WD 3 - 3000 - 022/21 (24. Februar 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Gefragt wird, ob der Bundestag einen „bundesweiten Bürger*innenrat zur Klimapolitik“ einberufen und sich ferner selbst dazu verpflichten darf, dessen Empfehlungen zu „berücksichtigen“. Aus der gemäß Art. 20 Abs. 2 S. 2 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich garantierten Rolle des Parlaments als Organ der Gesetzgebung folgt die Kompetenz zur Selbstorganisation.1 Ausdrücklich verankert ist die Organisationsautonomie des Parlaments in Art. 40 Abs. 1 S. 2 GG,2 der dem Bundestag ein weites Selbstbestimmungsrecht hinsichtlich seiner inneren Organisation und seines Geschäftsganges einräumt. Der Bundestag schafft sich die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Einrichtungen und Gremien.3 Er ist dabei nicht auf bereits existierende Einrichtungen beschränkt; im Rahmen seiner Organisationsautonomie ist er vielmehr befugt, weitere Organe, Hilfsorgane und Unterorgane, aber auch spezifische Kommissionen und Expertengremien zu schaffen.4 Ein Beispiel hierfür ist die in § 56 Geschäftsordnung Bundestag (GO-BT) vorgesehene Möglichkeit, eine Enquete-Kommission zur Vorbereitung von Entscheidungen über umfangreiche und bedeutsame Sachkomplexe einzusetzen. Aufgrund der Organisationsautonomie des Bundestages begegnet die Einberufung eines Bürgerrates daher keinen grundsätzlichen Bedenken. Der Bürgerrat darf allerdings lediglich beratend tätig werden. Seinen Empfehlungen darf keine rechtliche Bindungswirkung zukommen, damit kein demokratisches Legitimationsdefizit entsteht.5 1 Schliesky, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz (Hrsg.), Parlamentsrecht, 2016, § 5 Rn. 59. 2 Brocker, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 45. Edition Stand: 15.11.2020, Art. 40 Rn. 4. 3 Brocker, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK Grundgesetz, 45. Edition Stand: 15.11.2020, Art. 40 Rn. 4 ff. 4 Klein, in: Maunz/Dürig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 40 Rn. 81. 5 Vgl. BVerfGE 83, 60 (74); siehe auch die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Neue Formen demokratischer Beteiligungen von Bürgern, WD 3 - 3000 - 037/18, 16 f. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Einrichtung eines bundesweiten Bürgerrats zur Klimapolitik Kurzinformation Einrichtung eines bundesweiten Bürgerrats zur Klimapolitik Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 Es steht dem Bundestag frei, sich dazu zu verpflichten, die Empfehlungen des Bürgerrates zu berücksichtigen, da dadurch die rechtliche Unverbindlichkeit der Empfehlungen des Bürgerrats nicht angefochten wird. Unter „berücksichtigen“ ist zu verstehen, dass die Empfehlungen in die Entscheidungsbildung einbezogen werden und eine Auseinandersetzung mit ihnen stattfindet, ohne dass dabei eine Bindung an ihren Inhalt erfolgt.6 *** 6 Vgl. zum Begriff „berücksichtigen“ Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 16. Auflage 2020, Art. 23 Rn. 58.