© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 028/16 Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis zur Teilnahme an Sprachkursen und zum Schulbesuch nach § 16 Aufenthaltsgesetz Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 028/16 Seite 2 Voraussetzungen für die Aufenthaltserlaubnis zur Teilnahme an Sprachkursen und zum Schulbesuch nach § 16 Aufenthaltsgesetz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 028/16 Abschluss der Arbeit: 2. Februar 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 028/16 Seite 3 1. Einleitung Es wird gefragt, ob es den Bestimmungen des § 16 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) entspricht, dass ausländische Schüler, die in Deutschland einen für den Schulbesuch erforderlichen Sprachkurs absolvieren und hierzu eine Aufenthaltserlaubnis erhalten, anschließend wieder ausreisen müssen, um dann eine neue Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs zu beantragen oder ob es nach den Bestimmungen des § 16 AufenthG möglich ist, dass für einen solchen Fall nur eine Aufenthaltserlaubnis beantragt werden muss. Die Frage lässt sich nicht mit einem klaren Ja oder Nein beantworten. Nach der Systematik des § 16 AufenthG könnte die angesprochene Konstellation der Erforderlichkeit einer erneuten Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis nach Ausreise zwar zutreffen (hierzu 2.). Die Entscheidung, ob und unter welchen Voraussetzungen im Einzelnen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird, ist jedoch keine gebundene Entscheidung. Sie ist vielmehr in das Ermessen der Ausländerbehörde gestellt, die auf Grundlage der gesetzlichen Wertungen eine Abwägung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls vornimmt und jeweils eine individuelle Entscheidung trifft (hierzu 3.). 2. Systematik des § 16 Aufenthaltsgesetz Nach § 16 Abs. 5 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zur Teilnahme an Sprachkursen, die nicht der Studienvorbereitung dienen, zur Teilnahme an einem Schüleraustausch und in Ausnahmefällen für den Schulbesuch erteilt werden. Der Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse ist nach dem Gesetzwortlaut keine Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs.1 Zum Zweck des Studiums kann einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis nach § 16 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erteilt werden, wobei der Aufenthaltszweck des Studiums nach § 16 Abs. 1 Satz 2 AufenthG auch studienvorbereitende Sprachkurse umfasst. Ein Nachweis von Kenntnissen der Ausbildungssprache wird nach § 16 Abs. 1 Satz 4 AufenthG dann nicht verlangt, wenn die Sprachkenntnisse bei der Zulassungsentscheidung der Hochschule bereits berücksichtigt worden sind oder durch einen studienvorbereitenden Sprachkurs erworben werden sollen. Weiterhin regelt § 16 Abs. 2 AufenthG, dass während des Aufenthalts zum Zweck des Studiums in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt oder verlängert werden soll, sofern nicht ein gesetzlicher Anspruch besteht. Diese Bestimmung gilt entsprechend für die nach § 16 Abs. 5 Satz 1 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnisse (vgl. § 16 Abs. 5 Satz 2 AufenthG). Während also studienvorbereitende Sprachkurse vom Aufenthaltszweck des Studiums umfasst sind und insoweit keine gesonderte Aufenthaltserlaubnis erforderlich ist, sind (sonstige) Sprachkurse und der Schulbesuch unterschiedliche, voneinander unabhängige Aufenthaltszwecke, für die grundsätzlich jeweils eine eigene Aufenthaltserlaubnis benötigt wird. Diese durch den Wortlaut des Gesetzes im Grundsatz angelegte unterschiedliche Handhabung der Aufenthalte zum Zweck des Studiums und zum Zweck des Schulbesuchs ist vor dem Hintergrund einer durch den Gesetzgeber gewollten Privilegierung des Aufenthalts zum Zweck des Studiums zu 1 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestags, Spracherfordernisse bei Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland, Ausarbeitung vom 10. Dezember 2015, WD 3 - 3000 - 288/15, S. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 028/16 Seite 4 verstehen. Diese Privilegierung wurde mit dem am 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz 2 eingeführt. Während das zuvor geltende Ausländergesetz von 1990 für keinen der beiden Aufenthaltszwecke eine gesonderte Regelung traf,3 sollten mit dem AufenthG die Bedingungen für innovative Fachkräfte und Studenten aus dem Ausland attraktiver gestaltet werden.4 Der neu zu fassende § 16 sollte hierzu „der Bedeutung des Studienstandortes Deutschland im internationalen Vergleich Rechnung tragen und es im Gegensatz zur geltenden Rechtslage ermöglichen, ausländische Studenten und Studienbewerber unter erleichterten Bedingungen und besseren Perspektiven für einen Aufenthalt im Bundesgebiet zu gewinnen.“5 Für den Aufenthalt zum Zweck des Schulbesuchs wurde die geltende Rechtslage demgegenüber nicht verändert: Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs werde „angesichts des allgemeinen und kostenlosen Zugangs zu öffentlichen Schulen – wie bisher – auf Ausnahmefälle beschränkt.