Abgeordneten lediglich zu einem so genannten Untermaßverbot .6 Die Aufwandsentschädigung für Mitarbeiter dürfte danach weder gänzlich wegfallen noch einen Betrag unterschreiten, der eine angemessene Entschädigung für die Mitarbeiter bzw. die Beschäftigung einer angemessenen Anzahl von Mitarbeitern unmöglich macht. Die Regelung in Art. 48 Abs. 3 GG reicht jedoch in keinem Falle soweit, dass sie dem einzelnen Abgeordneten das Recht gewährt, darüber zu entscheiden, ob die Erhöhung des Höchstbetrags für die Mitarbeiterentschädigung an seine Mitarbeiter weitergegeben wird oder nicht. Dafür spricht auch, dass Art. 48 Abs. 3 Satz 3 GG die Regelung der „näheren Einzelheiten“ der Abgeordnetenentschädigung ausdrücklich einem Bundesgesetz und damit der Entscheidung des Bundestages auf einfachgesetzlicher Ebene überlässt und den Einzelheiten damit gerade keinen Verfassungsrang einräumt. Die Entschädigungsregel in Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG würde daher einer Streichung der Widerspruchslösung nicht entgegenstehen. 2.2. Das freie Mandat Mit der Vorgabe in Art. 48 Abs. 3 GG, dass die Entschädigung der Abgeordneten ihre Unabhängigkeit sichern soll, wird ein direkter Bezug zu dem Recht der freien Mandatsausübung nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG geschaffen.7 Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG sichert den Abgeordneten die Möglichkeit, ihr Mandat frei, d.h. auch frei von finanziellen Abhängigkeiten gegenüber Dritten, wahrnehmen zu können.8 Aus dem freien Mandat folgt jedoch nicht das uneingeschränkte Recht der Abgeordneten, frei darüber entscheiden zu können, wie sie das ihnen nach Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG und einfachgesetzlich nach Art. 12 AbgG zugewiesene Budget nutzen. Aufgrund der freien Mandatsausübung kann der Abgeordnete allerdings frei entscheiden, ob und wenn ja, wie viele Mitarbeiter er einstellt .9 Entscheidet sich der Abgeordnete aber dafür, Mitarbeiter einzustellen, wird weder in der verfassungsrechtlichen Literatur noch in der Rechtsprechung vertreten, dass die Freiheit des Mandates soweit reicht, dass er über die genauen Umstände der Entschädigung für die Mitarbeiter individuell entscheiden kann. Die Einzelheiten der Erstattung könnten allenfalls dann das freie Mandat unzulässig einschränken, wenn sie faktisch die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten der Abgeordneten erheblich erschweren. Die Zweckbindung eines zusätzlich gewährten, geringen 6 Daneben gilt selbstverständlich das für die gesamte Aufwandsentschädigung von Abgeordneten geltende Übermaßverbot . Danach darf die Aufwandsentschädigung einen sachlich angemessenen Betrag nicht übersteigen (grundlegend : BVerfGE 40, 296, 328 – Diätenurteil). 7 Trute, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz Kommentar, Band 1, 6. Auflage 2012, Art. 48 Rdnr. 21; von Arnim, in: Scheider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, § 16 Entschädigung und Amtsausstattung, Rdnr. 9 f.; Waldhoff, Die steuerfreie Kostenpauschale der Bundestagsabgeordneten, FR 2007, 225, 232. 8 Grundlegend: BVerfGE 40, 296, 319 – Diätenurteil. 9 Allerdings muss sich diese Entscheidung auch an der Erfüllung der parlamentarischen Pflichten der Abgeordneten, insbesondere ihrer Mitwirkungspflichten, orientieren. Vgl. zu den Mitwirkungspflichten: Magiera, in: Sachs, Grundgesetz Kommentar, 7. Auflage 2014, Art. 38 Rdnr. 70 f.; Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung , 60. Ergänzungslieferung (Stand: Oktober 2010), Art. 38 Rdnr. 222. