© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 026/21 Fragen zur Zuverlässigkeitsprüfung nach dem Waffengesetz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 026/21 Seite 2 Fragen zur Zuverlässigkeitsprüfung nach dem Waffengesetz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 026/21 Abschluss der Arbeit: 18. März 2021 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 026/21 Seite 3 1. Fragestellung Nach § 2 Abs. 2 Waffengesetz (WaffG)1 bedarf der Umgang mit Waffen und Munition, die in der Anlage 2 (Waffenliste), Abschnitt 2 zum WaffG genannt sind, der Erlaubnis. Dies betrifft insbesondere Schusswaffen. Gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG erhält nur derjenige eine waffenrechtliche Erlaubnis, der die erforderliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG hat. § 5 Abs. 5 WaffG führt die Behörden auf, bei denen die Waffenbehörde im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung Erkundigungen einzuholen hat. Mit dem Dritten Waffenrechtsänderungsgesetz2 wurde im Februar 2020 diese Regelung erweitert. Nach § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG muss nun auch eine Regelanfrage bei der zuständigen Landesverfassungsschutzbehörde erfolgen.3 Der Sachstand befasst sich mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine waffenrechtliche Erlaubnis wegen fehlender Zuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG abgelehnt werden kann. 2. Die Zuverlässigkeitsprüfung nach § 5 WaffG Die Prüfung der Zuverlässigkeit dient in bestimmten Rechtsgebieten4 der Feststellung, ob von der beabsichtigten Tätigkeit durch den Antragsteller eine erhöhte Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht. Dabei existiert kein einheitlicher, allen Rechtsgebieten übergeordneter Zuverlässigkeitsbegriff.5 Die Konkretisierung des Begriffs erfolgt vielmehr mit Blick auf den jeweils geregelten Tätigkeitsbereich und die konkrete Schutzfunktion der gesetzlichen Regelung. Rechtsgebietsübergreifend soll die Prüfung der Zuverlässigkeit eine ordnungsgemäße Ausübung der angestrebten Tätigkeit garantieren.6 Im Waffenrecht dient die Prüfung dazu, „die Rechtsordnung vor Beeinträchtigungen durch leichtfertigen oder missbräuchlichen Umgang mit der Waffe durch den Erlaubnisinhaber zu schützen“.7 Nach dem Willen des Gesetzgebers soll nur solchen Personen der Umgang mit Waffen 1 Waffengesetz vom 11. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), zuletzt geändert durch Artikel 228 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 2 Drittes Gesetz zur Änderung des Waffengesetzes und weiterer Vorschriften (Drittes Waffenrechtsänderungsgesetz - 3. WaffRÄndG) vom 17. Februar 2020 (BGBl. I S. 166), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 22. April 2020 (BGBl. I S. 840). 3 Siehe zu dieser Neuregelung die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Regelanfrage bei den Verfassungsschutzbehörden nach dem Waffengesetz, WD 3 - 3000 - 129/20, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/705370/807d171b06ed889ba09e8ddc55cd95e6/WD-3-129-20-pdfdata .pdf (Stand: 17. März 2021). 4 Siehe etwa § 35 Abs. 1 Gewerbeordnung, § 4 Abs. 1 Gaststättengesetz sowie § 20 Abs. 3 Bundesimmissionsschutzgesetz . 5 Vgl. Eifel, „Zuverlässigkeit“ als persönliche Tätigkeitsvoraussetzung im Besonderen Verwaltungsrecht, in: Jus 2004, 565 (567 f.). 6 Eifel, „Zuverlässigkeit“ als persönliche Tätigkeitsvoraussetzung im Besonderen Verwaltungsrecht, in: Jus 2004, 565 (567). 7 Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 026/21 Seite 4 ermöglicht werden, bei denen keinerlei Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie die Waffen widerrechtlich verwenden könnten.8 Verhindert werden soll nicht nur die Begehung von Straftaten, sondern insgesamt ein unsachgemäßer Umgang mit Waffen, etwa durch mangelhafte Verwahrung oder durch Überlassung an unbefugte Personen (siehe § 5 Abs. 1 Nr. 2 b und c WaffG). Im Grundsatz ist von der Zuverlässigkeit des Antragstellers auszugehen. Der Antragsteller wird als unzuverlässig qualifiziert, wenn er einen der Unzuverlässigkeitstatbestände des § 5 WaffG erfüllt.9 Dabei ist zwischen der absoluten Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 WaffG und der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 WaffG zu differenzieren.10 Trifft den Antragsteller eine Verfehlung nach Abs. 1 – etwa eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Verbrechens –, wird seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit unwiderleglich vermutet. Der Behörde steht dabei kein Ermessen zu.11 Liegt hingegen eine Verfehlung nach Abs. 2 vor, ist nur in der Regel von einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit auszugehen.12 Die Prüfung der Behörde beschränkt sich in diesem Fall darauf, ob Tatsachen des Einzelfalls geeignet sind, die Regelvermutung zu entkräften (siehe dazu unter 2.3.).13 Bei der Beurteilung stellt die Waffenbehörde eine Prognose über die Wahrscheinlichkeit zukünftigen ordnungsgemäßen Verhaltens auf.14 Die Behörde darf in diesem Rahmen ein Fehlverhalten aus der Vergangenheit als Indiz für eine zukünftige Unzuverlässigkeit werten.15 Aufgrund des präventiven Charakters der Norm ist es ausreichend, dass die Behörde ein zukünftiges Fehlverhalten für hinreichend wahrscheinlich erachtet.16 Im Folgenden wird näher auf die Tatbestandsvarianten der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG eingegangen. 8 Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1. 9 Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1. 10 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1; König/Papsthart, in: dieselben, WaffG, 2. Auflage 2012, § 5 Rn. 5 f. 11 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 2. 12 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1; König/Papsthart, in: dieselben, WaffG, 2. Auflage 2012, § 5 Rn. 9. 13 Eifel, „Zuverlässigkeit“ als persönliche Tätigkeitsvoraussetzung im Besonderen Verwaltungsrecht, in: Jus 2004, 565 (567). 14 Eifel, „Zuverlässigkeit“ als persönliche Tätigkeitsvoraussetzung im Besonderen Verwaltungsrecht, in: Jus 2004, 565 (570). 15 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 1. 16 Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 2. Oktober 2013, 21 CS 13.1564, juris Rn. 10 m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 026/21 Seite 5 2.1. Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG Gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG besitzt die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer innerhalb der letzten 5 Jahre – verfassungsfeindliche Bestrebungen, Bestrebungen gegen die Völkerverständigung oder die auswärtigen Belange der Bundesrepublik Deutschland verfolgt hat, oder aber – in diesem Zeitraum Mitglied in einer Vereinigung war, die solche Bestrebungen verfolgt oder verfolgt hat, oder – eine solche Vereinigung unterstützt hat. Die Begriffe „radikal“, „extremistisch“ oder „staatsfeindliche Ideologie“, nach deren Beurteilung im Auftrag an die Wissenschaftlichen Dienste gefragt wurde, werden weder im WaffG noch im Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG)17 verwendet. Dies bedeutet nicht, dass ein Verhalten, das sich mit diesen Begriffen umschreiben ließe, waffenrechtlich bzw. verfassungsschutzrechtlich unbeachtlich ist. Es kommt vielmehr einzig darauf an, ob sich das Verhalten des Betroffenen unter die Tatbestände der relevanten Normen fassen lässt. 2.1.1. Verfassungs- und friedensfeindliche Bestrebungen Tatbestandsmäßig sind zum einen Bestrebungen gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Diese sind gleichzusetzen mit Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gemäß § 4 Abs. 1 lit. c BVerfSchG. Aus § 92 Abs. 2 Strafgesetzbuch (StGB)18 ergeben sich diejenigen Verfassungsgrundsätze , die unmittelbarer Ausdruck der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sind. Verfassungsfeindliche Bestrebungen sind solche, die darauf gerichtet sind, die elementaren Verfassungsgrundsätze zu beseitigen oder außer Geltung zu setzen.19 Zur Regelunzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG führt ferner die Verfolgung von Bestrebungen gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker. Diese Begriffe finden sich auch in § 3 Abs. 1 Nr. 4 BVerfSchG, Art. 9 Abs. 2 GG und Art. 26 Abs. 1 GG. Zur Erfüllung des Tatbestands muss das vorwerfbare Verhalten darauf abzielen, in aggressiv-kämpferischer Weise den Frieden zwischen den Völkern zu stören.20 Allein die Kritik an fremden Staaten oder das Ablehnen von Kontakten der Bundesrepublik Deutschland zu anderen Staaten genügen nicht. Der Tatbestand ist beispielsweise erfüllt bei einem Aufruf zum Führen eines 17 Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970), zuletzt geändert durch Artikel 16 der Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl. I S. 1328). 