© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 023/18 Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes in der parlamentarischen Praxis Unter besonderer Berücksichtigung der Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/18 Seite 2 Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes in der parlamentarischen Praxis Unter besonderer Berücksichtigung der Tätigkeit der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 023/18 Abschluss der Arbeit: 26. Januar 2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/18 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG 4 2.1. Allgemeiner und voraussetzungsloser Anspruch 4 2.2. Anspruchsverpflichtete 5 2.3. Anspruchsgegenstand 6 2.4. Zugangsverfahren 6 2.5. Ausschlussgründe 6 3. Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des IFG auf die Bundestagsverwaltung 7 4. Konsequenzen der Informationspflichtigkeit von WD nach dem IFG 9 4.1. Beratungen des Ältestenrates und Überarbeitung des Leitfadens für die Unterabteilung 9 4.2. Auswirkungen auf die Inanspruchnahme von WD 9 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/18 Seite 4 1. Einleitung Der vorliegende Sachstand gibt einen Überblick über den Inhalt des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes (IFG) und dessen Anwendbarkeit auf die Verwaltung des Bundestages. Ein besonderer Fokus soll dabei auf den Wissenschaftlichen Diensten (WD) des Bundestages liegen. 2. Der Informationszugangsanspruch nach dem IFG 2.1. Allgemeiner und voraussetzungsloser Anspruch Das Inkrafttreten des IFG zum 1. Januar 2006 bedeutete einen Paradigmenwechsel, von einer beschränkten Aktenöffentlichkeit hin zum Grundsatz der Transparenz und Öffentlichkeit amtlicher Informationen. Nach der früheren Rechtslage beschränkte sich die Öffentlichkeit auf Akteneinsichtsrechte für Verfahrensbeteiligte (z.B. in Verwaltungs- und Gerichtsverfahren), Informationszugangsrechte für Betroffene (etwa nach dem Stasi-Unterlagen-Gesetz), Informationszugangsrechte für Dritte, häufig unter dem Erfordernis eines „berechtigten“ oder „rechtlichen“ Interesses (z.B. bei der Grundbucheinsicht), bereichsspezifische Informationszugangsrechte (insbesondere nach dem Umweltinformationsrecht) sowie spezielle Regelungen für Medien (nach dem Landespresserecht, dem Rundfunkrecht und dem Telemedienrecht).1 Mit dem IFG wurde ein allgemeiner und voraussetzungsloser Informationszugangsanspruch zu amtlichen Informationen auf Bundesebene geschaffen.2 Der Jedermann-Informationszugangsanspruch nach dem IFG ist in § 1 Abs. 1 IFG verankert: „Jeder hat nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen. Für sonstige Bundesorgane und -einrichtungen gilt dieses Gesetz, soweit sie öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnehmen. […].“3 Der vollständige Gesetzestext des IFG ist diesem Sachstand als Anlage beigefügt. Das Verhältnis des IFG zu Spezialvorschriften bestimmt sich nach § 1 Abs. 3 IFG. Danach gehen Regelungen in anderen Rechtsvorschriften über den Zugang zu amtlichen Informationen dem IFG – mit Ausnahme der Regelungen zur Akteneinsicht durch Beteiligte nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz und dem Zehnten Buch des Sozialgesetzbuches – vor. 1 Vertiefend hierzu Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, Einl. Rn. 21 ff. 2 Auf Landesebene wurden entsprechende Gesetze teilweise bereits deutlich früher geschaffen. Siehe hierzu die Zusammenstellung des Landesinformationsfreiheitsrechts bei Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, S. 939 ff. 3 Hervorhebungen nicht im Original. