© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 021/16 Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Regelabfrage bei Verfassungsschutzbehörden zur Prüfung der Zuverlässigkeit im Überwachungsgewerbe Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 2 Verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Regelabfrage bei Verfassungsschutzbehörden zur Prüfung der Zuverlässigkeit im Überwachungsgewerbe Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 021/16 Abschluss der Arbeit: 27. Januar 2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Geltende Rechtslage 4 2.1. Gewerbeordnung und Bewachungsverordnung 4 2.2. Bundesverfassungsschutzgesetz 6 3. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Regelabfrage 7 3.1. Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) 7 3.1.1. Eingriff in den Schutzbereich 7 3.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung – überwiegendes Allgemeininteresse 8 3.2. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) 9 3.2.1. Eingriff in den Schutzbereich 9 3.2.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung – besonders wichtiges Gemeinschaftsgut 10 4. Gesetzliche Regelungen mit (Regel)Beteiligung des Verfassungsschutzes 11 4.1. Radikalenerlass 11 4.2. Sicherheitsüberprüfungsgesetz 12 4.3. Staatsangehörigkeitsgesetz 12 4.4. Atomgesetz, Luftsicherheitsgesetz, Sprengstoffgesetz, Waffengesetz und Überwachung in der Seeschifffahrt 13 4.5. Vergleichbarkeit 14 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 4 1. Einleitung Die Notwendigkeit stärkerer Regulierung privater Sicherheitsunternehmen wurde bereits 2008/2009 in das „Programm Innere Sicherheit“ der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (IMK) aufgenommen und umfassend im Abschlussbericht der länderoffenen Arbeitsgruppe der IMK aus August 2013 behandelt.1 Nicht zuletzt vor dem Hintergrund gewalttätiger Übergriffe auf Bewohner von Flüchtlingsunterkünften durch privates Wachpersonal2 hat der Bund-Länder-Ausschuss Gewerberecht im November 2014 eine Arbeitsgruppe zur Überarbeitung des Bewachungsrechts unter dem Vorsitz des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI) eingesetzt, die am 30. November 2015 ein Eckpunktepapier zur Überarbeitung des Bewachungsrechts veröffentlicht hat.3 Das Papier enthält Vorschläge für strengere Anforderungen und mehr Kontrolle im privaten Überwachungsgewerbe. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Zuverlässigkeit von Personen, die im Überwachungsgewerbe tätig werden wollen, wird zu einer Abfrage bei den Verfassungsschutzbehörden ausgeführt: „Eine Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden wäre nach Einschätzung des Bund- Länder-Ausschusses (…) verfassungsrechtlich bedenklich und auch nicht sinnvoll. Im Einzelfall soll sie aber – sofern den Vollzugsbehörden bekannt – insbesondere für die Fälle der Bewachung von Flüchtlingsunterkünften und von Großveranstaltungen erfolgen können.“4 Vor dem Hintergrund dieser Ausführung wird gefragt, ob es verfassungsrechtlich zulässig wäre, für die Feststellung der Zuverlässigkeit von Betreibern und Angestellten privater Bewachungsunternehmen eine Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden einzuführen. 2. Geltende Rechtslage 2.1. Gewerbeordnung und Bewachungsverordnung Die Voraussetzungen, die für die Erteilung einer Erlaubnis zum Betreiben eines Überwachungsgewerbes erfüllt sein müssen, sind in § 34a Gewerbeordnung (GewO) und in der auf Grundlage des § 34a Abs. 2 GewO erlassenen Verordnung über das Bewachungsgewerbe (BewachV) geregelt. Gemäß § 34a Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewO ist die Erlaubnis unter anderem dann zu versagen, wenn 1 Vgl. Abschlussbericht der länderoffenen Arbeitsgruppe der IMK, Zertifizierung privater Sicherheitsunternehmen, Stand 9. August 2013, http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/13-12-06/Anlage 15.pdf?__blob=publicationFile&v=3. 2 Vgl. nur Antwort der Bundesregierung vom 17. Dezember 2014 auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE – Konsequenzen aus den Misshandlungen von Asylsuchenden durch Angehörige privater Bewachungsunternehmen , BT-Drucks 18/3564 (18/3029) und Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 17. Dezember 2014, Private Sicherheitsfirmen umfassend regulieren und zertifizieren, BT-Drucks 18/3555. 