“6 3. Atypik des Aufenthaltszwecks Schulbesuch und Ermessen der Ausländerbehörde Vor dem Hintergrund des Gesetzwortlauts ist denkbar, dass ausländische Schüler, die über eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck eines nicht studienvorbereitenden Sprachkurses verfügen, gesondert eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs beantragen und hierzu möglicherweise auch wieder ausreisen müssen. Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass dies der regulären Handhabung durch die Ausländerbehörde entspricht. Wie aufgezeigt, räumen alle für die Entscheidung relevanten gesetzlichen Grundlagen der Ausländerbehörde einen Ermessensspielraum ein. Zunächst ist bereits das grundsätzliche Ermessen der Ausländerbehörde bei der Entscheidung, ob eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs erteilt wird, nach dem Gesetzwortlaut auf Ausnahmefälle beschränkt. In der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Ausländergesetz (AVV) wird hierzu ausgeführt, dass Aufenthaltserlaubnisse zum Schulbesuch im Allgemeinen nicht erteilt werden können (Nr. 16.5.2.1 AVV). Selbst wenn der Lebensunterhalt und die entstehenden Ausbildungskosten des ausländischen Schülers gesichert und die Rückkehrbereitschaft im Anschluss an die Schulausbildung sichergestellt ist, können Ausnahmen nach Nr. 16.5.2.2 AVV nur in Betracht kommen, wenn – die Schüler Angehörige von Staaten sind, deren Staatsangehörigen nach § 41 Aufenthaltsverordnung (AufenthV) Vergünstigungen zustehen (Nr. 16.5.2.2.1 AVV) oder 2 Insgesamt durch Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BGBl. I S. 1950. 3 Lediglich mit dem Instrument der Aufenthaltsbewilligung für einen bestimmten vorübergehenden Aufenthaltszweck war der Aufenthalt für entsprechende Zwecke möglich, wobei insbesondere eine Verfestigung des Aufenthaltsrechts durch Aufnahme einer sich an das Studium anschließenden Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Erwerbstätigkeit ausgeschlossen werden sollte, vgl. zur Altregelung Hailbronner, Ausländerrecht, Band 1, 80. Aktualisierung Februar 2013, § 16 AufenthG Rn. 1. 4 Vgl. für alles BT-Drucks 15/420, S. 63. 5 BT-Drucks 15/420, S. 74. 6 BT-Drucks 15/420, S. 74. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 028/16 Seite 5 – der Schulbesuch an einer öffentlich oder staatlich anerkannten Schule mit internationaler Ausrichtung stattfinden soll (Nr. 16.5.2.2.3 AVV) oder – der Schulbesuch an einer Privatschule stattfinden soll, die Schüler auf internationale Abschlüsse vorbereitet (Nr. 16.5.2.2.4 AVV). Darüber hinaus bestimmt die AVV, dass die Erteilung einer entsprechenden Aufenthaltserlaubnis in der Regel nur ab der 9. Klassenstufe in Betracht kommt (Nr. 16.5.2.3 AVV). Für Staatsangehörige von Staaten, bei denen „die Rückführung eigener Staatsangehöriger auf Schwierigkeiten stößt“, formuliert die AVV weitere Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, damit eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs überhaupt erteilt werden kann (Nr. 16.5.2.3.1 bis 16.5.2.3.4 AVV). Soweit die Ausländerbehörde unter Beachtung dieser strengen Voraussetzung in Ausübung ihres Ermessens in atypischen Fällen eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs erteilt, ist es dem betreffenden ausländischen Schüler unbenommen, gleichzeitig auch an einem Sprachkurs teilzunehmen. Für Staatsangehörige der in § 41 AufenthV genannten Staaten, die visumsfrei in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich darin aufhalten können, wäre es auch unproblematisch möglich, diese Sprachkurse in Vorbereitung des Schulbesuchs zu absolvieren. Soweit (noch) keine Aufenthaltserlaubnis für einen Schulbesuch erteilt wurde, der ausländische Schüler aber bereits über eine Aufenthaltserlaubnis zur Teilnahme an einem Sprachkurs nach § 16 Abs. 5 Satz 1 1ste Alt. AufenthG verfügt, regelt § 16 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 16 Abs. 2 AufenthG zwar, dass während des Aufenthalts zum Zweck des Sprachkurses in der Regel keine Aufenthaltserlaubnis für einen anderen Aufenthaltszweck erteilt werden soll. Die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz bestimmt jedoch, dass bei einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck eines Sprachkurses, der nicht der Studienvorbereitung dient, § 16 Abs. 2 AufenthG mit der Wirkung entsprechend gilt, dass nach Beendigung von Sprachkursen, die für die Aufnahme einer weiteren Aus- und Weiterbildung erforderlich sind, die zweckentsprechende Aufenthaltserlaubnis auch ohne vorherige Ausreise erteilt werden kann (Nr. 16.5.1.6 AVV).7 Soweit also der Sprachkurs für den weiteren Schulbesuch in Deutschland erforderlich ist und eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Schulbesuchs ausnahmsweise in Betracht kommt, liegt es nahe, dass dem Betroffenen nach Abschluss des Sprachkurses die entsprechende Aufenthaltserlaubnis zum Schulbesuch erteilt wird, ohne dass dieser vorher ausreisen muss. Ende der Bearbeitung 7 So auch Hailbronner, Ausländerrecht, Band 1, 84. Aktualisierung, Februar 2014, § 16 AufenthG Rn. 27a.