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 029/15 Seite 6 Bruchteils des Höchstsatzes – in der Regel geht die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst nicht über 5 Prozentpunkte hinaus – führt jedoch nicht zu einer solchen Erschwernis. Somit würde auch das freie Mandat der Abgeordneten nach Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG der Streichung der Widerspruchslösung nicht entgegenstehen. 2.3. Vertragsfreiheit der Abgeordneten Die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG umfasst grundsätzlich auch das Recht, über den Inhalt und damit auch die Vergütung eigener Verträge frei entscheiden zu können (auch Privatautonomie genannt).10 Allerdings wird dieses Grundrecht schon allgemein durch diverse Vorgaben zulässigerweise eingeschränkt (z.B. durch das Wucherverbot, § 138 Abs. 2 BGB). Soweit die Gehälter der Abgeordnetenmitarbeiter durch öffentliche Mittel ersetzt werden, wird die Vertragsfreiheit der Abgeordneten durch die verfassungsrechtliche Pflicht des wirtschaftlichen und ordnungsgemäßen Umgangs mit Haushaltsmitteln11 auf ein Mindestmaß eingeschränkt. Daher ist auch nur der „sachlich angemessene, mit dem Mandat verbundene besondere Aufwand“ erstattungsfähig und der Gesetzgeber ist verpflichtet, den Erstattungsumfang dementsprechend zu begrenzen.12 Der Gesetzgeber hat folglich vorgesehen, dass die Gehaltskosten für die Mitarbeiter nur bis zu einem Höchstbetrag gezahlt werden. Auf diesen Grundsätzen beruhen auch die Anforderungen , die § 12 Abs. 3 AbgG und die entsprechenden Ausführungsbestimmungen an die Arbeitsverträge zwischen den Abgeordneten und ihren Mitarbeitern und die Erstattung der Gehaltskosten stellen. Die Vertragsfreiheit der Abgeordneten ist daher in diesem Rahmen durch die verfassungsmäßigen Grundsätze der sparsamen Haushaltsführung und der mandatsbezogenen Aufwandserstattung zulässig eingeschränkt. Den starren Höchstbetrag kann der Gesetzgeber allerdings wiederum mit dem Ziel lockern, auch während des Haushaltsjahres eine stets angemessene Bezahlung der Abgeordnetenmitarbeiter sicherzustellen. Vor diesem Hintergrund sieht das Haushaltsgesetz die Anpassung des Höchstbetrages an die Tarifentwicklung vor. Damit lebt jedoch die Vertragsfreiheit der Abgeordneten in Bezug auf den entstehenden Mehrbetrag nicht wieder auf. Soweit sie durch die Widerspruchslösung derzeit faktisch über die Verwendung der Mittel bestimmen können, ist dies nur ein Rechtsreflex, kein verfassungsmäßig gebotenes Recht. 10 Vgl. beispielsweise aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG, VersR 2006, 961 sowie Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 39. Ergänzungslieferung (Stand: Juli 2001), Art. 2 Rdnr. 101 ff. 11 Art. 114 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 110 Abs. 1 GG (einfachgesetzlich abgesichert durch § 6 Abs. 1 HGrG und § 7 Abs. 1 BHO). Vgl. dazu auch Kube, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 70. Ergänzungslieferung (Stand: Dezember 2013), Art. 110 Rdnr. 152 f. 12 BVerfGE 40, 296, 328 – Diätenurteil. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 029/15 Seite 7 Soll der Wegfall der Widerspruchlösung somit dazu dienen, dass der gesetzgeberische Wille, eine an die Tarifentwicklung des öffentlichen Dienstes angepasste Bezahlung der Abgeordnetenmitarbeiter sicherzustellen, in allen Fällen umgesetzt wird, steht die Vertragsfreiheit der Abgeordneten dem nicht entgegen. 