AUSARBEITUNG Thema: Argumente für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht Fachbereich III Verfassung und Verwaltung Tel.: Bearbeiter: Abschluss der Arbeit: 24. Februar 2004 Reg.-Nr.: WF III - 018/04 Ausarbeitungen von Angehörigen der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung des einzelnen Verfassers und der Fachbereichsleitung . Die Ausarbeitungen sind dazu bestimmt, das Mitglied des Deutschen Bundestages , das sie in Auftrag gegeben hat, bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - 2 - Inhaltsverzeichnis Seite 1. Einleitung 3 2. Definition der "allgemeinen Dienstpflicht" 4 3. Argumente für eine "allgemeine Dienstpflicht" 5 3.1. Allgemeines 5 3.2. Pressestimmen zur allgemeinen Dienstpflicht 8 4. Gruppierungen bzw. Organisationen, die eine allgemeine Dienstpflicht befürworten 9 - 3 - 1. Einleitung Bei jeder Diskussion über die Beibehaltung der Wehrpflicht bzw. deren Abschaffung, zumindest aber Aussetzung, ergibt sich gleichzeitig die Frage, was in diesem Fall mit dem Zivildienst als einer nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegenüber dem Wehrdienst sekundären verfassungsrechtlichen Grundpflicht geschieht. Unbestritten ist der enge Zusammenhang zwischen dem Grundwehrdienst und dem Zivildienst , d.h. wird der Grundwehrdienst, worauf zur Zeit vieles hindeutet, aufgehoben bzw. ausgesetzt, hat dies notwendigerweise die gleichen Konsequenzen für den Zivildienst zur Folge.1 Hinzu kommt, dass infolge der erneuten Reduzierung des Umfangs der Streitkräfte längst nicht mehr alle tauglichen Wehrpflichtigen zum Grundwehrdienst herangezogen werden können. Deshalb werden seit Juli 2003 nach einer Weisung des Bundesministeriums der Verteidigung nur noch die mit Tauglichkeitsgrad 1 (T 1) und T 2 Gemusterten einberufen, alle anderen Tauglichkeitsgrade, Verheiratete u.a. werden grundsätzlich nicht mehr berücksichtigt. Lediglich die mit T 3 Gemusterten können auf Antrag zum Grundwehrdienst herangezogen werden. Angesichts dieser auch für den Zivildienst zu beobachtenden, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung verfassungswidrigen Praxis2 stellt sich erneut die Frage der Wehrgerechtigkeit und einer allgemeinen Dienstpflicht für Männer und Frauen.3 In einer Rede des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker auf der 34. Kommandeurtagung der Bundeswehr am 5. Oktober 1993 in Mainz führte das deutsche Staatsoberhaupt u.a. aus: "(...) Es lohnt sich allerdings die Suche nach Möglichkeiten einer Anpassung. Zweck der Wehrpflicht ist letztlich die Sicherung von Frieden, Freiheit und eigener, rechtsstaatlicher Lebensform. Wenn wir heute ein erweitertes Sicherheitserfordernis angesichts veränderter, keineswegs nur auf Waffengewalt beruhender Gefahr für diese Sicherheit denken und dabei die zunehmende Bedeutung nichtmilitärischer Mittel betonen, so liegt es nahe, die jungen Bürger für entsprechend angepasste , breit angelegte Aufgabenfelder in die Pflicht zu nehmen. 1 Vgl. Ekkehard Lippert, Allgemeine Dienstpflicht als Sicherheits- und sozialpolitischer Ausweg?, in: "Aus Politik und Zeitgeschichte" - Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament 1995, B 6, S. 37 ff. [39 f.]. 