© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 017/19 Mietpreisregulierung durch die Länder Möglichkeit einer Regelung durch Gesetz oder Rechtsverordnung sowie Vereinbarkeit mit Art. 14 GG Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 2 Mietpreisregulierung durch die Länder Möglichkeit einer Regelung durch Gesetz oder Rechtsverordnung sowie Vereinbarkeit mit Art. 14 GG Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 017/19 Abschluss der Arbeit: 11. Februar 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 3 1. Fragestellung Mit dem Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung von 20151 (im Folgenden: Mietpreisbindungsgesetz ) hat der Bundesgesetzgeber Regelungen über die bei Mietbeginn zulässige Miethöhe bei Mietverträgen über Wohnraum ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Nach § 556d Abs. 1 BGB darf die Miete zu Beginn eines Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigen, wenn der Wohnraum in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt. Die Landesregierungen sind nach § 556d Abs. 2 BGB ermächtigt , die entsprechenden Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Die Ausarbeitung befasst sich zunächst mit der Frage, ob die Länder aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen eigene Gesetze zur Mietpreisregulierung erlassen dürften. Zudem wird die Frage erörtert, ob eine Mietpreisregulierung der Länder durch Rechtsverordnung auf der Grundlage des Preisgesetzes möglich wäre. Abschließend folgen Ausführungen zur Vereinbarkeit einer Mietpreisbindung durch die Länder mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 Grundgesetz (GG). 2. Gesetzliche Mietpreisregulierung durch die Länder 2.1. Gesetzgebungskompetenz für das Mietpreisrecht Das Mietpreisrecht ist grundsätzlich Teil des sog. sozialen Mietrechts2, das traditionell eine Materie des bürgerlichen Rechts darstellt3. Vorschriften des sozialen Mietrechts fallen daher unter den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, der unter anderem das bürgerliche Recht umfasst.4 Dementsprechend wurde das Mietpreisbindungsgesetz auf diesen Kompetenztitel, der der konkurrierenden Gesetzgebung angehört, gestützt.5 Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben gemäß Art. 72 Abs. 1 GG die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Mit dem Mietpreisbindungsgesetz hat der Bundesgesetzgeber auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts eine erschöpfende Regelung für die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn getroffen. Für die Länder gibt es unter diesem Kompetenztitel daher keine Möglichkeit einer eigenen gesetzlichen Regelung. 1 BGBl. I S. 610. 2 Vgl. Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition Stand: 1. November 2018, § 535 BGB Rn. 182. 3 Vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 10. 4 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 232. 5 BT-Drs. 18/3121, S. 19. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 4 2.2. Zum Kompetenztitel des Wohnungswesens Die Kompetenz für das Wohnungswesen gehörte bis zur Föderalismusreform von 2006 als Bestandteil von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung.6 Im Zuge der Reform wurde das Wohnungswesen aus dem Zuständigkeitskatalog des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG entfernt.7 Es fällt seither gemäß Art. 70 GG in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Ursprung der Schaffung der Gesetzkompetenz für das Wohnungswesen war die Notwendigkeit des Wiederaufbaus und der Beseitigung der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg.8 Das Wohnungswesen umfasst daher öffentlich-rechtliche Maßnahmen zur Wohnraumbeschaffung und zur Wohnraumnutzung.9 Zum Kompetenztitel gehören Regelungen über die Bewirtschaftung des Wohnraums, die soziale Wohnraumförderung, der Abbau von Fehlsubventionierungen im Wohnungswesen , das Wohnungsbindungsrecht, das Zweckentfremdungsverbot und das Wohnungsgenossenschaftsrecht .10 Mietpreisbindungen auf dem Gebiet des Wohnungswesens gibt es aktuell – soweit ersichtlich – nur für den öffentlich geförderten Wohnraum. Historisch waren Mietpreisbindungen in der Bundesrepublik über mehrere Jahrzehnte Teil der Wohnraumbewirtschaftung nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese beiden Konzepte werden im Folgenden kurz dargestellt. 