3. Einfachgesetzliche Erwägungen Einfachgesetzlich könnte das Abgeordnetengesetz, das in § 12 Abs. 3 die Entschädigung für die Abgeordnetenmitarbeiter vorsieht, gegen die Streichung der Widerspruchslösung sprechen. Aus § 12 Abs. 3 AbgG ergibt sich jedoch nicht, dass die Widerspruchlösung erhalten bleiben müsste. Die Vorschrift gibt dem Ältestenrat in ihrem Satz 5 vielmehr ein weit gefasstes Recht, die Fragen zur Erstattung der Aufwendungen für Abgeordnetenmitarbeiter zu regeln. Daneben sieht auch der jeweilige Einzelplan 02 in seinem Titel 411 03 – 011 nur die Anpassung der Höchstsätze für die Erstattung der Mitarbeitergehälter vor und verlangt nicht auch, dass die Abgeordneten der Weitergabe des Anpassungsbetrages an ihre Mitarbeiter widersprechen können. Somit würden auch die einfachgesetzlichen Regeln dem Wegfall der Widerspruchslösung in den Ausführungsbestimmungen des Ältestenrates nicht entgegenstehen. 4. Streichung durch den Ältestenrat Der Ältestenrat des Bundestages ist durch § 12 Abs. 3 Satz 5 AbgG – neben dem Haushaltsgesetzgeber – ausdrücklich ermächtigt, die “Einzelheiten über den Umfang und die Voraussetzungen für den Ersatz von Aufwendungen, über nicht abdingbare Mindestvorschriften für den Arbeitsvertrag und sonstige Fragen“ zu regeln. Allerdings muss der Gesetzgeber nach der so genannten Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts wesentliche Fragen selbst regeln.13 Dieser Parlamentsvorbehalt gilt insbesondere dann, wenn durch die Regelung in verfassungsmäßige Rechte der Betroffenen eingegriffen wird.14 Bei der Frage der Anpassung der Mitarbeitergehälter an die Tarifentwicklung wird der Wesentlichkeitstheorie jedoch Rechnung getragen. Der Gesetzgeber legt als Haushaltsgesetzgeber in den Jahreshaushaltsgesetzen15 jeweils den Höchstbetrag für die Mitarbeiterpauschale fest und bestimmt, dass dieser an die Tarifentwicklung im öffentlichen Dienst angepasst wird. Damit hat der Gesetzgeber die wesentlichen Fragen in diesem Bereich selbst geregelt. Die Frage, ob die Abgeordneten dieser Anpassung widersprechen können, ist demgegenüber nicht „wesentlich“, da – wie vorstehend erläutert – die freie Verfügung über den jeweils entstehenden Mehrbetrag kein verfassungsmäßiges Recht der Abgeordneten darstellt. Aufgrund der Ermächtigung in § 12 Abs. 3 Satz 5 13 Grundlegend zur so genannten Wesentlichkeitsrechtsprechung: BVerfGE 58, 257, 268 – Schulentlassung; weiterführend : BVerfGE 101, 1, 34 m.w.N. aus der umfangreichen späteren Rechtsprechung – Hennenhaltungsverordnung. 14 BVerfGE 101, 1, 34 – Hennenhaltungsverordnung. 15 Der Einzelplan 02 des Bundeshaushaltsplans ist Anlage zum jeweiligen Haushaltsgesetz, mit dem der Gesetzgeber den Bundehauhalt jährlich feststellt. Den Einzelplänen kommt damit auch Gesetzeskraft zu. Siehe dazu BVerfGE 20, 56, 91 – Parteienfinanzierung I. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 029/15 Seite 8 AbgG wäre der Ältestenrat des Bundestages somit befugt, die Widerspruchslösung in den Ausführungsbestimmungen zu streichen. 5. Fazit Weder die Verfassungsrechte der Abgeordneten, d.h. der Erstattungsanspruch aus Art. 48 Abs. 3 Satz 1 GG, das freie Mandat aus Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG und der Grundsatz der Vertragsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, noch die einfachgesetzlichen Vorgaben würden einer Streichung der Widerspruchlösung im Wege stehen. Diese Streichung könnte durch den Ältestenrat des Bundestages vorgenommen werden.