© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 020/17 Vergleich ausgewählter präventivpolizeilicher Standardmaßnahmen im Recht des Bundes und der Länder Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 2 Vergleich ausgewählter präventivpolizeilicher Standardmaßnahmen im Recht des Bundes und der Länder Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 020/17 Abschluss der Arbeit: 16. Februar 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Tabellarische Übersicht 4 3. Vergleich der Standardmaßnahmen 7 3.1. Schleierfahndung 7 3.2. Observation 8 3.3. Gewahrsam 10 3.4. Telekommunikationsüberwachung 12 3.5. Verkehrsdatenerhebung 14 3.6. Ortung über das Mobilfunknetz 15 3.7. Funkzellenabfrage 15 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 4 1. Einleitung Gegenstand der Untersuchung sind die folgenden präventivpolizeilichen Maßnahmen: sogenannte Schleierfahndung, Observation, Gewahrsam, Telekommunikationsüberwachung (TKÜ), Verkehrsdatenerhebung, Ortung von Mobilfunkgeräten und Funkzellenabfrage. Soweit das Bundespolizeigesetz (BPolG), das Bundeskriminalamtgesetz (BKAG) oder die Polizeigesetze der Länder entsprechende Standardmaßnahmen kennen, werden die Normen in einer tabellarischen Übersicht aufgeführt und anschließend in ihren Grundzügen verglichen. Die Aussagekraft eines solchen Vergleichs auf Normebene ist begrenzt. Zunächst ist zu beachten, dass die Vorschriften stets im Zusammenhang des jeweiligen Gesetzes auszulegen sind. Daher können ähnliche oder gleichlautende Normen und Begriffe in verschiedenen Gesetzen unterschiedlich auszulegen sein; umgekehrt können Normen trotz abweichender Formulierungen gleich ausgelegt werden. Eine weitere Einschränkung der Vergleichbarkeit ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen der polizeilichen Generalklausel und den Standardmaßnahmen, also den im Gesetz ausdrücklich benannten speziellen Befugnisnormen: Fehlt in einem Polizeigesetz eine bestimmte Standardmaßnahme, folgt daraus nicht zwingend die Unzulässigkeit der Maßnahme im Anwendungsbereich des Gesetzes. In gewissen Grenzen1 kann nämlich eine nicht ausdrücklich geregelte Maßnahme auf die Generalklausel gestützt werden. Schließlich können sich weitere Voraussetzungen oder Rechtsfolgen aus anderen, nicht auf Anhieb ersichtlichen Normen des jeweils anwendbaren Rechts ergeben. 2. Tabellarische Übersicht Die folgende Tabelle bietet eine Übersicht über die einschlägigen Normen des BPolG, des BKAG und der Polizeigesetze der Länder. Dabei wird nur die zentrale Befugnisnorm angegeben; weitere Tatbestandsvoraussetzungen können sich aus anderen Vorschriften ergeben. Die zugrundeliegenden Definitionen der Maßnahmen werden im Anschluss erläutert. 1 Unter welchen Voraussetzungen eine Maßnahme beim Fehlen einer speziellen Befugnisnorm auf die Generalklausel gestützt werden kann, ist umstritten: Der Rückgriff auf die Generalklausel wird entweder bei qualifizierter Eingriffsintensität oder bei typischen, häufiger vorkommenden Eingriffen abgelehnt; vgl. nur BVerwGE 115, 189, 194 ff.; Rachor, in: Lisken/Denninger (Hrsg.), Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl., München 2012, E Rn. 715 ff.; Gusy, Polizei- und Ordnungsrecht, 10. Aufl., Tübingen 2017, Rn. 184; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht , 9. Aufl., München 2016, Rn. 16 ff. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 5 Schleierfahndung Observation Gewahrsam TKÜ Verkehrsdaten Ortung Funkzellenabfrage Bundesrecht2 §§ 22 Ia, 23 I Nr. 3 BPolG § 28 I, II Nr. 1 BPolG; § 20g I, II Nr. 1 BKAG § 39 I BPolG; § 20p I BKAG § 20l I BKAG § 20m I BKAG § 20n BKAG Baden- Württemberg3 § 26 I Nr. 6 PolG § 22 I Nr. 1, III PolG § 28 I PolG § 23a I PolG § 23a VI Nr. 1 PolG Bayern4 Art. 13 I Nr. 5 PAG Art. 33 I Nr. 1, II PAG Art. 17 I PAG Art. 34a I PAG Art. 34b II PAG Art. 34a II, III PAG Berlin5 § 25 I 1 Nr. 1 ASOG § 30 I ASOG § 25a ASOG Brandenburg6 § 11 III, 12 Nr. 6 PolG § 32 I, IV PolG § 17 I PolG § 33b I PolG § 33b VI PolG § 33b VI PolG Bremen7 § 13 V PolG § 32 I, III PolG § 15 I PolG 2 Das Bundespolizeigesetz (Gesetz über die Bundespolizei, BPolG) ist abrufbar unter https://www.gesetze-im-internet .de/bgsg_1994/; das Bundeskriminalamtgesetz (Gesetz über das Bundeskriminalamt und die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in kriminalpolizeilichen Angelegenheiten, BKAG) unter https://www.gesetze-im-internet .de/bkag_1997/; alle Internet-Quellen zuletzt abgerufen am 9. Februar 2017. 