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/18 Seite 5 2.2. Anspruchsverpflichtete Anspruchsverpflichtet sind grundsätzlich Behörden des Bundes. Dem IFG ist nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers der Behördenbegriff aus § 1 Abs. 4 Verwaltungsverfahrensgesetz zugrunde zu legen.4 Dies hat zur Folge, dass nicht ein formell-organisatorischer, sondern ein materiell-funktioneller Behördenbegriff maßgeblich ist.5 Vor diesem Hintergrund hat die Tatbestandsalternative bezüglich der sonstigen Bundesorgane und -einrichtungen nur klarstellende Bedeutung, da die betroffenen Stellen, soweit sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, ohnehin schon vom funktionellen Behördenbegriff in § 1 Abs. 1 S. 1 IFG erfasst werden.6 Als besonderes Organ der Gesetzgebung im Sinne des Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG kann der Bundestag als „sonstiges Bundesorgan“ im Sinne des § 1 Abs. 1 S. 2 IFG dem IFG nur unterliegen, soweit er öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrnimmt. In den Gesetzesmaterialien heißt es insoweit zu § 1 Abs. 1 S. 2 IFG: „Satz 2 stellt klar, dass auch Bundestag, Bundesrat, Bundesverfassungsgericht, Bundesgerichte und Bundesbank einbezogen werden, soweit dort öffentlich-rechtliche Verwaltungsaufgaben wahrgenommen werden. Dabei sind Behörden und Einrichtungen, die nur teilweise öffentlichrechtlich tätig werden, nur insoweit zum Informationszugang verpflichtet. […] Nach § 1 Abs. 1 soll nur der spezifische Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten (insbesondere Gesetzgebung, Kontrolle der Bundesregierung, Wahlprüfung, Wahrung der Rechte des Bundestages und seiner Mitglieder – z.B. in Immunitätsangelegenheiten, bei Petitionen und bei Eingaben an den Wehrbeauftragten –, parlamentarische Kontakte zu in- und ausländischen sowie supranationalen Stellen), der Rechtsprechung und sonstiger unabhängiger Tätigkeiten vom Informationszugang ausgenommen bleiben.“7 Während etwa die Mandatsausübung des einzelnen Mitglieds des Bundestages zweifellos zum spezifischen Bereich der Wahrnehmung parlamentarischer Angelegenheiten gezählt wird und damit nicht dem IFG unterfällt8, war und ist die Informationspflichtigkeit der Bundestagsverwaltung nach dem IFG in vielen Bereichen umstritten (hierzu sogleich unter 3.)9. 4 BT-Drs. 15/4493, S. 7. 5 Siehe hierzu nur Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, Kommentar, 9. Aufl. 2018, § 1 Rn. 230 ff. 6 Rossi, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2006, § 1 Rn. 56. 7 BT-Drs. 15/4493, S. 7 f. – Hervorhebungen nicht im Original. 8 Dietrich, Informationsansprüche von Presseangehörigen gegenüber der Bundestagsverwaltung, K&R 2011, S. 385 (387); vgl. auch Hölscheidt/Wahlen, Informationsrechte von Abgeordneten und Bürgern: Soll der Bürger wissen, was der Abgeordnete weiß?, in: Dix u.a. (Hrsg.), Informationsfreiheit und Informationsrecht, Jahrbuch 2013, 2014, S. 63 (78). 9 Siehe hierzu auch Schwarz/Fuchs, Transparenz im Deutschen Bundestag – Credo ohne Grenzen?, DVBl 2017, S. 541 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/18 Seite 6 2.3. Anspruchsgegenstand Anspruchsgegenstand nach dem IFG sind amtliche Informationen. Hierunter fällt nach der Legaldefinition in § 2 Nr. 1 IFG jede amtlichen Zwecken dienende Aufzeichnung, unabhängig von der Art ihrer Speicherung. Entwürfe und Notizen, die nicht Bestandteil eines Vorgangs werden sollen, gehören nicht dazu. Nach ganz herrschender Meinung beschränkt sich der Informationszugangsanspruch auf die bei der informationspflichtigen Stelle vorhandenen Informationen; das IFG normiert also keine Informationsbeschaffungspflicht.10 2.4. Zugangsverfahren Der Informationszugang erfolgt nach § 1 Abs. 2 IFG durch Auskunft, Akteneinsicht oder in sonstiger Weise. Begehrt der Antragsteller eine bestimmte Art des Informationszugangs, so darf dieser nur aus wichtigem Grund auf andere Art gewährt werden. Als wichtiger Grund gilt dabei insbesondere ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand. Über einen Antrag auf Informationszugang entscheidet nach § 7 Abs. 1 IFG die Behörde, die zur Verfügung über die begehrten Informationen berechtigt ist. Gemäß § 7 Abs. 5 S. 1 IFG ist dem Antragsteller die Information – soweit der Informationszugangsanspruch im konkreten Einzelfall besteht – unverzüglich zugänglich zu machen. Der Informationszugang soll dabei innerhalb eines Monats erfolgen (§ 7 Abs. 5 S. 2 IFG). Die Regelung des S. 2 