Deutscher Bundestag Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ Gründe für die Ablehnung einer benannten Person Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 3 – 028/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 2 Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ Gründe für die Ablehnung einer benannten Person Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 028/10 Abschluss der Arbeit: 1. Februar 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung .............................................................................. 4 2. Auftrag ................................................................................................. 4 3. Die Errichtung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung ......................................................................................... 4 4. Stand der Diskussion.......................................................................... 6 4.1. Personalie der Vertriebenenpräsidentin ........................................... 6 4.2. Streit um das Benennungsrecht und die Bestellung ........................ 7 5. Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung bei der Bestellung der Stiftungsratsmitglieder ............................................. 8 5.1. Wortlaut der Bestimmungen ............................................................. 9 5.2. Entstehungsgeschichte ...................................................................... 9 5.3. Systematik und Sinn und Zweck ................................................... 11 5.3.1. Zweistufigkeit der Besetzung .......................................................... 11 5.3.2. Kontrollüberlegung ......................................................................... 12 5.4. Zwischenergebnis ........................................................................... 12 6. Kriterien für die Bestellung und Ablehnungsgründe .................... 13 6.1. Ablehnungsgründe .......................................................................... 13 6.1.1. Erfüllung des Stiftungszwecks ........................................................ 13 6.1.2. Außenpolitische Gründe ................................................................. 13 6.1.3. Ablehnung wegen der politischen Ausrichtung der benennenden Gruppe ..................................................................... 14 6.1.4. Politische Opportunität .................................................................. 14 6.1.5. Sonstige, in der Person des Benannten liegende Gründe ............... 14 6.2. Beurteilungsspielraum der Bundesregierung ................................. 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 4 1. Zusammenfassung Das Gesetz zur Errichtung der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ gewährt unter anderen dem Bund der Vertriebenen ein Benennungsrecht für die Besetzung des Stiftungsrates. Hierdurch soll die Einbindung und Vertretung dieser gesellschaftlichen Gruppe gewährleistet werden. Die Begründung der Mitgliedschaft im Stiftungsrat erfolgt durch einen zweiten Akt, die Bestellung. Hierfür ist die Bundesregierung zuständig. Bei der Bestellung der Stiftungsratsmitglieder hat die Bundesregierung nach Sinn und Zweck des Gesetzes das Recht und die Pflicht, die Eignung der Benannten im Hinblick auf den Stiftungszweck zu prüfen. Zu prüfen hat sie auch, ob die Bestellung eines Benannten den Interessen oder dem Ansehen der Bundesrepublik Deutschland abträglich wäre. Steht die Bestellung einer Person der Erfüllung des Stiftungszwecks entgegen oder drohen im Falle der Bestellung Nachteile für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland, kann die Bestellung von der zur Benennung berechtigten Stelle nicht verlangt werden. Bei der Beantwortung der Frage, ob die Mitgliedschaft einer Person der Erfüllung des Stiftungszwecks entgegen steht oder außenpolitischer Schaden für die Bundesrepublik Deutschland zu besorgen ist, steht der Bundesregierung ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zu. 2. Auftrag Aus welchen Gründen darf die Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland die Bestellung von Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen, in den Stiftungsrat der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ablehnen? 