3 Das baden-württembergische Polizeigesetz (PolG BW) ist abrufbar unter http://www.landesrecht-bw.de/jportal /?quelle=jlink&query=PolG+BW&psml=bsbawueprod.psml&max=true&aiz=true. 4 Das Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Bayerischen Staatlichen Polizei (BayPAG) ist abrufbar unter http://gesetze-bayern.de/Content/Document/BayPAG?AspxAutoDetectCookieSupport=1. 5 Das Allgemeine Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung in Berlin (ASOG Bln) ist abrufbar unter http://gesetze.berlin.de/jportal/?quelle=jlink&query=ASOG+BE&psml=bsbeprod.psml&max=true&aiz=true. 6 Das Gesetz über die Aufgaben, Befugnisse, Organisation und Zuständigkeit der Polizei im Land Brandenburg (PolG Bbg) ist abrufbar unter http://bravors.brandenburg.de/gesetze/bbgpolg_2016. 7 Das Bremische Polizeigesetz (BremPolG) ist abrufbar unter http://transparenz.bremen.de/sixcms/detail.php?gsid=bremen2014_tp.c.69192.de&template=20_gp_ifg_meta_detail_d. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 6 Schleierfahndung Observation Gewahrsam TKÜ Verkehrsdaten Ortung Funkzellenabfrage Hamburg8 § 9 I PolDVG § 13 I SOG § 10b I DVPolG § 10d I DVPolG § 10d III Nr. 2 DVPolG Hessen9 § 18 II Nr. 6 SOG § 15 I Nr. 1, II SOG § 32 I SOG § 15a I SOG § 15a II SOG § 15a I, III SOG Mecklenburg- Vorpommern10 § 27a SOG § 33 I Nr. 1, II SOG § 55 I SOG § 34a I, II Nr. 1 SOG § 34a I, II Nr. 2 SOG § 34a I, II Nr. 3 SOG Niedersachsen11 § 12 VI SOG § 34 I SOG § 18 I SOG § 33a I, II Nr. 1 SOG § 33a I, II Nr. 2 SOG § 33a I, II Nr. 3, § 33b I SOG Nordrhein- Westfalen12 § 16a I, IV PolG § 35 PolG § 20a I Nr. 2 PolG § 20b PolG Rheinland- Pfalz13 § 9a IV POG § 28 I, II Nr. 1 POG § 14 I POG § 31 I, II POG § 31 I, II POG § 31a I POG § 31e POG Saarland14 § 9a I PolG § 28 I, II Nr. 1 PolG § 13 I PolG § 28b I PolG § 28c I PolG § 28c I PolG 8 Das hamburgische Gesetz zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (SOG HH) ist abrufbar unter http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr- SOGHArahmen; das Gesetz über die Datenverarbeitung der Polizei (DVPolG HH) ist abrufbar unter http://www.landesrecht-hamburg.de/jportal/portal/page/bshaprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr- PolDVGHArahmen&doc.part=X&doc.origin=bs. 9 Das Hessische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) ist abrufbar unter http://www.lexsoft.de/cgi-bin/lexsoft/justizportal_nrw.cgi?xid=169564,1. 10 Das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (SOG MV) ist abrufbar unter http://www.landesrecht-mv.de/jportal/portal/page/bsmvprod.psml?showdoccase=1&doc.id=jlr- SOGMV2011rahmen&doc.part=X&doc.origin=bs. 11 Das Niedersächsische Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (NdsSOG) ist abrufbar unter http://www.ndsvoris .de/jportal/portal/?quelle=jlink&query=SOG+ND&psml=bsvorisprod.psml&max=true&aiz=true. 12 Das Polizeigesetz des Landes Nordrhein-Westfalen (PolG NRW) ist abrufbar unter https://recht.nrw.de/lmi/owa/br_text_anzeigen?v_id=3120071121100036031. 13 Das rheinland-pfälzische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (POG RP) ist abrufbar unter http://landesrecht.rlp.de/jportal/?quelle=jlink&query=PolG+RP&psml=bsrlpprod.psml. 14 Das Saarländische Polizeigesetz (SPolG) ist abrufbar unter http://sl.juris.de/cgibin /landesrecht.py?d=http://sl.juris.de/sl/PolG_SL_rahmen.htm. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 7 Schleierfahndung Observation Gewahrsam TKÜ Verkehrsdaten Ortung Funkzellenabfrage Sachsen15 § 19 I 1 Nr. 5 PolG § 38 I Nr. 1, II PolG § 22 I PolG Sachsen- Anhalt16 § 14 III SOG § 17 I Nr. 1, II, VIa SOG § 37 I SOG § 17b I SOG § 17b II SOG § 23b II SOG Schleswig- Holstein17 § 180 III 1 Nr. 2 LVwG § 185 I 1, II LVwG § 204 I LVwG § 185a I, II Nr. 1 LVwG § 185a I, II Nr. 2 LVwG § 185a I, II Nr. 3 LVwG Thüringen18 § 14 I Nr. 5 PAG § 34 I, II Nr. 1 PAG § 19 I PAG § 34a PAG § 34b PAG § 34c PAG 3. Vergleich der Standardmaßnahmen 3.1. Schleierfahndung Der Begriff der Schleierfahndung bezeichnet verdachts- und ereignisunabhängige Kontrollen, die von der Polizei in bestimmten Gebieten und an bestimmten Orten durchgeführt werden können.19 Außer in Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen finden sich in allen Landespolizeigesetzen sowie im BPolG Vorschriften zur Schleierfahndung. Die Schleierfahndung ist in an unterschiedlichen Orten zulässig: In Ländern mit einer Bundesgrenze sind oftmals verdachts- und ereignisunabhängige Kontrollen im Grenzgebiet bis zu einer 15 Das Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (SächsPolG) ist abrufbar unter https://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/3189-SaechsPolG. 