2 Vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 20. Dezember 1960, BVerfGE 12, 45 [50 ff.]; Beschluss vom 5. November 1974, BVerfGE 38, 154 [167]; Urteil vom 13. April 1978, BVerfGE 48, 127 [128, Leitsatz 6; 161]; Urteil vom 24. April 1985, BVerfGE 69, 1 [21, 24]; BVerwG, Urteil vom 26. Februar 1993, Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1993, S. 2065 f. 3 Eindeutig eine Dienstpflicht für Frauen ablehnend: Ingrid Anker/Ingrid Wecker, Keine Pflicht zur Pflege - Gedanken über eine allgemeine Dienstpflicht, S. 22, in: Information für die Truppe - Zeitschrift für Innere Führung 5/1993, S. 20 ff. - 4 - Die Vorzüge einer allgemeinen Dienstpflicht als Ergänzung zur Wehrpflicht sind ernsthaft zu prüfen, trotz ungelöster Fragen wie denen der Kosten und einer gerechten Einbeziehung der Frauen. Was wir bisher nur im Nebeneinander von Wehrpflicht und Entwicklungsdienst haben, wäre dann durch die Ergänzung mit einem ausgebauten und differenzierten Zivildienst anzustreben. Ein solcher Gedanke zielt auf dreierlei, auf die Deckung eines drängenden gesellschaftlichen Bedarfs im Sinne einer erweiterten Sicherheit, auf eine höhere innere Bereitschaft junger Menschen zur Mitverantwortung und auf eine Lösung des Problems mangelnder Dienstgerechtigkeit. Wenn heute ein Viertel aller Wehrpflichtigen weder Wehr- noch Zivildienst leistet, so leidet die Solidarität in der Gesellschaft . Wer also aus gutem Grunde die Wehrpflicht beibehalten will, sollte sich der Prüfung einer Reform der Dienste nicht verschließen. Ich habe hier keine konkreten Vorschläge zu machen, stehe aber dem Gedanken einer allgemeinen Dienstpflicht positiv gegenüber (...)"4 Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang auch die Forderung des Bundesverwaltungsgerichts bereits im Jahr 1993,5 eine Nichtheranziehung von verfügbaren Wehrpflichtigen laufe dem verfassungsrechtlichen Gebot der Wehrgerechtigkeit zuwider. Bleibe die allgemeine Wehrpflicht bestehen, sei der Gesetzgeber u.a. verpflichtet, das Verhältnis von Wehr- und Zivildienst etwa im Sinn eines Ersatzdienstes für jeden nicht zum Wehrdienst Einberufenen neu zu regeln.6 2. Definition der "allgemeinen Dienstpflicht" Eine einheitliche Umschreibung des Begriffs "allgemeine Dienstpflicht" besteht nicht. In Art. 12 Abs. 2 führt das Grundgesetz (GG) die Begriffe "Arbeit" und "öffentliche Dienstleistungspflicht" sowie die "Zwangsarbeit" (Art. 12 Abs. 3 GG) an. Unter "Arbeit" ist jede körperliche und geistige Tätigkeit zu verstehen (positiver Regelungsbereich ), durch die nicht nur Nebenpflichten erfüllt werden (negative Abgrenzung ). "Öffentliche Dienstleistungspflicht" ist die im Interesse der staatlichen Gemeinschaft geleistete Tätigkeit, die nicht nur im Erbringen von Geld- und Sachleistungen besteht, etwa die im jeweiligen Landesrecht festgelegte Pflicht, im Katastrophenfall zur Dienstleistung verpflichtet zu sein. "Zwangsarbeit" betrifft die Arbeit innerhalb der gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung. 4 Verteidigung von Recht und Freiheit bleibt Kern des soldatischen Auftrags, in: Bulletin der Bundesregierung Nr. 83 vom 8. Oktober 1993, S. 945 [948 f.]. 5 Urteil vom 26. Februar 1993, NJW 1993, S. 2065, rechte Spalte. 