3. Die Errichtung der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung Die „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ wurde durch das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ (DHMG) vom 21. Dezember 20081 als eine unselbständige Stiftung des öffentlichen Rechts in der Trägerschaft der Stiftung „Deutsches Historisches Museum“ errichtet. Ihr Träger, die Stiftung „Deutsches Historisches Museum“, ist eine rechtsfähige bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts (§ 1 Abs. 1 DHMG). Zweck der Stiftung ist es nach § 16 Abs. 1 des Gesetzes, „im Geiste der Versöhnung die Erinnerung und das Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert im historischen Kontext des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen wachzuhalten.“ 1) BGBl. I S. 2891. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 5 Dazu heißt es in der Gesetzesbegründung unter anderem, die Stiftung solle zugleich „zur gemeinsamen Aufarbeitung der Geschichte und zur Versöhnung beitragen“2 bzw. „der Aufklärung und Versöhnung dienen“3. Der Stiftungszweck soll vor allem mittels einer Dauerausstellung zu Flucht und Vertreibung erfüllt werden (§ 16 Abs. 2 Nr. 1 DHMG). Dabei soll die Flucht und Vertreibung der Deutschen im historischen Kontext des zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Expansions- und Vernichtungspolitik und ihrer Folgen einen Hauptaspekt bilden und die Eingliederung der Flüchtlinge in die Gesellschaft, ihre Aufbauleistungen und ihr Beitrag zur Verständigung mit den Nachbarvölkern sowie die vielfältigen Bemühungen um Ausgleich und Versöhnung zwischen Deutschland und seinen östlichen Nachbarn dargestellt werden.4 Finanziert werden soll die Arbeit der Stiftung mit öffentlichen Mitteln aus dem Bundeshaushalt. In § 17 Abs. 2 DHMG heißt es: „Zur Erfüllung des Stiftungszwecks erhält der Träger für die unselbständige Stiftung einen jährlichen Zuschuss des Bundes“. In der Gesetzesbegründung wird dies damit gerechtfertigt, dass die Stiftung „gesamtdeutschen und außenpolitischen Aspekten Rechnung“ trage.5 Die Rechtsform einer unselbständigen Stiftung ist gewählt worden, um private Zuwendungen Dritter zu ermöglichen6 und im Hinblick auf die steuerliche Absetzbarkeit zu privilegieren.7 Bei der Stiftung wird ein Stiftungsrat gebildet, der die Grundzüge des Stiftungsprogramms bestimmt und über alle grundsätzlichen Angelegenheiten der Stiftung beschließt (§§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 7 DHMG). Eine Direktorin oder ein Direktor leitet die Stiftung und führt die Beschlüsse des Stiftungsrates aus (§§ 18 Abs. 2, 21 Abs. 2 DHMG). In fachlichen Fragen beraten wird die Stiftung von einem wissenschaftlichen Beraterkreis (§§ 18 Abs. 1, 20 Abs. 2 DHMG). Über die Zusammensetzung des Stiftungsrates sowie die Begründung der Mitgliedschaft und das Ausscheiden heißt es in § 19 DHMG: (1) Der Stiftungsrat besteht aus 13 Mitgliedern. (2) Es werden benannt: 1. zwei Mitglieder durch den Deutschen Bundestag, 2. je ein Mitglied durch das Auswärtige Amt, das Bundesministerium des Innern und die Beauftragte oder den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, 3. drei Mitglieder durch den Bund der Vertriebenen e. V., 4. je ein Mitglied durch die Evangelische Kirche in Deutschland, die Katholische Kirche in Deutschland und den Zentralrat der Juden in Deutschland. 2) Drs. 16/10571, S. 9. 3) Drs. 16/10571, S. 10. 4) Gesetzesbegründung, Drs. 16/10571, S. 10. 5) Drs. 16/10571, S. 7. 6) Gesetzesbegründung, Drs. 16/10571, S. 10; StMin Neumann, PlenProt 16/193, S. 20948. 7) Abg. Otto, PlenProt 16/193, S. 20945. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 6 Für jedes benannte Mitglied ist für den Fall der Verhinderung ein stellvertretendes Mitglied zu benennen. Die vom Deutschen Bundestag benannten Mitglieder müssen Abgeordnete des Deutschen Bundestages sein. (3) Die benannten Mitglieder und deren Stellvertreter werden durch die Bundesregierung für die Dauer von fünf Jahren bestellt. Das Mandat endet schon vor Ablauf der Bestellung, wenn ein Mitglied oder stellvertretendes Mitglied als Funktionsträger bei der benennungsberechtigten Stelle benannt ist und aus seiner dortigen Funktion ausscheidet. In diesem Fall ist für die bis zum Ablauf der fünf Jahre verbleibende Zeit ein neues Mitglied oder stellvertretendes Mitglied zu benennen und zu bestellen. Nach der Gesetzesbegründung soll die in Absatz 2 festgelegte Zusammensetzung des Stiftungsrates eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Legislative, Exekutive, Vertriebenen und anderen gesellschaftlichen Gruppen mit dem Ziel der Förderung des Stiftungszweckes gewährleisten . Die in Absatz 3 geregelte Zweistufigkeit der Benennung und Bestellung trage „der gesellschaftspolitischen Bedeutung der unselbständigen Stiftung Rechnung“.8 Im Gesetzgebungsverfahren ist von fast allen Fraktionen des Deutschen Bundestages die Bedeutung der Akzeptanz der Stiftung im Nachbarland Polen für die Erreichung des Stiftungszwecks hervorgehoben worden. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP lobten das Fingerspitzengefühl bzw. das Geschick der Bundesregierung bei den Verhandlungen mit der polnischen Seite.9 Für die SPD-Fraktion war wichtig, dass das Konzept unter Einbeziehung der östlichen Nachbarn erarbeitet worden sei; das dabei entstandene Vertrauen gelte es nun bei der Besetzung der Stiftungsgremien einzulösen.10 Aus Sicht der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen solle das Projekt auf keinen Fall im Ausland Argwohn wecken.11 4. Stand der Diskussion 4.1. Personalie der Vertriebenenpräsidentin Am 8. April 2009 bestellte das Bundeskabinett per Beschluss erstmalig die Mitglieder des Stiftungsrates der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ entsprechend den von den Berechtigten vorgenommenen Benennungen.13 Ein drittes vom Bund der Vertriebenen zu benennendes 8) Drs. 16/10571, S. 10 f. 9) Abg. Otto, PlenProt 16/193, S. 20945; Drs. 16/11117, S. 4 f. 10) Bericht, Drs. 16/11117, S. 5. 11) Abg. Göring-Eckardt, PlenProt 16/193, S. 20947. 12) Vgl. auch Antwort der Bundesregierung vom 3. November 2008 zur Rede der Präsidentin des Bundes der Vertriebenen zum Tag der Heimat 2008, Drs. 16/10752, Nr. 7 13) Für den Deutschen Bundestag: Jochen-Konrad Fromme und Dr. Angelica Schwall-Düren; für die Bundesregierung : StMin Günter Gloser, Franz-Josef Hammerl, StMin Bernd Neumann; für den Bund der Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 7 Stiftungsratsmitglied (§ 19 Abs. 2 Nr. 3 DHMG) konnte nicht bestellt werden, da der Bund der Vertriebenen nur zwei Personen benannt hatte.14 Das Präsidium des Bundes der Vertriebenen ging offenbar davon aus, dass die von ihm gewünschte Person – seine Präsidentin Erika Steinbach – im Falle ihrer Benennung von der Bundesregierung nicht bestellt würde15 und wollte diese Position „demonstrativ unbesetzt lassen, um deutlich zu machen, dass es sich sein originäres Besetzungsrecht von niemandem vorschreiben lässt“.16 Der Bund der Vertriebenen möchte weiterhin seine Präsidentin für den Stiftungsrat benennen. Die Person Steinbach erregt in Polen seit einigen Jahren heftige Emotionen.17 Sie gilt in Polen als ein Hindernis für die Versöhnung mit Deutschland.18 Laut einer Antwort der Bundesregierung gegenüber dem Abg. Meyer (Altötting) hat die polnische Regierung offenbar deutlich gemacht, dass eine Benennung von Frau Steinbach die Politik der Aussöhnung behindere.19 Der Bundesminister des Auswärtigen befürchtet im Falle einer Berufung Steinbachs in den Stiftungsrat außenpolitischen Schaden und negative Auswirkungen auf das deutsch-polnische Verhältnis .20 Laut Presseberichten sagte der Bundesminister, die Bundesregierung werde „keine Entscheidung treffen“, die dem Anliegen der Versöhnung mit Polen entgegensteht.21 4.2. Streit um das Benennungsrecht und die Bestellung Ob die Bundesregierung die nach § 19 Abs. 2 DHMG benannten Personen zu Mitgliedern des Stiftungsrates bestellen muss, ist streitig. Nach Auffassung der Bundesregierung postuliert das Gesetz lediglich ein Recht zur Benennung von Mitgliedern des Stiftungsrates, jedoch keine korrespondierende Pflicht.22 Davon ging offenbar mindestens Anfang dieses Jahres auch die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen aus. In ihrer Pressemitteilung vom 5. Januar 2010 forderte sie, der Stiftung mehr Eigenständigkeit zu Vertriebenen: Christian Knauer und Albrecht Schläger; für die Evangelische Kirche: Dr. Petra Bahr; für die katholische Kirche: Dr. Hans-Joachim Jaschke; für den Zentralrat der Juden: Dr. Salomon Korn. 14) Pressemitteilung Nr. 152 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 8. April 2009. 