16 Das Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt (SOG LSA) ist abrufbar unter http://www.landesrecht.sachsenanhalt .de/jportal/?quelle=jlink&query=SOG+ST&psml=bssahprod.psml&max=true&aiz=true. 17 Das Allgemeine Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein (LVwG SH) ist abrufbar unter http://www.gesetzerechtsprechung .sh.juris.de/jportal/?quelle=jlink&query=VwG+SH&psml=bsshoprod.psml&max=true&aiz=true. 18 Das Thüringer Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Polizei (ThürPAG) ist abrufbar unter http://landesrecht .thueringen.de/jportal/?quelle=jlink&query=PolAufG+TH&psml=bsthueprod.psml&max=true&aiz=true. 19 Borsdorff, in: Möllers (Hrsg.), Wörterbuch der Polizei, 2. Aufl., München, 2010, Art. Schleierfahndung, S. 1675. Nicht unter den Begriff der Schleierfahndung fallen Kontrollen an gefährlichen und gefährdeten Orten (vgl. nur § 21 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 ASOG Bln) sowie an eigens eingerichteten Kontrollstellen (vgl. § 21 Abs. 2 Nr. 4 ASOG Bln). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 8 Tiefe von 30 Kilometern sowie in Hafen- und Küstengewässern erlaubt.20 Viele Landespolizeigesetze erlauben anlasslose Kontrollen in öffentlichen Einrichtungen des internationalen Verkehrs.21 Dazu zählen insbesondere Fernzüge, Flugzeuge, Schiffe, Bahnhöfe, Flughäfen, Häfen und Autobahnraststätten .22 Teilweise werden die Einrichtungen von den Polizeigesetzen auch konkret benannt.23 In einigen Ländern ist die Schleierfahndung auf Durchfahrtsstraßen zulässig.24 Die Polizeigesetze nennen hier in der Regel Bundesautobahnen, Europastraßen und andere Straßen mit erheblicher Bedeutung für den grenzüberschreitenden Verkehr.25 Kontrolliert werden darf nach den Befugnisnormen zur Schleierfahndung jeder, der sich an einem der genannten Orte aufhält. Nicht erforderlich sind Tatsachen, die die Annahme begründen, dass von der zu überprüfenden Person eine Gefahr ausgeht. Teilweise wird jedoch verlangt, dass Lageerkenntnisse vorliegen, die auf grenzüberschreitende Kriminalität an dem jeweiligen Ort hindeuten.26 Die im Rahmen der Schleierfahndung zulässigen Kontrollmaßnahmen reichen je nach Polizeigesetz von einem kurzzeitigen Anhalten und Befragen über die Identitätsfeststellung bis hin zur Inaugenscheinnahme von mitgeführten Sachen27 einschließlich einer Kofferraumkontrolle.28 3.2. Observation Unter einer Observation versteht man die planmäßige und zumeist heimliche Beobachtung einer Person mit dem Ziel, deren Verhalten, Vorhaben oder Kontakte zu ermitteln.29 Es wird zwischen kurzfristiger und längerfristiger Observation unterschieden. Nach einigen Polizeigesetzen dauert die längerfristige Observation länger als 24 Stunden oder findet an mehr als zwei Tagen statt.30 Dagegen wird in Baden-Württemberg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Sachsen- 20 Vgl. etwa. § 23 Abs. 1 Nr. 3 BPolG; § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SächsPolG; § 180 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 LVwG SH. 21 § 26 Abs. 1 Nr. 6 PolG BW; Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG; § 18 Abs. 2 Nr. 6 HSOG; § 27a SOG MV; § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SächsPolG; § 14 Abs. 1 Nr. 5 ThürPAG. 22 Rachor, in: Lisken/Denninger (Fn. 1), E Rn. 359. 23 Vgl. z.B. § 14 Abs. 3 S. 1 PolG LSA: „Autohof“. 24 § 26 Abs. 1 Nr. 6 PolG BW; Art. 13 Abs. 1 Nr. 5 BayPAG; § 18 Abs. 2 Nr. 6 HSOG; § 19 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SächsPolG; § 14 Abs. 1 Nr. 5 ThürPAG. 25 Vgl. z.B. § 26 Abs. 1 Nr. 6 PolG BW. 26 Vgl. etwa § 12 Abs. 1 Nr. 6 PolG Bbg; unter dieser Voraussetzung kann nach § 13 Abs. 5 BremPolG, § 12 Abs. 6 NdsSOG und § 9a Abs. 4 POG RP überall im öffentlichen Verkehrsraum kontrolliert werden. 27 Vgl. z.B. § 14 Abs. 3 S. 1 SOG LSA. 28 Die Kofferraumkontrolle nennt etwa § 27a Abs. 1 S. 1 SOG MV. 29 Pieroth/Schlink/Kniesel (Fn. 1), § 14 Rn. 100. 