© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 025/17 Gründung und Organisation von Politischen Parteien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 025/17 Seite 2 Gründung und Organisation von Politischen Parteien Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 025/17 Abschluss der Arbeit: 06.02.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 025/17 Seite 3 1. Einleitung Gefragt wird nach den Voraussetzungen für die Gründung und Organisation von politischen Partei, insbesondere nach einer Eintragungspflicht und ob es einer Mindestanzahl an Mitgliedern bedarf. Relevante Normen zu diesen Fragen finden sich in der Verfassung Deutschlands, dem Grundgesetz (GG)1, im Parteiengesetz (PartG)2 und im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB)3. Der Parteibegriff wird im Gesetz über die politischen Parteien (PartG) definiert: § 2 PartG: Begriff der Partei „(1) Parteien sind Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluss nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse, insbesondere nach Umfang und Festigkeit ihrer Organisation, nach der Zahl ihrer Mitglieder und nach ihrem Hervortreten in der Öffentlichkeit eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten. Mitglieder einer Partei können nur natürliche Personen sein. (2) Eine Vereinigung verliert ihre Rechtsstellung als Partei, wenn sie sechs Jahre lang weder an einer Bundestagswahl noch an einer Landtagswahl mit eigenen Wahlvorschlägen teilgenommen hat. Gleiches gilt, wenn eine Vereinigung sechs Jahre lang entgegen der Pflicht zur öffentlichen Rechenschaftslegung gemäß § 23 keinen Rechenschaftsbericht eingereicht hat; § 19a Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. (3) Politische Vereinigungen sind nicht Parteien, wenn 1. ihre Mitglieder oder die Mitglieder ihres Vorstandes in der Mehrheit Ausländer sind oder 2. ihr Sitz oder ihre Geschäftsleitung sich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes befindet.“4 2. Gründung Die Gründung einer Partei ist nach Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG frei. Es bedarf keiner staatlichen Genehmigung . Dadurch sollen die Parteien frei von staatlicher Gängelung am demokratischen Willensbildungsprozess des Volkes teilnehmen können. Folgende Voraussetzungen müssen bei ihrer Gründung erfüllt sein: 1 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/gg/. 2 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/partg/index.html. 3 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb/index.html. 4 Abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/partg/__2.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 025/17 Seite 4 – Vorliegen eines Gründungsvertrags – die Beteiligten müssen den Willen haben, eine Partei zu gründen (vgl. § 2 Abs. 1 PartG); – Beschluss über das Parteiprogramm mit einfacher Mehrheit; – Beschluss über die Parteisatzung; – (geheime) Wahl des Parteivorstandes nach der Satzung; – Erstellung eines Gründungsprotokolls, welches alle Vereinbarungen, Beschlüsse und Wahlen der Partei ausführlich dokumentiert; Zuleitung des Protokolls an den Bundeswahlleiter.5 Entfällt eine dieser Voraussetzungen, entfällt auch die Parteieigenschaft. Sie entfällt auch nach § 2 Abs. 2 PartG, wenn eine Partei sechs Jahre in Folge nicht an Wahlen teilnimmt. Gleiches gilt bei der Verletzung von öffentlichen Rechenschaftspflichten. Zudem ist für das Vorliegen der Parteieigenschaft eine nationale Rückbindung der Partei