© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 024/19 Gesetzliche Mietpreisregulierung durch die Länder und behördlicher Genehmigungsvorbehalt für Wohnraummietverträge Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 024/19 Seite 2 Gesetzliche Mietpreisregulierung durch die Länder und behördlicher Genehmigungsvorbehalt für Wohnraummietverträge Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 024/19 Abschluss der Arbeit: 31. Januar 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 024/19 Seite 3 1. Fragestellung Mit dem Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung von 20151 (im Folgenden: Mietpreisbindungsgesetz ) hat der Bundesgesetzgeber Regelungen über die bei Mietbeginn zulässige Miethöhe bei Mietverträgen über Wohnraum ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Nach § 556d Abs. 1 BGB darf die Miete zu Beginn eines Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigen, wenn der Wohnraum in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt. Die Landesregierungen sind nach § 556d Abs. 2 BGB ermächtigt, die entsprechenden Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Die Ausarbeitung befasst sich zunächst mit der Frage, ob die Länder aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen eigene Gesetze zur Mietpreisregulierung erlassen dürften. Anschließend wird die Frage erörtert, ob Wohnraummietverträge einem behördlichen Genehmigungsvorbehalt unterstellt werden könnten. 2. Gesetzliche Mietpreisregulierung durch die Länder 2.1. Gesetzgebungskompetenz für das Mietpreisrecht Das Mietpreisrecht ist grundsätzlich Teil des sog. sozialen Mietrechts,2 das traditionell eine Materie des bürgerlichen Rechts darstellt.3 Vorschriften des sozialen Mietrechts fallen daher unter den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, der unter anderem das bürgerliche Recht umfasst.4 Dementsprechend wurde das Mietpreisbindungsgesetz auf diesen Kompetenztitel, der der konkurrierenden Gesetzgebung angehört, gestützt.5 Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben gemäß Art. 72 Abs. 1 GG die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Mit dem Mietpreisbindungsgesetz hat der Bundesgesetzgeber auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts eine erschöpfende Regelung für die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn getroffen. Für die Länder gibt es unter diesem Kompetenztitel daher keine Möglichkeit einer eigenen gesetzlichen Regelung. 1 BGBl. I S. 610. 2 Vgl. Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition Stand: 1. November 2018, § 535 BGB Rn. 182. 3 Vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 10. 4 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 232. 5 BT-Drs. 18/3121, S. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 024/19 Seite 4 2.2. Zum Kompetenztitel des Wohnungswesens Die Kompetenz für das Wohnungswesen gehörte bis zur Föderalismusreform von 2006 als Bestandteil von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung.6 Im Zuge der Reform wurde das Wohnungswesen aus dem Zuständigkeitskatalog des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG entfernt.7 Es fällt seither gemäß Art. 70 GG in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Ursprung der Schaffung der Gesetzkompetenz für das Wohnungswesen war die Notwendigkeit des Wiederaufbaus und der Beseitigung der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg.8 Das Wohnungswesen umfasst daher öffentlich-rechtliche Maßnahmen zur Wohnraumbeschaffung und zur Wohnraumnutzung.9 Zum Kompetenztitel gehören Regelungen über die Bewirtschaftung des Wohnraums, die soziale Wohnraumförderung, der Abbau von Fehlsubventionierungen im Wohnungswesen, das Wohnungsbindungsrecht, das Zweckentfremdungsverbot und das Wohnungsgenossenschaftsrecht .10 Mietpreisbindungen auf dem Gebiet des Wohnungswesens gibt es aktuell – soweit ersichtlich – nur für den öffentlich geförderten Wohnraum. Historisch waren Mietpreisbindungen in der Bundesrepublik über mehrere Jahrzehnte Teil der Wohnraumbewirtschaftung nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese beiden Konzepte werden im Folgenden kurz dargestellt. 2.2.1. Öffentlich geförderter Wohnraum Das Modell des öffentlich geförderten Wohnraums (besser bekannt als sozialer Wohnungsbau) beruht darauf, dass der Eigentümer durch staatliche Subventionen bei der Vermietung auf eine moderate Kostenmiete beschränkt wird.11 Der öffentlich geförderte Wohnraum wird daher auch als preisgebundener Wohnraum bezeichnet. Er beruhte seit 1950 zunächst auf den Wohnungsbaugesetzen ,12 die 2001 vom Wohnraumförderungsgesetz13 abgelöst wurden, sowie auf dem 6 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81. 