3 Vgl. die entsprechende Pressemitteilung http://www.bmwi.de/DE/Presse/pressemitteilungen,did=742718.html und den Volltext unter http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/eckpunkte-bewachungsrecht,property=pdf,bereich =bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf. 4 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Eckpunktepapier des Bund-Länder-Ausschusses „Gewerberecht“ zur Überarbeitung des Bewachungsrechts, http://www.bmwi.de/BMWi/Redaktion/PDF/E/eckpunkte-bewachungsrecht ,property=pdf,bereich=bmwi2012,sprache=de,rwb=true.pdf, S. 3. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 5 Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller die für den Gewerbebetrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt; dasselbe gilt für Personen, die der Gewerbetreibende zur Durchführung von Bewachungsaufgaben beschäftigen will (§ 34a Abs. 1 Satz 5 GewO). § 9 Abs. 1 Satz 2 BewachV bestimmt, dass die Behörde zur Überprüfung der Zuverlässigkeit eine unbeschränkte Auskunft nach § 41 Abs. 1 Nr. 9 Bundeszentralregistergesetz (BZRG) einholt. Weiterhin liegt die geforderte Zuverlässigkeit nach § 34a Abs. 1 Satz 4 GewO, § 9 Abs. 2 Satz 1 BewachV in der Regel nicht vor, wenn der Betroffene (1) Mitglied in einem nach dem Vereinsgesetz verbotenen Verein ist oder in den letzten zehn Jahren war, (2) Mitglied in einer durch das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig festgestellten Partei ist oder in den letzten zehn Jahren war oder (3) Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) verfolgt oder in den letzten fünf Jahren verfolgt hat. § 9 Abs. 2 Satz 2 BewachV bestimmt , dass die zuständige Behörde deshalb zum Zwecke der Zuverlässigkeitsprüfung von Wachpersonen, die mit Schutzaufgaben in befriedeten Besitztümern bei Objekten, von denen im Falle eines kriminellen Eingriffs eine besondere Gefahr für die Allgemeinheit ausgehen kann, beauftragt werden sollen, zusätzlich bei der für den Sitz der Behörde zuständigen Landesbehörde für Verfassungsschutz die Abfrage des nachrichtendienstlichen Informationssystems veranlassen kann; § 1 des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes (SÜG) bleibt unberührt. Die Möglichkeit dieser „vertieften Zuverlässigkeitsprüfung“ wurde vor dem Hintergrund der Terroranschläge des 11. September 2001 durch das Gesetz zur Änderung des Bewachungsgewerbes vom 23. Juli 2002 (BGBl I, 2724 (2726)) eingefügt. Die Gesetzbegründung führt insoweit aus, dass es vor dem Hintergrund der Terroranschläge in den USA in vielen gesellschaftlichen Bereichen erhöhte Sicherheitsbedürfnisse gebe; dies gelte im privaten Sicherheitsgewerbe insbesondere, wenn Wachleute zum Schutz sabotageempfindlicher Bereiche eingesetzt würden wie zum Beispiel in Chemieunternehmen oder Lebensmittelherstellungsbetrieben.5 Der Hinweis auf das SÜG stelle klar, dass auch dessen Vorschriften zur Anwendung kommen könnten, wenn Wachleute mit sicherheitsempfindlichen Tätigkeiten im Sinne des § 1 SÜG beauftragt würden.6 Die bisher vorgesehene generelle Zuverlässigkeitsprüfung anhand einer unbeschränkten Auskunft aus dem Bundeszentralregister trage diesem speziellen Sicherheitsbedürfnis der Auftraggeber insbesondere von bestimmten Werkschutzkräften nicht ausreichend Rechnung.7 Nach § 15 BewachV sind Staatsanwaltschaften und Gerichte außerdem dazu verpflichtet, die Gewerbebehörden über Erkenntnisse in Strafsachen zu informieren, die die Zuverlässigkeit von Bewachern in Frage stellen. 5 Vgl. BT-Drucks 14/8386, S. 16; als Beispiele für Betriebe, die unter § 9 Abs. 2 Satz 2 BewachV fallen, nennen auch Kommentierungen regelmäßig Chemie- oder ähnliche Unternehmen, vgl. nur Schönleiter, Bewachungsverordnung, 2. Aufl. 2013, Einführung Rn. 43; Höfling, in: Friauf (Hrsg.), Kommentar zur Gewerbeordnung, Lieferung Juli 2009, § 9 BewachV Rn. 6. 6 BT-Drucks 14/8386, S. 17. 7 BT-Drucks 14/8386, S. 17. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 6 2.2. Bundesverfassungsschutzgesetz Zu den Aufgaben der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder (vgl. § 3 Bundesverfassungsschutzgesetz – BVerfSchG) gehört die Sammlung und Auswertung von Informationen über – Bestrebungen, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 BVerfSchG), – sicherheitsgefährdende oder geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 BVerfSchG), – Bestrebungen, die durch Anwendung von Gewalt oder entsprechende Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden (§ 3 Abs. 1 Nr. 3 BVerfSchG), – Bestrebungen, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung (Art. 9 Abs. 2 GG) und/ oder das friedliche Zusammenleben der Völker (Art. 26 Abs. 1 GG) gerichtet sind. Darüber hinaus haben die Verfassungsschutzbehörden die Aufgabe, andere Behörden zu unterstützen bei – Überprüfungen nach dem Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG) zum vorbeugenden personellen Geheimschutz (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 BVerfSchG, § 1 Abs. 2 SÜG) und/oder – zum vorbeugenden personellen Sabotageschutz (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 BVerfSchG, § 1 Abs. 4, 5 SÜG), – Maßnahmen zum vorbeugenden materiellen Geheimschutz (§ 3 Abs. 2 Nr. 3 BVerfSchG) oder – der Überprüfung von Personen in sonstigen gesetzlich bestimmten Fällen (§ 3 Abs. 2 Nr. 4 BVerfSchG). Die in § 3 Abs. 2 BVerfSchG dem Verfassungsschutz zugewiesene Aufgabe der Mitwirkung meint, dass die Verfassungsschutzbehörden nicht von sich aus, sondern auf Ersuchen der für die Sicherheitsprüfung oder Sicherheitsmaßnahme zuständigen Stelle aktiv werden.8 Zu den gesetzlich bestimmten Fällen im Sinne des § 3 Abs. 2 Nr. 4 BVerfSchG werden neben Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach § 7 Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) und nach § 12b Atomgesetz (AtG) auch Überprüfungen nach § 9 BewachV gezählt.9 Die Befugnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) sind im Zweiten Abschnitt des BVerfSchG geregelt (§§ 8 bis 16 BVerfSchG). Als Generalklausel bestimmt § 8 BVerfSchG, dass 8 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, §§ 3, 4 BVerfSchG Rn. 144. 9 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, §§ 3, 4 BVerfSchG Rn. 152. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 7 und unter welchen Voraussetzungen das BfV die zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlichen Informationen erheben, verarbeiten und nutzen darf. Unterschieden wird zwischen der offenen Erkenntnisgewinnung allgemein zugänglicher Daten (§ 8 Abs. 1 BVerfSchG) und der Erkenntnisgewinnung durch die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel (§ 8 Abs. 2 BVerfSchG), deren Voraussetzungen in den folgenden Normen näher ausgestaltet sind. § 10 Abs. 1 BVerfSchG konkretisiert für personenbezogene Daten, dass diese durch das BfV zur Erfüllung seiner Aufgaben gespeichert, verändert und genutzt werden dürfen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für Bestrebungen oder Tätigkeiten nach § 3 Abs. 1 BVerfSchG vorliegen, dies für die Erforschung und Bewertung solcher Tätigkeiten erforderlich ist oder es nach § 3 Abs. 2 BVerfSchG tätig wird. Ermächtigungsgrundlage für die Datenübermittlung durch das BfV ist § 19 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG. Danach darf das BfV personenbezogene Daten inländischen öffentlichen Stellen übermitteln, wenn dies zur Erfüllung seiner Aufgaben erforderlich ist oder der Empfänger die Daten zum Schutz der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder sonst für Zwecke der öffentlichen Sicherheit benötigt. Diese Norm betrifft insbesondere Datenübermittlungen zur Erfüllung einer Mitwirkungsaufgabe des BfV nach § 3 Abs. 2 Nr. 4 BVerfSchG.10 Alle Übermittlungen nach § 19 BVerfSchG stehen jedoch im Ermessen des BfV11, das bei seiner Ermessensentscheidung öffentliche Interessen (nachrichtendienstliche Geheimhaltungsinteressen, Berichterstattungserfordernisse, Sicherheitsaspekte , staatlicher Schutz von Rechtsgütern) und rechtlich geschützte Interessen der Betroffenen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Individualsphärenschutz, mögliche Entlastungsinteressen ) berücksichtigen muss.12 3. Verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Regelabfrage Eine gesetzlich vorgesehene anlasslose Regelabfrage beim BfV zur Prüfung der Zuverlässigkeit von Personen, die im privaten Überwachungsgewerbe tätig werden wollen, ist am Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) (hierzu 3.1.) und an der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufsfreiheit (hierzu 3.2.) zu messen. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit dieser Eingriffe ist insbesondere im Hinblick auf vergleichbare Regelungen zweifelhaft (hierzu 4.). 3.1. Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) 3.1.1. Eingriff in den Schutzbereich Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wird der Schutz des Einzelnen gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung und Weitergabe seiner persönlichen Daten unter den Bedingungen der modernen Datenverarbeitung von dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG umfasst; dieses Grundrecht gewährleistet 10 Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 19 BVerfSchG Rn. 5. 11 Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 19 BVerfSchG Rn. 2. 12 Bock, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 19 BVerfSchG Rn. 10. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 8 die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen.13 In einer gesetzlichen Bestimmung, die zur Überprüfung der Zuverlässigkeit von im privaten Überwachungsgewerbe tätigen Personen eine Regelabfrage beim BfV vorsieht, läge ein selbstständig neben der bereits erfolgten Datenerhebung liegender Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung.14 3.1.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung – überwiegendes Allgemeininteresse Art. 2 Abs. 1 i.Vm. Art. 1 Abs. 1 GG ist nicht schrankenlos gewährleistet; der Einzelne muss vielmehr grundsätzlich Einschränkungen seines Rechts auf informationelle Selbstbestimmung im überwiegenden Allgemeininteresse hinnehmen. Beschränkungen bedürfen einer verfassungsgemäßen gesetzlichen Grundlage, die dem Gebot der Normenklarheit und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen muss.15 Verfassungsrechtlich geboten ist insoweit, informationelle Grundrechtseingriffe auf das Erforderliche zu beschränken.16 Weiterhin ist zu beachten, dass die Eingriffsintensität auch davon abhängt, ob der Betroffene etwa durch Rechtsverletzung einen ihm zurechenbaren Anlass für die Datenerhebung und -übermittlung geschaffen hat: Informationserhebungen gegenüber Personen, die den Eingriff durch ihr Verhalten nicht veranlasst haben, sind grundsätzlich von höherer Eingriffsintensität als anlassbezogene.17 Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind auch die Umstände der Datenerhebung von Bedeutung: Im Zusammenhang mit staatlichen Ermittlungsmaßnahmen hat es festgestellt, dass die Heimlichkeit einer in Grundrechte eingreifenden staatlichen Ermittlungsmaßnahme zur Erhöhung des Gewichts der gesetzgeberischen Freiheitsbeeinträchtigung führt.18 Verfassungsschutzbehörden verfügen über weitreichende Datenerhebungs- und Speicherungsbefugnisse 19, die grundsätzlich eine restriktive Handhabung der Übermittlungspflicht erfordern.20 Insgesamt bewegt sich das Aufgabenfeld des Verfassungsschutzes im nicht strafbewehrten Vorfeld; 13 BVerfGE 65, 1, (1 Leitsatz 1, 38 ff.), st.Rspr. 14 Vgl. BVerfGE 130, 151 (184) dafür, dass Vorschriften, die zum Umgang mit personenbezogenen Daten durch staatliche Behörden ermächtigen, in der Regel verschiedene, aufeinander aufbauende Eingriffe in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG begründen und insoweit zwischen Erhebung, Speicherung und Verwendung von Daten zu unterscheiden ist. 15 BVerfGE 65, 1, (1 Leitsatz 2, 43 f.), st.Rspr. 16 Hilbrans, in: Hofmann/Hoffmann (Hrsg.), Handkommentar Ausländerrecht, 1. Aufl. 2008, § 37 StAG Rn. 4 mit Hinweis auf BVerfGE 65, 1 (44). 17 BVerfGE 100, 313 (376, 392); 107, 299 (320 f.); 109, 279 (353), 113, 29 (53), 113, 348 (383); 115, 320 (354). 18 BVerfGE 107, 299 (321), 115, 166 (194); 115, 320 (353). 19 Vgl. zu den umfassenden Befugnissen durch die jüngste Novellierung des BVerschSchG Marscholleck, Das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes, NJW 2015, 3611 ff. und Bergemann, Die Freiheit im Kopf? – Neue Befugnisse für die Nachrichtendienste. Das Gesetz zur Verbesserung der Zusammenarbeit im Bereich des Verfassungsschutzes, NVwZ 2015, 1705 ff. 20 Hilbrans, in: Hofmann/Hoffmann (Hrsg.), Handkommentar Ausländerrecht, 1. Aufl. 2008, § 37 StAG Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 9 welches er zu beobachten und über das er Informationen zu sammeln sowie auszuwerten hat.21 Die Regelanfrage bei den Verfassungsschutzämtern könnte im Hinblick