30 Vgl. etwa § 25 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ASOG Bln; vgl. auch Pieroth/Schlink/Kniesel (Fn. 1), § 14 Rn. 104. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 9 Anhalt und Schleswig-Holstein darauf abgestellt, ob die Observation innerhalb einer Woche 24 Stunden überschreitet oder insgesamt einen Zeitraum von mehr als einer Woche umfasst.31 In Sachsen kommt es darauf an, ob die Observation innerhalb eines Monats 24 Stunden überschreitet oder sich auf einen Zeitraum erstreckt, der über einen Monat hinausgeht.32 Die kurzfristige Observation wird nur in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt ausdrücklich erwähnt.33 In allen anderen Ländern wird die Maßnahme auf die jeweilige Datenerhebungsgeneralklausel gestützt.34 Die längerfristige Observation ist in allen Polizeigesetzen als Standardmaßnahme normiert. Zuständig für die Anordnung ist zumeist die Leitung der Polizeibehörde35 oder ein von dem Behördenleiter bestimmter Beamter.36 In Bremen, im Saarland, in Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen besteht, außer bei Gefahr im Verzug, ein Richtervorbehalt.37 Die Anordnung muss in einigen Ländern schriftlich erfolgen38 oder aktenkundig39 gemacht werden. Meist ist die Maßnahme nur befristet zulässig, wobei eine Verlängerung angeordnet werden kann.40 Die Polizeigesetze nennen unterschiedliche Schutzgüter: In fast allen Ländern ist eine längerfristige Observation zur Abwehr von Gefahren für Leib oder Leben einer Person zulässig; in vielen Polizeigesetzen wird auch die Freiheit der Person geschützt.41 Teils wird der Bestand des Staates 31 § 22 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW; § 33 Abs. 1 Nr. 1 SOG MV; § 34 Abs. 1 NdsSOG; § 17 Abs. 1 Nr. 1 SOG LSA; § 185 Abs. 1 Nr. 1 LVwG SH. 32 § 38 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG. 33 § 32 Abs. 4 PolG Bbg; § 32 Abs. 3 BremPolG; § 9 Abs. 4 DVPolG HH; § 16a Abs. 4 PolG NRW; § 17 Abs. 6a SOG LSA. 34 Borsdorff, in: Möllers (Fn. 19), S. 1357; Pieroth/Schlink/Kniesel (Fn.1), § 14 Rn. 101. 35 Vgl. etwa § 28 Abs. 3 S. 1 BPolG; § 22 Abs. 6 S. 1 PolG BW; § 16a PolG NRW. 36 Vgl. etwa § 28 BPolG; § 22 Abs. 6 S. 2 PolG BW; Art. 33 Abs. 5 S. 2 BayPAG; § 25 Abs. 3 S. 2 ASOG Bln. 37 § 32 Abs. 2 BremPolG; § 28 Abs. 3 SPolG; § 17 Abs. 5 SOG LSA; § 186 Abs. 1 S. 1 LVwG SH; § 36 Abs. 4 S. 1 ThürPAG. 38 Vgl. z.B. Art. 33 Abs. 5 S. 4 BayPAG. 39 Vgl. z.B. § 25 Abs. 3 S. 3 ASOG Bln. 40 Vgl. z.B. Art. 33 Abs. 5 S. 4 und 5 BayPAG. 41 § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BPolG, § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG BW; § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PolG Bbg, § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BremPolG; § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 DVPolG HH; § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 HSOG; § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a NdsSOG; § 16a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PolG NRW; § 38 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SächsPolG; § 185 Abs. 2 S. 1 LVwG SH; § 34 Abs. 1 ThürPAG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 10 genannt,42 teils Sachen von bedeutendem Wert,43 in Schleswig Holstein zudem die Umwelt.44 In den meisten Ländern ist die längerfristige Observation auch zur Abwehr von Straftaten von erheblicher Bedeutung zulässig.45 Das BayPAG nennt keine besonderen Schutzgüter.46 Observiert werden dürfen neben dem Störer in der Regel auch Kontakt- und Begleitpersonen, wenn dies zur Gefahrenabwehr erforderlich ist.47 Alle Polizeigesetze betonen die Erforderlichkeit der Maßnahme. Die Aufklärung des Sachverhalts muss auf andere Weise ausgeschlossen erscheinen; die Formulierungen weichen im Einzelnen ab.48 Zudem regeln nahezu alle Polizeigesetze ausdrücklich , dass im Rahmen der Observation auch personenbezogene Daten über Dritte erhoben werden dürfen, soweit dies unvermeidbar ist.49 Einige Polizeigesetze enthalten Vorschriften zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung.50 3.3. Gewahrsam Eine Person befindet sich in polizeilichem Gewahrsam, wenn sie von der Polizei daran gehindert wird, einen eng umgrenzten Raum zu verlassen; die meisten Polizeigesetze stellen das Festhalten dem Gewahrsam gleich.51 Alle untersuchten Polizeigesetze enthalten Vorschriften