© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 022/20 Staatliche Maßnahmen in Bezug auf die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland und Belgien Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 022/20 Seite 2 Staatliche Maßnahmen in Bezug auf die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland und Belgien Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 022/20 Abschluss der Arbeit: 5. März 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 022/20 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird nach den staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus im Hinblick auf die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in Deutschland und in Belgien. 2. Zur Rechtslage in Deutschland Bei den staatlichen Maßnahmen kann grob zwischen repressiven und präventiven Maßnahmen unterschieden werden.1 Es sind folgende zentrale Maßnahmen hervorzuheben: 2.1. Repressive Maßnahmen 2.1.1. Strafverfolgung Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2010 festgestellt, dass die PKK eine terroristische Vereinigung im Ausland ist.2 Dies gilt auch für ihre Strukturen in Deutschland und Europa. Die Bildung terroristischer Vereinigungen sowie die Mitgliedschaft in einer solchen sind in Deutschland gemäß § 129a Strafgesetzbuch (StGB) strafbar. Unter den in § 129b StGB genannten Voraussetzungen gilt § 129a StGB auch für terroristische Vereinigungen im Ausland. Das StGB stellt zudem weitere Handlungen (z. B. Propagandadelikte) im Zusammenhang mit verfassungswidrigen Organisationen unter Strafe, vgl. §§ 84 ff. StGB.3 Nach Angaben des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) wurden seit 1992 auf Anklage des Generalbundesanwalts mehr als 90 Funktionsträger der PKK in Deutschland verurteilt.4 2.1.2. Betätigungsverbot Die PKK ist seit 1993 in Deutschland vom BMI mit einem Betätigungsverbot für das Bundesgebiet belegt. Das Betätigungsverbot stützt sich auf § 14 Abs. 3 Vereinsgesetz und wurde damit begründet, dass die Tätigkeit der PKK gegen Strafgesetze verstößt, sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet sowie die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung und sonstige erhebliche Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Das Verbot erstreckt sich auch auf die späteren 1 Siehe hierzu auch den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Rechtsgrundlagen der Terrorismusbekämpfung, WD 3 - 3000 - 273/18 vom 17. August 2018. 2 BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 – 3 StR 179/10 –, BGHSt 56, 28-39. 3 Siehe auch den Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Strafbarkeit der Mitgliedschaft in kriminellen beziehungsweise verbotenen Vereinigungen, WD 7 - 3000 - 177/16 vom 17. Januar 2017. 4 Pressemitteilung des BMI vom 12. Februar 2019, Bundesinnenminister Horst Seehofer verbietet PKK-Verlag, abrufbar unter https://www.bmi.bund.de/SharedDocs/pressemitteilungen/DE/2019/02/verbot-pkk-verlag.html (letzter Abruf 5. März 2020). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 022/20 Seite 4 Umbenennungen der Organisation und umfasst die von der PKK genutzten Symbole und Kennzeichen .5 2.2. Präventive Maßnahmen 2.2.1. Besondere Befugnisse des Bundeskriminalamts Das Bundeskriminalamt hat zahlreiche Ermittlungsverfahren im Bereich der PKK geführt, die zu Festnahmen von mutmaßlichen PKK-Funktionären geführt haben. Das Bundeskriminalamt hat unter den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Bundeskriminalamtgesetzes6 (BKAG) spezielle Befugnisse für die Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus, wie z. B. Rasterfahndung, verdeckter Eingriff in informationstechnische Systeme, Postbeschlagnahme, Überwachung der Telekommunikation, Aufenthaltsvorgabe und Kontaktverbot, elektronische Aufenthaltsüberwachung, vgl. §§ 38 bis 62 BKAG. 2.2.2. Nachrichtendienstliche Befugnisse Die PKK wird sowohl vom Bundesamt für Verfassungsschutz als auch von verschiedenen Verfassungsschutzbehörden der Länder beobachtet. Das Bundesamt für Verfassungsschutz wertet die PKK als „weiterhin die mitgliederstärkste und schlagkräftigste ausländerextremistische Organisation “7. Über die Entwicklung sowie die Tätigkeiten der PKK und ihrer Unterorganisationen wird regelmäßig im Rahmen der Verfassungsschutzberichte berichtet. Die Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden sind in § 3 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerf- SchG)8 geregelt. Die Norm listet verschiedene sicherheitsgefährdende Bestrebungen und Tätigkeiten auf, die zu einer Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden führen. Der Begriff der terroristischen Vereinigung wird nicht explizit verwendet. Zur Aufklärung internationaler Finanz- und Kommunikationsstrukturen extremistischer und terroristischer Netzwerke haben die Verfassungsschutzbehörden besondere Auskunftsbefugnisse bezüglich Telekommunikationsdaten sowie Daten von Luftverkehrsunternehmen und Kreditinstituten. 