6 Zu Konzepten für eine Dienstpflicht aus dem sicherheitspolitischen Raum, vgl. Lippert, Allgemeine Dienstpflicht, S. 42 f. - 5 - Als Unterfälle der allgemeinen Staatsbürgerpflicht sind die Wehr- und Ersatzdienstpflicht (für Männer) (Art. 12 a GG) und die Hilfsdienstpflicht für Frauen (Art. 12 a Abs. 4 GG) zu nennen.7 Kriterien für eine "allgemeine Dienstpflicht" sind somit: Verpflichtung aller Staatsbürger (Männer und Frauen) ab Eintritt der Volljährigkeit bis zu einem bestimmten Höchstalter, Sold, Verpflegung, Unterkunft, Dienstbekleidung, freie Heilfürsorge, Dienst zum Wohl der Allgemeinheit, vorrangige Sicherstellung der Wehrpflicht. 3. Argumente für eine "allgemeine Dienstpflicht" Im Folgenden wird unterstellt, dass weder verfassungsrechtliche noch völkervertragsrechtliche Hindernisse für die Einführung einer "allgemeinen Dienstpflicht" bestehen.8 3.1. Allgemeines Eine "allgemeine Dienstpflicht" müsste - nicht zuletzt auch in finanzieller Hinsicht - attraktiv ausgestattet sein. Als "Berufsfindungsjahr" sollte sie9 eine möglichst große Bandbreite von Berufen aufweisen, die im weitesten Sinn - wenn auch nicht unbedingt im arbeitsrechtlichen Verständnis - als öffentliche Dienstleistungen anzusehen sind (von der Bundeswehr bis zum Kindergarten, von der Feuerwehr bis zum Entwicklungsdienst, von der Altenpflege bis zum Umweltschutz, vom Polizeidienst bis zum Katastrophenschutz bis hin zum Dienst in internationalen Organisationen etc.). Eine allgemeine Dienstpflicht leistet im Hinblick auf den mit dem voraussichtlichen Wegfall des Zivildienstes bei Aufhebung/Aussetzung der allgemeinen Wehrpflicht verbundenen Pflegenotstand - manche sprechen sogar von einem Zusammenbruch - einen 7 Vgl. Manfred Gubelt, Rn. 77 ff., 84 ff., 90 ff. zu Art. 12, in: Ingo von Münch/Philip Kunig, Grundgesetz -Kommentar, Band 1, 5., neu bearbeitete Auflage, München 2000. 8 Vgl. dazu etwa: Peter Dreist, Darf eine allgemeine Dienstpflicht die Wehrpflicht ersetzen? - Verfassungs - und europarechtliche Aspekte der Zulässigkeit einer allgemeinen Dienstpflicht, in: Zeitschrift für Ausbildung, Fortbildung und Verwaltungspraxis für die Bundeswehrverwaltung (UBWV) 2003, S. 441 ff. [444 ff.]; Jost Pietzker, Gutachten zu Rechtsfragen der Einführung einer allgemeinen Dienstleistungspflicht, Bonn 1991, S. 9 ff., 17 ff., 27 ff., 47 ff.; , Rechtliche Würdigung der Möglichkeit einer Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Männer und Frauen , Deutscher Bundestag - Wissenschaftliche Dienste - WF III G - 180/03 -, in: Perspektiven für Freiwilligendienste und Zivildienst in Deutschland (Bericht der Kommission Impulse für die Zivilgesellschaft ), Berlin 2004, S. 90 ff.; Ulrike Engels, Probleme der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht (Europäische Hochschulschriften, Reihe II, Rechtswissenschaft, Band 2615) Frankfurt a. Main 1999, S. 27 ff.; 66 ff.; 87 ff.; 101 ff. 9 Vgl. Ulrike Engels, Probleme der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht, S. 20. - 6 - wichtigen Beitrag zur Deckung eines drängenden gesellschaftlichen Bedarfs, der zumindest auf absehbare Zeit nicht gelöst werden kann.10 Es bestehen begründete Zweifel, ob sich genügend junge Menschen zu einem freiwilligen Einsatz im Bereich der sozialen Dienste bereits finden werden. Angesichts des ständig wachsenden Individualismus, des Rückzugs in die private Sphäre, des Werteverfalls in der Gesellschaft könnte eine allgemeine Dienstpflicht diesen Erscheinungsformen begegnen. Vor allem im sozialen