zum Gewahrsam. Formell unterliegt der Gewahrsam nach allen Polizeigesetzen entsprechend Art. 104 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) einem Richtervorbehalt. Die richterliche Entscheidung ist unverzüglich einzuholen .52 Sie ist – nach allen Polizeigesetzen – nur dann nicht erforderlich, wenn anzunehmen ist, dass sie erst nach Ende der Maßnahme ergehen würde. Der Grund der Freiheitsentziehung ist dem Betroffenen unverzüglich bekanntzugeben. Nach den meisten Polizeigesetzen ist der Betroffene 42 § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BPolG; § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG BW; § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 DVPolG HH; § 38 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SächsPolG; § 34 Abs. 1 ThürPAG. 43 § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BPolG; § 22 Abs. 3 Nr. 1 PolG BW; § 38 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 SächsPolG; § 185 Abs. 2 S. 1 LVwG SH; § 34 Abs. 1 ThürPAG. 44 § 185 Abs. 2 S. 1 LVwG SH. 45 § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BPolG; § 22 Abs. 3 Nr. 2 PolG BW, § 25 Abs. 1 S. 1 ASOG Bln, § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 PolG Bbg, § 32 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BremPolG; § 9 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 DVPolG HH; § 15 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 HSOG; § 33 Abs. 2 S. 1 SOG MV; § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 NdsSOG; § 16a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 PolG NRW; § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 POG RP; § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 SPolG; § 38 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 SächsPolG; § 17 Abs. 2 S. 1 SOG LSA. 46 Art. 31, 33 Abs. 2 S. 1 BayPAG. 47 Vgl. z.B. § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 BPolG. 48 Vgl. z.B. § 34 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a NdsPolG. 49 Vgl. z.B. § 25 Abs. 2 S. 2 ASOG Bln. 50 Vgl. z.B. § 17 Abs. 4a-4c SOG LSA. 51 Pieroth/Schlink/Kniesel (Fn. 1), § 17 Rn. 1 ff. 52 Vgl. nur § 40 Abs. 1 BPolG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 11 über die statthaften Rechtsbehelfe zu belehren.53 Die meisten Gesetze ordnen entsprechend Art. 104 Abs. 4 GG an, dass ein Angehöriger des Betroffenen informiert wird.54 Materiell wird zwischen dem sogenannten Sicherungsgewahrsam und dem sogenannten Schutzgewahrsam unterschieden. Der Sicherungsgewahrsam dient der Gefahrenabwehr, insbesondere der Verhinderung erheblicher Störungen der öffentlichen Sicherheit,55 und der Verhinderung von „Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten von erheblicher Bedeutung für die Allgemeinheit“56. Die Störung oder Tatbegehung muss unmittelbar bevorstehen. Einige Polizeigesetze benennen ausdrücklich sogenannte gefahrenindizierende Tatbestandsmerkmale.57 Der Sicherungsgewahrsam kann auch der Durchsetzung anderer polizeilicher Maßnahmen dienen, insbesondere eines Platzverweises oder einer Identitätsfeststellung.58 Der Schutzgewahrsam ist zulässig zum Schutz des Festgehaltenen, wenn dieser sich in einer hilflosen Lage befindet und eine Gefahr für Leib oder Leben besteht.59 Nur ausnahmsweise ist der Gewahrsam zum Schutz anderer privater Rechte Dritter zulässig.60 Außerdem erlauben die meisten Polizeigesetze die Ingewahrsamnahme von Minderjährigen, die sich der Obhut des Sorgeberechtigten entzogen haben, und von Personen, die aus dem Strafvollzug entwichen sind.61 Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit muss die Ingewahrsamnahme nach den meisten Polizeigesetzen „unerlässlich“ sein.62 Ohne richterliche Entscheidung ist der Betroffene in fast allen Ländern am Ende des Tages nach dem Ergreifen freizulassen; das entspricht Art. 104 Abs. 2 GG.63 Das ThürPAG verkürzt die Frist auf 24 Stunden.64 Der Gewahrsam zur Identitätsfeststellung ist teils 53 Vgl. etwa § 28 Abs. 2 PolG BW, Art. 19 Abs. 2 S. 1 BayPAG, § 32 Abs. 1 ASOG Bln. 54 Vgl. etwa § 22 Abs. 5 S. 1 SächsPolG, Art. 19 Abs. 2 S. 1 BayPAG, § 32 Abs. 2 S. 1 ASOG Bln. 55 So etwa § 22 Abs. 1 Nr. 1 SächsPolG. § 28 Abs. 1 Nr. 1 PolG BW lässt eine Gefahr für die öffentliche Ordnung ausreichen , wobei Einigkeit darüber besteht, dass diese im Einzelfall keinen Gewahrsam rechtfertigen kann, vgl. Rachor (Fn. 1), E Rn. 505. 