Deutscher Bundestag Minarett-, Burka- und Kopftuchverbote in europäischen Staaten Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste © 2010 Deutscher Bundestag WD 3 – 3000 – 023/10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 023/10 Seite 2 Minarett-, Burka- und Kopftuchverbote in europäischen Staaten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 023/10 Abschluss der Arbeit: 31. März 2010 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 023/10 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Verbot von Minaretten in den EU-Mitgliedsländern 4 2.1. Stand der Diskussion 4 2.2. Geplante Initiativen 5 2.3. Existierende Bauverbote 5 3. Verbot von Burkas in den EU-Mitgliedsländern 6 3.1. Stand der Diskussion 6 3.2. Geplante Initiativen 6 3.3. Existierende Burkaverbote 7 4. Verbot von Kopftüchern in den EU-Mitgliedsländern 8 4.1. Stand der Diskussion 8 4.2. Geplante Initiativen 9 4.3. Existierende Kopftuchverbote 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 023/10 Seite 4 1. Einleitung Am 29. November 2009 stimmten die Schweizer Stimmbürgerinnen und Stimmbürger mehrheitlich für die Eidgenössische Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“. Hierdurch wurde die Bundesverfassung der Schweizerischen Eidgenossenschaft1 in Artikel 72 um folgenden Absatz 3 ergänzt: „Der Bau von Minaretten ist verboten.“ Die eidgenössische Volksinitiative hat nicht nur in der Schweiz viele kontroverse Diskussionen hervorgerufen. Inzwischen gibt es auch in Deutschland einzelne Stimmen, die sich für ein Minarettverbot aussprechen. Auch das Thema der Vollverschleierung von muslimischen Frauen erfuhr in jüngster Zeit wieder mehr Aufmerksamkeit in den Ländern der Europäischen Union. So wurde etwa in Frankreich und Dänemark ein gesetzliches Verbot der Burka diskutiert. Der französische Staatspräsident Sarkozy erklärte am 22. Juni 2009 den beiden Kammern des französischen Parlaments, dem Kongress, dass die Burka in Frankreich nicht erwünscht sei, da sie gegen französische Werte verstoße und „ein Zeichen der Unterwerfung“ der Frau sei.2 Die Nationalversammlung hat daraufhin eine parteiübergreifende Kommission eingesetzt, mit dem Auftrag, die Vollverschleierung von Frauen in Frankreich unter verschiedenen Aspekten zu untersuchen. Die Debatte um die Burka stellt sich als Fortsetzung der langjährigen Diskussionen um ein Verbot des religiös begründeten Tragens von Kopftüchern dar. Die Ausarbeitung gibt einen Überblick über die derzeit in einigen europäischen Ländern geführten Diskussionen zum Thema des Minarett-, Burka- und Kopftuchverbots. Sie zeigt auf, in welchen Ländern konkrete Initiativen (Gesetze, Referenda etc.) geplant sind und in welchen Ländern bereits Verbote existieren. Grundlage der Ausarbeitung ist eine Abfrage der nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsländer und der Schweiz.3 Die hier wiedergegebenen Informationen ergeben sich aus den Antworten von insgesamt 18 Ländern.4 2. Verbot von Minaretten in den EU-Mitgliedsländern 2.1. Stand der Diskussion In der Schweiz hat die öffentliche Diskussion um Minarette letztlich zu dem Referendum vom 29. November 2009 über ihren Bau geführt. Das Schweizer Referendum hat in Dänemark eine breite öffentliche Debatte über ein mögliches Verbot von Minaretten ausgelöst. 1 Bundesverfassung vom 18. April 1999, AS 1999, S. 2556, http://www.admin.ch/ch/d/as/1999/2556.pdf. 2 Süddeutsche Zeitung vom 24. Juni 2009, Frankfurter Allgemeine vom 10. Juli 2009. 3 4 Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Niederlande, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Schweiz, Slowakei, Slowenien und Tschechien. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 023/10 Seite 5 Hingegen entwickelt sich die öffentliche Diskussion in Finnland in Folge der Entscheidung der Schweizer gerade erst. In Frankreich folgte auf das Referendum eine wenige Tage anhaltende öffentliche Diskussion, diese mündete allerdings nicht in Initiativen zum gesetzlichen Verbot von Minaretten. Maßgeblich getragen von der Presse, erfolgte auch in Griechenland eine öffentliche Diskussion über das Minarettbauverbot der Schweiz. In Schweden, Italien und Portugal fand es eine kurze Presseresonanz, während in Estland, Irland , Polen, Rumänien, Slowakei, Tschechien und Litauen das Referendum keinerlei Reaktionen auslöste. 2.2. Geplante Initiativen Nur in Dänemark liegt, seit einem Antrag der dänischen Volkspartei vom 19. Januar 2010, eine Initiative gegen den Bau weiterer Minarette vor, diese wurde aber bisher vom Parlament noch nicht behandelt. In Portugal, Tschechien, Lettland, Irland, Estland, Slowakei, Italien, Finnland, Slowenien, Rumänien, Schweden und Litauen existieren keine derartigen Initiativen. In Slowenien kam es zu privaten Initiativen gegen den Bau neuer Moscheen. 2.3. Existierende Bauverbote Italien, Irland, Polen und Slowenien weisen in ihren Antworten explizit daraufhin, dass bei ihnen der Bau von Minaretten und Moscheen der verfassungsrechtlich garantierten Religionsfreiheit unterliegt. Ihrer Errichtung können somit nur allgemeine baurechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Einzig in der Schweiz existiert ein vollständiges Bauverbot für Minarette. Dieses wurde qua Referendum in die Verfassung aufgenommen.5 Der Bau von Moscheen und Minaretten unterliegt in Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland , Lettland, Litauen, Portugal, Rumänien, Slowakei und Tschechien dem Baurecht und kann auch nur danach einschränkt oder verboten werden. Spezifische Regelungen existieren nicht. 5 Siehe oben Einleitung. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 023/10 Seite 6 3. Verbot von Burkas in den EU-Mitgliedsländern 3.1. Stand der Diskussion Ein allgemeines Burkaverbot ist in Dänemark sowohl Thema politischer Debatten als auch der öffentlichen Diskussion. In Folge dessen wurde 2009 ein Arbeitskreis zur Bewertung von Burka und Niqab gegründet. Dieser sollte in einem Bericht analysieren, welche Verbreitung Burka oder Niqab in Dänemark haben, welche Gründe es für das Tragen dieser Kleidung gibt, wie andere Länder damit umgehen, welche Probleme bei der Identifizierung mit Vollverschleierung entstehen können und was getan werden kann, um Problemen, die mit dem Tragen einer Vollverschleierung einhergehen, entgegenzutreten. In Frankreich findet eine breite öffentliche Diskussion und politische Debatte über ein Burkaverbot statt. Diese mündeten in die Einsetzung einer parteiübergreifenden Kommission des Parlamentes , mit dem Auftrag, die Vollverschleierung von Frauen in Frankreich unter verschiedenen Aspekten zu untersuchen. Am 26. Januar 2010 hat die Kommission ihren Bericht vorgelegt,6 die Verabschiedung war bis zuletzt umstritten und erfolgte nur mit einer Stimme Mehrheit. Die Kommission konnte sich nicht darauf einigen, vorzuschlagen, ein Gesetz zum Verbot des Tragens einer Burka in der Öffentlichkeit zu verabschieden. Sie empfahl zunächst die Verabschiedung einer Resolution der Nationalversammlung im Frühjahr und ein gesetzliches Verbot der Burka in öffentlichen Einrichtungen und Verkehrsmitteln.7 In Finnland beginnt eine solche öffentliche Diskussion gerade erst. In Italien und Schweden beschränkt sich die Auseinandersetzung um ein Burkaverbot auf die politische Debatte. Keine Auseinandersetzung über ein Burkaverbot findet in Estland, Griechenland, Irland, Lettland , Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien und Tschechien statt. 