2.2.1. Öffentlich geförderter Wohnraum Das Modell des öffentlich geförderten Wohnraums (besser bekannt als sozialer Wohnungsbau) beruht darauf, dass der Eigentümer durch staatliche Subventionen bei der Vermietung auf eine moderate Kostenmiete beschränkt wird.11 Der öffentlich geförderte Wohnraum wird daher auch 6 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81. 7 Unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG fällt seitdem der städtebauliche Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge), das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht. 8 Vgl. Wandersleb, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens , in: DÖV 1959, 244 ff. (244). 9 Vgl. Wandersleb, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens , in: DÖV 1959, 244 ff. (244). 10 Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 131; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81. 11 Vgl. Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (7). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 5 als preisgebundener Wohnraum bezeichnet. Er beruhte seit 1950 zunächst auf den Wohnungsbaugesetzen 12, die 2001 vom Wohnraumförderungsgesetz13 abgelöst wurden, sowie auf dem Wohnungsbindungsgesetz 14. Nachdem die Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen auf die Länder übergegangen war, haben die meisten Länder eigene Wohnungsförderungs- und Wohnungsbindungsgesetze erlassen.15 2.2.2. Wohnraumbewirtschaftung Das Konzept der Wohnraumbewirtschaftung sah vor, dass dem Eigentümer die freie Verfügungsgewalt über das Mietobjekt entzogen wurde und die Vermietung nur mit Genehmigung ausgeübt werden durfte. Mietverhältnisse konnten zudem durch Verfügung zwangsweise begründet werden. Erste Regelungen zur Wohnraumbewirtschaftung gab es bereits gegen Ende des Ersten Weltkriegs.16 Nach zwischenzeitlichen Lockerungen wurden wohnungswirtschaftliche Restriktionen im Dritten Reich wieder eingeführt und verschärft, etwa durch die Einführung der sog. Preisstop-Verordnung im Jahr 1936.17 Grundlage der Wohnraumbewirtschaftung nach dem Zweiten Weltkrieg war ursprünglich das Kontrollratsgesetz Nr. 18 vom 8. März 194618, später unter anderem das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz von 195319. Die Preisbindung von 1936 galt weiterhin fort.20 Durch das Erste Wohnungsbaugesetz von 1950 wurde es für frei finanzierte Neubauten erlaubt, eine Marktmiete zu vereinbaren.21 Das Erste Bundesmietengesetz von 1955 erlaubte erstmals eine gestaffelte Mieterhöhung für Altbauten. Es galten jedoch Preisobergrenzen. Zudem konnten nach dem Gesetz Mieten auf Antrag des Mieters von den sog. Preisbehörden abgesenkt werden. In den Sechziger 12 Erstes Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 (BGBl. I S. 83) und Zweites Wohnungsbaugesetz vom 27. Juni 1956 (BGBl. I S. 523). 13 Wohnraumförderungsgesetz vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2376), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1610). 14 Wohnungsbindungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2404), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474). 15 Siehe https://www.bmi.bund.de/DE/themen/bauen-wohnen/stadt-wohnen/wohnraumfoerderung/soziale-wohnraumfoerderung /soziale-wohnraumfoerderung-node.html (Stand: 30. Januar 2019). 16 Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (6). Siehe zu bereits nach dem Ersten Weltkrieg bestehenden Maßnahmen der Wohnraumbewirtschaftung und Mietpreisbegrenzung auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Wohnraummietrecht – Historisches und Statistisches, WD 7 - 3000 - 121/18, 5 f. 17 Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen (RGBl. I 1936 S. 955). 18 ABl. des Kontrollrats in Deutschland 1946, 117. 19 BGBl. I S. 97. 20 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Mietpreisbindung seit der Weimarer Republik, WD 7 - 3000 - 011/18, S. 1. 