darauf, dass die Datensammlung umfassend im Vorfeld konkreter Gefahren oder bereits begangener Straftaten stattfindet22, einer Datenübermittlung über Nichtverdächtige gleichkommen.23 An die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Übermittlung derartiger Daten sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders hohe Anforderungen zu stellen: Im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der sog. Rasterfahndung hat es festgestellt, dass auch für die Verfolgung des fundamentalen Staatszwecks der Sicherheit und des Schutzes der Bevölkerung die Verfassung dazu verpflichtet, eine angemessene Balance zwischen Freiheit und Sicherheit herzustellen.24 Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob eine Regelabfrage zur Zuverlässigkeit allein aufgrund der geplanten Ausübung einer Tätigkeit im privaten Überwachungsgewerbe den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen würde. Konkret für die Überwachung von Flüchtlingsunterkünften könnte zwar insoweit in Betracht gezogen werden, dass einerseits eine besondere Gefährdungslage der Untergebrachten im Hinblick darauf besteht, dass sie dem Aufsichtspersonal mit möglicherweise rechtsradikaler Gesinnung in besonderer Weise ausgeliefert wären25; andererseits eine Gefährdung der Sicherheit der Bevölkerung darin liegen könnte, dass dem Islamismus zugeneigtes Bewachungspersonal in Flüchtlingsunterkünften möglicherweise um weitere Anhänger werben könnte. Ob jedoch bereits von einer derart umfassenden Gefährdungslage ausgegangen werden kann, die die anlasslose Abfrage beim Verfassungsschutz rechtfertigt, ist jedoch zweifelhaft. Dies wird auch deutlich, wenn die geplante Regelabfrage beim Verfassungsschutz für das private Überwachungsgewerbe zu den Gesetzen in Beziehung gesetzt wird, in denen der Verfassungsschutz an der Zuverlässigkeitsfeststellung (regelmäßig) zu beteiligen ist (vgl. hierzu ausführlich unten unter 4.). 3.2. Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) 3.2.1. Eingriff in den Schutzbereich Bei Eingriffen in die Berufsfreiheit kann nach der klassischen Stufenlehre des Bundesverfassungsgerichts 26 zwischen Berufsausübungsregelungen, subjektiven Zulassungsvoraussetzungen und 21 Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, §§ 3, 4 BVerfSchG Rn. 87 ff.; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 223; vgl. für die komplexe und umfassende Beschreibung, in welchem Umfang der Verfassungsschutz personenbezogene Daten sammelt Roth, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 8 BVerfSchG Rn. 3 ff. 22 Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 223. 23 So Hilbrans, in: Hofmann/Hoffmann (Hrsg.), Handkommentar Ausländerrecht, 1. Aufl. 2008, § 37 StAG Rn. 6. 24 BVerfGE 115, 329 (358). 25 Vgl. zu der Annahme, dass insbesondere Rechtsextremisten in Sicherheitsdienste drängen Stober, Behördliches Informationsverhalten nach der Meldung von Wachpersonen, GewArch 2014, 97 (97). 26 Vgl. hierzu Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl. 2014. Art. 12 Rn. 125 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 10 objektiven Berufswahlbeschränkungen unterschieden werden. Die Abgrenzung ist für die Verhältnismäßigkeit von Bedeutung: je intensiver in die Berufsfreiheit eingegriffen wird, desto höher sind die Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Berufsausübungsregelungen betreffen lediglich die Art und Weise der Berufsausübung, also das „wie“ der beruflichen Tätigkeit. Sie sind regelmäßig bereits durch vernünftige Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt.27 Subjektive Zulassungsvoraussetzungen sind solche, die die Aufnahme eines Berufes an das Vorliegen persönlicher Eigenschaften, Fähigkeiten, Kenntnisse, Erfahrungen oder Leistungsnachweise knüpfen.28 Sie bedürfen der Rechtfertigung als verhältnismäßige Vorkehrung zum Schutze besonders wichtiger Gemeinschaftsgüter, die der Freiheit des Einzelnen vorgehen.29 Objektive Berufszugangsvoraussetzungen erweisen sich schließlich nur dann als zulässig, wenn sie der Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerwiegender Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dienen.30 Die insbesondere im Gewerberecht als Voraussetzung vieler Tätigkeiten geforderte Zuverlässigkeit, die persönliche Eignung oder das Fehlen bestimmter Vorstrafen werden klassischerweise als subjektive Berufszulassungsvoraussetzungen angesehen.31 3.2.2. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung – besonders wichtiges Gemeinschaftsgut Ob die in der anlasslosen Regelabfrage liegende subjektive Berufszulassungsregelung durch überwiegende Gemeinwohlinteressen gerechtfertigt sein könnte, ist aus ähnlichen wie den im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ausgeführten Gründen zweifelhaft (vgl. oben unter 3.1.2.). In diesem Zusammenhang sei jedoch darauf hingewiesen, dass ein Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers bleibt. Für die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Berufsregelungen hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass sich diese nicht nur aus allgemein anerkannten Gemeinschaftswerten ergeben kann, sondern auch aus solchen Gemeinschaftswerten, die sich erst aus den besonderen wirtschafts-, sozial- und gesellschaftspolitischen Zielen des Gesetzgebers ergeben.32 Das Bundesverfassungsgericht könne die Berufsregelungen in solchen Fällen nicht schon deswegen beanstanden, weil die ihnen zugrunde liegenden politischen Auffassungen umstritten seien: 27 Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl. 2014. Art. 12 Rn. 127 f. 28 Wilms, in: Hümmerich/Boecken/Düwell (Hrsg.), Nomos Kommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2010, Art. 12 GG Rn. 29. 29 Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl. 2014. Art. 12 Rn. 131 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerfG. 30 Mann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 7. Aufl. 2014. Art. 12 Rn. 133 mit zahlreichen Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerfG. 31 Vgl. nur Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 3. Aufl. 2013, Art. 12 Rn. 67; Wilms, in: Hümmerich/ Boecken/Düwell (Hrsg.), Nomos Kommentar Arbeitsrecht, 2. Aufl. 2010, Art. 12 GG Rn. 29. 32 Vgl. BVerfGE 13, 97 (97 Leitsatz 2, 107). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 11 „Das Gericht ist insoweit auf die Prüfung beschränkt, ob die öffentlichen Interessen, deren Schutz die gesetzliche Regelung dient, überhaupt Gemeinschaftswerte von so hohem Rang darstellen können, dass sie eine Einschränkung der freien Berufswahl rechtfertigen. Den Anschauungen des Gesetzgebers darf es die Anerkennung nur versagen, wenn sie offensichtlich fehlsam oder mit der Wertordnung des Grundgesetzes unvereinbar sind.“33 Insoweit kann keine abschließende Prognose darüber gestellt werden, ob eine anlasslose Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden zur Zuverlässigkeit von im privaten Überwachungsgewerbe tätigen Personen durch ein überragendes Gemeinschaftswohl gerechtfertigt sein könnte, wenn etwa im Bereich der bei der Überwachung von Flüchtlingsunterkünften konkrete Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass zunehmend die Gefahr terroristischer Anwerbung besteht. 4. Gesetzliche Regelungen mit (Regel)Beteiligung des Verfassungsschutzes Dass die Einführung einer anlasslosen Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden für die Prüfung der Zuverlässigkeit von Personen, die im privaten Überwachungsgewerbe tätig werden wollen, verfassungsrechtlich nicht unproblematisch wäre, ergibt sich auch aus einer Betrachtung der Rechtsgebiete, in denen nach derzeitiger Rechtslage eine (Regel)Abfrage bei den Verfassungsschutzbehörden vorgesehen ist. 4.1. Radikalenerlass Zunächst sei darauf hingewiesen, dass in Deutschland nach den am 28. Januar 1972 auf Vorschlag der Innenministerkonferenz erlassenen „Grundsätzen zur Frage der verfassungsfeindlichen Kräfte im öffentlichen Dienst“ – dem sog. Radikalenerlass – eine Regelabfrage bei den Verfassungsschutzbehörden für jegliche Einstellung in den öffentlichen Dienst vorgesehen war. Den „Radikalenerlass“ hat das Bundesverfassungsgericht zwar als verfassungsrechtlich zulässig erachtet; dies jedoch unter ausdrücklicher Betonung der besonderen Anforderungen an das Berufsbeamtentum, für das verlangt werden dürfe, dass der Bewerber jederzeit die Gewähr dafür biete, für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.34 Unabhängig davon, dass diese Ausführungen im Zusammenhang mit der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Beschränkung der Berufsfreiheit ausdrücklich auf die Besonderheiten des öffentlichen Dienstes bezogen wurden, hat das Bundesverfassungsgericht in derselben Entscheidung im Zusammenhang mit dem juristischen Vorbereitungsdienst in einem obiter dictum festgestellt, dass anlasslose Ermittlungen bei den (Staatsschutz )Behörden im Vorfeld der Einstellung mit dem im Rechtsstaatsprinzip verankerten Gebot der Verhältnismäßigkeit schwerlich vereinbar seien.35 33 BVerfGE 13, 97 (107). 