WD 3 - 3000 - 018/21 (25. Januar 2021) © 2021 Deutscher Bundestag Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Mit seinem Urteil vom 26. Februar 20201 hat das Bundesverfassungsgericht das strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung nach § 217 Strafgesetzbuch für verfassungswidrig befunden. Dabei hat es aber ausdrücklich klargestellt, dass der Gesetzgeber die Suizidhilfe zum Schutz der Selbstbestimmung über das eigene Leben auf andere Weise regulieren könne.2 Gefragt wird in diesem Zusammenhang nach der Notwendigkeit der Zustimmung des Bundesrates zu einem Gesetz, das für die Suizidhilfe prozedurale Sicherungsmaßnahmen und eine Beratungsinfrastruktur, die durch die Länder errichtet und unterhalten wird, vorsehen würde. Da die Zustimmungsbedürftigkeit von der genauen Ausgestaltung eines Gesetzes abhängt , kann die Frage hier nicht abschließend beantwortet werden. Es werden jedoch im Folgenden Gesichtspunkte aufgezeigt, unter denen ein derartiges Gesetz unter Umständen zustimmungsbedürftig sein könnte. Bei den sog. Zustimmungsgesetzen ist das Zustandekommen des Gesetzes gemäß Art. 78 GG von einer ausdrücklichen Zustimmung des Bundesrates abhängig. Dies ist nach dem Grundgesetz die Ausnahme.3 Insbesondere liegt eine Zustimmungsbedürftigkeit nicht bereits dann vor, wenn Interessen der Länder durch das Gesetz berührt werden.4 Der Zustimmung bedürfen Gesetze nur, wenn das Grundgesetz dies ausdrücklich vorschreibt. Solche Bestimmungen finden sich über das Grundgesetz verteilt.5 Im vorliegenden Fall könnte (abhängig vom konkreten Inhalt des Gesetzes) in erster Linie die Begründung einer Zustimmungsbedürftigkeit aufgrund einer 1 BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020, Az. 2 BvR 2347/15 u.a., NJW 2020, 905. 2 BVerfG, Urteil vom 26. Februar 2020, Az. 2 BvR 2347/15 u.a., NJW 2020, 905 (920 f.), Rn. 338 ff. 3 Dietlein, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 45. Edition Stand: 15.11.2020, Art. 77 Rn. 19 ff. 4 Bryde, in: v. Münch/Kunig, GG, 7. Aufl. 2021, Art. 77 Rn. 32. 5 Siehe zu einer Aufzählung aller Fälle der Zustimmungsbedürftigkeit die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Form der Bundesratsbeteiligung bei der Ratifikation des CETA, WD 3 - 3000 - 244/16, S. 4 ff., abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource /blob/489012/816319d1fc69941856899776a86dea67/wd-3-244-16-pdf-data.pdf. Wissenschaftliche Dienste Kurzinformation Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen Kurzinformation Zustimmungsbedürftigkeit von Bundesgesetzen Fachbereich WD 3 (Verfassung und Verwaltung) Wissenschaftliche Dienste Seite 2 bundesgesetzlichen Regelung des Verwaltungsverfahrens ohne Abweichungsmöglichkeit der Länder oder aufgrund der Begründung einer Aufgabenlast der Länder in Betracht kommen. Führen die Länder die Bundesgesetze als eigene Angelegenheit aus,6 so regeln sie nach Art. 84 Abs. 1 S. 1 GG die Einrichtung der Behörden und das Verwaltungsverfahren.7 Wenn Bundesgesetze etwas anderes darüber bestimmen, können die Länder gemäß Art. 84 Abs. 1 S. 2 GG davon abweichende Regelungen treffen. In Ausnahmefällen kann der Bund jedoch nach Art. 84 Abs. 1 S. 5 GG wegen eines besonderen Bedürfnisses nach bundeseinheitlicher Regelung das Verwaltungsverfahren ohne Abweichungsmöglichkeit für die Länder regeln. Ein solches Gesetz bedarf nach Art. 84 Abs. 1 S. 6 GG der Zustimmung des Bundesrates. Bundesgesetzliche Vorgaben zum Verwaltungsverfahren sind somit nicht stets zustimmungsbedürftig, sondern nur dann, wenn sie die Abweichungsmöglichkeit der Länder ausschließen. Nach Art. 104a Abs. 4 GG bedürfen zudem manche Bundesgesetze, die zu einer Ausgabenlast der Länder führen, der Zustimmung des Bundesrates. Dies ist der Fall, wenn ein Gesetz Pflichten der Länder zur Erbringung von Geldleistungen, geldwerten Sachleistungen oder vergleichbaren Dienstleistungen gegenüber Dritten begründet, dieses Gesetz von den Ländern als eigene Angelegenheit oder nach Art. 104a Abs. 3 S. 2 GG im Auftrag des Bundes ausgeführt wird, und daraus entstehende Ausgaben von den Ländern zu tragen sind. Die Zustimmungsbedürftigkeit setzt weiterhin voraus, dass den Ländern keine wesentlichen Spielräume zur Bestimmung des Ausmaßes der Leistungspflichten eingeräumt werden.8 Unter die geldwerten Dienstleistungen im Sinne der Norm soll etwa eine für die Länder verpflichtend anzubietende Schuldnerberatung fallen, unter die vergleichbaren Dienstleistungen Heilbehandlungsmaßnahmen im Bereich der Sozialversicherung .9 Hier müsste im Einzelnen geprüft werden, welche finanziellen Auswirkungen die beabsichtigte Regelung für die Länder hätte und ob dadurch eine Ausgabenlast im Sinne von Art. 104a Abs. 4 GG für die Länder begründet würde. *** 6 Dies ist nach Art. 83 GG der Regelfall. 7 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dienen jedenfalls solche Bestimmungen der Regelung des Verwaltungsverfahrens, „die die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden im Blick auf die Art und Weise der Ausführung des Gesetzes einschließlich ihrer Handlungsformen, die Form der behördlichen Willensbildung, die Art der Prüfung und Vorbereitung der Entscheidung, deren Zustandekommen und Durchsetzung sowie verwaltungsinterne Mitwirkungs- und Kontrollvorgänge in ihrem Ablauf regeln“, siehe BVerfGE 75, 108 (152). 8 Vgl. BT-Drs. 16/813, S. 18; Kube, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), BeckOK GG, 45. Edition Stand: 15.11.2020, Art. 104a Rn. 43. 9 BT-Drs. 16/813, S. 18.