21 Sonnenschein, Der Mietvertrag über Wohnraum zwischen Vertragsfreiheit und staatlicher Reglementierung, in: DWW 1999, 193 ff. (196). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 6 Jahren wurde der sog. Lücke-Plan erarbeitet, der eine stufenweise Abschaffung der Zwangsbewirtschaftung vorsah. Danach gab es sog. weiße Kreise mit freigegebenen Mieten und schwarze Kreise mit Mietbegrenzung.22 Für Altbauwohnungen war ein Schlusstermin der Zwangsbewirtschaftung im Jahr 1965 vorgesehen, der jedoch verlängert wurde. Mitte der Siebziger Jahre gab es noch in Berlin, Hamburg und München Mietbegrenzungen.23 In Berlin wurde die Preisbindung für Altbauten erst 1987 durch das Gesetz zur dauerhaften sozialen Verbesserung der Wohnungssituation im Land Berlin24 aufgehoben. Das Gesetz sah aber Übergangsfristen bis 1994 für Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen und Neuvermietungen vor. 2.3. Möglichkeit einer gesetzlichen Mietpreisbindung unter dem Kompetenztitel des Wohnungswesens Aufgrund der grundsätzlichen Zuordnung des Mietpreisrechts zum bürgerlichen Recht kann eine gesetzliche Mietpreisbindung nur in engen Grenzen dem Wohnungswesen als Bereich des öffentlichen Rechts zugeordnet werden. Um nicht dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu unterfallen, müsste das entsprechende Gesetz schwerpunktmäßig einen öffentlich-rechtlichen Regelungsgegenstand betreffen. Dies wäre beispielsweise bei einer nur strenger als § 556d BGB gefassten Vorschrift nicht der Fall, da diese ebenfalls dem bürgerlichen Recht zuzuordnen wäre. Da das Wohnungswesen Maßnahmen der Wohnraumbeschaffung und der Wohnraumnutzung umfasst, müsste eine gesetzliche Mietpreisbindung in diesem Bereich wohl als untergeordneter Teil in ein diesen Zwecken dienendes Regelungskonzept eingebunden werden. In Betracht dürfte dabei nur ein Konzept kommen, das den Wohnraum einer öffentlich-rechtlichen Zweckbindung unterwirft, wie im Falle des öffentlich geförderten Wohnraums oder der Wohnraumbewirtschaftung . Für frei am Wohnungsmarkt angebotene Mietwohnungen dürfte hingegen das Mietpreisbindungsgesetz des Bundes eine abschließende gesetzliche Regelung darstellen. 3. Mietpreisregulierung durch die Länder auf der Grundlage des Preisgesetzes Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Länder eine Regelung zur Mietpreisbindung durch Rechtsverordnung auf der Grundlage des Preisgesetzes25 treffen dürfen. § 2 Abs. 1 Preisgesetz besagt: „Die für die Preisbildung zuständigen Stellen (Absatz 2) können Anordnungen und Verfügungen erlassen, durch die Preise, Mieten, Pachten, Gebühren und sonstige Entgelte für Güter und Leistungen jeder Art, ausgenommen Löhne, festgesetzt oder genehmigt werden, oder durch die der Preisstand aufrechterhalten werden soll.“ 22 Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (7). 23 Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (7). 24 BGBl. I S. 1625. 25 Preisgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 720-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das durch Artikel 22 des Gesetzes vom 18. Februar 1986 (BGBl. I S. 265) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 7 3.1. Außerkrafttreten des Preisgesetzes? Das Preisgesetz stammt aus dem Jahr 1948 und war als Übergangsgesetz gedacht.26 Seine Geltungsdauer wurde jedoch mehrfach verlängert, zuletzt durch das Gesetz zur weiteren Verlängerung der Geltungsdauer des Preisgesetzes vom 29. März 195127, das eine Verlängerung bis zum Inkrafttreten eines neuen Preisgesetzes anordnete. Ein neues Preisgesetz wurde nicht erlassen. Auf § 2 Preisgesetz gestützte Verordnungen finden sich – soweit ersichtlich – heute nur noch auf dem Gebiet der öffentlichen Auftragsvergabe.28 Das Bundesverwaltungsgericht warf 1995 die Frage auf, ob das Gesetz weiterhin in Kraft sei oder im Blick auf seinen Übergangscharakter infolge Zeitablaufs möglicherweise gegenstandslos geworden sei.29 Letztlich bejahte das Gericht die Geltung des Preisgesetzes zumindest bezüglich Preisen für Bauleistungen bei öffentlichen oder mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aufträgen. Im Übrigen wurde die Frage der Geltung des Gesetzes offengelassen. 