© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 – 026/15 Substantielle Investments als Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft oder die Erteilung von Aufenthaltstiteln Überblick zur Rechtslage in ausgewählten Mitgliedstaaten der Europäischen Union Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 026/15 Seite 2 Substantielle Investments als Voraussetzung für den Erwerb der Staatsbürgerschaft oder die Erteilung von Aufenthaltstiteln Überblick zur Rechtslage in ausgewählten Mitgliedstaaten der Europäischen Union Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 – 026/15 Abschluss der Arbeit: 18. März 2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 026/15 Seite 3 Inhalt 1. Vorbemerkungen 4 2. Untersuchungsmethode 4 3. Ergebnis und Format der Auswertung 4 4. Situation in Deutschland 5 4.1. Staatsbürgerschaftserwerb aufgrund substantieller Investments 5 4.2. Erwerb von Aufenthaltstiteln aufgrund substantieller Investments 6 5. Die Situation in ausgewählten Mitgliedstaaten der Europäischen Union 7 5.1. Erwerb der Staatsbürgerschaft 7 5.2. Erwerb von Aufenthaltstiteln 8 Anlage Länderübersicht Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 026/15 Seite 4 1. Vorbemerkungen Gegenstand dieser Ausarbeitung ist eine vergleichende Darstellung der besonderen Bedingungen für den Erwerb der Staatsbürgerschaft bzw. von Aufenthaltstiteln durch Nicht-Unionsbürger1 in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) im Rahmen sog. Investment-Schemes. Dabei handelt es sich um Modelle der Gewährung der Staatsbürgerschaft bzw. der Erteilung eines Aufenthaltstitels , die jeweils an die Voraussetzung substantieller Investitionen im aufnehmenden Mitgliedstaat geknüpft werden. Die Ausarbeitung erstreckt sich auf die rechtliche Situation in den Mitgliedstaaten der EU. 2. Untersuchungsmethode Um einen Überblick über die Existenz der skizzierten Modelle und ihrer besonderen Regelungen zu erhalten, wurden die Parlamente aller EU-Mitgliedstaaten3 zu folgenden Fragen um eine Stellungnahme gebeten: 1. Haben Drittstaatsangehörige die Möglichkeit, die Staatsbürgerschaft Ihres Landes zu erwerben , wenn sie substantielle Investments (z.B. Geldeinlagen, Unternehmensinvestitionen oder -ansiedlungen oder Grundstückserwerb) in Ihrem Land tätigen? Welche Fallgruppen werden hierbei ggf. unterschieden, welche Voraussetzungen müssen jeweils erfüllt sein und auf welche Rechtsgrundlage stützt sich der jeweilige Erwerb? 2. Bestehen vergleichbare Möglichkeiten für den Erwerb eines Aufenthaltstitels? Falls ja, geben Sie bitte mögliche Fallgruppen und die Voraussetzungen an, die erfüllt sein müssen, sowie die Rechtsgrundlage, auf die sich der jeweilige Erwerb stützt. 3. Ergebnis und Format der Auswertung Antworten liegen aus der Mehrheit der angefragten Staaten vor; nicht geantwortet haben die Parlamentsdienste aus Bulgarien, Irland, Luxemburg und Malta. Die Informationslücken ließen sich lediglich teilweise durch eigene Recherchen des Fachbereichs kompensieren. 1 Im weiteren Text: Drittstaatsangehörige. Die meisten der hier zitierten Bestimmungen finden auf Personen Anwendung , die weder Unionsbürger noch Staatsbürger eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft sind. Auch für türkische Staatsangehörige gelten im Aufenthaltsrecht zum Teil abweichende Regelungen aufgrund der assoziationsrechtlichen Beziehungen mit der EU. 3 Belgien, Bulgarien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 026/15 Seite 5 Die übermittelten Antworten wurden überwiegend in englischer und französischer Sprache übermittelt ; daher war eine Arbeitsübersetzung durch den Fachbereich WD 3 ins Deutsche erforderlich . Nicht allen Antworten waren Stellungnahmen zu den obigen Fragen zu entnehmen; die entsprechenden Passagen sind gekennzeichnet. Die übermittelten Antworten der angefragten Parlamentsdienste sind im Detail ausgeführt in der als Anlage beigefügten Übersicht. Dem Format dieser tabellarischen Übersicht entsprechend wurden die Antworten nicht wortwörtlich übersetzt, sondern sinngemäß übertragen, um ein Höchstmaß an Vergleichbarkeit (Erkennbarkeit von Gemeinsamkeiten und wesentlichen Unterschieden) sicherzustellen . Hierzu war es auch erforderlich, Informationen zu den einzelnen Fragen, die sich zum Großteil auch aus den Antworten zu anderen Fragen ergeben haben, gezielt zusammenzutragen. Die Ergebnisse einer Gegenüberstellung der in der beigefügten Tabelle verzeichneten Antworten der Parlamentsdienste sind in der vorliegenden Arbeit zusammengefasst. Dieser Auswertung wird eine Darstellung der Situation in Deutschland vorangestellt. 