lässt die Vorgabe aus S. 1 („unverzüglich“) unberührt und enthält lediglich eine Fristvorgabe, die für den Regelfall die Höchstdauer des Hinauszögerns eines Informationszugangs markiert.11 Verfahrensvorgaben für die Beteiligung Dritter, die von einem Informationszugangsantrag betroffen sind, finden sich in § 8 IFG. Geregelt sind insbesondere ein Anhörungsgebot sowie behördliche Mitteilungspflichten. Von Bedeutung ist die Beteiligung Dritter insbesondere, wenn die begehrten Informationen personenbezogene Daten, geistiges Eigentum oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse enthalten. Grundsätzlich ist in § 10 Abs. 1 S. 1 IFG vorgesehen, dass der Informationszugang nur gegen Erstattung der dabei anfallenden Kosten gewährt wird. Dieser Grundsatz wird jedoch durch § 10 Abs. 1 S. 2 IFG dahingehend modifiziert, dass einfache Auskünfte nicht von der Kostenpflicht umfasst sind. Als Rechtsschutz gegen eine ablehnende Entscheidung über einen auf das IFG gestützten Antrag sind Widerspruch und Verpflichtungsklage zulässig, § 9 Abs. 4 IFG. Ein Widerspruchsverfahren ist dabei auch dann durchzuführen, wenn die Entscheidung von einer obersten Bundesbehörde – z.B. der Bundestagsverwaltung – getroffen wurde. 2.5. Ausschlussgründe Aufgrund der Ausgestaltung des Anspruchs als allgemeiner und voraussetzungsloser Zugangsanspruch besitzen die im IFG normierten Ausschlussgründe eine besondere Bedeutung. Bei den Ausschlussgründen lassen sich grundsätzlich zwei Gruppen von schützenswerten Belangen unterscheiden : Öffentliche Belange (§ 3 und § 4 IFG) sowie private Interessen Dritter12 (§ 5 und § 6 IFG). 10 Schoch, Informationsfreiheitsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 1 Rn. 36. 11 Berger, in: Berger/Partsch/Roth/Scheel, Informationsfreiheitgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2013, § 7 Rn. 20. 12 Allerdings können sich grundsätzlich auch Behörden auf die Ausnahmetatbestände in § 5 und § 6 IFG berufen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/18 Seite 7 Für das Vorliegen der Ausschlussgründe im konkreten Einzelfall besteht eine behördliche Darlegungslast . Zudem sind nach den Gesetzesmaterialien die Ausnahmetatbestände gemäß der üblichen Auslegungsregeln eng zu verstehen.13 Bei der Auslegung der einzelnen Ausnahmetatbestände ist in systematischer Hinsicht zu berücksichtigen, dass das IFG kein in sich stimmiges und systematisch kohärentes Gesetz ist, sondern stark durch politische Kompromisse im Gesetzgebungsverfahren geprägt ist.14 Eine der zentralen Regelungen des IFG ist die Regelung des § 3 IFG zum Schutz von besonderen öffentlichen Belangen. Erfasst werden von der Regelung des § 3 IFG nachteilige Auswirkungen für bestimmte Bundesinteressen (etwa internationale Beziehungen), die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit, der Schutz der Vertraulichkeit von Verhandlungen und Beratungen, der besondere Geheimnisschutz (etwa von Verschlusssachen), der Umgang mit Informationen anderer öffentlicher Stellen, die Wahrung fiskalischer und wirtschaftlicher Bundesinteressen sowie der Schutz von Nachrichtendiensten und Sicherheitsbehörden. Daneben existiert mit § 4 IFG ein Ausschlussgrund zum Schutz des behördlichen Entscheidungsprozesses. Für den Schutz privater Interessen enthält das IFG die Ausnahmetatbestände zum Schutz personenbezogener Daten in § 5 IFG sowie zum Schutz von geistigem Eigentum und Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen in § 6 IFG. Zugang zu personenbezogenen Daten darf dabei nur gewährt werden, soweit das Informationsinteresse des Antragstellers das schutzwürdige Interesse des Betroffenen am Ausschluss des Informationszugangs überwiegt oder der Betroffene eingewilligt hat. § 5 Abs. 2 IFG enthält diesbezüglich eine Privilegierung von Mandatsträgern: Die Regelung bestimmt, dass das Informationsinteresse des Antragstellers das entgegenstehende Geheimhaltungsinteresse nicht überwiegt bei Informationen aus Unterlagen, die im Zusammenhang mit einem Mandat des Betroffen stehen. Unabhängig