Bereich (Alten-/Pflegedienste) werden, wie erwähnt, Dienstleistende unabweisbar benötigt werden. Auf diese Weise könnte erreicht werden, dass Hilfspersonal bereit steht, mit dem der Sozialstaat grundlegende Notdiensthilfen kostengünstig gewährleisten könnte. Mit der Einführung einer allgemeine (sozialen) Dienstpflicht könnte auch das Bewusstsein für eine über individuelle Interessen hinausgehende Mitverantwortung in breiten Bevölkerungsschichten geweckt und gefördert werden und so unter Umständen eine "Kultur des Helfens" entstehen. Zwischenmenschliche Solidarität als auch die Erfüllung notwendiger gesellschaftlicher Aufgaben könnten bewirkt werden. Grundlegende Voraussetzung hierfür ist allerdings dass diese solidarische Mitverantwortung primär bereits in der Familie geweckt wird. Sie könnte der Tendenz, sich gesamtgesellschaftlichen Aufgaben zu entziehen, begegnen und die Verantwortung des Einzelnen für das Gesamtwohl stärken. Dem egoistischen , auf Konsum und Materialismus gerichteten Glücksstreben kann so entgegengewirkt werden. In die Gesellschaft kann mit der Einführung der allgemeinen Dienstpflicht ein "soziales Lernen" verstärkt eingebracht und eine soziale Kompetenz erworben werden. Die allgemeine Schulpflicht belegt das grundsätzliche Funktionieren einer Dienstpflicht . Eine Pädagogik, die lediglich auf eine freiwillige Kooperation aufbaut, ohne auch bestimmte Pflichten zu statuieren und durchzusetzen, kann letztlich nicht erfolgreich sein. Dies gilt entsprechend im Rahmen der allgemeine Dienstpflicht; hier können und sollen junge Frauen, vor allem aber junge Männer, soziale und karitative Tätigkeiten einüben. Die Emanzipation beginnt nicht während des Grundwehrdienstes, sondern bei Ausübung der genannten Tätigkeiten. 10 Ulrike Engels, Probleme der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht, S. 18 f.; Michael Köhler, Allgemeine Dienstpflicht für junge Erwachsene?, in: Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP) 1995, S. 140 ff. [140 f.]. - 7 - Eine allgemeine Dienstpflicht kann das erwähnte, seit langem beklagte gesellschaftspolitisch bedeutsame Problem mangelnder Dienstgerechtigkeit lösen, zumindest aber abmildern , wenn nicht nur Männer, sondern auch Frauen einen derartigen Dienst leisten.11 Auf dem "Umweg" über eine allgemeine Dienstpflicht kann die "Wehrpflicht" (für Männer) abgesichert werden, da in diesem Fall der Wehrdienst als eine der wichtigsten Alternativen im Rahmen dieses Dienstes die Umwandlung der Bundeswehr in eine Berufsarmee verhindern würde. Wie bislang, könnte sich der Nachwuchs an Offizieren und Unteroffizieren, Berufs- und Zeitsoldaten aus den allen Volksschichten entstammenden Wehrpflichtigen rekrutieren. Zugleich entfiele für Wehrpflichtige auch die "lästige Alternative", sich bei einer Wehrdienstverweigerung auf sein Gewissen berufen und diese Entscheidung gegebenenfalls vor dem Ausschuss für Wehrdienstverweigerer plausibel darlegen zu müssen. Ein Dienst an der Allgemeinheit auf freiwilliger Basis ist gut für verhältnismäßig wenige Menschen, die sich hier bereits engagieren. Soll allerdings auch die große Mehrheit in die Pflicht genommen werden, die vor allem am eigenen Fortkommen, an einem übersteigerten Individualismus ausgerichtet ist ("Entsolidarisierung der Gesellschaft"), ist eine