4. Situation in Deutschland 4.1. Staatsbürgerschaftserwerb aufgrund substantieller Investments Einen an die Voraussetzung substantieller Investments gebundenen Erwerb der Staatsangehörigkeit kennt das deutsche Recht nicht. Gemäß § 3 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) wird die deutsche Staatsangehörigkeit im Wesentlichen erworben: durch Geburt, wenn ein Elternteil die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (§ 4 Abs. 1 StAG), oder durch Annahme als Kind (Adoption) durch einen Deutschen (§ 6 StAG), durch Geburt in Deutschland als Kind ausländischer Eltern, wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat (§ 4 Abs. 3 StAG), durch Einbürgerung von Ausländern auf Antrag (§§ 8 bis 16, 40b und 40c StAG). Ausländer haben einen Anspruch auf Einbürgerung (§ 10 StAG), wenn sie: über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht in Deutschland verfügen, seit mindestens acht Jahren gewöhnlich und rechtmäßig in Deutschland leben, über ausreichende Deutschkenntnisse verfügen einen Einbürgerungstest bestanden haben, Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 026/15 Seite 6 für sich und ihre Familienangehörigen ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld den Lebensunterhalt sichern können, nicht wegen einer Straftat verurteilt sind, sich zum deutsche Grundgesetz bekennen ihre alte Staatsangehörigkeit verloren haben oder sie aufgeben. Von den genannten Voraussetzungen für die Einbürgerung von Ausländern kann abgewichen werden. So ist eine Verkürzung der in Deutschland verbrachten Lebenszeit möglich, wenn z.B. ein Integrationskurs erfolgreich abgeschlossen wurde oder der Ausländer seit Jahren in Deutschland ehrenamtlich bei einer gemeinnützigen Organisation engagiert ist. Neben der beschriebenen sog. Anspruchseinbürgerung gibt es auch die Möglichkeit einer Einbürgerung auf der Grundlage einer Ermessensentscheidung der Behörde. Gemäß § 8 StAG kann ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn er handlungsfähig oder gesetzlich vertreten ist, nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt ist, eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat und für sich und seine Familienangehörigen ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld den Lebensunterhalt sichern kann. Auch die Ermessenseinbürgerung wird in der Regel erst nach acht Jahren vorgenommen. Der Zeitraum kann verkürzt werden, wenn die Einbürgerung in einem besonderen öffentlichen Interesse liegt, dies ist insbesondere bei Spitzensportlern der Fall. 4.2. Erwerb von Aufenthaltstiteln aufgrund substantieller Investments Einen ausdrücklich und ausschließlich an die Voraussetzung substantieller Investments gebundenen Erwerb befristeter oder unbefristeter Aufenthaltstitel kennt das deutsche Recht nicht. Jedoch sieht das hier einschlägige Aufenthaltsgesetz (AufenthG) in § 21 die Möglichkeit vor, Ausländern den auf bis zu drei Jahre befristeten Aufenthalt zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit zu erlauben. Eine an diesen Zweck gebundene Aufenthaltserlaubnis kann im Rahmen einer Ermessensentscheidung der zuständigen Behörde erteilt werden, wenn: ein wirtschaftliches Interesse oder ein regionales Bedürfnis besteht und die Tätigkeit positive Auswirkungen auf die Wirtschaft erwarten lässt und die Finanzierung der Umsetzung durch Eigenkapital oder durch eine Kreditzusage gesichert ist. Die Beurteilung dieser Voraussetzungen richtet sich insbesondere nach der Tragfähigkeit der zugrundeliegenden Geschäftsidee, nach den unternehmerischen Erfahrungen des Ausländers, nach der Höhe des Kapitaleinsatzes, nach den Auswirkungen auf die Beschäftigungs- und Ausbildungssituation und nach dem Beitrag für Innovation und Forschung (§ 21 Abs. 1 S. 2 AufenthG). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 026/15 Seite 7 Nach der letzten Änderung dieser Bestimmung im Jahr 2012 genügt für die Annahme eines allgemeinen wirtschaftlichen Interesses oder eines regionalen Bedürfnisses bereits die die Prognose einer positiven wirtschaftlichen Auswirkung im Hinblick auf die allgemeine wirtschaftliche Struktur oder Versorgungslage im Inland oder der Region. In den Vorgängerfassungen der Norm war noch die Feststellung eines übergeordneten wirtschaftlichen Interesses oder besonderen regionalen Bedürfnisses erforderlich, das neben weiteren Gründen insbesondere dann angenommen wurde, wenn erhebliche Investitionen getätigt und eine nennenswerte Zahl von Arbeitsplätzen geschaffen oder gesichert werden. Die gesetzlich bestimmte Regelannahme eines übergeordneten wirtschaftlichen Interesses oder eines besonderen regionalen Bedürfnisses bei Investitionsvolumina in Höhe von zunächst 1Million Euro verbunden mit der Schaffung von mindestens zehn Vollzeitarbeitsplätzen in der Ursprungsfassung der Bestimmung wurde schrittweise