Raucherkabinen in den Liegenschaften des Deutschen Bundestages - Ausarbeitung - © 2009 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 025/09 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Raucherkabinen in den Liegenschaften des Deutschen Bundestages Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 025/09 Abschluss der Arbeit: 27. Januar 2009 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Der Ausarbeitung liegt u. a. eine Auskunft des Justiziriats der Bundestagsverwaltung (ZR 2) zugrunde. Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagesverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W. - 3 - - Zusammenfassung - Der Einbau von nach einer Seite offenen Raucherkabinen in Gaststätten in den Liegenschaften des Deutschen Bundestages richtet sich nach dem Berliner Nichtraucherschutzgesetz (NRSG) und ist unzulässig. Nach dem NRSG besteht in Gaststätten ein Rauchverbot. Das Rauchen ist ausnahmsweise in abgetrennten und gekennzeichneten Nebenräumen erlaubt. Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen müssen nach dem NRSG ausgeschlossen sein. Der Einbau von Raucherkabinen in die Kantinen der Liegenschaften des Deutschen Bundestages richtet sich nach dem Bundesnichtraucherschutzgesetz (BNRSchG). Danach ist das Rauchen nur in gesonderten Räumen erlaubt. Diese Räume werden als baulich abgetrennte Einheiten definiert. Der Einbau von nach einer Seite offenen Raucherkabinen ist unzulässig, da sie keine baulich abgetrennte Einheit nach dem BNRSchG ist. Der Einbau von solchen Raucherkabinen wäre erst nach einer Änderung des BNRSchG möglich. Der Einbau von Raucherkabinen in bereits bestehende Raucherräume ist sowohl nach Bundes- als auch nach Landesrecht zulässig. Soweit in Räumen der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft (DPG) eine Gaststättenkonzession besteht, ist ein Einbau nach Berliner NRSG unzulässig. In die nicht-gastronomischen Räume der DPG können Raucherkabinen eingebaut werden, wenn es sich bei der DPG um eine private Einrichtung handelt. - 4 - Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 5 2. Einbau von Raucherkabinen in den Gaststätten des Deutschen Bundestages 5 3. Einbau von Raucherkabinen in den Kantinen des Deutschen Bundestages 6 3.1. Bundesnichtraucherschutzgesetz 6 3.2. Rechtsverordnung 7 4. Einbau von Raucherkabinen in den Raucherräumen 8 5. Sonderfall Deutsche Parlamentarische Gesellschaft (DPG) 8 5.1. Raucherkabinen in den Restaurants der DPG 8 5.2. Raucherkabinen in den Räumen der DPG 9 - 5 - 1. Einleitung Am 1. Januar 2008 ist das Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Nichtraucherschutzgesetz-NRSG)1 des Landes Berlin in Kraft getreten (Anlage 1). Es gilt für alle Gaststätten in den Liegenschaften des Bundestages. Gastronomische Einrichtungen werden als Gaststätte klassifiziert, wenn sie über eine Konzession verfügen. Die ohne Konzession betriebenen gastronomischen Einrichtungen sind Kantinen. Für sie gilt das Bundesnichtraucherschutzgesetz (BNRSchG). Kantinen unterscheiden sich von Gaststätten dadurch, dass sie nur den Betriebsangehörigen dienen und höchstens 10 Prozent der Nutzer Fremdbesucher sind.2 2. Einbau von Raucherkabinen in den Gaststätten des Deutschen Bundestages Nach Auskunft der Pächter gegenüber dem Justiziariat der Bundestagsverwaltung (ZR 2) sind die gastronomischen Einrichtungen des Reichstagsgebäudes, des Jakob- Kaiser-Hauses und des Paul-Löbe-Hauses als Gaststätten im Sinne des Gaststättengesetzes 3 konzessioniert. Die Konzession entfaltet Bestandskraft und es ist rechtswirksam