3.2. Adressaten der Verordnungskompetenz Adressaten der Verordnungskompetenz für die Preisregulierung sind nach § 2 Abs. 2 Preisgesetz „der Direktor der Verwaltung für Wirtschaft des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Direktor für Wirtschaft), wenn Bestimmungen für mehr als ein Land erforderlich sind oder wenn die Preisbildung den Verkehr mit Gütern und Leistung in mehr als einem Land beeinflußt oder beeinflussen kann“, im Übrigen „die obersten Landesbehörden“. Da das Preisgesetz ein vorkonstitionelles Gesetz ist, sind gemäß Art. 129 Abs. 1 GG die genannten Ermächtigungen auf die nunmehr sachlich zuständigen Stellen übergegangen. Nach Art. 80 Abs. 1 S. 1 GG können nur die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt werden. Die Zuständigkeiten nach § 2 Abs. 2 Preisgesetz sind somit auf den Bundesminister für Wirtschaft sowie die Landesregierungen übergegangen. 3.3. Zulässigkeit einer Mietpreisregelung der Länder auf der Grundlage des Preisgesetzes Für die Zulässigkeit einer Rechtsverordnung im Bereich des Mietpreisrechts auf der Grundlage der Preisverordnung dürften die Erwägungen unter 2.3 entsprechend gelten: Da der Bund mit § 556d BGB eine abschließende Regelung für das Mietpreisrecht auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts getroffen hat, dürfte auf diesem Gebiet eine Verordnungskompetenz der Länder, die über die in § 556d BGB festgeschriebene hinausgeht, versperrt sein. Selbst wenn man vom Bestehen der Verordnungskompetenz ausgeht, gilt aufgrund des Vorrangs des Gesetzes (Art. 20 Abs. 3 GG), dass eine Rechtsverordnung nicht gegen höherrangiges Recht verstoßen darf. Eine aufgrund des Preisgesetzes erlassene Verordnung zur Mietpreisbindung auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts, deren Gehalt von § 556d BGB abwiche, wäre mit dieser Vorschrift wohl unvereinbar. Dies dürfte etwa für die Festsetzung eines Höchstpreises gelten, da sich der Gesetzgeber mit der Entscheidung 26 Vgl. BVerwG NVwZ-RR 1995, 425 (425). 27 BGBl I S. 223. 28 Siehe vertiefend dazu Berstermann, in: Pünder/Schellenberg (Hrsg.), Vergaberecht, Verordnung PR Nr. 30/53 Rn. 23 ff. 29 BVerwG NVwZ-RR 1995, 425 (425 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 8 für eine Orientierung des zulässigen Mietpreises an der ortsüblichen Vergleichsmiete in § 556d BGB gerade gegen einen Höchstpreis entschieden hat. Eine Rechtsverordnung der Länder zur Mietpreisbindung auf der Grundlage des Preisgesetzes dürfte somit wie eine gesetzliche Regelung nur im Bereich des Wohnungswesens, also etwa für den öffentlich geförderten Wohnraum, möglich sein, nicht im Bereich des freien Wohnungsmarktes. 4. Vereinbarkeit einer Mietpreisbindung durch die Länder mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG Die Vereinbarkeit einer Mietpreisbindung mit Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG kann nur anhand der genauen Ausgestaltung der Regelung geprüft werden.30 Im Folgenden können daher nur allgemeine Überlegungen zu Art. 14 Abs. 1 und 2 GG, insbesondere in Bezug auf Mietwohnungen, angestellt werden. Das Grundrecht auf Eigentumsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG unterliegt gemäß Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gesetzlichen Einschränkungen. Zudem ist in Art. 14 Abs. 2 GG die sog. Sozialpflichtigkeit des Eigentums festgelegt, wonach der Gebrauch des Eigentums zugleich dem Wohl der Allgemeinheit dienen soll. Will der Gesetzgeber Beschränkungen des Eigentums vornehmen, so muss er die verfassungsmäßige Anerkennung des Eigentums und seine Sozialpflichtigkeit abwägen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat dazu ausgeführt: „Der Eigentumsschutz wiegt umso schwerer, je mehr der betroffene Eigentumsgegenstand der Sicherung der persönlichen Freiheit des Eigentümers dient. Wird der Eigentumsgegenstand dagegen Dritten zur entgeltlichen Nutzung überlassen und dient er deren Freiheitssicherung, so verlangt das Gebot einer am Gemeinwohl orientierten Eigentumsnutzung eine verstärkte Rücksichtnahme auf ihre Belange. Je mehr das Eigentumsobjekt in einem sozialen Bezug steht und eine soziale Funktion erfüllt, desto weiter reicht die Befugnis des Gesetzgebers zur Inhaltsund Schrankenbestimmung. Die Grenzen liegen dabei nicht ein für allemal fest. Veränderungen der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse können vielmehr zu einer Verschiebung der Maßstäbe führen.