56 Vgl. nur Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG. 57 So etwa Art. 17 Abs. 1 Nr. 2 BayPAG. 58 Vgl. etwa § 28 Abs. 1 Nr. 3 PolG BW, Art. 17 Abs. 1 Nr. 3. BayPAG, § 30 Abs. 1 Nr. 3. ASOG Bln. 59 Vgl. etwa § 22 Abs. 1 Nr. 2 SächsPolG, Art. 17 Abs. 1 Nr. 1 BayPAG, § 30 Abs. 1 Nr. 1. ASOG Bln. 60 Vgl. etwa § 30 Abs. 1 Nr. 4. ASOG Bln, § 32 Abs. 1 Nr. 3 HSOG. 61 Vgl. etwa Art. 17 Abs. 2, 3 BayPAG, § 30 Abs. 2, 3 ASOG Bln, § 22 Abs. 2, 3 SächsPolG. 62 Vgl. etwa Art. 17 Abs. 1, Nr. 2., 3. BayPAG, § 30 Abs. 1, Nr. 2., 3. ASOG Bln, § 32 Abs. 1 Nr. 2. 3. 4. HSOG. 63 Vgl. etwa § 28 Abs. 3 S. 2 PolG BW, § 22 Abs. 7 S. 4 SächsPolG, § 35 Abs. 1 Nr. 4. HSOG. 64 § 22 Nr. 3 ThürPAG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 12 auf zwölf Stunden begrenzt.65 Die meisten Polizeigesetze sehen eine Höchstdauer des Gewahrsams vor, die zwischen vier Tagen und zwei Wochen variiert.66 3.4. Telekommunikationsüberwachung Telekommunikationsüberwachung bezeichnet hier das Abhören oder Mitschneiden von Telefongesprächen oder anderen Formen der Telekommunikation, also die Erhebung von Inhaltsdaten, nicht aber von Verkehrs- oder Stammdaten.67 Die Telekommunikationsüberwachung war bis 2002 nur in der Strafprozessordnung geregelt, also im Bereich des repressiven polizeilichen Handelns.68 Inzwischen wurde sie jedoch als Standardmaßnahe der Gefahrenabwehr in die meisten Polizeigesetze aufgenommen. Das Bundeskriminalamt darf Telekommunikationsinhalte nach § 20l Abs. 1 BKAG überwachen und aufzeichnen.69 Vergleichbare Vorschriften enthalten auch die Polizeigesetze der meisten Länder. Nur in Baden-Württemberg, Berlin, Bremen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen ist die Telekommunikationsüberwachung zur Gefahrenabwehr nicht geregelt. Soweit keine ausdrückliche gesetzliche Befugnis besteht, ist die Telekommunikationsüberwachung nach überwiegender Auffassung unzulässig.70 Formell setzt die Telekommunikationsüberwachung grundsätzlich eine richterliche Anordnung voraus.71 Antragsberechtigt ist zumeist der Behördenleiter, sein Vertreter oder ein besonders beauftragter Beamter. Die Antragsberechtigten dürfen die Maßnahme bei Gefahr im Verzug ausnahmsweise selbst anordnen; eine richterliche Entscheidung ist dann unverzüglich nachzuholen. Einige Gesetze benennen den erforderlichen Inhalt der schriftlichen Anordnung.72 Die Anordnung ist zu befristen. Die Höchstfristen variieren zwischen einem und drei Monaten.73 65 Vgl. etwa § 33 Abs. 2 ASOG Bln, § 35 Abs. 2 HSOG. 66 Vier Tage z.B. gem. § 33 Abs. 1 Nr. 3 ASOG Bln, zwei Wochen z.B. gem. § 28 Abs. 3 S. 5 PolG BW. 67 Vgl. zu Inhalts-, Verkehrs- und Stammdaten Petri, in: Lisken/Denninger (Fn. 1), G Rn. 320 ff., der den Begriff der Telekommunikationsüberwachung aber weiter fasst. 68 Kastner, in: Möllers (Fn. 19), S. 1949. 69 § 20l BKAG ist teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar, vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, Az. 1 BvR 966/09 und 1 BvR 1140/09; die Norm bleibt insoweit nach Maßgabe des Urteils bis zu einer Neuregelung anwendbar, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2018. 70 Petri, in: Lisken/Denninger (Fn. 1), G Rn. 315. Die Telekommunikationsüberwachung kann auch nicht auf eine Ermächtigung zur Datenerhebung in Wohnungen gestützt werden, vgl. Pieroth/Schlink/Kniesel (Fn. 1), Rn. 130 ff.; Gusy (Fn. 1), Rn. 214. 71 Zumeist ist das Amtsgericht zuständig, einige Polizeigesetze verweisen auf das Verfahren nach dem FamFG; in Rheinland-Pfalz ist das Oberverwaltungsgericht zuständig, § 31 Abs. 5 S. 1 POG RP. 72 Vgl. etwa § 20l Abs. 4 BKAG; § 10b Abs. 2 DVPolG HH. 73 Ein Monat z.B. gem. Art. 34c Abs. 3 S. 4 Nr. 3 BayPAG und § 28b Abs. 4 S. 2 SPolG; drei Monate z.B. gem. § 20l Abs. 4 S. 3 BKAG und § 34a Abs. 4 S. 5 SOG MV; die Verlängerung ist auf erneuten Antrag möglich. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 13 Materielle Tatbestandsvoraussetzung ist nach den meisten Polizeigesetzen eine „dringende“ oder „gegenwärtige“ Gefahr; vereinzelt wird die Gefahr nicht weiter qualifiziert. Als Schutzgüter nennen alle Gesetze Leib, Leben und Freiheit einer Person, einige nennen zusätzlich die Sicherheit oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landes.74 Teilweise werden auch Sachen geschützt: Das BKAG nennt Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt;75 in Bayern und Thüringen sind Sachen geschützt, soweit eine gemeine Gefahr besteht;76 das saarländische Polizeigesetz nennt „solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staates oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt“.77 Nach dem BKAG, in Brandenburg und im Saarland darf die Maßnahme auch zur vorbeugenden Bekämpfung bestimmter Straftaten angeordnet werden.78 Als polizeipflichtige Adressaten der Maßnahme nennen die meisten Polizeigesetze speziell für die Telekommunikationsüberwachung neben dem Störer Personen, die Mitteilungen für diesen entgegennehmen oder weitergeben und solche Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Störer ihren Anschluss oder ihr Endgerät benutzen wird.79 Vereinzelt wird nur auf die allgemeinen Begriffe des Störers und des Nichtstörers verwiesen.80 Zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit ist zumeist weitere Voraussetzung, dass die Gefahrenabwehr „auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“.81 In Hessen muss die Maßnahme „unerlässlich“ sein,82 in Niedersachsen wird zwischen Störern („auf andere Weise nicht möglich“) und Nichtstörern („unerlässlich“) unterschieden.83 In unterschiedlicher Ausführlichkeit werden der Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung, der Schutz von Berufsgeheimnisträgern und zeugnisverweigerungsberechtigten Personen und der Schutz von personenbezogenen Daten Dritter geregelt.84 74 Vgl. nur § 20l Abs. 1 Nr. 1 BKAG („Bestand oder die Sicherheit des Staates“); § 10b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 DVPolG HH („Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes“). 75 § 20l Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKAG. 76 Art. 34a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayPAG; § 34a Abs. 1 S. 1 ThürPAG. 77 § 31 Abs. 1 S. 1 POG RP. 78 § 20l Abs. 1 Nr. 2 BKAG; § 33b Abs. 1, § 33a Abs. 1 Nr. 2 PolG Bbg; § 28b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SPolG. 79 Vgl. nur § 20l Abs. 1 BKAG; Art. 34a Abs. 1 S. 1 BayPAG; leicht abweichend § 185a Abs. 3 LVwG SH. 80 § 33a Abs. 1 NdsSOG. 81 Vgl. etwa § 20l Abs. 1 a.E. BKAG; § 10b Abs. 1 S. 2 DVPolG HH. 82 § 15a Abs. 1 S. 1 HSOG. 83 § 33a Abs. 1 NdsSOG. 84 Vgl. etwa § 20l Abs. 6 BKAG; Art. 34a Abs. 1 S. 3, S. 4, Art. 34a Abs. 4 S. 3, Abs. 6 BayPAG; § 28d SPolG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 14 3.5. Verkehrsdatenerhebung Verkehrsdaten betreffen die äußeren technischen Umstände einer Telekommunikationsverbindung .85 Dazu zählen die Rufnummern und Standortkennungen der beteiligten Anschlüsse, Datum und Uhrzeit des Beginns und des Endes der Verbindung, Kartennummern und andere Daten. Eine eigene Legaldefinition enthalten nur wenige Polizeigesetze;86 einige verweisen auf die Definition des Telekommunikationsgesetzes (TKG). Verkehrsdaten werden von den Diensteanbietern nach § 113b TKG für zehn bzw. für vier Wochen gespeichert (sogenannte Vorratsdatenspeicherung). Das Bundeskriminalamt darf zur Gefahrenabwehr nach § 20m Abs. 1 BKAG87 Verkehrsdaten erheben; die Diensteanbieter sind verpflichtet, die entsprechenden Auskünfte zu erteilen. Die Polizeigesetze der Länder enthalten, mit Ausnahme Berlins, Bremens und Sachsens, vergleichbare Regelungen. Einige Länder erlauben ausdrücklich sowohl die Erhebung gespeicherter Verkehrsdaten vergangener Verbindungen als auch die Erhebung künftig anfallender Verkehrsdaten.88 Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erhebung von Verkehrsdaten entsprechen zumeist denen der Telekommunikationsüberwachung; die Gesetze enthalten oft Verweisungen.89 Formell gelten weitgehend dieselben Voraussetzungen; im BKAG tritt bei Antragsrecht und Eilbefugnis an die Stelle des Präsidenten des Bundeskriminalamts die zuständige Abteilungsleitung.90 In Brandenburg werden typische Fälle genannt, in denen Gefahr im Verzug angenommen werden kann, so bei Suizidgefahr oder gefährdeten Vermissten.91 Auch die erforderliche Gefahr, die geschützten Rechtsgüter und die genannten Adressaten stimmen weitgehend überein. Als weitere Adressaten nennt das thüringische Polizeigesetz vermisste, suizidgefährdete und hilflose Personen.92 Die Vorgaben zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes entsprechen ebenfalls denen der Telekommunikationsüberwachung. 