15) Pressemitteilung des BdV vom 14. Mai 2009, http://www.bund-der-vertriebenen.de/files/pm-10- 09.pdf. 16) Pressemitteilung des BdV vom 4. März 2009, http://www.bund-der-vertriebenen.de/files/pm-06-09.pdf 17) Vgl. Die Welt vom 16. Dezember 2009, „Historiker sieht Polen als Tätervolk verunglimpft“; Süddeutsche Zeitung vom 7. Januar 2010, „Speerspitze Steinbach“; Die Welt vom 9. Januar 2010, „Deutsche Steinbach-Debatte lässt Polen erstaunlich kalt“; Neue Züricher Zeitung vom 7. Januar 2010, „Getrieben von der Erinnerung an die Vertriebenen“. 18) Lojewski, Frankfurter Rundschau vom 9. Januar 2010, „Steinbach ist ein Störfaktor“. 19) StMin Pieper, Drs. 17/192 Nr. 7. Vgl. Frankfurter Allgemeine vom 8. Januar 2010, „Orchestriertes Schweigen“; FAZ-Sonntagszeitung vom 10. Januar 2010, „Westerwelles Welt“. 20) Frankfurter Allgemeine vom 7. Dezember 2009, „Union: Westerwelle muss jetzt in sich gehen“; Passauer Neue Presse vom 6. Januar 2010, „Steinbach und kein Ende“; Spiegel-Online vom 8. Dezember 2009, „CDU-Parlamentarier blamiert sich mit Steinbach-Brief“. 21) Frankfurter Rundschau vom 10. November 2009, „Versöhnung statt Steinbach“; Süddeutsche Zeitung vom 13. November 2009, „Steinbach spaltet Koalition“. Vgl. auch Frankfurter Allgemeine vom 20. November 2009, „Westerwelles Brustton“. 22) Pressemitteilung Nr. 152 des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 8. April 2009. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 8 verleihen durch „Streichung der Zweistufigkeit von Benennung und Bestellung der Stiftungsratsmitglieder und Einführung des Entsendeverfahrens, um zukünftige politische Bevormundung auszuschließen“.23 Das ergänzte sie in einem Interview vom gleichen Tage: „Wir wollen, dass der diskriminierende Passus, nach dem die Bundesregierung von uns benannte Stiftungsratsmitglieder bestellt, gestrichen wird. [...] Diese Änderung des Stiftungsgesetzes hätte auch noch den Vorteil , dass die Bundesregierung sich nie wieder erpresst fühlen könnte von irgendeinem der Nachbarländer , da sie ja nicht mehr zuständig für die Berufung in den Stiftungsrat ist.“24 Vereinzelt wird die Auffassung vertreten, die Bundesregierung sei an die Benennungsvorschläge gebunden und könne diese nur unter engen Voraussetzungen ablehnen. Der Staatsrechtler Murswiek ist der Auffassung, „benennen“ sei mehr als „vorschlagen“. Hätte der Gesetzgeber der Exekutive ein Ermessen einräumen wollen, hätte er dies mit Formulierungen wie „kann“ oder „soll“ zum Ausdruck bringen können. Für den gewollt starken Einfluss der benennungsberechtigten Stellen spreche auch, dass das Stiftungsmandat eines Funktionsträgers bei der benennenden Stelle mit dem Ende dieser Funktion automatisch ende. Da es sich aber um eine öffentlich-rechtliche, vom Staat finanzierte Stiftung handele, müsse es der Regierung möglich sein, eine Zusammensetzung des Stiftungsrats zu verhindern, die dazu führe, dass die Stiftung andere als ihre gesetzlichen Zwecke verfolge. Als Ablehnungsgründe kämen nur persönliche Eignungsmängel in Betracht .25 Der Staatsrechtler Klein hält die Bundesregierung nur aus zwei Gründen für berechtigt, Benannte abzulehnen. Sie dürfe prüfen, ob der oder die Benannte auch wirklich ordnungsgemäß von der jeweiligen Gruppe bestimmt worden ist und ob durch diese Person der Stiftungszweck, vor allem die Arbeit „im Geiste der Versöhnung“, gewahrt bleibt. Könne das nicht auf nachvollziehbare Gründe gestützt werden, habe z. B. der Bund der Vertriebenen gute Chancen, vor dem Verwaltungsgericht Recht zu bekommen.26 Hingegen sieht der Staatsrechtslehrer Fastenrath sogar ein politisches Kontrollrecht der Bundesregierung . Zwar dürfe diese die Benannten „nicht ohne weiteres ablehnen“. Das Gesetz habe aber nicht den Bundespräsidenten, sondern mit der Bundesregierung „ein politisches Organ par excellence“ mit der Bestellung der Stiftungsratsmitglieder betraut. Daher sei davon auszugehen, dass politische Erwägungen, insbesondere außenpolitische Gesichtspunkte eine maßgebliche Rolle spielen dürften. Auch wenn die polnischen Einwände gegenüber Erika Steinbach unbegründet seien, sei „Frau Steinbach aus außenpolitischen Gründen und im Hinblick auf den Stiftungszweck keine geeignete Kandidatin“. Bei der Bestellung des Stiftungsrates sei die Bundesregierung sogar verpflichtet, ihren Beurteilungsspielraum zu nutzen.27 5. Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung bei der Bestellung der Stiftungsratsmitglieder Das DHMG regelt ausdrücklich weder die Verbindlichkeit des Benennungsrechts nach § 19 Abs. 2 DHMG noch die Frage, ob und gegebenenfalls aus welchen Gründen die Bundesregierung eine benannten Person nicht zu bestellen hat. Damit sind die Bestimmungen in § 19 Abs. 2 und 3 23) http://www.bund-der-vertriebenen.de/files/pm-01-10.pdf. 24) FAZ.NET vom 5. Januar 2010. 25) Frankfurter Allgemeine vom 14. Januar 2010, „Die Bundesregierung darf nicht blockieren“. 26) Spiegel-Online vom 18. Januar 2010, „Gute Klagechancen für Steinbach“. 27) Frankfurter Allgemeine vom 19. Januar 2010, „Versöhnung verlangt Akzeptanz“. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 9 DHMG nach allgemeinen Regeln auszulegen. Hierfür sind der Wortlaut, die Entstehungsgeschichte , Sinn und Zweck sowie Systematik des Gesetzes heranzuziehen.28 5.1. Wortlaut der Bestimmungen In den maßgeblichen Bestimmungen ist zum einen von „Benennung“ andererseits von „Bestellung “ die Rede. Gesetzliche Definitionen der Begriffe „Benennung“ und „Bestellung“ existieren nicht. Dem strengen Wortsinne nach bedeutet „Benennung“ die namentliche Bezeichnung einer Person oder einer Sache: jemanden oder etwas namhaft machen, einer Person oder einer Sache einen Namen geben. Im weiteren Sinne bedeutet sie, jemanden auszuwählen, vorzuschlagen oder zu ernennen.29 Die Bindungswirkung einer „Bennennung“ lässt sich anhand des Wortlauts nicht klären. Nach einer Vorschrift des Bundes kommt der „Benennung“ die Bedeutung einer verbindlichen Auswahlentscheidung zu. § 1776 BGB30 gibt den Eltern eines Mündels das Recht, dessen Vormund zu benennen. Diese Benennung darf nur in den in § 1778 BGB aufgeführten Fällen übergangen werden. Allerdings ordnet hier das Gesetz die Verbindlichkeit und ihre Reichweite ausdrücklich an. Für die Benennung des Stiftungsrates nach § 19 DHMG lässt sich hieraus nichts ableiten. „Bestellung“ ist der Akt, durch den die organschaftliche Rechtsstellung des Bestellten, also die Verleihung der Befugnisse als Organ und die Begründung der damit verbundenen Pflichten, wirksam begründet wird.31 Im Falle einer Stiftung wird durch die Bestellung die Mitgliedschaft im Stiftungsrat bewirkt. Auch hieraus lässt sich noch keine Befugnis zur Auswahl der Stiftungsratsmitglieder entnehmen. Aus dem Wortlaut der Bestimmung ergibt sich weder eine Pflicht der Bundesregierung, die von den berufenen Institutionen Benannten zu Stiftungsratsmitgliedern zu bestellen, noch ein Auswahlermessen der Bundesregierung. 5.2. Entstehungsgeschichte Für die historische Auslegung sind vor allem die Gesetzesmaterialien heranzuziehen.32 28) BVerfG, NVwZ 2009, 1484 [1485]. 29) Vgl. Schröder/Freiherrn von Künßberg, Deutsches Rechtswörterbuch der Preußischen Akademie der Wissenschaften, Weimar 1914 -1932. 30) Bürgerliches Gesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 I S. 738), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 28. September 2009 (BGBl. I S. 3161). 31) Palandt/Heinrichs, BGB Kommentar, § 26 Rn. 1; vgl. für die Bestellung eines Sparkassenvorstandes: OLG Nürnberg, WM 2009, S. 68 ff.; für die Bestellung eines Pflichtverteidigers: OLG Düsseldorf, NJW- RR 1999, 785 f. 32) BVerfGE 11, 126 [130]; zuletzt: BVerfG, NVwZ-RR 2009, 985-989. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 10 In der Gesetzesbegründung ist zu einer Auswahlentscheidung oder einem Ablehnungsrecht der Bundesregierung nichts – weder positiv noch negativ – gesagt. Jedoch wird erläutert, was mit der Zweistufigkeit der Bestimmung der Stiftungsratsmitglieder – erst Benennung, dann Bestellung – bezweckt werden soll: Das den im Gesetz aufgezählten Gruppen zustehende Benennungsrecht nach § 19 Abs. 2 DHMG soll die Zusammenarbeit von Legislative und Exekutive mit diesen Gruppen gewährleisten. Das Benennungsrecht dieser Gruppen regle die Zusammensetzung des Stiftungsrates.33 Mit dem zweiten Akt, der Bestellung nach § 19 Abs. 3 DHMG, soll der „gesellschaftspolitischen Bedeutung“ der Stiftung Rechnung getragen werden. Wörtlich heißt es in der Gesetzesbegründung : „Die Zweistufigkeit der Benennung und Bestellung trägt der gesellschaftspolitischen Bedeutung der unselbständigen Stiftung Rechnung.