“31 In Bezug auf Mietpreisbindungen räumt das BVerfG dem Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum für Eingriffe ein: „Mietpreisbindungen schränken die freie Verfügung über das Eigentum und dessen Nutzung ein. Preisrechtliche Vorschriften, die durch sozialpolitische Ziele legitimiert werden, sind aber verfassungsrechtlich nicht ausgeschlossen (vgl. BVerfGE 87, 114 <146> m.w.N.). Die Eigentumsgarantie gewährleistet nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums. Gerade im Bereich der Wohnungsmiete verlangt die Sozialbindung aus Art. 14 Abs. 2 GG einen angemessenen Ausgleich zwischen den Interessen von Vermietern und Mietern, den der Gesetzgeber 30 Siehe in Bezug auf das Mietpreisbindungsgesetz des Bundes bereits die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassungsrechtlicher Rahmen für die Einführung einer sogenannten Mietpreisbremse, WD 3 - 3000 - 076/14 sowie Verfassungsrechtliche Fragen zur sog. Mietpreisbremse, WD 3 - 3000 - 256/17. 31 BVerfGE 95, 64 (84). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 9 vorzunehmen hat (vgl. BVerfGE 37, 132 <141>; 89, 1 <8>). Dabei verfügt er angesichts des Umstandes, daß sich auf beiden Seiten grundrechtliche Positionen gegenüberstehen, über einen weiten Gestaltungsraum. Insbesondere kann er die jeweiligen Verhältnisse und Umstände auf dem Wohnungsmarkt berücksichtigen. Die von Art. 14 Abs. 1 GG gezogenen Grenzen wären aber jedenfalls dann überschritten, wenn Mietpreisbindungen auf Dauer zu Verlusten für den Vermieter oder zur Substanzgefährdung der Mietsache führen würden (vgl. BVerfGE 71, 230 <250>).“32 4.1. Verhältnismäßigkeit einer Mietpreisbindung im Bereich des Wohnraumwesens Ein Grundrechtseingriff ist nur dann verfassungsrechtlich gerechtfertigt, wenn er verhältnismäßig ist. Dies ist der Fall, wenn der Eingriff einem legitimen Zweck dient und zum Erreichen dieses Zwecks geeignet, erforderlich sowie angemessen ist.33 Mietpreisbindungen dienen dem Ziel, eine Überhöhung des Mietpreises zu verhindern und dadurch für alle Bevölkerungsschichten bezahlbaren Wohnraum zu erhalten.34 Dabei handelt es sich um einen legitimen gesetzgeberischen Zweck: Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist „der Schutz vor Nachteilen aufgrund […] der Nachfragesituation auf dem Wohnungsmarkt“ Ausfluss des im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzips (Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG).35 Mietpreisbindungen dürften auch ein geeignetes Mittel sein, dieses Ziel zu erreichen. Ferner müsste die Mietpreisbindung erforderlich sein. Eine Maßnahme ist dann erforderlich, wenn kein milderes Mittel zur Verfügung steht, das in gleicher Weise geeignet ist, den legitimen Zweck zu erreichen.36 Wie oben unter 2.3 ausgeführt, dürften Mietpreisbindungen der Länder nur im Bereich des öffentlich geförderten Wohnraums oder im Rahmen einer Unterwerfung von Wohnungen unter die Wohnraumbewirtschaftung bzw. eine ähnliche öffentlich-rechtliche Bindung in Betracht kommen. Im Bereich des öffentlich geförderten Wohnraums wird wohl kein milderes Mittel als eine Preisbindung verfügbar sein, um zu erreichen, dass die Wohnungen für bedürftige Bevölkerungsschichten bezahlbar bleiben. Soll eine Preisbindung allerdings im Rahmen einer Wohnraumbewirtschaftung eingeführt werden, so ließe sich argumentieren, dass eine Stärkung des öffentlich geförderten Wohnraums das mildere Mittel darstellte. Allerdings würde eine solche Stärkung nicht sofort, sondern erst längerfristig zu einer Dämpfung des Mietenanstiegs führen. Angesichts derzeit steigender Mieten insbesondere in den Ballungszentren dürfte dieses mildere 32 BVerfG NJW 1995, 511 (512). 