erforderlich (§ 2 Abs. 3 PartG). Eine zentrale staatliche Stelle, welche allgemeingültig die Parteieigenschaft festlegt, existiert nicht. Die Entscheidung obliegt jeder Behörde in ihrer jeweiligen Kompetenz (z.B. Steuerbehörde oder Bundestagsverwaltung).6 Für Bundestagswahlen ist die Feststellung der Parteieigenschaft durch den Bundeswahlausschuss nur vorgesehen, wenn eine Partei seit der letzten Wahl nicht mit mindestens fünf Abgeordneten im Bundes- oder in einem Landtag vertreten war.7 Möchte eine neugegründete Partei an der Bundestagswahl teilnehmen, muss sie dies spätestens am 97. Tag vor der Wahl schriftlich beim Bundeswahlleiter anzeigen, damit dieser noch rechtzeitig deren Parteieigenschaft feststellen kann. Später gegründete Parteien können nicht mehr am Bundeswahlkampf teilnehmen. 3. Organisation 3.1. Innere Ordnung Bestandteil der Gründungsfreiheit ist auch die Organisationsfreiheit der Parteien. Sie geben sich selbst eine innere Verfassung (Satzung). Einziger Vorbehalt ist, dass die innere Ordnung gemäß Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG demokratischen Grundsätzen entsprechen muss, was in den §§ 6 ff. PartG konkretisiert wird.8 Trotzdem kann eine Partei, die verfassungsfeindliche Ziele verfolgt, wirksam 5 Zur inneren Ordnung der Partei: Zweiter Abschnitt PartG. 6 Morlok, in: PartG Kommentar (2. Aufl. 2013), § 2 Rn. 12. 7 § 18 Abs. 2 Bundeswahlgesetz (BWahlG), abrufbar unter: https://www.gesetze-im-internet.de/bwahlg/index.html. 8 Klein, in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar (78. EL 2016, Lfg. 64, 2012), Art. 21 Rn. 275; Kluth, in: Beck’scher Online- Kommentar GG (31. Edition, 2016), Epping/Hillgruber (Hrsg.), Art. 21 Rn. 120. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 025/17 Seite 5 gegründet werden. Dies hängt mit dem sog. „Parteienprivileg“ zusammen: Das Verbot einer verfassungswidrigen Partei obliegt nach Art. 21 Abs. 2 GG nur dem obersten deutschen Gericht, dem Bundesverfassungsgericht. § 6 Abs. 2 PartG enthält Mindestanforderungen an den Satzungsinhalt und stellt eine Rechtspflicht für die Parteien dar. Die Norm lautet: „Die Satzungen müssen Bestimmungen enthalten über 1. Namen sowie Kurzbezeichnung, sofern eine solche verwandt wird, Sitz und Tätigkeitsgebiet der Partei, 2. Aufnahme und Austritt der Mitglieder, 3. Rechte und Pflichten der Mitglieder, 4. zulässige Ordnungsmaßnahmen gegen Mitglieder und ihren Ausschluss (§ 10 Abs. 3 bis 5), 5. zulässige Ordnungsmaßnahmen gegen Gebietsverbände, 6. allgemeine Gliederung der Partei, 7. Zusammensetzung und Befugnisse des Vorstandes und der übrigen Organe, 8. der Beschlussfassung durch die Mitglieder- und Vertreterversammlungen nach § 9 vorbehaltene Angelegenheiten, 9. Voraussetzung, Form und Frist der Einberufung der Mitglieder- und Vertreterversammlungen sowie Beurkundung der Beschlüsse, 10. Gebietsverbände und Organe, die zur Einreichung (Unterzeichnung) von Wahlvorschlägen für Wahlen zu Volksvertretungen befugt sind, soweit hierüber keine gesetzlichen Vorschriften bestehen, 11. eine Urabstimmung der Mitglieder und das Verfahren, wenn der Parteitag die Auflösung der Partei oder des Gebietsverbandes oder die Verschmelzung mit anderen Parteien nach § 9 Abs. 3 beschlossen hat. Der Beschluss gilt nach dem Ergebnis der Urabstimmung als bestätigt , geändert oder aufgehoben, 12. Form und Inhalt einer Finanzordnung, die den Vorschriften des Fünften Abschnittes dieses Gesetzes genügt.9 Aus den Nummern 7 bis 10 ergibt sich welche Organe eine Partei besitzen muss: einen Vorstand und eine Vertreter- oder Mitgliederversammlung. 