“34 „Zweistufigkeit“ ist hier nicht als Summe zweier Akte, sondern als Gegensatz zu „Einstufigkeit“ zu verstehen. Die Regelung grenzt sich zu der parallelen Bestimmung in § 6 desselben Gesetzes, in welcher in einem Akt Personen in das Kuratorium „entsandt“ werden, ab. Hätte die Gesetzesbegründung sich mit diesem Satz auch zu dem Zweck des Benennungsrechtes äußern wollen, stünde dieser oder ein ähnlicher Satz in oder vor der Erläuterung des Absatzes 2 des § 19 DHMG. Die Gesetzesbegründung zu § 19 DHMG erläutert nacheinander jeden einzelnen Absatz der Vorschrift. Sie beschäftigt sich zunächst – und zwar ausdrücklich – mit Absatz 2 des § 19 DHMG, in welchem das Benennungsrecht verschiedener Gruppen geregelt wird. In diesem Teil wird der mit der Regelung verfolgte Zweck erläutert: „In Absatz 2 wird die Zusammensetzung des Stiftungsrates festgelegt, die eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit […] gewährleisten soll.“ In der textlich abgesetzten Erläuterung des Absatzes 3 behandelt die Gesetzesbegründung nicht mehr das Benennungsrecht, sondern ausschließlich die zweite Stufe: die Bestellung. Das ergibt sich eindeutig aus dem Wortlaut des ersten Satzes: „Absatz 3 regelt die zweite Stufe – die Bestellung – für eine Mitgliedschaft im Stiftungsrat .“ Dann folgt – entsprechend der Erläuterung zu Absatz 2 – der Sinn und Zweck dieser zweiten Stufe. Damit erschöpft sich nach der Vorstellung der Gesetzesautoren die Bestellung nicht in einem formalen Akt, sondern ihr soll offenbar auch inhaltlich eine „Bedeutung“ zukommen, und zwar eine „gesellschaftspolitische“. Die historische Auslegung spricht für eine Entscheidungsbefugnis der Bundesregierung. Bei der Begründung der Bundeskompetenz für die Errichtung der Stiftung wurde auf ihre außenpolitische Bedeutung hingewiesen.35 Im Gesetzgebungsverfahren wurde vor allem die Akzeptanz der Stiftung in Polen als Voraussetzung für den Erfolg des Stiftungsanliegens betont. Zu der Besetzung der Gremien gab es den Hinweis, es sei das bei den östlichen Nachbarn entstandene Vertrauen einzulösen.36 Hieraus dürfte sich ein inhaltlicher Maßstab für die Überprüfung einer Auswahl - bzw. Ablehnungsentscheidung ableiten lassen. 33) Drs. 16/10571, S. 10. 34) Drs. 16/10571, S. 11. 35) Drs. 16/10571, S. 7. 36) s.o. Fn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 11 5.3. Systematik und Sinn und Zweck 5.3.1. Zweistufigkeit der Besetzung Für die Besetzung des Stiftungsrates hat der Gesetzgeber ausdrücklich ein zweistufiges Verfahren vorgesehen: Zunächst haben bestimmte Gruppen, darunter der Bund der Vertriebenen, Personen zu „benennen“. In einem zweiten Schritt „bestellt“ die Bundesregierung die Benannten zu Mitgliedern des Stiftungsrates. Davon abweichend hat der Gesetzgeber für den mit demselben Gesetz errichteten Träger der Stiftung , dem „Deutschen Historischen Museum“, einen anderen Weg gewählt. Dem Organ des Stiftungsrates der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ entspricht beim „Deutschen Historischen Museum“ von den Aufgaben und Befugnissen das Kuratorium nach § 6 DHMG. Auch dieses bestimmt über alle grundsätzlichen Fragen, insbesondere über die Grundzüge der Programmgestaltung (§ 6 Abs. 7 DHMG). Dies Kuratorium wird gemäß § 6 Abs. 2 DHMG im Wege der Entsendung gebildet, ohne dass es eines zweiten Aktes bedarf. Hieraus ist zu schließen, dass der Gesetzgeber bei der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ beiden Akten der Bestimmung der Stiftungsratsmitglieder eine eigenständige Bedeutung beimessen wollte. Für die rein formale „Amtsübertragung“ jedenfalls hätte es des zweiten Schritts nicht bedurft, wie die Bildung des Kuratoriums zeigt. Damit bestätigt die objektive Systematik des Gesetzes die Intention der Gesetzesautoren (siehe oben 5.2). Mit dem ersten Akt, dem Benennungsrecht, wollte der Gesetzgeber erkennbar die Repräsentation und Einbindung aller aus seiner Sicht für den Stiftungszweck relevanten Gruppen – Legislative, Exekutive, Religionsgemeinschaften und Opferverband – regeln und sicherstellen. So wird dies auch in der Gesetzesbegründung zu § 19 DHMG erläutert.37 Abgesichert wird diese Anbindung an die benennungsberechtigte Gruppe durch die Bestimmungen in Abs. 3 Satz 2 und 3 DHMG: Wer als Funktionsträger bei der benennungsberechtigten Stelle in den Stiftungsrat berufen wurde, verliert automatisch mit der dortigen Funktion auch die Mitgliedschaft im Stiftungsrat. In diesem Fall ist nachzubenennen und nachzubestellen. Mit