© 2014 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 026/14 Fragen zur Durchsetzung der deutschen Sprache als Arbeitssprache der Europäischen Union Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 026/14 Seite 2 Fragen zur Durchsetzung der deutschen Sprache als Arbeitssprache der Europäischen Union Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 026/14 Abschluss der Arbeit: 19. Februar 2014 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 026/14 Seite 3 1. Fragestellungen Der letzte Teil des Fragenkatalogs der Anfrage vom 28. Januar 2014 betrifft das nationale Haushalts - und Parlamentsrecht und wird daher gesondert beantwortet. Dabei handelt es sich um folgende Fragen: – Bestehen haushaltsrechtliche Verweigerungsmöglichkeiten auf Seiten des Bundestages bei Nichteinhaltung von Zusagen der Union? (dazu unten 2.1.) – Welche Wirkungen entstehen aus dem Beschluss des Bundestages vom 27. Juni 2013, BT-Drs. 17/14114? (dazu unten 2.2.) 2. Erläuterungen 2.1. Haushaltsrechtliche Verweigerungsmöglichkeiten des Bundestages und politische Druckmittel In diesem Zusammenhang sind zunächst zwei Fragen zu unterscheiden. Die erste bezieht sich darauf, ob der Bundestag die Zahlungen an die Europäische Union auf der Basis der geltenden Bestimmungen, vor allem des geltenden Eigenmittelbeschlusses der Union, verweigern kann (dazu unten 2.1.1.). Bei der zweiten Frage geht es darum, ob der Bundestag die Zustimmung zu dem geplanten neuen Eigenmittelbeschluss der Union versagen kann (dazu unten 2.1.2.). Daneben hat der Bundestag in der Vergangenheit versucht, im Rahmen der Verhandlungen über den mehrjährigen Finanzrahmen der Union politisch eine stete Übersetzung der EU-Vorlagen in die deutsche Sprache zu erreichen (dazu unten 2.1.3.). 2.1.1. Verweigerungsmöglichkeiten aufgrund geltenden Rechts Die Zahlungen, die die Mitgliedstaaten an die Europäische Union zu leisten haben, sind im so genannten Eigenmittelbeschluss der Union festgelegt (Art. 311 Abs. 1 Satz 1 AEUV).1 Sie setzen sich zusammen aus Agrarabgaben und Zöllen aus dem Warenverkehr mit Drittländern, einem Anteil an dem harmonisierten Mehrwertsteueraufkommen und einem Anteil an dem Bruttonationaleinkommen der Mitgliedstaaten. Auf der Grundlage des Eigenmittelbeschlusses und seiner Durchführungsvorschriften werden jährlich die jeweiligen Zahlungen der Mitgliedstaaten an die Union in einem komplexen finanzwirtschaftlichen Verfahren berechnet. Die Mitgliedstaaten und damit auch die Bundesrepublik Deutschland stellen die auf sie entfallenden Eigenmittel der Union monatlich zur Verfügung.2 Der Bundestag hat auf diese monatlichen Zahlungen der Bundesrepublik Deutschland keinen Einfluss. Sie sind nicht von seiner Freigabe abhängig; sie unterliegen keinem haushaltsrechtlichen Sperrvermerk (§ 22 Satz 3 BHO). Die Verweigerung der monatlichen Zahlungen an die Union wegen Nichteinhaltung von Zusagen der Union ist rechtlich auch nicht zulässig. Ein Mitgliedstaat ist nur dann nicht verpflichtet, den von ihm erhobenen Anteil der Agrarabgaben, der Zölle und des Mehrwertsteueraufkommens der 1 Aktueller Eigenmittelbeschluss: 2007/436/EG, Euratom: Beschluss des Rates vom 7. Juni 2007 über das System der Eigenmittel der Europäischen Gemeinschaften; BGBl. 2008 II, 726. 2 Vgl. die Darstellung des Zahlungssystems auf der Internetseite der Europäischen Union: http://europa.eu/legislation_summaries/budget/l34011_de.htm (zuletzt aufgerufen am 4. Februar 2014). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 026/14 Seite 4 Union bereitzustellen, wenn ihm die Erhebung dieser Abgaben wegen höherer Gewalt oder aus sonstigen Gründen unmöglich war (Art. 17 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 der aktuell noch gültigen Durchführungsbestimmungen zum Eigenmittelbeschluss3). Eine solche Ausnahme gilt nicht für den Anteil am Bruttonationaleinkommen der Mitgliedstaaten, der etwa drei Viertel der Eigenmittel der Union ausmacht. Die Nichteinhaltung von Zusagen durch die Union ist weder ein Fall der höheren Gewalt noch ein sonstiger Grund für die Verweigerung der Zahlungen. Auch die parlamentarische Budgethoheit gibt dem Bundestag nicht das Recht, die Zahlungen an die Union zu unterbinden. Zwar müssen sie vom Bundestag als Ausgaben im Haushaltsplan4 mit dem Haushaltsgesetz beschlossen werden (Art. 110 Abs. 3 GG), da jedoch durch den Eigenmittelbeschluss der Union eine vertragsrechtliche Zahlungspflicht der Bundesrepublik Deutschland besteht, ist auch der Bundestag verpflichtet, sie im Haushaltsgesetz zu beschließen.5 Dies gilt auch, weil der Bundestag dem gültigen Eigenmittelbeschluss der Union, aus dem sich die europarechtliche Zahlungsverpflichtung ergibt, zugestimmt hat.6 Der Bundestag kann zwar die Haushaltsvorlage der Bundesregierung insgesamt ablehnen,7 dieser politisch tiefgreifende Schritt würde jedoch die Auszahlung der deutschen Beiträge an die Union letztlich nicht verhindern. Die Bundesregierung kann und müsste dann im Rahmen ihres Nothaushaltsrechtes, d.h. in Zeiten eines etatlosen Zustandes, die vertraglich festgelegten Zahlungen an die Union leisten (Art. 111 Abs. 1 lit. b) GG). 2.1.2. Verweigerung der Zustimmung zum geplanten Eigenmittelbeschluss Die Eigenmittelbeschlüsse werden aus finanz- und volkswirtschaftlichen Gründen für einen bestimmten Zeitraum gefasst, auch wenn sie erst durch einen neuen Beschluss außer Kraft gesetzt werden. Da der geltende Eigenmittelbeschluss der Union detaillierte Regelungen zu Ausnahmen und Reduzierungen nur für den Zeitraum von 2007 bis 2013 trifft, hat die Kommission am 9. November 2011 einen Vorschlag für einen neuen Eigenmittelbeschluss vorgelegt, der am 1. 3 Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000, vom 22. Mai 2000, ABl. 2000, L 130/1. 4 Einzelplan 60 „Allgemeine Finanzverwaltung“. 5 Siehe zu den Pflichten des Bundestages, Haushaltsmittel zu bewilligen, bei denen eine rechtliche Verpflichtung besteht: Maunz, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, 19. Ergänzungslieferung, Art. 110 Rdnr. 24; Gröpl, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Loseblattsammlung, 98. Ergänzungslieferung (Stand: Dezember 2001), Art. 110 Rdnr. 175; Hillgruber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Auflage 2010, Band 3, Art. 110 Abs. 3 Rdnr. 98. 6 Eigenmittelbeschluss der Union vom 7. Juni 2007: BGBl. 2008 II, 726; Entwurf des Zustimmungsgesetzes des Bundestages vom 08. Januar 2008: BT-Drs. 16/7686; Beschlussempfehlung und Bericht des Europaausschusses vom 12. März 2008: BT-Drs. 16/8533, Beratung und Beschluss des Plenums siehe: BT-PlPr. 16/154 , S. 16192 (D) – 16201 (D). 7 Vgl. statt aller: Hillgruber, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, 6. Auflage 2010, Band 3, Art. 110 Abs. 3 Rdnr. 99. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 026/14 Seite 5 Januar 2014 wirksam werden sollte.8 Eigenmittelbeschlüsse der Union treten erst in Kraft, wenn die Mitgliedstaaten ihnen nach ihren verfassungsmäßigen Vorgaben zugestimmt haben (Art. 311 Abs. 3 Satz 3 AEUV). Nach deutschem Verfassungsrecht sind Eigenmittelbeschlüsse Ergänzungen oder Veränderungen der vertraglichen Grundlagen der Union und daher von der Zustimmung des Bundestages im Form eines Gesetzes nach Art. 23 Abs. 1 GG abhängig.10 Im Hinblick auf den geplanten neuen Eigenmittelbeschluss wäre es dem Bundestag rechtlich möglich, diese Zustimmung mit dem Hinweis auf nichteingehaltene Zusagen der Union zu verweigern. Dies hätte jedoch voraussichtlich nicht unerhebliche rechtliche und politische Verwerfungen im Verhältnis zwischen der Europäischen Union und der Bundesrepublik Deutschland zur Folge. Zum einen scheint ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland nicht ausgeschlossen, da aus dem Primärrecht gefolgert werden könnte, dass Mitgliedstaaten