7 Unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG fällt seitdem der städtebauliche Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge), das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht. 8 Vgl. Wandersleb, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens , in: DÖV 1959, 244 ff. (244). 9 Vgl. Wandersleb, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens , in: DÖV 1959, 244 ff. (244). 10 Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 131; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81. 11 Vgl. Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (7). 12 Erstes Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 (BGBl. I S. 83) und Zweites Wohnungsbaugesetz vom 27. Juni 1956 (BGBl. I S. 523). 13 Wohnraumförderungsgesetz vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2376), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1610). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 024/19 Seite 5 Wohnungsbindungsgesetz14. Nachdem die Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen auf die Länder übergegangen war, haben die meisten Länder eigene Wohnungsförderungs- und Wohnungsbindungsgesetze erlassen.15 2.2.2. Wohnraumbewirtschaftung Das Konzept der Wohnraumbewirtschaftung sah vor, dass dem Eigentümer die freie Verfügungsgewalt über das Mietobjekt entzogen wurde und die Vermietung nur mit Genehmigung ausgeübt werden durfte. Mietverhältnisse konnten zudem durch Verfügung zwangsweise begründet werden. Erste Regelungen zur Wohnraumbewirtschaftung gab es bereits gegen Ende des Ersten Weltkriegs.16 Nach zwischenzeitlichen Lockerungen wurden wohnungswirtschaftliche Restriktionen im Dritten Reich wieder eingeführt und verschärft, etwa durch die Einführung der sog. Preisstop-Verordnung im Jahr 1936.17 Grundlage der Wohnraumbewirtschaftung nach dem Zweiten Weltkrieg war ursprünglich das Kontrollratsgesetz Nr. 18 vom 8. März 194618, später unter anderem das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz von 195319. Die Preisbindung von 1936 galt weiterhin fort.20 Durch das Erste Wohnungsbaugesetz von 1950 wurde es für frei finanzierte Neubauten erlaubt, eine Marktmiete zu vereinbaren.21 Das Erste Bundesmietengesetz von 1955 erlaubte erstmals eine gestaffelte Mieterhöhung für Altbauten. Es galten jedoch Preisobergrenzen. Zudem konnten nach dem Gesetz Mieten auf Antrag des Mieters von den sog. Preisbehörden abgesenkt werden. In den Sechziger Jahren wurde der sog. Lücke-Plan erarbeitet, der eine stufenweise Abschaffung der Zwangsbewirtschaftung vorsah. Danach gab es sog. weiße Kreise mit freigegebenen Mieten und schwarze Kreise mit Mietbegrenzung.22 Für Altbauwohnungen war ein Schlusstermin der Zwangsbewirtschaftung im Jahr 1965 vorgesehen, der jedoch verlängert wurde. Mitte der Siebziger Jahre gab es noch in Berlin, Hamburg und München Mietbegrenzungen.23 In Berlin wurde die Preisbindung 14 Wohnungsbindungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2404), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474). 15 Siehe https://www.bmi.bund.de/DE/themen/bauen-wohnen/stadt-wohnen/wohnraumfoerderung/soziale-wohnraumfoerderung /soziale-wohnraumfoerderung-node.html (Stand: 30. Januar 2019). 16 Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (6). Siehe zu bereits nach dem Ersten Weltkrieg bestehenden Maßnahmen der Wohnraumbewirtschaftung und Mietpreisbegrenzung auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Wohnraummietrecht – Historisches und Statistisches, WD 7 - 3000 - 121/18, 5 f. 17 Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen (RGBl. I 1936 S. 955). 18 ABl. des Kontrollrats in Deutschland 1946, 117. 19 BGBl. I S. 97. 20 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Mietpreisbindung seit der Weimarer Republik, WD 7 - 3000 - 011/18, S. 1. 21 Sonnenschein, Der Mietvertrag über Wohnraum zwischen Vertragsfreiheit und staatlicher Reglementierung, in: DWW 1999, 193 ff. (196). 22 Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (7). 23 Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (7). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 024/19 Seite 6 für Altbauten erst 1987 durch das Gesetz zur dauerhaften sozialen Verbesserung der Wohnungssituation im Land Berlin24 aufgehoben. Das Gesetz sah aber Übergangsfristen bis 1994 für Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen und Neuvermietungen vor. 2.3. Möglichkeit einer gesetzlichen Mietpreisbindung unter dem Kompetenztitel des Wohnungswesens Aufgrund der grundsätzlichen Zuordnung des Mietpreisrechts zum bürgerlichen Recht kann eine gesetzliche Mietpreisbindung nur in engen Grenzen dem Wohnungswesen als Bereich des öffentlichen Rechts zugeordnet werden. Um nicht dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu unterfallen, müsste das entsprechende Gesetz schwerpunktmäßig einen öffentlich-rechtlichen Regelungsgegenstand betreffen. Dies wäre beispielsweise bei einer nur strenger als § 556d BGB gefassten Vorschrift nicht der Fall, da diese ebenfalls dem bürgerlichen Recht zuzuordnen wäre. Da das Wohnungswesen Maßnahmen der Wohnraumbeschaffung und der Wohnraumnutzung umfasst , müsste eine gesetzliche Mietpreisbindung in diesem Bereich wohl als untergeordneter Teil in ein diesen Zwecken dienendes Regelungskonzept eingebunden werden. In Betracht dürfte dabei nur ein Konzept kommen, das den Wohnraum einer öffentlich-rechtlichen Zweckbindung unterwirft , wie im Falle des öffentlich geförderten Wohnraums oder der Wohnraumbewirtschaftung. Für frei am Wohnungsmarkt angebotene Mietwohnungen dürfte hingegen das Mietpreisbindungsgesetz des Bundes eine abschließende gesetzliche Regelung darstellen. 3. Behördlicher Genehmigungsvorbehalt für Wohnraummietverträge Vereinzelt bestanden oder bestehen Genehmigungsvorbehalte für bestimmte Mietverhältnisse:25 – Bei Wohn- und Gewerberaummietverträgen kann die Entwicklung der Miete an die Entwicklung der Lebenshaltungskosten geknüpft werden. Bis Ende 1998 standen diese sog. Indexmieten unter Genehmigungsvorbehalt der Bundesbank bzw. der Landeszentralbanken , § 3 S. 2 Währungsgesetz. Der Genehmigungsvorbehalt entfiel durch das EURO-Einführungsgesetz vom 9. Juni 1998 zum 31. Dezember 1998. – In „förmlich festgelegten Sanierungsgebieten“ bedürfen nach § 144 Baugesetzbuch bestimmte Verträge, einschließlich Wohnraummietverträge,26 der schriftlichen Genehmigung der Gemeinde . Denkbar sind Genehmigungsvorbehalte auch für andere Zwecke, z.B. zur Verhinderung von Mietpreisüberhöhungen. Es stellt sich die Frage, ob es mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar ist, Mietverträge über Wohnraum in solchen Fällen einem Genehmigungsvorbehalt durch eine Behörde zu unterstellen. 24 BGBl. I S. 1625. 25 Die nachfolgenden Ausführungen entstammen im Wesentlichen der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Behördlicher Genehmigungsvorbehalt für Wohnraummietverträge, WD 3 - 3000 - 029/18. 26 Mitschang, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 13. Aufl. 2016, § 144 Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 024/19 Seite 7 3.1. Betroffene Grundrechte Als einschlägige Grundrechte kommen in Betracht: – Die Eigentumsfreiheit des Vermieters (Art. 14 GG); – die Berufsfreiheit des gewerblichen Vermieters (Art. 12 GG); – die allgemeine Handlungsfreiheit des Vermieters und des Mieters (Art. 2 GG).27 Ein Genehmigungsvorbehalt könnte in alle drei Grundrechte eingreifen; in jedem Fall aber in die allgemeine Handlungsfreiheit:28 – Der Genehmigungsvorbehalt legt generell und abstrakt Pflichten hinsichtlich des Eigentums fest. Damit greift der Genehmigungsvorbehalt als Inhalts- und Schrankenbestimmung in das Eigentum ein. – Der Genehmigungsvorbehalt regelt nicht den Zugang zu einem Beruf, sondern bestimmt, in welcher Weise er auszuüben ist. Damit handelt es sich um eine Berufsausübungsregelung. – Die Pflicht der Vorlage zur Genehmigung bedeutet zugleich die Pflicht zu einer Handlung. Damit greift der Genehmigungsvorbehalt in die allgemeine Handlungsfreiheit ein. Alle Eingriffe müssen auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführen sein (Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 S. 2, Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG). Bei Eingriffen durch untergesetzliche Normen ist daher eine hinreichende formell-gesetzliche Ermächtigung notwendig.29 3.2. Verhältnismäßigkeit Für alle vorgenannten drei Eingriffe gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Damit muss der Eingriff – ein legitimes Ziel verfolgen; – geeignet sein, dieses Ziel zu erreichen; – erforderlich, also das mildeste Mittel zur Erreichung des Ziel sein; – angemessen sein. 27 Zur Abgrenzung in einzelnen Fallkonstellationen siehe Axer, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 39. Edition, Stand: 15. November 2018, Art. 14 GG Rn. 27-28. 