Dienstpflicht angezeigt, zumindest aber empfehlenswert. Eine allgemeine Dienstpflicht könnte einen wichtigen Beitrag zur Lösung von nationalen und internationalen Konflikten leisten. Damit wäre auch dem Auftrag der Verfassung zur völkerverbindenden Friedensförderung entsprochen. Personell unterbesetzte Dienste (Umweltschutz bis Entwicklungshilfe) könnten mit für den Träger kostengünstigem Hilfspersonal ausgeführt werden und bisher unerledigte Projekte zum Abschluss bringen.12 Schließlich spricht für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht die nach wie vor hohe Zahl der Arbeitslosen. Diese könnten in den beispielhaft aufgeführten Bereichen - zusätzlich zu jungen Männern und Frauen - sinnvolle Beschäftigungen finden und ausführen und so das oft zu hörende Argument widerlegen, sie seien für die Gesellschaft "nutzlose" Randgruppen. Dienstpflichten in den vielfältigsten Bereichen werden im Wesentlichen akzeptiert und auch ohne größere Probleme ausgeführt, wenn, wie erwähnt , Anreize geschaffen werden.13 11 Ulrike Engels, Probleme der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht, S. 22 f. 12 Kritisch dazu: Ulrike Engels, Probleme der Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht, S. 24. 13 Zu Einzelheiten vgl. Berthold Meyer, Wehrpflicht und Bundeswehrreform, http://www.bundestag.de/dasparlament/2000/43/Beilage/2000_43-... ,S. 5 f. (Stand: 18.Februar 2004) - 8 - 3.2. Pressestimmen zur allgemeinen Dienstpflicht Auffallend ist, dass sich nur wenige Zeitungskommentare der letzten Jahre mit der allgemeinen Dienstpflicht, und dann auch nur für Männer, befassen und diese auch befürworten . Gerold Büchner führt in der "Berliner Zeitung" vom 26. November 200014 aus, der hessische Ministerpräsident habe sich dafür ausgesprochen, die Wehrpflicht durch eine allgemeine Dienstpflicht, allerdings nur für Männer, zu ersetzen. Jeder junge Deutsche könne sich entscheiden, ob er Soldat werde oder ein Jahr lang soziale Aufgaben übernehme . Ein "bürgerschaftliches Pflichtjahr" stärke die zwischenmenschliche Solidarität. In seinem Bericht "CDU-Vorstoß: Dienstpflicht für junge Männer" in der "Welt"15 führt Hans-Jürgen Leersch aus, nach Ansicht des entwicklungspolitischen Sprechers der Unionsfraktion müsse sich die Gleichberechtigung auch auf die Pflichten erstrecken; deshalb dürfe das Pflichtjahr nicht länger nur auf den Wehr- und Zivildienst für Männer beschränkt bleiben. Die deutsche Gesellschaft, sei auf dem besten Weg, den Staat als Dienstleistungsunternehmen darzustellen, der den Einzelnen zwar zu unterstützen habe, jedoch keine Pflichten vorschreiben dürfe. Mit dieser Einstellung sei aber "kein Staat mehr zu machen". Die Einführung eines gemeinnützigen Jahres sei eine Möglichkeit, dieser negativen Entwicklung wirksam zu begegnen. In seinem Leitartikel betont Konrad Adam,16 Bedarf für ein soziales Pflichtjahr bestehe in einer alternden Gesellschaft wie der deutschen mehr als genug. Angesichts der Tatsache , dass die Zahl der über 60-jährigen die der unter 20-jährigen bereits heute deutlich übertreffe, sei die Dienstpflicht nicht den Jüngeren, sondern den neuen, den jungen Alten abzufordern, die stolz darauf seien, das Defizitmodell des Alters überwunden zu haben. Wer das könne, könne noch mehr. Pflichten ließen sich auch im Alter erfüllen, vorausgesetzt, man halte sie für erforderlich. In einem Aufsatz legen Julian Hömberg und Johannes Arnade17 dar, die allgemeine Dienstpflicht (für junge Männer) müsse "bürgerschaftliche Pflicht" sein, sei es als Soldat oder im zivilen Bereich. So könne die Bundeswehr als Bürgerarmee erhalten bleiben . 