entschieden, dass diese Einrichtungen den gaststättenrechtlichen Regelungen des Landes Berlin unterfallen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 NRSG Berlin ist das Rauchen in Gaststätten grundsätzlich verboten. Abweichend von § 2 Abs. 1 NRSG Berlin können die Betreiberin oder der Betreiber in der Gaststätte abgetrennte Nebenräume einrichten, in denen das Rauchen erlaubt ist, wenn voneinander getrennte und abgeschlossene Räume sowohl für rauchende Gäste als auch für nicht rauchende Gäste zur Verfügung stehen, § 4 Abs. 3 S. 1 NRSG Berlin. Eine zu einer Seite hin offene Raucherkabine müsste daher unter den Begriff „abgetrennter Nebenraum“ nach dem Berliner NRSG fallen. Diese Raucherkabinen sind nach dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung zum Berliner NRSG nicht von der Ausnahmeregelung umfasst. Laut Gesetzesbegründung (Anlage 2) können „[…] völlig vom Nichtraucherbereich separierte und geschlossene Nebenräume als Raucherräume eingerichtet werden. […] Nebenräume sind nicht die Haupt(gast)-Räume. Von diesen müssen die Nebenräume völlig getrennt sein. Es darf sich weder um Raumteile handeln, die durch Schiebetüren, Vorhänge oder ähnliches abgetrennt sind, noch um Räume, die dem Betreten der Gaststätte […] dienen. Die Kennzeichnung des Raucherraums ist deutlich zu ma- 1 GVBl. 2007, S. 578. 2 BT-Drs. 13/9102. 3 Gaststättengesetz, in der Fassung der Bekanntmachung vom 20. November 1998 (BGBl. I S. 3418), zuletzt geändert durch Art. 10 Zweites Bürokratieabbaugesetz vom 7.9.2007 (BGBl. I S. 2246), fortgeltend im Land Berlin gemäß Art. 125a Abs. 1 GG. - 6 - chen. Die Nebenräume sind so baulich zu errichten und zu benutzen, dass eine Gesundheitsgefährdung für nicht rauchende Gäste und das Personal ausgeschlossen werden4.“5 Raucherkabinen, die eine baulich offene Seite aufweisen, sind keine völlig abgetrennten und geschlossenen Nebenräume. Sinn und Zweck der Ausnahmeregelung des § 4 Abs. 3 NRSG ist es, die Umgebungsluft vor Beeinträchtigungen durch Tabakrauch in geschlossenen Räumen zu schützen. § 4 Abs. 5 NRSG Berlin regelt, dass Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen bei allen Ausnahmeregelungen auszuschließen sind. „Die Ausnahmeregelungen des § 4 Abs. 1 bis 3 NRSG sind eng auszulegen. Sie dürfen nicht dazu führen, dass nichtrauchende Personen durch das Passivrauchen gefährdet werden. Dem Schutz vor dem Passivrauchen ist stets ein besonderes Gewicht zuzumessen. Absatz 4 enthält aus diesem Grund ein Optimierungsgebot , das eine möglichst weitgehende Beachtung der Belange der nichtrauchenden Personen verlangt.“6 Auszuschließen sind Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen nur dadurch, dass in abgetrennten und abgeschlossenen Räumen geraucht wird. Eine Raucherkabine ist baulich nicht abgeschlossen, ein Luftstromsystem ist für einen Betrachter keine Wand, sondern leicht passierbar. Rein optisch liegt kein abgeschlossener Raum vor. Die Hemmschwelle für Raucher, mit einer brennenden Zigarette die offene Seite der Kabine zu überqueren ist viel niedriger, als die, einen abgeschlossenen Raum mit einer angezündeten Zigarette zu verlassen. Aufgrund der erforderlichen engen Auslegung der Ausnahmeregelung ist der Einbau von Raucherkabinen außerhalb von abgetrennten Räumen nach dem Berliner NRSG nicht zulässig. 3. Einbau von Raucherkabinen in den Kantinen des Deutschen Bundestages 3.1. Bundesnichtraucherschutzgesetz Angenommen eine Gaststättenerlaubnis entfällt und die gastronomische Einrichtung wird zu einer Kantine, so gilt das Bundesnichtraucherschutzgesetz. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 BNRSchG ist das Rauchen in den Liegenschaften des Bundestages grundsätzlich verboten. Abweichend können gemäß § 1 Abs. 3 S. 1 BNRSchG gesonderte und entsprechend gekennzeichnete Räume vorgehalten werden, wenn insgesamt eine ausrei- 4 Gemeint: ist. 5 Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 16/0716. 6 Abgeordnetenhaus Berlin, Drucksache 16/0716. - 7 - chende Anzahl von Räumen zur Verfügung steht. Ob Raucherkabinen gesonderte Räume sind, ist zweifelhaft. Der Begriff des Raums ist in § 2 Nr. 4 a) BNRSchG definiert als: „baulich abgetrennte Einheiten eines Gebäudes“. Der Wortlaut „baulich abgetrennte Einheit eines Gebäudes“ spricht gegen die Zulässigkeit von Raucherkabinen. Eine Abtrennung ist dann baulich, wenn sie aus Bauprodukten hergestellt ist. Die Trennung der Raucherkabinen erfolgt nur durch Luftströme und kann daher kaum als baulich bezeichnet werden. Außerdem sollen die Raucher in Raucherkabinen durch die offene Wand optisch und akustisch an den Geschehnissen der Umgebung teilhaben können. Dies spricht dagegen, sie als abgetrennte Einheit anzusehen . Zudem sprechen der allgemeine Grundsatz der engen Auslegung von Ausnahmen sowie der Schutzzweck des Gesetzes gegen die Zulässigkeit von nach einer Seite hin offenen Raucherkabinen. Letztlich bildet jedoch der Wortlaut die Grenze der Auslegung . Die Definition „baulich abgetrennte Einheiten eines Gebäudes“ lässt sich kaum dahin gehend verstehen, dass nach einer Seite hin offene Raucherkabinen umfasst sind. Der Betrieb von Raucherkabinen in den Kantinen des Bundestages dürfte daher eine Gesetzesänderung erforderlich machen. 3.2. Rechtsverordnung § 1 Abs. 4 BNRSchG ermächtigt die Bundesregierung, durch Rechtsverordnung nähere Bestimmungen zur Einrichtung und Kennzeichnung von Raucherräumen nach Absatz 3, insbesondere zu den baulichen Anforderungen an die Größe, Lage, Gestaltung sowie zur Art und Weise ihrer Belüftung, zu erlassen. Ziel dieser Regelung ist es, auf neue wissenschaftliche Erkenntnisse oder neue technische Entwicklungen rasch reagieren zu können und das Gesetz nicht mit Detailregelungen zu überfrachten.7 Möglicherweise könnte der Einbau einer Kabine mit Luftstromwand aufgrund einer Ermächtigung in einer solchen Rechtsverordnung regelt werden. Das Gesetzgebungsverfahren zeigt, dass der Gesetzgeber keinen absoluten Schutz Dritter vor Gesundheitsgefahren vorgesehen hat, die von Raucherräumen ausgehen können. Ein Vorschlag des Bundesrats und ein Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sahen vor, nur Raucherräume zuzulassen, die einen lückenlosen Schutz Dritter gewährleisten. In der Stellungnahme zum BNRG vom 30. März 20078 schlug der Bundesrat folgenden § 1 Abs. 3 Satz 2 BNRSchG vor: 7 BT-Drs. 16/5049, S. 9. 8 Bundesrat Drucksache 145/07. - 8 - „Dies setzt voraus, dass insgesamt eine ausreichende Anzahl von Räumen zur Verfügung steht und hiervon keine Gesundheitsgefahren für Dritte ausgehen .“ Der abgelehnte Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN9 sah folgende Fassung von § 1 Abs. 3 BNRSchG vor: „(3) Abweichend von Absatz 1 und 2 erster Halbsatz können in den dort genannten Einrichtungen, Verkehrsmitteln und Personenbahnhöfen gesonderte und entsprechend gekennzeichnete Räume vorgehalten werden, in denen das Rauchen gestattet ist, wenn gewährleistet werden kann, dass hiervon keine Gesundheitsgefahren für Dritte ausgehen.