der allgemeinen Verpflichtung unterliegen, die Union mit den nötigen Mitteln auszustatten, damit diese ihre in den Verträgen festgelegten Aufgaben wahrnehmen kann (Art. 311 AEUV i.V.m. Art. 4 Abs. 3 EUV).11 Zum anderen käme die Weigerung, den Eigenmittelbeschluss anzunehmen, weil bisher Zusagen zum Sprachenregime nicht eingehalten worden seien, einem tiefgreifenden politischen Bruch Deutschlands mit der Union nahe. 2.1.3. Politische Durchsetzung der steten Übersetzung von EU-Vorlagen ins Deutsche Außerhalb seiner haushaltsrechtlichen Möglichkeiten hat der Bundestag im Sommer 2012 versucht , durch eine Stellungnahme gegenüber der Bundesregierung zu den Verhandlungen des mehrjährigen Finanzrahmens der Union12 politisch darauf hinzuwirken, dass Unionsdokumente stets auch ins Deutsche übersetzt werden.13 Der Bundesregierung wurde dabei unter anderem aufgegeben, in den Verhandlungen des mehrjährigen Finanzrahmens darauf hinzuwirken, dass die veranschlagten bzw. benötigten Mittel für die Übersetzungen künftig gesondert ausgewiesen und aufgeschlüsselt werden, damit ein möglicher finanzieller Mehrbedarf ermittelt werden kann.14 Durch die Verknüpfung dieser Forderungen mit den Verhandlungen des mehrjährigen 8 Vorschlag der Europäischen Kommission für einen Beschluss des Rates über das Eigenmittelsystem der Europäischen Union vom 29. Juni 2011, KOM(2011)510 endg. 10 Dies wird einfachgesetzlich durch § 3 Abs. 1 Integrationsverantwortungsgesetz festgehalten. 11 So Magiera, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Loseblattsammlung, 47. Ergänzungslieferung (Stand: April 2012), Art. 311 AEUV Rdnr. 14, Waldhoff, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, 4. Auflage 2011, Art. 311 AEUV Rdnr. 2. 12 Der mehrjährige Finanzrahmen nach Art. 312 AEUV ist eine Art übergeordneter Haushaltsplan der Union, an dem sich die jährlichen Haushaltspläne (Art. 313 ff. AEUV) auszurichten haben. Siehe die Kommentierung dazu bei Magiera, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, 47. Ergänzungslieferung (Stand: April 2012), Art. 312 AEUV Rdnr. 1 ff. 13 Der Inhalt der Stellungnahme kann dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 22.05.2012, BT-Drs. 17/9736, entnommen werden. 14 Vgl. BT-Drs. 17/9736, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 026/14 Seite 6 Finanzrahmens der Union sollte politischer Druck auf die Union in Zusammenhang mit ihrer Finanzausstattung ausgeübt werden. Allerdings blieb dieses Anliegen des Bundestages weitgehend erfolglos.15 2.2. Wirkung des Beschlusses des Bundestages vom 27. Juni 2013 zur Verwendung der Deutschen Sprache in europäischen Angelegenheiten Der Beschluss des Bundestages vom 27. Juni 2013 ist ein schlichter Parlamentsbeschluss. Schlichte Parlamentsbeschlüsse binden die Regierung rechtlich nicht. Von ihnen geht allerdings eine politische Wirkung aus. Die in dem Beschluss angesprochenen Staatsorgane müssen die parlamentarischen Äußerung und Aufforderung zur Kenntnis nehmen, sie politisch werten und in ihre Willensbildung einbeziehen. Sie sind jedoch nicht verpflichtet, den parlamentarischen Willen auch umzusetzen.16 Somit ist auch das Anliegen des Bundestages in seinem Beschluss vom 27. Juni 2013 gegenüber der Bundesregierung nicht justitiabel. 15 Vgl. den Vermerk , vom 3. Februar 2014, erstellt vom Referat PE 5, Europa-Dokumentation, der Bundestagsverwaltung, S. 3. 16 Grundlegend zu „schlichten Parlamentsbeschlüssen“ und ihren Wirkungen: Stern, Staatsrecht, 1980, Band 2, S. 48 f.; aus der neueren Literatur differenzierend, aber im Ergebnis ebenso: Nettesheim, in: Maunz-Dürig, Grundgesetz- Kommentar, Loseblattsammlung, 54. Ergänzungslieferung (Stand: Januar 2009), Art. 59 Rdnr. 199 und 209; Wichmann , Die Bindungswirkung von Stellungnahmen des Deutschen Bundestages in Rahmen der Zusammenarbeit mit der Bundesregierung in EU-Angelegenheiten, ZParl 2012, 278, 281 ff.