der ausdrücklichen Zuweisung des Bestellungsaktes nach § 19 Abs. 3 DHMG hat der Gesetzgeber die endgültige Entscheidung für die Bestimmung der Stiftungsratsmitglieder der Bundesregierung auferlegt. Rein formale Bestätigungsakte weist das Grundgesetz (GG) dem Bundespräsidenten oder einem einzelnen Mitglied der Bundesregierung zu.38 Das Kollegialorgan Bundesregierung dagegen ist eine höchstpolitische Einrichtung. Ihr eine Aufgabe zu übertragen, spricht dafür, dieser Aufgabe einen politischen Gehalt beizumessen. In der Gesetzesbegründung zu Absatz 3 heißt es dementsprechend, mit ihr werde der „gesellschaftspolitischen Bedeutung der unselbständigen Stiftung Rechnung“ getragen39. 37) Drs. 16/10571, S. 10. 38) Vgl. z. B. Artikel 58, 59, 60, 82 GG. 39) Drs. 16/10571, S. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 12 5.3.2. Kontrollüberlegung Zu überlegen ist, ob ein solches Entscheidungsrecht der Bundesregierung auch auf die von den Ressorts der Bundesregierung und die vom Bundestag zu benennenden Personen zu beziehen wäre. Im Ergebnis könnte dies dazu führen, dass einem vom Auswärtigen Amt Benannten die Bestellung durch die Bundesregierung verweigert werden darf. Auch wenn dies auf den ersten Blick verwundern mag, dürfte genau das mit der gesetzlichen Regelung beabsichtigt gewesen sein: Ein Vergleich der Vorschriften über das Kuratorium nach § 6 DHMG mit denen über den Stiftungsrat nach § 19 DHMG spricht für ein Entscheidungsrecht der Bundesregierung. Wo eine einstufige Entsendung vorgesehen ist, entsendet die Bundesregierung „auf Vorschlag“ der Ressorts (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 DHMG). Bei der zweistufigen Variante benennen die Ressorts, ohne dass für die Benennung eine Beschlussfassung der Bundesregierung erforderlich ist (§ 19 Abs. 2 Nr. 2 DHMG). Darin kommt die auch in anderen Vorschriften normierte Gesamtverantwortung der Bundesregierung für wichtige Personalentscheidungen zum Ausdruck. Während die Personalhoheit innerhalb eines Bundesministeriums in der Regel nach Artikel 65 Satz 2 GG von einem Bundesminister in seinem Geschäftsbereich selbständig und in eigener Verantwortung getragen wird, behält sich die Bundesregierung nach § 15 Abs. 2 ihrer Geschäftsordnung vor, über alle Leitungspositionen zu beraten und Beschluss zu fassen. Schwieriger vorstellbar ist, dass die Bundesregierung auch vom Bundestag Benannte (§ 19 Abs. 2 Nr. 1 DHMG) ablehnen dürfen soll. Aber auch hiergegen spricht im Ergebnis nichts, auch wenn hierdurch eine pikante Situation entstehen könnte. Es ist eine politische Frage, ob sich die Bundesregierung traut, von dem sie kontrollierenden Gremium Benannte abzulehnen. Hätte der Gesetzgeber anderes gewollt, wäre auch für den Stiftungsrat die für das Kuratorium gewählte „Entsendelösung “ vorgesehen worden. Auch eine solche Konstellation ist dem Verfassungsrecht nicht fremd. So bedürfen Bundesgesetze, welche die von der Bundesregierung vorgeschlagenen Ausgaben des Haushaltsplanes erhöhen oder neue Ausgaben mit sich bringen, nach Artikel 113 Abs. 1 GG der Zustimmung der Bundesregierung. Die Bundesregierung kann sogar verlangen, dass der Bundestag die Beschlussfassung über solche Gesetze aussetzt bzw. erneut Beschluss fasst (Artikel 113 Abs. 2 GG). Ein möglicher Konflikt zwischen benennendem Parlament und bestellender Regierung in dieser Frage müsste politisch aufgelöst werden. Die Bundesregierung müsste sich auch für eine Entscheidung, mit der abgelehnt würde, vom Bundestag benannte Vertreter zu bestellen , vor dem Bundestag verantworten. Die angestellte Kontrollüberlegung führt zu keinem anderen Ergebnis. 5.4. Zwischenergebnis Aus der Gesetzessystematik ergibt sich, dass die Bundesregierung bei der Bestellung nicht lediglich den formalen Akt der Verleihung der organschaftlichen Rechtsstellung zu vollziehen hat, sondern auch eine politische Entscheidung trifft. Dies entspricht auch der Vorstellung der Gesetzesautoren . Das Ergebnis hält Kontrollüberlegungen stand. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 13 6. Kriterien für die Bestellung und Ablehnungsgründe Noch nicht gesagt ist, worauf die Bundesregierung die Ablehnung der Bestellung eines Benannten stützen darf und welcher Beurteilungs- oder Entscheidungsspielraum ihr dabei zusteht. 