28 Zur Auffangfunktion von Art. 2 GG siehe Lang, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 39. Edition, Stand: 15. November 2018, Art. 2 GG Rn. 29. 29 Vgl. etwa zu Art. 12 GG Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 39. Edition, Stand: 15. November 2018, Art. 12 Rn. 75. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 024/19 Seite 8 Die Verhinderung von Mietpreisüberhöhung ist ein legitimes gesetzgeberisches Ziel: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) ist „der Schutz vor Nachteilen aufgrund […] der Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt“ Ausfluss des im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG).30 Im Falle eine Berufsausübungsregelung müsste es sich bei dem gesetzgeberischen Ziel zudem um eine „vernünftige Allgemeinwohlerwägung “ handeln. Auch diese Anforderung dürfte im Hinblick auf das Sozialstaatsprinzip erfüllt sein. Der Genehmigungsvorbehalt wäre wohl auch geeignet, das angestrebte Ziel zu erreichen. Ein Genehmigungsvorbehalt würde sicherstellen, dass bereits bestehende gesetzliche Vorschriften zum Mieterschutz in der Praxis eingehalten werden. Hierfür wäre ein größerer personeller Aufwand erforderlich. Es wird unterstellt, dass entsprechende Kapazitäten zur Verfügung stünden. Dem Gesetzgeber steht bei der Beurteilung der Geeignetheit ein Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu.31 Mildere Mittel könnten etwa Aufklärungskampagnen, behördliche Beratungsstellen oder Gutscheine für eine Rechtsberatung sein. Diese Mittel dürften aber weniger zur Verhinderung von Mietpreisüberhöhung geeignet sein als eine Prüfung aller Mietverträge oder aller Mieterhöhungsbegehren. Damit ist ein milderes Mittel nicht ersichtlich. Auch bei diesem Punkt steht dem Gesetzgeber zudem ein Gestaltungs- und Beurteilungsspielraum zu.32 Der Genehmigungsvorbehalt müsste sich bei einer Abwägung der gegenseitigen Interessen als angemessen erweisen. Dabei gilt: Je weniger der Genehmigungsprozess den Abschluss des Mietvertrages verzögert oder anderweitig behindert, desto eher ist er angemessen. So wäre es z.B. eher problematisch, wenn der Genehmigungsvorbehalt den Beginn des Mietverhältnisses länger aufschieben würde („keine Wirksamkeit des Vertrages ohne Genehmigung“). Hingegen würde es den Mietbeginn und die Wirksamkeit des Vertrages nicht berühren, wenn der Mietvertrag unbeachtlich des Genehmigungsverfahrens wirksam würde, aber sein Inhalt vom Ausgang des Genehmigungsverfahrens abhinge (z. B. die Miethöhe nachträglich per Verwaltungsakt an die gesetzlichen Vorschriften angepasst würde). 3.3. Rechtsprechung Für die Verhältnismäßigkeit eines Genehmigungsvorbehalts für Mietverträge spricht auch die Rechtsprechung des BVerfG. Das Gericht hat den Genehmigungsvorbehalt bei der Nutzungsänderung von Wohnraum als verfassungsgemäß beurteilt.33 Dieser Genehmigungsvorbehalt dürfte das Eigentumsrecht des Vermieters wohl stärker einschränken, als es bei einem Genehmigungsvorbehalt für Mietverträge der Fall wäre: Kommt eine Nutzungsänderung nicht zustande, ist es dem Eigentümer 30 BVerfG, Beschluss vom 29. Juni 2016, 1 BvR 1015/15, Rn. 88, NJW-RR 2016, 1349. 31 Vgl. zu Art. 12 GG Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 39. Edition, Stand: 15. November 2018, Art. 12 Rn. 90. 32 Vgl. zu Art. 12 GG Ruffert, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 39. Edition, Stand: 15. November 2018, Art. 12 Rn. 91. 33 BVerfG NJW 1975, 727. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 024/19 Seite 9 verwehrt, sein Eigentum in einer für ihn lukrativeren Weise zu nutzen, z.B. durch Vermietung an ein Gewerbe. Im Übrigen haben das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesgerichtshof es als verfassungsgemäß erachtet, dass § 144 Baugesetzbuch u. a. Wohnungsmietverträge einem sanierungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt unterstellt. Der Vorbehalt stelle eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dar. Entscheidend sei das Gemeinwohlinteresse daran, dass die Sanierung eines Gebiets nicht durch einzelne Bauvorhaben und Rechtsvorgänge nachteilig berührt werden soll.34 *** 34 BVerwGE 57, 88; NJW 1982, 398; BGH NVwZ 1982, 329.