auf 500.000 bzw. 250.000 Euro und fünf Arbeitsplätze reduziert und in der aktuellen Fassung des Gesetzes vollständig beseitigt. Hat der Ausländer die Planungen für seine selbständige Tätigkeit erfolgreich verwirklicht und ist sein Lebensunterhalt und der seiner Angehörigen durch ausreichende Einkünfte gesichert, kann ihm bereits drei Jahre nach Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung eine Niederlassungserlaubnis erteilt werden (§ 21 Abs. 4 AufenthG). Die Niederlassungserlaubnis gilt zeitlich und räumlich unbeschränkt und gehört somit zur höchsten Stufe der aufenthaltsrechtlichen Verfestigung eines Nicht-Unionsbürgers in Deutschland. § 7 Abs. 3 AufenthG eröffnet die Möglichkeit, Ausländern eine Aufenthaltserlaubnis zu Zwecken zu gewähren, die nicht im Aufenthaltsgesetz bestimmt sind. Eine abschließende Aufzählung aller möglichen Zwecke ist nicht möglich. In der Verwaltungsvorschrift des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz wird der Fall eines vermögenden Ausländers, der sich in Deutschland niederlassen möchte, um hier von seinem Vermögen zu leben, ausdrücklich angeführt. Damit kann die Behörde im Rahmen ihres Ermessens in solchen Fällen eine Aufenthaltserlaubnis erteilen. Sie ist dabei an die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 5 AufenthG gebunden. Hierzu zählen u.a. die ausreichende Sicherung des Lebensunterhalts, Klarheit über die Identität und die Staatsangehörigkeit des Ausländers, die Sicherung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland sowie die Einreise mit dem erforderlichen Visum. In allen Fällen, in denen auf § 7 Abs. 3 AufenthG zurückgegriffen wird, muss die Behörde unter Berücksichtigung der für und gegen den Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet sprechenden schutzwürdigen Individualinteressen des Ausländers und öffentlichen Interessen entscheiden. 5. Die Situation in ausgewählten Mitgliedstaaten der Europäischen Union 5.1. Erwerb der Staatsbürgerschaft Mit Ausnahme Zyperns sehen die Rechtsordnungen aller EU-Mitgliedstaaten, die geantwortet haben, keinerlei sachlich-tatsächliche Verknüpfung des Staatsbürgerschaftserwerbs mit der Bedingung substantieller Investitionen im Land vor. Das Parlament Österreichs weist auf die Möglichkeit der Einbürgerung wegen erbrachter oder zu erwartender außerordentlicher Leistungen im Interesse Österreichs hin, da diese auch auf Investoren Anwendung findet. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 – 026/15 Seite 8 Das Staatsbürgerschaftsrecht Zyperns ermöglicht Drittstaatsangehörigen den Erwerb der Staatsbürgerschaft , wenn sie über einen Zeitraum von drei Jahren je 100.000 Euro Steuern an den zyprischen Staat abgeführt haben oder vorauszahlen und mindestens 5 Millionen Euro im Land investieren . Eigene Recherchen zu den Staaten, die nicht geantwortet haben, ergaben , dass Malta und Bulgarien Investorenprogramme für den Erwerb der Staatsbürgerschaft unter der Bedingung substantieller Investitionen im Land anwenden.4 In Bulgarien ist im Anschluss an den Erwerb eines Aufenthaltstitels ein beschleunigtes Einbürgerungsverfahren vorgesehen. 5.2. Erwerb von Aufenthaltstiteln Zehn Mitgliedstaaten, die auf die Anfrage geantwortet haben, sehen in ihren aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen ausdrücklich die Möglichkeit vor, Drittstaatsangehörigen Aufenthaltstitel zu gewähren, wenn sie substantielle Investitionen im Land tätigen. Dies sind: Frankreich, Griechenland , Großbritannien, Kroatien, Lettland, Litauen, Niederlande, Portugal, Spanien und Ungarn . Zu diesen Staaten tritt nach eigenen Recherchen aus dem Kreis der Mitgliedstaaten, die nicht geantwortet haben, auch Irland hinzu.5 In zwölf Mitgliedstaaten verknüpfen die Bestimmungen des Aufenthaltsrechts die Gewährung von Aufenthaltstiteln nicht ausdrücklich mit der Voraussetzung substantieller Investitionen. Sie enthalten aber Regelungen über Aufenthaltstitel, die zum Zwecke einer wirtschaftlichen Betätigung , wie der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit im Land gewährt werden können. Dabei handelt es sich um: Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Italien, Österreich, Polen, Rumänien, Schweden, die Slowakische Republik, Slowenien und die Tschechische Republik. 4 EU Citizenship and residence permits for sale, European Parliamentary Research Service, 2014, in Englisch online verfügbar unter: http://epthinktank.eu/2014/01/15/eu-citizenship-and-residence-permits-for-sale/ (zuletzt abgerufen am 16. März 2015). 5 EU-Parlament rügt Verkauf von Staatsbürgerschaften, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16. Januar 2014; Tausende Reiche werden gegen Geld EU-Bürger, Die Welt, 22. August 2014.