“ Die beiden abgelehnten Vorschläge sahen technische oder bauliche Vorkehrungen vor, die gewährleisten sollten, dass von Raucherräumen keine Gesundheitsgefahren für Dritte ausgehen. Die Bundesregierung erachtete eine solche Anforderung als nicht praktikabel . In der Sachverständigenanhörung wurde unter Verweis auf die Sicherheitsvorschriften in Labors, in denen mit gefährlichen Schadstoffen hantiert wird, dargestellt, dass ein lückenloser Schutz technisch möglich ist. Der Gesetzgeber hat somit nicht den lückenlosen Schutz Dritter vor Gesundheitsgefahren durch Passivrauchen vorgesehen. 4. Einbau von Raucherkabinen in den Raucherräumen Der Einbau von Raucherkabinen in die bestehenden Raucherräume begegnet keinen rechtlichen Bedenken, sofern die Räume insgesamt Raucherräume bleiben. 5. Sonderfall Deutsche Parlamentarische Gesellschaft (DPG) Die Deutsche Parlamentarische Gesellschaft ist als eingetragener Verein juristische Person des Privatrechts, vgl. §§ 21 ff. BGB sowie § 3 der Satzung der DPG. Der Verein erhält Zuwendungen vom Bundestag und befindet sich im ehemaligen Palais des Reichstagspräsidenten am Friedrich-Ebert-Platz. Die Nutzung durch die DPG erfolgt aufgrund eines Überlassungsvertrages. Aufgrund dieser räumlichen und sachlichen Verknüpfung ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die DPG vom Anwendungsbereich einer Regelung durch den Deutschen Bundestag erfasst wäre. 5.1. Raucherkabinen in den Restaurants der DPG Nach Auskunft des Geschäftsführers der DPG liegt eine Gaststättenkonzession für die Restaurants der DPG vor, die einen Teil der Räume der Gesellschaft erfasst. Für diese 9 Bundestag Drucksache 16/5491, S. 7. - 9 - Räume gelten die gaststättenrechtlichen Regelungen nach dem Berliner NRSG. Danach ist ein Einbau von nicht völlig geschlossenen Raucherkabinen in die gastronomischen Räume der DPG außerhalb von Raucherräumen unzulässig. 5.2. Raucherkabinen in den Räumen der DPG Die Zulässigkeit des Einbaus von Raucherkabinen richtet sich nach dem BNRSchG, wenn es sich bei der DPG um eine „sonstige öffentliche Einrichtung des Bundes“ nach § 2 Nr. 1 lit a) BNRSchG und nicht um einen privatrechtlichen Verein handelt. Vieles spricht gegen die Annahme einer „öffentlichen Einrichtung“: - Organisation als rechtlich unabhängiger Verein privaten Rechts - hoher Anteil ehemaliger Angehöriger von Verfassungsorganen (derzeit rd. 50 %) - Mitglieder der DPG (u. a. Abgeordnete) können sich auch von Besuchern ohne Bundestages-Hausausweis in die DPG begleiten lassen - andernfalls entstehende Abgrenzungsschwierigkeiten bei allen weiteren juristischen Personen, an denen der Bund formal, thematisch oder wirtschaftlich Teil hat. Die privatrechtliche Organisationsform und die daraus resultierende Geschäftsführungsautonomie des Vereinsvorstands sprechen tendenziell gegen die Annahme einer „öffentlichen Einrichtung“, so dass der Einbau von Raucherkabinen zulässig wäre. Für eine Einstufung der DPG als öffentliche Einrichtung sprechen: - funktional-thematische und personelle Verflechtung mit dem Bundestag und dem Staat (nach § 3 der Satzung können Mitglieder Angehörige von bestimmten Verfassungsorganen des Bundes und der Länder werden) - räumliche Einbindung in die Parlamentsgebäude - zu 90 % Finanzierung über Zuwendungen des Bundes - § 123a Beamtenrechtsrahmengesetz erwähnt „privatrechtlich organisierte Einrichtungen der öffentlichen Hand“ im Zusammenhang mit „öffentlichen Einrichtungen “. Sollte es sich bei der DPG um eine „sonstige öffentliche Einrichtung des Bundes“ handeln , findet das BNRSchG Anwendung, so dass der Einbau nur mit einer Gesetzesänderung oder auf der Grundlage einer Rechtsverordnung durch die Bundesregierung möglich wäre.