9 Vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/partg/__6.html. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 025/17 Seite 6 3.2. Rechtsform Auch von der Gründungsfreiheit umfasst, ist die Entscheidung der Partei, ob sie sich als nichtrechtsfähiger Verein (§ 54 BGB) oder als rechtsfähiger eingetragener Verein (§ 21 BGB) organisieren möchte. Das PartG normiert viele Abweichungen von den allgemeinen zivilrechtlichen Vereinsregelungen im BGB. Aus historischen Gründen sind Parteien überwiegend als nichtrechtsfähige Vereine organisiert (§ 54 BGB). Trotzdem können sie unter ihrem Namen klagen und verklagt werden, § 3 PartG, sodass sie jedenfalls partiell rechtsfähig sind.10 Es steht den Parteien offen, durch Eintragung in das Vereinsregister den Status eines rechtsfähigen Vereins zu erlangen, § 21 BGB. Hierzu muss der Vorstand die Eintragung beim zuständigen Amtsgericht anmelden. Der Anmeldung sind Abschriften der Satzung und der Urkunden über die Bestellung des Vorstands beizufügen. Zudem soll die Satzung von mindestens sieben Mitgliedern unterzeichnet sein und die Angabe des Errichtungstages enthalten. Mit der Registereintragung gehen eine gewisse staatliche Kontrolle und das Auferlegen von Auflagen einher. Auf die Rechtsstellung der Partei hat die Entscheidung für oder gegen eine Eintragung kaum Einfluss.11 3.3. Mindestanzahl Mitglieder Eine Mindestanzahl von Gründungsmitgliedern ist gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen. Allerdings muss der bei der Gründung gewählte Parteivorstand mindestens aus drei Mitgliedern bestehen, § 11 Abs. 1 S. 2 PartG. Ebenso wenig ist eine absolute Mindestanzahl an Parteimitgliedern vorgegeben. Allerdings muss gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 PartG eine Partei nach der Zahl ihrer Mitglieder die Ernsthaftigkeit der Mitwirkung an der politischen Willensbildung gewährleisten. Wann eine solche Ernsthaftigkeit angenommen werden kann, ist eine Frage des Einzelfalls – es kommt auf das Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse an. Richtschnur ist der erkennbare Wille der Partei auf ihre Ausweitung über den Kreis der Gründungsmitglieder hinaus.12 Die erforderliche Mitgliederzahl ist abhängig vom gewählten Tätigkeitsgebiet der Partei. Je größer dieser ist, desto mehr Mitglieder benötigt sie, um ihre Ziele ernsthaft verfolgen zu können.13 Diese Anforderungen gelten gleichermaßen für Parteien, die als nichteingetragene oder eingetragene Vereine organisiert sind. Damit eine Partei an der Bundestagswahl teilnehmen kann, kommt es auf deren Parteieigenschaft an. Auch in diesem Fall gelten vorgenannte Grundsätze bezüglich der Mitgliederanzahl. 10 Ipsen, in: ParteienG Kommentar (1. Aufl. 2008), § 3 Rn. 13. 11 Maurer, Staatsrecht I (6. Aufl. 2010), § 11 Rn. 20. 12 Morlok, in: PartG Kommentar (2. Aufl. 2013), § 2 Rn. 19. 13 Lenski, in: PartG und Recht der Kandidatenaufstellung Handkommentar (1. Aufl. 2011), § 2 PartG Rn. 25. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 025/17 Seite 7 4. Deutsche Parteienlandschaft und Wahlen Da es keine staatliche Zentralstelle gibt, welche über die generelle Eigenschaft als Partei entscheidet, kann keine abschließende Aussage über die Gesamtanzahl von Parteien in Deutschland getroffen werden. Nach § 6 Abs. 3 PartG haben die Parteivorstände dem Bundeswahlleiter gewisse Informationen über ihre Parteien zukommen zu lassen. Hierauf basierend prüft der Bundeswahlleiter die Parteieigenschaft.14 Online ist ein Verzeichnis über die Parteien und politischen Vereinigungen einsehbar, die solche Unterlagen hinterlegt haben – momentan sind es 117 an der Zahl.15 Von diesen tragen drei Parteien den Namenszusatz „e.V.