18 Strafgesetzbuch (StGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 10. März 2021 (BGBl. I S. 333). 19 Vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 4 BVerfSchG Rn. 48. 20 Vgl. Bauer in: Dreier, GG, 3. Auflage 2013, Art. 9 Rn. 58; siehe dort auch zum Folgenden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 026/21 Seite 6 Angriffskrieges oder zur Bekämpfung des „Weltjudentums“ sowie bei Straftaten nach den §§ 102 und 104 StGB. Eine weitere Tatbestandsvariante nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG ist die Gefährdung der auswärtigen Belange der Bundesrepublik durch Anwendung von Gewalt oder durch darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen . 2.1.2. Individuelles Handeln oder Mitgliedschaft § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG erfordert entweder eine individuelle Verfolgung der soeben aufgeführten Bestrebungen oder eine Mitgliedschaft in einer Vereinigung, die solche Bestrebungen verfolgt oder die Unterstützung einer solchen Vereinigung. Für die Waffenbehörde ist es für die Bejahung der Unzuverlässigkeit ausreichend, wenn Tatsachen vorliegen, die die Annahme der Verfolgung der Bestrebungen begründen.21 Vor der Verschärfung des § 5 WaffG durch das Dritte Waffenrechtsänderungsgesetz von 2020 war für die Annahme eines „Verfolgens“ von Bestrebungen nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG eine aktive Beteiligung notwendig.22 Im Gegensatz dazu wurde nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 WaffG eine Regelunzuverlässigkeit bereits im Falle der bloßen Mitgliedschaft in einer verbotenen Partei oder Vereinigung bejaht. Dieser Gegensatz hatte zur Folge, dass die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen, aber noch nicht verbotenen Vereinigung nicht zur Regelunzuverlässigkeit führte, wenn dem Betroffenen keine dortige Aktivität nachgewiesen werden konnte. Mit der Neufassung des § 5 Abs. 2 Nr. 3 WaffG wurde diese Regelungslücke geschlossen, indem auch die reine Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung als Tatbestandsvariante aufgenommen wurde. Nach der Wertung des Gesetzgebers schließt die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung typischerweise eine Zustimmung zu deren Zielen ein und bringt damit die eigene Ablehnung der Grundsätze der Verfassungsordnung zum Ausdruck.23 Eine Mitgliedschaft im Sinne der Norm kann auch bei Personen angenommen werden, die nicht förmliches Mitglied sind, sofern sie nach außen im Namen der Vereinigung auftreten.24 Ist der Antragsteller kein Mitglied einer Vereinigung, so ist zur Bejahung der Unzuverlässigkeit ein aktives Handeln erforderlich. Auch Nicht-Mitglieder können sich aktiv an den verfassungswidrigen Zielen einer Vereinigung beteiligen, indem sie den Zusammenschluss nachdrücklich unterstützen. Hierfür genügt es, wenn sich ihr Verhalten in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des Zusammenschlusses auswirken, beispielsweise durch öffentliche Befürwortung oder Werbung.25 Darunter kann im Einzelfall bereits die Teilnahme an Veranstaltungen fallen, wenn 21 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 29. 22 Vgl. Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 29. 23 BT-Drs. 19/15875, S. 36. 24 Gade, in: derselbe, WaffG, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 27. 25 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 4 BVerfSchG Rn. 32. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 026/21 Seite 7 darin eine Gutheißung der verfassungsfeindlichen Ziele zum Ausdruck kommt.26 An einer Unterstützung fehlt es jedoch, wenn jemand nur einzelne politische, humanitäre oder sonstige Ziele der Vereinigung befürwortet, nicht jedoch deren verfassungsfeindliche Ziele, und sich von letzteren distanziert.27 2.2. Übermittelte Daten Nach § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG muss zur Prüfung der Zuverlässigkeit unter anderem eine Regelanfrage bei der zuständigen Landesverfassungsschutzbehörde erfolgen. Fraglich ist, welche Daten die Verfassungsschutzbehörden übermitteln dürfen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob Daten einer Person auch dann übermittelt werden dürfen, wenn diese zu einem Zeitpunkt Mitglied oder Unterstützer einer Vereinigung, war, als diese noch nicht durch den Verfassungsschutz beobachtet wurde. Gemäß § 3 Abs. 1 BVerfSchG ist Aufgabe der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder die Sammlung und Auswertung von Informationen über Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Gedanken der Völkerverständigung und andere Schutzgüter (sog. Beobachtung)28. Voraussetzung für die Beobachtung ist nach § 4 Abs. 1 S. 3 BVerfSchG das „Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte“ für solche Bestrebungen. Für die Beurteilung der Frage, ob solche Anhaltspunkte bestehen, müssen notwendigerweise im Vorfeld Informationen gesammelt werden, wobei nur öffentliche Quellen genutzt werden können.29 Nach § 8 Abs. 1 BVerfSchG darf das Bundesamt für Verfassungsschutz die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Daten verarbeiten. Nach § 19 Abs. 1 S. 2 BVerfSchG darf es personenbezogene Daten an inländische öffentliche Stellen übermitteln, „wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für erhebliche Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt“. Die Verfassungsschutzgesetze der Länder enthalten vergleichbare Regelungen. Die Verfassungsschutzbehörden dürfen daher zu diesen Zwecken grundsätzlich alle Daten an die Waffenbehörden übermitteln, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben erhoben haben. Welche Daten im Einzelfall übermittelt werden, steht im Ermessen der Verfassungsschutzbehörden.30 Dabei sind unter anderem die Interessen der Allgemeinheit, die nachrichtendienstlichen Geheimhaltungsinteressen und die Interessen des Betroffenen abzuwägen. Im Grundsatz dürfte es daher zulässig sein, dass der Verfassungsschutz Daten über eine Person übermittelt, die zu einem Zeitpunkt Mitglied einer Vereinigung war, als diese noch nicht nach 26 Vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 4 BVerfSchG Rn. 34. 27 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 4 BVerfSchG Rn. 34 m.w.N. 28 Vgl. Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 4 BVerfSchG Rn. 87. 29 Siehe die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Öffentlichkeitsarbeit des Verfassungsschutzes: „Prüffälle“, WD 3 - 3000 - 025/19, S. 3, abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/594482/3bb972c9b730fbfde747b37117f0d813/WD-3-025-19-pdf-data.pdf. 30 Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Auflage 2019, § 19 BVerfSchG Rn. 9; siehe dort auch zum Folgenden. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 026/21 Seite 8 § 3 Abs. 1 BVerfSchG beobachtet wurde. Die Waffenbehörde darf nach § 5 Abs. 5 Nr. 4 WaffG allerdings nur solche Tatsachen erfragen, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen. Ob solche Bedenken auch im Falle einer Mitgliedschaft zu einem Zeitpunkt, als die Vereinigung noch nicht beobachtet wurde, bestehen können, dürfte eine Frage des Einzelfalls sein. 2.3. Widerlegung der Regelvermutung Ist der Tatbestand von § 5 Abs. 2 WaffG erfüllt, so muss geprüft werden, ob im Einzelfall atypische Umstände vorliegen, die die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit entkräften.31 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt ein Abweichen von der Regelvermutung nur dann in Betracht, wenn die konkreten Umstände die Verfehlung des Antragstellers „ausnahmsweise in einem derartig milderen Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Verfehlung begründeten Zweifel an der für die waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind“.32 Nicht ausreichend sind eine strafrechtliche Unbescholtenheit oder ein langjähriger beanstandungsfreier Waffenbesitz, da diese zu den Grundvoraussetzungen des WaffG zählen.33 Wurde der Tatbestand von § 5 Abs. 2 WaffG durch die Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Vereinigung erfüllt, so ist eine eindeutige Abkehr bzw. Distanzierung erforderlich .34 Nicht genügend ist der alleinige Austritt aus der Vereinigung, da dieser nicht unbedingt mit einer Loslösung von den durch die Vereinigung verfolgten Zielen verbunden ist.35 *** 31 BVerwG, Urteil vom 19.6.2019, 6 C 9.18, LKV 2019, 458 (464). 32 Roth, Waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei Reichsbürgern, in: NVwZ 2018, 1772 (1773) m.w.N. 33 Spitzlei/Hautkappe, Individuelle waffenrechtliche Unzuverlässigkeit infolge der Zugehörigkeit zu einem Kollektiv?, in: DÖV 2018, 973 (979); VGH Kassel, Urteil vom 12.10.2017, 4 A 626/17, NVwZ 2018, 1813 (1816) m.w.N. 34 Vgl. VGH Kassel, Urteil vom 12.10.2017, 4 A 626/17, NVwZ 2018, 1813 (1816) m.w.N. 35 Vgl. VGH Kassel, Urteil vom 12.10.2017, 4 A 626/17, NVwZ 2018, 1813 (1816 f.).