3.2. Geplante Initiativen In Frankreich hat Staatspräsident Sarkozy nach der Niederlage seiner Partei in den Regionalwahlen angekündigt, dass er noch in diesem Monat einen Gesetzestext ins Parlament einbringen werde, mir dem das Tragen der Burka verboten werden solle.8 Die UMP hat bereits am 5. Februar 2010 einen Gesetzesvorschlag vorgelegt. Der Conseil d’Etat (Staatsgerichtshof) hat auf Bitten von Premierminister Fillon seine Einschätzung zu einem gesetzlichen Verbot der Burka in einem 6 Rapport d’Information Nr. 2262 vom 26. Januar 2010, http://www.assembleenationale .fr/13/dossiers/voile_integral.asp [Stand: 5.03.2010]. 7 Das Parlament vom 15. Februar 2010. 8 Frankfurter Allgemeine vom 25.03.2010. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 023/10 Seite 7 Gutachten vom 26. März 2010 abgegeben. In seinem Bericht9 kommt der Conseil d’Etat zum Ergebnis , dass ein generelles Burkaverbot in Frankreich mit großer Wahrscheinlichkeit gegen die Verfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen würde und daher nicht zulässig wäre. Möglich sei aber ein Verbot aus Sicherheitsgründen, z.B. auf Flughäfen, Bahnhöfen oder in Banken. In Italien prüft seit Anfang Oktober 2009 der italienische Verfassungsausschuss einen Gesetzesvorschlag , welcher das Vermummungsverbot erweitern und nun ausdrücklich das Tragen der Burka und des Niqab verbieten soll. In den Niederlanden gab es eine Initiative einiger Oppositionsparteien zum vollständigen Verbot der Burka in der Öffentlichkeit. Diese wurde jedoch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken nicht von der Regierung aufgegriffen. In Schweden wurde ein Antrag im Reichstag, welcher darauf zielte das Tragen von Burka und Niqab einzuschränken, durch den Verfassungsausschuss geprüft. Dabei hat dieser festgestellt, dass es in einigen Berufen sowie im Bildungssystem negative Auswirkungen haben könnte, wenn das ganze Gesicht einer Person verdeckt ist. Dennoch wurde der Antrag mit der Begründung abgewiesen , dass eine Einschränkung nur im Einzelfall gerechtfertigt sei. In der Schweiz gibt es verschiedene Initiativen auf Gemeinde –und Kantonsebene,die Burka zu verbieten. In den Ländern Dänemark, Estland, Finnland, Griechenland, Irland, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Slowakei und Tschechien existieren keine Initiativen hinsichtlich eines Burkaverbotes. 3.3. Existierende Burkaverbote In den Niederlanden besteht seit Februar 2008 ein Burkaverbot in Schulen, öffentlichen Verkehrsmitteln und für Angehörige der öffentlichen Verwaltung. In Schweden existiert kein generelles Burkaverbot, jedoch wurde im Oktober 2003 den Schulen unter bestimmten Voraussetzungen das Recht zugesprochen ihren Schülern das Tragen von Burkas oder einer anderen Bekleidung, die das Gesicht komplett verhüllt, zu verbieten. Voraussetzung ist entweder, dass die Bekleidung Ordnung und Sicherheit in der Schule beeinträchtigt oder , dass die Schule durch die jeweilige Bekleidung von der Durchführung ihres Erziehungsauftrages abgehalten wird. 9 http://www.conseil-etat.fr/cde/node.php?articleid=2000 [Stand: 30.03.2010] Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 023/10 Seite 8 In der Schweiz ist es in einigen Kantonen für Lehrerinnen untersagt, ein Kopftuch und folglich auch die Burka zu tragen. Begründet werden solche Verbote mit dem sekulären Staatsverständnis der Schweiz. Eine Stadtverwaltung hat ihre Verwaltung angewiesen, dass im amtlichen Verkehr keine Vollverschleierung mehr getragen werden dürfe. In Slowenien ist das Tragen der Burka als religiöses Symbol durch die verfassungsmäßige Garantie der Religionsfreiheit geschützt. Angestellte im öffentlichen Dienst dürfen die Burka grundsätzlich tragen, es sei denn dadurch wird der verfassungsrechtliche Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat verletzt. Außer einem Vermummungsverbot auf öffentlichen Versammlungen, besteht kein Burkaverbot in Estland, der Slowakei und Tschechien. Keine Burkaverbote bestehen in Dänemark10, Finnland, Griechenland, Irland, Italien11, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowenien, Slowakei und Tschechien. 