“, wonach es sich um einen „eingetragenen Verein“ handelt. Zur Bundestagswahl 2013 waren insgesamt 39 Parteien zugelassenen; 34 Parteien sind letztendlich angetreten.16 Diese Zahl ist im internationalen Vergleich zwar hoch, relativiert sich aber im Verhältnis zur Einwohnerzahl Deutschlands. Diese betrug laut statistischem Bundesamt Ende 2015 rund 82,18 Millionen.17 Fraglich ist, in welchem Abstand zur Bundestagswahl eine Partei ihren Namen oder ihr Parteiprogramm noch ändern kann. Ausdrücklich hat der Gesetzgeber dies nicht geregelt. Allerdings muss eine Partei bei der Anzeige ihrer Wahlteilnahme auch ihren Namen, unter dem sie teilnehmen möchte, angeben (vgl. § 18 Abs. 2 S. 2 BWahlG). Der Name dient vor allem der Unterscheidbarkeit und soll dem Wähler die politische Orientierung durch permanente Identifikation der Parteien erleichtern.18 Besonders in der Zeit des Wahlkampfes sind klare Namensverhältnisse von Bedeutung . In Hinblick auf diese Funktion und die wahlrechtlichen Anzeigefristen wird in der Literatur eine Karenzzeit von mindestens 4 Monaten vor dem Wahltermin für erforderlich gehalten.19 Dies könnte auch für grundlegende Änderungen des Parteiprogramms gelten, da das BWahlG fordert, dass auch das Parteiprogramm bei der Teilnahmeanzeige anzufügen ist. Das Parteiprogramm enthält die politischen Ziele und das Selbstverständnis einer Partei. Es dient der politischen Integration der Mitglieder (nach innen) und der Information potentieller Wähler und der Abgrenzung zu anderen Parteien (nach außen). Änderungen des Programms sind dem Bundeswahlleiter zu melden (§ 6 Abs. 3 Nr. 1 PartG). Ändert eine Partei noch kurz vor den Wahlen grundlegend ihr politisches Programm, kann dies zwar ihre Glaubwürdigkeit in Frage stellen; die Wähler können mit einem veränderten Wahlverhalten reagieren. Rechtliche Sperrfristen erscheinen aber im Hinblick auf die Parteifreiheit verfassungsrechtlich problematisch. *** 14 Ipsen, in: ParteienG Kommentar (1. Aufl. 2008), § 6 Rn. 17; Augsberg, in: Parteiengesetz (PartG) und europäisches Parteienrecht (1. Aufl. 2009), § 6 Rn. 31. 15 Büro Bundeswahlleiter, Verzeichnis (8. November 2016), abrufbar unter: https://www.bundeswahlleiter .de/dam/jcr/477203a4-8602-497d-9311-89d9a7c7b78a/anschriftenverzeichnis_parteien.pdf. 16 Büro des Bundeswahlleiters, Pressemitteilung Nr. 11/2013 vom 6. August 2013, abrufbar unter: https://www.bundeswahlleiter.de/info/presse/mitteilungen/bundestagswahl-2013/2013-08-06-34-parteien-nehmen -an-der-bundestagswahl-2013-teil.html. 17 Statistisches Bundesamt, Bevölkerung auf Grundlage des Zensus 2011, https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten /GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Bevoelkerungsstand/Tabellen/Zensus_Geschlecht_Staatsangehoerigkeit .html (zuletzt abgerufen: 30. Januar 2017). 18 Ipsen, in: ParteienG Kommentar (1. Aufl. 2008), § 4 Rn. 2. 19 Morlok, Raider heißt jetzt Twix: Zum Namensrecht der politischen Parteien, in: MIP 2004/2005 (12. Jahrgang), 49, 58; ähnlich auch Schwarz, in: Parteiengesetz (PartG) und europäisches Parteienrecht (1. Aufl. 2009), § 4 Rn. 8.