vom Vorliegen eines der genannten Ausschlussgründe kann nach § 9 Abs. 3 IFG ein Antrag auf Informationszugang abgelehnt werden, wenn der Antragsteller bereits über die begehrten Informationen verfügt oder sich diese in zumutbarer Weise aus allgemein zugänglichen Quellen beschaffen kann. 3. Rechtsprechung zur Anwendbarkeit des IFG auf die Bundestagsverwaltung Bei der Bundestagsverwaltung sind im Jahr 2017 insgesamt 3.662 Anträge nach dem IFG eingegangen , wobei allerdings ein erheblicher Anteil auf Massenverfahren bzw. einen einzelnen Antragsteller entfallen. In 81 Fällen wurde der Informationszugang vollständig gewährt, in zehn Fällen teilweise und in 74 Fällen wurde der Informationszugang abgelehnt. In 3.140 Fällen ist auf sonstige Weise Erledigung eingetreten, z.B. weil die begehrte Information nicht vorhanden war, der Antrag zurückgenommen wurde oder eine Einstellung von Amts wegen erfolgte. Ein besonderer thematischer Schwerpunkt lässt sich hinsichtlich der Informationsbegehren nicht feststellen. So betrafen 13 BT-Drs. 15/4493, S. 9. 14 Rossi, Die Stellung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages im Informationsfreiheitsrecht, DÖV 2013, S. 205 (208). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/18 Seite 8 die Anträge etwa die Parteienfinanzierung, die Ausstellung von Hausausweisen, die Kostenpauschale für Abgeordnete oder die Struktur und Regularien der Bundestagsverwaltung. In Bezug auf die Rechtsprechung zur Informationspflichtigkeit der Bundestagsverwaltung nach dem IFG sind zuallererst zwei Urteile des Bundesverwaltungsgerichts aus 2015 zur Zugänglichkeit der Ausarbeitungen von WD nach dem IFG zu nennen.15 Die Bundestagsverwaltung hatte insoweit insbesondere argumentiert, dass die von WD für die Abgeordneten erstellten Unterlagen der Mandatsausübung der Abgeordneten zuzurechnen und daher vom Informationszugang ausgenommen seien. Das Bundesverwaltungsgericht ist dem nicht gefolgt und hat die Zugänglichkeit der Arbeiten bejaht. Der Bundestag sei, soweit es um Gutachten und sonstige Zuarbeiten von WD gehe, eine informationspflichtige Behörde, die Verwaltungsaufgaben wahrnehme. Die Aufgabenwahrnehmung von WD besitze zwar einen Mandatsbezug. Die Informationsaufbereitung und Wissensgenerierung durch WD gehe jedoch der mandatsbezogenen Aufgabenerfüllung voraus. Dies zeige sich auch daran, dass die Arbeiten von WD politisch neutral sein müssten. Dieser Wertung stehe auch die Garantie des freien Mandats aus Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG nicht entgegen, da der Informationszugang zu den Arbeiten von WD als solchen – ohne Hinweise auf den Auftraggeber – nicht geeignet sei, die parlamentarische Tätigkeit der Abgeordneten nachteilig zu beeinflussen. Die Frage, ob die besondere Aufgabe der Unterstützung der parlamentarischen Tätigkeit der Abgeordneten es gebieten kann, den Informationszugang erst nach einem bestimmten Zeitablauf zu gewähren, um so den auftraggebenden Abgeordneten eine „Reaktions- und Verarbeitungsfrist“ einzuräumen, hat das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich offen gelassen. Im Übrigen hat das Gericht auch keinen entgegenstehenden Urheberschutz gesehen. Bereits 2014 hatte das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Bundestagsverwaltung nach dem IFG Auskunft zur Nutzung des Sachleistungskontos der Abgeordneten erteilen muss, soweit sich die Angaben nicht auf einzelne Abgeordnete unter Namensnennung, sondern auf die Gesamtheit der Abgeordneten beziehen.16 Eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin aus 2015 betraf die Herausgabe von Informationen auf der Grundlage des IFG über die Zahl der für Verbandsvertreter ausgestellten Hausausweise des Bundestages und die Namen der Verbände.17 Die Bundestagsverwaltung hatte insoweit argumentiert, dass die Zeichnung entsprechender Anträge auf Ausstellung eines Hausausweises eine parlamentarische Angelegenheit sei, mandatsbezogene Informationen betreffe und Rückschlüsse auf natürliche Personen