4. Verbot von Kopftüchern in den EU-Mitgliedsländern 4.1. Stand der Diskussion In Irland führte eine politische Debatte über das Tragen des Hijab an Schulen zu dem Ergebnis, dass es Schulen selbst überlassen sei, ob sie ein Kopftuchverbot erlassen. Dies sei allerdings nur zulässig, wenn das Tragen aller religiösen Symbole verboten wird. In den Niederlanden findet eine breite öffentliche Diskussion und politische Debatte über ein Kopftuchverbot statt. Teilweise wird in Finnland um das Tragen des Kopftuches am Arbeitsplatz gestritten, bisher wurden aber keine Fälle gerichtlich entschieden. In Dänemark, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen Polen, Portugal, Rumänien , Slowenien, Slowakei und Tschechien findet weder ein politische Debatte noch eine öffentliche Diskussion statt. 10 Laut einem 2009 von der Regierung in Auftrag gegebenen Bericht haben Frauen, die eine Burka oder Niqab tragen, sehr geringe Möglichkeiten einen Beruf im öffentlichen oder privaten Bereich zu finden. Ein Arbeitgeber hat verschiedene Möglichkeiten, eine die Burka tragende Bewerberin abzulehnen. 11 In Italien wurde ein 2008 durch einen Bürgermeister erlassenes Vollverschleierungsverbot in der Öffentlichkeit wieder aufgehoben. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 023/10 Seite 9 4.2. Geplante Initiativen In den Niederlanden sollte auf Initiative einer Oppositionspartei ein Kopftuchverbot für Angehörige der öffentlichen Verwaltung eingeführt werden. Hierfür konnte aber keine Mehrheit im Parlament gefunden werden. Im Rahmen des Wunsches der Katholischen Kirche in Slowenien durch einen nichtkonfessionellen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen einzuführen, arbeitet das Ministerium für Erziehung und Sport gerade Regeln aus, die den Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat bestimmen und dabei das Tragen jedweder religiöser Symbole verbieten soll. In Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Lettland, Litauen, Portugal , Rumänien, Schweden, Slowakei und Tschechien gibt es keine derartigen Initiativen. 4.3. Existierende Kopftuchverbote Das Tragen von Kopftüchern als religiöses Symbol ist in Slowenien durch die verfassungsrechtliche Garantie der Religionsfreiheit geschützt. Das Kopftuch ist für Angestellte im öffentlichen Dienst nur dann untersagt, wenn sie damit den Grundsatz der Trennung von Kirche und Staat verletzen. In Dänemark besteht kein generelles Kopftuchverbot. Richtern ist es jedoch untersagt religiöse Symbole im Gerichtssaal zu tragen. In Finnland ist es bei der Polizei nicht erlaubt das Kopftuch als Teil der Uniform zu tragen. In Schulen hingegen ist das Tragen eines Kopftuches gestattet. In Frankreich besteht – als Ausdruck der Laizität des Staates – in den Schulen ein generelles Verbot, religiöse Kleidung zu tragen.12 Dies gilt für Schüler und Lehrkräfte gleichermaßen. Schüler , die sich nicht an das Verbot halten, müssen mit Disziplinarmaßnahmen rechnen. In der Schweiz gelten in einigen Kantonen Kopftuchverbote für Lehrerinnen. Zudem hat der Schweizer Basketballverband ein allgemeines Kopftuchverbot für seine Spielerinnen verhängt. Kein Kopftuchverbot existiert in Dänemark, Estland, Griechenland, Italien, Lettland, Litauen, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei und Tschechien 12 Gesetz Nr. 204-228 vom 15. März 2004 hat das Erziehungsgesetz entsprechend geändert.