14 Deutscher Bundestag - Pressedokumentation vom 27. 11. 2000. 15 Deutscher Bundestag - Pressedokumentation vom 20. 4. 2000. 16 "Dienstpflicht im Alter", Deutscher Bundestag - Pressedokumentation, "Die Welt", 20. 8. 2001. 17 "Bundeswehr/Der Bürger in Uniform verliert an politischem Rückhalt. Beruf oder Berufung" ?, "Rheinischer Merkur", Deutscher Bundestag, Pressedokumentation vom 24.8.2001 - 9 - In einem Essay macht Cathrin Kahlweit18 darauf aufmerksam, eine allgemeine Dienstzeit für beide Geschlechter werde die Frage von Wehr- und Geschlechtergleichheit abschießend beantworten und sie gleichzeitig in einem weiter gefassten Kontext überführen : eine von virtuellen Erlebniswelten und wachsender Individualisierung geprägte Gesellschaft müsse darüber nachdenken, ob sie ihre nachwachsende Generation auf dem geraden Weg zwischen Schulbereich und Arbeitsplatz zu einem Umweg zwinge, also zu einem Dienst an der Gemeinschaft, der unvorhergesehene Lebenserfahrungen beschere, zur Solidarität erziehe, gesellschaftliches Engagement zur selbstverständlichen Pflicht erkläre. Soziales Engagement brauche Übung, warum solle man diese Übung ungeübt nicht verordnen? Aufgaben gebe es genug, die Stellenanzeigen für Zivildienstleistende bewiesen es. Natürlich könne der Wehrdienst eine mögliche Variante der Dienstpflicht sein. Nicht die Einbeziehung von Mädchen in die zeitlich zu begrenzende Gemeinschaftsarbeit sei dabei ein Beitrag zur Gleichstellung der Geschlechter, sondern umgekehrt die Einübung der jungen Männer in soziale und karitative Tätigkeiten. Emanzipation fange nicht beim Spürpanzer an, sondern bei der "Schnabeltasse". Markus Decker führt in seinem Kommentar u.a. aus,19 es gebe ein gutes Argument für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht: der Einzelne habe eine Verpflichtung der Gemeinschaft gegenüber, denn eine Gemeinschaft (Staat) funktioniere nach dem Mechanismus von Geben und Nehmen. Zahlreiche Gegenargumente seien letztlich nicht überzeugend, da der Grundgedanke besage, dass eine Gemeinschaft, die sich selbst als "sozialer Selbstbedienungsladen" definiere, scheitern werde. 4. Gruppierungen bzw. Organisationen, die eine allgemeine Dienstpflicht befürworten Die Gruppierungen, die sich ausdrücklich für eine allgemeine Dienstpflicht einsetzen, sind, soweit ersichtlich, zahlenmäßig denkbar gering. Nach Recherchen im Internet zählen dazu: Die Pro-Bürger-Partei20 fordert in einem Diskussionspapier zu Bundeswehr, Wehrpflicht und allgemeiner Dienstpflicht unter Ziffer 4 die Einführung eines allgemeinen Pflichthalbjahres für alle Heranwachsenden und deren Integration in Bundeswehr, 18 "Pflichtübung in Solidarität - ein allgemeines Dienstjahr für alle Jugendlichen könnte Wehr- und Zivildienst ersetzen", Süddeutsche Zeitung, München, Deutscher Bundestag - Pressedokumentation vom 12.4.2002. 