85 Petri, in: Lisken/Denninger (Fn. 1), G Rn. 321. 86 Art. 34b Abs. 3 BayPAG; § 10d Abs. 5 DVPolG HH. 87 § 20m BKAG ist teilweise mit dem Grundgesetz unvereinbar, vgl. BVerfG, Urteil vom 20. April 2016, Az. 1 BvR 966/09 u. 1 BvR 1140/09; die Norm bleibt insoweit nach Maßgabe des Urteils bis zu einer Neuregelung anwendbar, längstens jedoch bis zum 30. Juni 2018. 88 Vgl. etwa Art. 34b Abs. 2 Nr. 1, 2 BayPAG; § 33b Abs. 6 PolG Bbg; § 31 Abs. 2 POG RP. 89 Die Polizeigesetze Baden-Württembergs und Nordrhein-Westfalens kennen zwar die Verkehrsdatenerhebung, nicht aber die Telekommunikationsüberwachung; die Voraussetzungen entsprechen im Wesentlichen denen der übrigen Bundesländer. 90 § 20m Abs. 3 BKAG. 91 § 33b Abs. 6 S. 4 PolG Bbg. 92 § 34b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 ThürPAG. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 15 3.6. Ortung über das Mobilfunknetz Die Ortung von Mobilfunkendgeräten ist im BKAG und in fast allen Landespolizeigesetzen vorgesehen . Nur in Bremen und Sachsen fehlt eine entsprechende Regelung. Die formellen und materiellen Voraussetzungen entsprechen auch hier zumeist denen der Telekommunikationsüberwachung . Das BKAG erlaubt eine längere Befristung der Anordnung auf bis zu sechs Monate.93 In manchen Ländern ist die Ortung einer gefährdeten Person unter erleichterten Voraussetzungen zulässig.94 In Berlin und Sachsen-Anhalt ist ausschließlich die Ortung gefährdeter Personen zulässig.95 Anordnungsberechtigt ist in Berlin neben der Polizei auch die Feuerwehr. In Baden-Württemberg wird zwischen der Verkehrsdatenerhebung zur Ermittlung des Aufenthaltsorts einer Person und dem Einsatz technischer Mittel zur Standortermittlung unterschieden.96 Die Verkehrsdatenerhebung unterliegt keinem Richtervorbehalt, wenn sie allein dem Auffinden einer vermissten, suizidgefährdeten oder hilflosen Person dient.97 Die Ortung mit technischen Mitteln ist stets aufgrund behördlicher Anordnung zulässig.98 Bei der Ortung von Mobilfunkendgeräten sind technisch zwei Verfahren zu unterscheiden:99 Mit dem sogenannten IMSI-Catcher, einer mobilen Einrichtung, die eine Funkzelle simuliert, können Karten- und Gerätenummern der Mobilfunkgeräte in der Umgebung ermittelt und einzelne Geräte besonders genau geortet werden. Dagegen ermöglicht die sogenannte stille SMS die kostengünstige Ortung eines Geräts an einem beliebigen Ort. Hierzu sendet der Telekommunikationsanbieter, von dem Betroffenen unbemerkt, ein Signal an dessen Mobilfunkgerät. Ob eine Befugnisnorm eines dieser Verfahren oder beide gestattet, ist durch Auslegung zu ermitteln und im Einzelnen umstritten.100 3.7. Funkzellenabfrage Bei der Funkzellenabfrage werden die Daten aller Mobilfunkendgeräte, insbesondere aller Mobiltelefone erhoben, die sich zu einem bestimmten Zeitpunkt innerhalb einer Funkzelle befinden.101 93 § 20n Abs. 3 BKAG. 94 Art. 34a Abs. 3 BayPAG; § 23a Abs. 3 PolG BW. 95 § 25a Abs. 1 ASOG Bln; § 23b SOG LSA. 96 § 23a Abs. 3 und Abs. 6 PolG BW. 97 Ähnlich Art. 34c Abs. 2 BayPAG. 98 § 23a Abs. 6, § 22 Abs. 6 PolG BW. 99 Ausführlichere Darstellung bei Petri, in: Lisken/Denninger (Fn. 1), G Rn. 325 f. 100 Vgl. nur Petri, in: Lisken/Denninger (Fn. 1), G Rn. 326 m.w.N. 101 Vgl. Söllner, in: Pewestorf/Söllner/Tölle (Hrsg.), Praxishandbuch des Polizeirechts, 1. Auflage, Köln 2012, Rn. 396. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 020/17 Seite 16 Seit 2008 ist die Funkzellenabfrage zur Strafverfolgung in der Strafprozessordnung geregelt.102 Eine gefahrenabwehrrechtliche Regelung hat sie bisher nur in Rheinland-Pfalz erfahren.103 Dort entsprechen die formellen und materiellen Tatbestandsvoraussetzungen im Wesentlichen denen der Telekommunikationsüberwachung: Es gilt ein Richtervorbehalt, bei Gefahr im Verzug besteht eine Eilzuständigkeit der Behördenleitung. Die Anordnung muss die räumlichen und zeitlichen Grenzen der Datenerhebung möglichst genau bestimmen. Materiell ist eine gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben einer Person oder für bestimmte Güter der Allgemeinheit erforderlich. Das Merkmal der Erforderlichkeit ist jedoch schwächer ausgestaltet: Während die Telekommunikationsüberwachung "zwingend erforderlich“ sein muss, genügt für die Funkzellenabfrage, dass die Zweckerreichung andernfalls „erheblich erschwert“ wäre. *** 102 § 100g Abs. 3 StPO. 103 § 31e POG RP.