2.2.3. Ausländerrechtliche Regelungen Die Klassifizierung einer Vereinigung als terroristische Vereinigung wirkt sich verschiedentlich im Ausländerrecht aus. Zu nennen sind hier insbesondere die Regelausweisung von ausländischen Mitgliedern und Unterstützern terroristischer Vereinigungen gemäß § 54 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) 5 Siehe dazu Bundesamt für Verfassungsschutz, Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), Stand Februar 2019, S. 15 f., abrufbar unter https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/pb-auslaenderextremismus /broschuere-2019-02-arbeiterpartei-kurdistans-pkk (letzter Abruf 5. März 2020). 6 Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten (Bundeskriminalamtgesetz - BKAG) vom 1. Juni 2017 (BGBl. I S. 1354; 2019 I S. 400). 7 Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (Hrsg.), Verfassungsschutzbericht 2018, S. 250, abrufbar unter https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen/verfassungsschutzberichte (letzter Abruf 5. März 2020). 8 Bundesverfassungsschutzgesetz vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954, 2970) zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 30. Juni 2017 (BGBl. I S. 2097). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 022/20 Seite 5 sowie die Möglichkeit einer Abschiebung ohne vorhergehende Ausweisung zur Abwehr einer terroristischen Gefahr gemäß § 58a AufenthG. 3. Zur Rechtslage in Belgien In Kapitel 3, Titel Iter. Art. 137 – 141ter des belgischen Strafgesetzbuches9 finden sich die strafrechtlichen Bestimmungen in Bezug auf den Terrorismus. Art. 141bis belgisches Strafgesetzbuch regelt eine Ausnahme für einen bestimmten Personenkreis: Danach finden die Bestimmungen der Art. 137 ff. belgisches Strafgesetzbuch keine Anwendung, wenn es sich um Tätigkeiten einer Konfliktpartei während eines bewaffneten Konflikts im Sinne des humanitären Völkerrechts handelt . Es war lange umstritten, ob die PKK als Konfliktpartei im Sinne des humanitären Völkerrechts qualifiziert ist und die Ausnahmevorschrift auf sie Anwendung findet. Mit seiner Berufungsentscheidung vom 28. Januar 202010 hat das belgische Kassationsgericht diese Frage endgültig entschieden und dies bejaht. Seitens der belgischen Regierung wird diese Entscheidung wie folgt kommentiert: Das belgische Kassationsgericht habe über den Geltungsbereich der Ausnahmebestimmung des Art. 141bis belgisches Strafgesetzbuch entschieden. Das Kassationsgericht habe damit nicht festgestellt, dass die PKK die Tatbestandsmerkmale der terroristischen Vereinigung nicht erfülle. Im Übrigen könnten PKK-Mitglieder in Belgien auch nach dem Berufungsurteil des belgischen Kassationsgerichts jederzeit für andere Straftaten und Vergehen nach dem belgischen Strafgesetzbuch verfolgt werden. Das belgische Kassationsgericht habe bestätigt, dass das Urteil die Fähigkeit des belgischen Staates, seine internationalen Verpflichtungen im Kampf gegen den Terrorismus in Bezug auf die PKK oder mit ihr verbundenen Organisationen zu erfüllen, nicht beeinträchtige. Die belgische Regierung betont, ihre Position sei unverändert: Die PKK sei eine terroristische Organisation. Belgien werde daher die Aufnahme der PKK und anderer türkischer terroristischer Gruppen in der Verordnung (EG) Nr. 2580/2001 über spezifische, gegen bestimme Personen und Organisationen gerichtete restriktive Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus11 verteidigen. Die belgischen Justizorgane würden weiterhin mit ihren europäischen Partnern an der Verfolgung der PKK zusammenarbeiten, wie sie es seit Jahren täten.12 *** 9 Abrufbar unter http://www.ejustice.just.fgov.be/cgi_loi/change_lg.pl?language =fr&la=F&table_name=loi&cn=1867060801 in französischer Sprache (letzter Abruf 5. März 2020). 10 Urteil des belgischen Kassationsgerichts in Brüssel, vom 28. Januar 2020, Nr. P.19.0310.N, abrufbar unter http://jure.juridat.just.fgov.be/pdfapp/download_blob?idpdf=N-20200128-6 in niederländischer Sprache (letzter Abruf 5. März 2020). 11 Abrufbar unter https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A32001R2580 (letzter Abruf 5. März 2020). 12 Siehe hierzu die Aussagen des belgischen Justizministers Koen Geens im Protokoll der Plenarsitzung der Chambre des Représentants de Belgique vom 30. Januar 2020, CRIV 55 PLEN 022, Frage 3, S. 5 f., abrufbar unter https://www.lachambre.be/doc/PCRI/pdf/55/ip022.pdf in französischer Sprache (letzter Abruf 5. März 2020) sowie die Pressemeldung des Ministers für auswärtige Angelegenheiten und Verteidigung, Philippe Goffin vom 29. Januar 2020, abrufbar unter https://diplomatie.belgium.be/fr/newsroom/nouvelles/2020/le_ministre_goffin_souligne_engagement _sans_equivoque_etat_belge_contre_terrorisme in französischer Sprache (letzter Abruf 5. März 2020).