19 "Allgemeine Dienstpflicht - vom Geben und Nehmen", Mitteldeutsche Zeitung, Deutscher Bundestag - Pressedokumentation vom 12.4.2002 20 http://www.pbpartei.de/infothek/k_Verteidigungspolitik/09_Diskussionspapier_ zur_Bundeswehr_Wehrpflicht S. 6, Ziffern 4 und 5 (Stand: 18. Februar 2004) - 10 - THW, Deutsches Rotes Kreuz, Zivildienst und andere Dienste. Dabei sei Studienanfängern der Zutritt zum Studium erst nach Ableistung des Pflichthalbjahres zu ermöglichen . Den Heranwachsenden/Jugendlichen sei dabei eine freie Auswahl ihres Platzes zu ermöglichen. Nach Ziffer 5 sind alle rechtmäßig in Deutschland lebenden Jugendlichen zu diesem allgemeinen Pflichthalbjahr heranzuziehen. Dasselbe gelte auch für Gäste, die nicht die deutsche Staatsbürgerschaft besäßen, aber rechtmäßig hier lebten. Ausländische Mitbürger , die sich dieser Verpflichtung entzögen oder im Land ihrer Staatsbürgerschaft keinen vergleichbaren Dienst geleistet hätten, sei für 10 Jahre die Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland zu verwehren. Die Junge Union Landau21 fordert eine allgemeine Dienstpflicht für junge Männer und junge Frauen, die auch bei der Bundeswehr abgeleistet werden könne. Dafür sollten ca. 50 000 Plätze bei den Streitkräften als Quelle der Nachwuchsrekrutierung zur Verfügung stehen. Die Frage der Wehrgerechtigkeit stelle sich mangels Pflicht zum Dienst in den Streitkräften nicht mehr. Die Dauer der Dienstpflicht in vielfältigen Bereichen solle sechs Monate betragen. Beim Dienst in der Bundeswehr zwischen sieben und 23 Monaten sollten für die Soldaten deutlich erhöhte Dienstbezüge bereitgestellt werden. Die Zeit der allgemeine Dienstpflicht sei keine vertane Zeit. Der Dienst in sozialen Einrichtungen könne Mitmenschlichkeit und Verständnis für Menschen fördern, denen es nicht gut gehe. Einem ungezügelten Individualismus, der den Zusammenhalt der Gesellschaft gefährde, könne so entgegengetreten werden. Der Dienst vermittle soziale Kompetenzen und soziale Erfahrungen.22 Der Mecklenburg-Vorpommern-Rat der Jungen Union hat sich mit ähnlicher Begründung für die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht ausgesprochen.23 Der Verband der Kriegs- und Wehrdienstopfer, Behinderten und Rentner (VdK) befürchtet einen Zusammenbruch der sozialen Dienste, wenn der Zivildienst aufgehoben wird. Er fordert deshalb ein soziales Pflichtjahr für junge Frauen und nicht wehrdienstleistende Männer mit entsprechender sozialer Absicherung. Ein Pflichtdienst fülle nicht nur absehbare Personallücken, sondern diene auch der Persönlichkeitsbildung junger 21 http://www.alexander-kupper.de/ju/junge-union.phb?site=ak-wehrpf...(Stand:17. Februar 2004) 22 Ähnlich die "Acht Thesen zur allgemeinen Dienstpflicht", beschlossen in Gelnhausen vom Landesausschuss der Jungen Union Hessen vom 11. Oktober 2003. Allerdings soll die allgemeine Dienstpflicht danach mindestens 12 Monate dauern, um die notwendigen Kenntnisse zu erwerben und um eine sinnvolle Restdienstzeit zu gewährleisten. Eine Dienstverlängerung sei möglich (These 4). 23 http://jothch.net/jumv/news/details.phb?a=19 (Stand: 17. Februar 2004); Baden-Württemberg : http://www.cdu.org./jubawue/presse/psm01/2001_23.htm (Stand: 17. Februar 2004) - 11 - Menschen. U.a. mache der Dienst das Zusammenleben menschlich, weil er dazu beitrage , dass Alte, Behinderte und Kranke nicht allein gelassen würden.24 24 http://www.sonntagsblatt.de/artikel/2000/3/3-deb.htm S. 3 (Stand: 18. Februar 2004)