34 BVerfGE 39, 334 (335 Leitsatz 10). 35 BVerfGE 39, 334 (356 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 12 4.2. Sicherheitsüberprüfungsgesetz Zentrale geltende Rechtsgrundlage für eine Regelanfrage bei den Nachrichtendiensten des Bundes ist das Sicherheitsüberprüfungsgesetz (SÜG), das für staatsnahe Bereiche, in denen eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 SÜG ausgeübt wird, bereits auf der ersten Stufe – der einfachen Sicherheitsprüfung nach § 8 SÜG – unter anderem Anfragen bei den Nachrichtendiensten des Bundes vorsieht (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 SÜG).36 Im Bereich des Sicherheitsüberprüfungsgesetzes sind die Verfassungsschutzbehörden jedoch nicht (lediglich) mitwirkende Behörde, sondern nehmen eine eigene Bewertung der über die betreffende Person vorliegenden Erkenntnisse vor.37 4.3. Staatsangehörigkeitsgesetz Nach § 37 Abs. 2 Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) übermitteln die Einbürgerungsbehörden den Verfassungsschutzbehörden zur Ermittlung von Ausschlussgründen nach § 11 StAG die bei ihnen gespeicherten personenbezogenen Daten der Antragsteller und unterrichten die Verfassungsschutzbehörden die anfragende Stelle unverzüglich nach Maßgabe der insoweit bestehenden besonderen gesetzlichen Verwendungsregelungen. Diese Regelanfrage wurde auf Initiative der damaligen Oppositionsparteien38 mit Wirkung vom 1. Januar 2005 eingefügt zu dem Zweck, nach den Ereignissen des 11. September 2001 alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um Terroristen vom Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit auszuschließen.39 Mit Blick auf die hohen Anforderungen der Sicherheit, insbesondere zur Sicherstellung der einheitlichen Anwendung der Extremistenklausel (§ 11 StAG), sollte die Regelanfrage bei den Verfassungsschutzbehörden nach dem Willen des Gesetzgebers abweichungsfest ausgestaltet werden.40 Die so ausgestaltete Regelanfrage wird jedoch in der Literatur als verfassungsrechtlich bedenklich bewertet41; die Anfrage dürfe nicht routinemäßig vorgenommen werden, sondern nur dann, wenn sich bereits ein konkreter Anlass für die mögliche Erfüllung der Ausweisungs - und Ausschlussgründe aus sonstigen Unterlagen oder Angaben ergeben habe.42 Auch der Umfang der Übermittlung sei durch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und den Übermittlungszweck begrenzt43; die Verfassungsschutzbehörden müssten die Unterrichtung auf die 36 Vgl. grundlegend zum SÜG die Kommentierung von Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, Abschnitt Q. 37 Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 SÜG Rn. 6a 38 Vgl. BT-Drucks 15/955, S. 44. 39 Vgl. BT-Drucks 15/955, S. 44. 40 Renner/Maaßen, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, (Hrsg.), Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 37 Rn. 2 mit Hinweis auf BR Drucks 224/07. 41 Vgl. umfassend Hilbrans, in: Hofmann/Hoffmann (Hrsg.), Handkommentar Ausländerrecht, 1. Aufl. 2008, § 37 StAG Rn. 4 ff. m.w.N. 42 Renner/Maaßen, in: Hailbronner/Renner/Maaßen (Hrsg.), Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 37 Rn. 11. 43 Renner/Maaßen, in: Hailbronner/Renner/Maaßen (Hrsg.), Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 37 Rn. 11. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 13 genannten Tatbestände beschränken und die einschlägigen gesetzlichen Verwendungsregeln genau beachten.44 4.4. Atomgesetz, Luftsicherheitsgesetz, Sprengstoffgesetz, Waffengesetz und Überwachung in der Seeschifffahrt Neben den genannten Regelungen ist eine anlasslose Regelanfrage bei den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder zur Überprüfung der Zuverlässigkeit – soweit ersichtlich – lediglich bei Personen vorgesehen, die Atomanlagen betreiben (§ 12b Abs. 1 Nr. 1 Atomgesetz (AtG), bei deren Errichtung oder Betrieb (§ 12b Abs. 1 Nr. 2 AtG) oder beim Umgang mit radioaktiven Stoffen oder bei deren Beförderung (§ 12b Abs. 1 Nr. 3 AtG) tätig sind oder bei Sachverständigen im Sinne des § 20 AtG (§ 12b Abs. 1 Nr. 4 AtG). Nach § 12b Abs. 3 Nr. 2 AtG darf die zuständige Behörde zur Überprüfung der Zuverlässigkeit dieser Betroffenen bei den Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutsamen Erkenntnisse anfragen. Im Luftsicherheitsgesetz (LuftSiG) bestimmt § 7 Abs. 3 Nr. 2 LuftSiG, dass die zur Überprüfung der Zuverlässigkeit zuständige Luftsicherheitsbehörde Anfragen bei den Polizeivollzugs- und den Verfassungsschutzbehörden der Länder sowie, soweit im Einzelfall erforderlich, unter anderem beim BfV die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit bedeutsamen Informationen erfragen darf. Eine Anfrage beim BfV ist auch nach dieser Norm nur anlassbezogen und nicht als Regelabfrage zulässig. Im Zusammenhang mit der Prüfung der Zuverlässigkeit nach dem Sprengstoffgesetz (SprengstoffG) bestimmt § 8a Abs. 5 Nr. 4 SprengstoffG, dass die zuständige Behörde im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung die Auskunft der für den Wohnsitz des Betroffenen zuständigen Verfassungsschutzbehörde einholen kann, soweit bekannt ist, dass die betreffende Person Mitglied in einem nach dem Vereinsgesetz verbotenen Verein war oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt werden. Bei der für die Erteilung einer Erlaubnis zum Waffenbesitz vorgesehenen Prüfung der Zuverlässigkeit ist im Waffengesetz selbst keine Einholung einer Auskunft beim BfV vorgesehen. § 5 Abs. 5 Waffengesetz (WaffG) bestimmt insoweit, dass die zuständige Behörde im Rahmen der Zuverlässigkeitsprüfung die unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister (§ 5 Abs. 5 Nr. 1 WaffG), die Auskunft aus dem zentralen staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister hinsichtlich konkret in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG genannter Straftaten (§ 5 Abs. 5 Nr. 2 WaffG) und die Stellungnahme der örtlichen Polizeidienststelle, ob Tatsachen bekannt sind, die Bedenken gegen die Zuverlässigkeit begründen (§ 5 Abs. 5 Nr. 3 WaffG), einholen darf. Die zum Waffengesetz durch das Bundesministerium des Innern erlassene Allgemeine Verwaltungsvorschrift (WaffVwV) führt zur Prüfung der Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG zwar aus, dass die in § 5 Abs. 5 WaffG genannten Erkenntnisquellen nicht abschließend seien und sich eine ergänzende Anfrage bei den zuständigen Landesbehörden für Verfassungsschutz anbiete. Dies jedoch nur im Einzelfall und insbesondere, wenn sich aus den nach § 5 Abs. 5 WaffG zwingend einzuholenden Stellungnahmen entsprechende Anhaltspunkte ergäben (vgl. Nr. 5.5 WaffVwV). 44 Renner/Maaßen, in: Hailbronner/Renner/Maaßen (Hrsg.), Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 37 Rn. 12. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 021/16 Seite 14 Weder in dem durch Gesetz vom 13. Dezember 2012 zur Einführung von Zulassungsverfahren für die Bewachung von Seeschiffen eingefügten § 31 GewO noch in der entsprechenden, auf Grundlage des § 31 Abs. 4 GewO erlassenen Verordnung über die Zulassung von Bewachungsunternehmen auf Seeschiffen (Seeschiffbewachungsverordnung – SeeBewachV) ist eine (anlassbezogene) Abfrage bei Verfassungsschutzbehörden zur Prüfung der Zuverlässigkeit vorgesehen. 4.5. Vergleichbarkeit Die aufgeführten Regelungen betreffen Bereiche, in denen eine deutlich höhere Gemeinwohlgefährdung droht als bei privaten Bewachungsunternehmen. Eine den Verfassungsschutz involvierende Zuverlässigkeitsprüfung ist regelmäßig nur in sensiblen Bereichen mit hohem Schadenspotential vorgesehen.45 Jedenfalls ohne eine konkretere Differenzierung des Tätigkeitsfeldes, in dem die privaten Bewachungsunternehmen tätig werden, lassen es diese Regelungen, die ihrerseits die Regelabfrage ohne zusätzliche Verdachtsmomente nur im Ausnahmefall vorsehen, zweifelhaft erscheinen, dass eine anlasslose Regelabfrage beim BfV für die Prüfung der Zuverlässigkeit von im privaten Überwachungsgewerbe einzusetzenden Personen verfassungsrechtlich zulässig festgeschrieben werden könnte. Ende der Bearbeitung 45 Vgl. für diese zusammenfassende Beschreibung der Bereiche Warg, in: Schenke/Graulich/Ruthig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2014, § 1 SÜG Rn. 6a.