6.1. Ablehnungsgründe In dem Errichtungsgesetz sind keine Ablehnungsgründe aufgezählt. Daraus zu folgern, der Bundesregierung stehe es frei, eine Ablehnungsentscheidung auf jedwede Gründe zu stützen, würde dem in § 19 Abs. 2 DHMG enthaltenen Repräsentations- und Einbindungsgedanken nicht gerecht . Zulässig sind nur solche Ablehnungsgründe, die eine Stütze im Gesetz finden. 6.1.1. Erfüllung des Stiftungszwecks Die Arbeit der Stiftung soll nach § 17 Abs. 2 DHMG aus öffentlichen Mitteln finanziert werden. Daraus ergibt sich, dass die Erreichung des Stiftungszwecks in den Bereich der öffentlichen Verantwortung gehört. Wenn die Bestellung eines Stiftungsratsmitgliedes der Erreichung des Stiftungszwecks entgegen stünde, darf die Bundesregierung seine Bestellung ablehnen. Stiftungszweck ist nach § 16 DHMG neben der Erinnerung an Flucht und Vertreibung auch der Gedanke der Versöhnung. Das hat der Gesetzgeber mit der Formulierung „im Geiste der Versöhnung“ zum Ausdruck gebracht. Sowohl in der Gesetzesbegründung, als auch in der Gesetzesberatung ist hierauf wiederholt Wert gelegt worden (siehe oben 3., S. 5 und 6). Die Bundesregierung kann die Bestellung einer benannten Person mit der Begründung ablehnen, die Bestellung würde der Erreichung des Stiftungszwecks der Versöhnung entgegenstehen. 6.1.2. Außenpolitische Gründe Im gesamten Gesetzgebungsverfahren spielte die außenpolitische Brisanz der Errichtung der Stiftung eine herausragende Rolle. Auch in Bezug auf die Gremienbesetzung ist auf die Bedeutung für die auswärtigen Beziehungen hingewiesen worden (siehe oben 3., S. 6). Die Stiftung ist eingebettet in die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Dies hat auch seinen Niederschlag in dem Gesetzestext gefunden. Mit dem im Stiftungszweck in § 16 Abs. 1 DHMG genannten „Geiste der Versöhnung“ ist der Stiftung eine außenpolitische Ausrichtung aufgegeben worden. Ohne diesen außenpolitischen Aspekt wäre der Bund im Verhältnis zu den Ländern kompetenzmäßig nicht befugt gewesen, eine Bundesstiftung zu schaffen.40 Daher entspricht es Sinn und Zweck des DHMG, der für die Pflege der auswärtigen Beziehungen zuvörderst zuständigen Bundesregierung das Recht einzuräumen, bei der Besetzung der Stiftungsgremien eine benannte Person mit Hinweis auf drohende Nachteile für die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland abzulehnen. 40) So wohl auch die Gesetzesbegründung, Drs. 16/10571, S. 7. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 028/10 Seite 14 6.1.3. Ablehnung wegen der politischen Ausrichtung der benennenden Gruppe Die Entscheidung, welche Gruppen in dem Stiftungsrat repräsentiert sein sollen, ist durch das Stiftungserrichtungsgesetz verbindlich getroffen und von der Bundesregierung zu beachten. 6.1.4. Politische Opportunität Die (partei-) politische Opportunität ist kein zulässiger Ablehnungsgrund. Die Berücksichtigung eines solchen Kriteriums für eine Ablehnungsentscheidung wäre sachfremd und damit rechtswidrig . 6.1.5. Sonstige, in der Person des Benannten liegende Gründe Auch sonstige persönliche Eigenschaften sind nur dann geeignet, eine Nichtbestellung zu tragen, wenn sie so gravierend sind, dass sie die in dem Gesetz gründenden Kriterien betreffen. 6.2. Beurteilungsspielraum der Bundesregierung Will die Bundesregierung eine ihr für den Stiftungsrat benannte Person nicht zum Mitglied bestellen , muss sie die Ablehnungsentscheidung auf eine nachvollziehbare Begründung stützen, warum die benannte Person die Erreichung des Stiftungszwecks gefährden könnte oder durch ihre Bestellung außenpolitischer Schaden für die Bundesrepublik Deutschland zu besorgen ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind Entscheidungen der Bundesregierung im Bereich der auswärtigen Gewalt nicht vollständig gerichtlich überprüfbar. In diesem Bereich nimmt das Gericht Beurteilungsspielräume der Regierung an, „weil nur dadurch der grundsätzliche Handlungsvorrang der Exekutive zur Geltung gebracht werden könne“.41 Die besonderen Freiräume der Regierung im Bereich de auswärtigen Gewalt stützt das Bundesverfassungsgericht auf den „Grundsatz einer organadäquaten Funktionenzuweisung“.42 Diese Grundsätze dürften auch Anwendung finden auf Entscheidungen der Bundesregierung, die die auswärtigen Beziehungen erheblich berühren. 41) BVerfGE 4, 157 [168 f.]; 66, 39 [60 f.]; 68, 1 [97]; 121, 135 [169] mwN. 42) BVerfGE 121, 135 [160].