erlaube. Dem ist das Gericht nicht gefolgt. Nach Ansicht der Richter handele es sich bei der Ausgabe von Hausausweisen um eine Verwaltungstätigkeit und nicht um spezifisch parlamentarisches Handeln. Die Zahl der vergebenen Hausausweise und die Liste mit den Namen der Verbände ließen keine Rückschlüsse zu, welcher Parlamentarische Geschäftsführer, welcher Fraktion für welchen Verband gezeichnet habe. Im Jahr 2017 hat das Verwaltungsgericht Berlin außerdem entschieden, dass die Bundestagsverwaltung nach dem IFG grundsätzlich Zugang zu Unterlagen gewähren muss, die im Zusammenhang mit den Rechenschaftsberichten der Parteien und den Parteispenden angefertigt wurden.18 Die Bundestagsverwaltung sieht insoweit die Zugangsregelungen des Parteiengesetzes als vorrangig an, so dass das IFG keine Anwendung findet. Daneben verweist die Verwaltung auf den Anspruch 15 BVerwG, Urteile vom 25. Juni 2015 – 7 C 1/14 und 7 C 2/14, NJW 2015, S. 3258 ff. 16 BVerwG, Urteile vom 27. November 2014 – 7 C 19/12 und 7 C 20/12, NVwZ 2015, S. 669 ff. 17 VG Berlin, Urteil vom 18. Juni 2015 – 2 K 176/14. 18 VG Berlin, Urteil vom 26. Januar 2017 – 2 K 69/16. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/18 Seite 9 von Parteien und Dritten auf Wahrung der Vertraulichkeit und des Datenschutzes. Zudem sollten die Parteien die Bundestagsverwaltung auch zum Umfang ihrer Rechnungslegungsverpflichtung um Rat fragen können, ohne befürchten zu müssen, dass entsprechender Schriftverkehr Dritten zugänglich gemacht werde. Das Verwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung dieser Argumentation nicht gefolgt. Derzeit läuft hierzu das Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin- Brandenburg. Ebenfalls noch anhängig ist beim Verwaltungsgericht ein Verfahren bezüglich der Zugänglichkeit der Protokolle des Innenausschusses des Bundestages. 4. Konsequenzen der Informationspflichtigkeit von WD nach dem IFG 4.1. Der Präsident hat mit Rundschreiben vom 18. Februar 2016 die Abgeordneten informiert und insbesondere auf folgende vier Punkte hingewiesen: – Grundsätzlich wird jede von einem Abgeordneten in Auftrag gegebene Arbeit, sofern nicht einer der eng gefassten Ausschlussgründe des IFG dem entgegensteht, nach einer Schutzfrist von vier Wochen auf dem Internetauftritt des Bundestages veröffentlicht. – Der Name des Auftraggebers bleibt nach wie vor vertraulich und wird nicht veröffentlicht. – Die Möglichkeit, eine Arbeit allein dem Auftraggeber vorzubehalten (sog. Vertraulich-Stellung), gibt es nicht mehr. – Die Abgeordneten werden gebeten, vor einer Veröffentlichung einer Arbeit, durch die Rechte Dritter, urheberrechtliche Bestimmungen oder Geheimhaltungsrichtlinien berührt werden könnten, den Fachbereich zu informieren, der die Arbeit erstellt hat. Dieser bereitet die Arbeit dann entsprechend den schutzwürdigen Interessen so auf, dass sie veröffentlicht werden kann. Eine entsprechend überarbeitete Fassung des Leitfadens für die Unterabteilung WD ist am 18. Februar 2016 in Kraft getreten. 4.2. Auswirkungen auf die Inanspruchnahme von WD Die Zahl der bei WD eingegangenen Aufträge unterliegt über die Jahre betrachtet generell erheblichen Schwankungen, so dass Rückschlüsse von den Auftragsstatistiken auf das Nachfrageverhalten der Abgeordneten nicht möglich sind. So waren 2013 mit dem Wahlperiodenwechsel insgesamt Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 023/18 Seite 10 1.563 Aufträge für WD19 zu verzeichnen, in der 18. Wahlperiode schwankte der Auftragseingang von 2.286 (2014) über 1.849 (2015) bis hin zu 1.679 (2016).20 Belastbare Aussagen darüber, ob sich Abgeordnete vor dem Hintergrund der regelmäßigen Veröffentlichung der Arbeiten von WD und des Wegfalls der Option der sog. Vertraulich-Stellung mit bestimmten Fragestellungen nicht mehr an WD wenden, lassen sich nicht treffen. *** 19 Inklusive des Fachbereichs PE 6 (Europa). 20 Ausgeklammert sind dabei Aufträge die unmittelbar von Hotline W bearbeitet werden, hierauf entfallen jährlich ca. 1.000-1.500 Aufträge.