© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 023/19 Die Regelung von Interessenvertretung („Lobbying“) in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/19 Seite 2 Die Regelung von Interessenvertretung („Lobbying“) in Deutschland Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 023/19 Abschluss der Arbeit: 5. Februar 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/19 Seite 3 1. Fragestellung Es stellen sich mehrere Fragen zur gesetzlichen Definition und Regelung von Lobbying, zur Abgeordnetenbestechung und zu Geschenken an Parlamentarier. Dieser Sachstand bezieht sich nur auf die Rechtslage auf Bundesebene. 2. Interessenvertretung Von allen Mitgliedstaaten der EU hat Deutschland die älteste Vorschrift zu Interessenvertretung:1 Die 1972 eingefügte Anlage 2 zur Geschäftsordnung des Bundestages (GO-BT)2 macht die parlamentarische Anhörung von Interessenverbänden von einem kurzen Eintrag in die „Öffentliche Liste registrierter Verbände“ abhängig.3 Die Vorschrift ist seit 1972 unverändert. Gemäß Beschluss des Deutschen Bundestages vom 21. September 1972 führt der Präsident des Deutschen Bundestages eine öffentliche Liste, in der Verbände, die Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten, eingetragen werden können (Anlage 2 zur Geschäftsordnung des Bundestages, GO-BT).4 Folgende Angaben sind für die Registrierung eines Verbandes erforderlich: - Name und Sitz, erste Adresse mit Telefon- und Telefax-Nummer, E-Mail- und Internetadresse ; - weitere Adresse; - Vorstand und Geschäftsführung; - Interessenbereich; - Mitgliederzahl; - Anzahl der angeschlossenen Organisationen; - Verbandsvertreter; - Anschrift am Sitz von Bundestag und Bundesregierung. Anlage 2 zur GO-BT enthält keine Definition des „Lobbying“. Nr. 1 der Anlage 2 spricht lediglich von „Verbänden, die Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten“. Dies schließt Nichtregierungsorganisationen mit ein. Weitere Regelungen zur Interessenvertretung bestehen in Deutschland nicht. 1 Rechtsvergleichende Übersicht in Englisch bei: Europarat/Tilman Hoppe, Legislative Toolkit on Lobbying, 2016, S. 5 www.tilman-hoppe.de/TP_-_ECCD_PCF_REG_Lobbying_Toolkit.pdf. 2 BGBl 1972 I, 2066. 3 Zu den Einzelheiten der „Lobbyliste“: www.bundestag.de/parlament/lobbyliste. 4 BGBl 1972 I, 2066. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/19 Seite 4 3. Interessenvertretung und Verfassungsrecht Interessenvertretung ist kein ausdrückliches Grundrecht. Insbesondere das Recht der freien Meinungsäußerung (Art. 5 GG), die Vereinigungsfreiheit (Art. 8 GG), die Berufsfreiheit (Art. 12 GG) und die Tariffreiheit (Art. 9 GG) schützen aber grundsätzlich das Recht, Interessen zu vertreten. 4. Geschenke an Parlamentarier Mitglieder des Deutschen Bundestages sind dem Grunde nach zur Annahme folgender geldwerter Zuwendungen berechtigt: – Gastgeschenke,5 – sozialadäquate Zuwendungen mit Mandatsbezug (soweit nicht bereits ein Gastgeschenk), – Zuwendungen im privaten Kontext. Diese grundsätzliche Zulässigkeit hat allerdings Grenzen. So ist unzulässig „insbesondere die Annahme von Geld oder geldwerten Zuwendungen, die nur deshalb gewährt werden, weil dafür die Vertretung und Durchsetzung der Interessen des Leistenden im Bundestag erwartet wird“ (§ 44a Abs. 2 Satz 2 Abgeordnetengesetz). 5. Interessenvertretung und Bestechung Interessenvertretung ist Kommunikation von Interessen, ohne dass notwendigerweise dem öffentlichen Funktionsträger ein geldwerter Vorteil zugewandt wird. Bei der Bestechung erhält der öffentliche Funktionsträger hingegen notwendigerweise einen ungerechtfertigten Vorteil, z. B. einen Geldbetrag.6 Vereinfacht ausgedrückt: Bei (professionellem) Lobbying fließt Geld vom Auftraggeber an den Lobbyisten, bei der Bestechung vom (unredlichen) Auftraggeber an den öffentlichen Funktionsträger. Gleichwohl schließen sich Interessenvertretung und Bestechung wechselseitig nicht aus, soweit beides miteinander verbunden wird. *** 5 § 4 Abs. 6 Verhaltensregeln: „Geldwerte Zuwendungen, die ein Mitglied des Bundestages als Gastgeschenk in Bezug auf sein Mandat erhält, müssen dem Präsidenten angezeigt und ausgehändigt werden; das Mitglied kann beantragen, das Gastgeschenk gegen Bezahlung des Gegenwertes an die Bundeskasse zu behalten. Einer Anzeige bedarf es nicht, wenn der materielle Wert des Gastgeschenks einen Betrag nicht übersteigt, der in den Ausführungsbestimmungen des Präsidenten festgelegt wird (§ 1 Absatz 4).“; Ausführungsbestimmungen zu den Verhaltensregeln für Mitglieder des Deutschen Bundestages: „Einer Anzeige bei Gastgeschenken bedarf es nicht, wenn der materielle Wert des Gastgeschenkes 200 Euro nicht übersteigt“, https://www.gesetze-im-internet .de/btgo1980anl1abest/BTGO1980Anl1ABest.pdf. 6 Siehe § 108e Strafgesetzbuch „Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern“, https://www.gesetze-iminternet .de/stgb/ (Deutsch/Englisch).