33 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 20 VII Rn. 110. 34 Vgl. die Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassungsrechtlicher Rahmen für die Einführung einer sogenannten Mietpreisbremse, WD 3 - 3000 - 076/14, S. 6. 35 BVerfG NJW-RR 2016, 1349 (1355 f.). 36 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 20 VII Rn. 113. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 10 Mittel damit nicht gleich geeignet sein. Letztlich steht dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Erforderlichkeit ohnehin ein Einschätzungsspielraum zu.37 Schließlich müsste sich eine Mietpreisbindung nach Abwägung der zum Teil divergierenden Interessen von Mieter und Vermieter als angemessen erweisen. Zwar hat der Eigentümer ein Interesse an der rentabelsten Verwertung seines Eigentums. Dieses Interesse ist aber verfassungsrechtlich nicht geschützt.38 Die Sozialbindung des Eigentums, die gerade in Bereichen, in denen ein großer Teil der Bevölkerung auf die Nutzung fremden Eigentums wie beispielsweise bei Wohnungen angewiesen ist, rechtfertigt eine stärkere Einschränkung des Eigentumsrechts. So hielt das BVerfG bereits die Begrenzung von Mieterhöhungen bei Bestandsmietverhältnissen auf die ortsübliche Vergleichsmiete für verfassungsrechtlich gerechtfertigt, da diese Regelung dem Vermieter einen am örtlichen Markt orientierten Mietzins garantiert, der die Wirtschaftlichkeit der Wohnung regelmäßig sicherstelle.39 Die Ausnutzung von Mangellagen auf dem Wohnungsmarkt zur Erzielung einer höheren Miete genieße angesichts der sozialen Bedeutung der Wohnung für die hierauf angewiesenen Menschen keinen verfassungsrechtlichen Schutz. Im Bereich des öffentlich geförderten Wohnraums bejahte das BVerfG bereits die Angemessenheit der Mietpreisbindung: „Der soziale Bezug von Sozialwohnungen rechtfertigt Bindungen sowohl hinsichtlich des berechtigten Personenkreises als auch des zulässigen Mietzinses. [...] Den wirtschaftlichen Interessen des Eigentümers wird dadurch Rechnung getragen, daß er die Kostenmiete erheben kann, die eine angemessene Verzinsung seiner Eigenleistungen einschließt (§§ 8 bis 8 b WoBindG), und nach Ablauf der Bindungsfristen über freies Eigentum verfügt.“40 Im Übrigen gilt, dass der Gesetzgeber die jeweiligen Verhältnisse auf dem Wohnungsmarkt berücksichtigen kann.41 Eingriffe gegenüber Vermietern können daher umso einschneidender sein, je angespannter die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist. Dies bedeutet aber auch, dass Mietpreisbindungen unter Umständen nur solange angemessen sind, wie die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt andauert. 4.2. Keine Substanzverletzung Aus einer Mietpreisbindung darf sich keine Substanzverletzung des Eigentums ergeben, da sonst die Bestandgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG verletzt wäre.42 Die Substanz des Eigentums ist nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht bereits dann verletzt, wenn sich nicht die höchstmögliche 37 Grzeszick, in: Maunz/Dürig, GG, 84. EL August 2018, Art. 20 VII Rn. 116. 38 BVerfGE 71, 230 (250). 39 BVerfGE 37, 132 (142). 40 BVerfGE 95, 64 (85). 41 BVerfG NJW 1995, 511 (512). 42 Die folgenden Ausführungen entstammen der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Verfassungsrechtlicher Rahmen für die Einführung einer sogenannten Mietpreisbremse, WD 3 - 3000 - 076/14, S. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 017/19 Seite 11 Rendite aus dem Eigentum erzielen lässt, sondern erst, wenn sich aus der Vermietung die Gefahr von Verlusten für den Eigentümer ergibt.43 Daher muss zumindest die allgemeine Preissteigerung – und ggf. auch die hiervon abweichende Steigerung im Baugewerbe für Instandhaltungskosten sowie sonstige für das Grundeigentum typische Kosten – durch Mieterhöhungen ausgeglichen werden können. Auch müssen Modernisierungsmaßnahmen in angemessenem Umfang bei Neuvermietungen Berücksichtigung finden können. Um eine Substanzverletzung auch in den Fällen auszuschließen, in denen der Vermieter erhebliche Investitionen – beispielsweise im Rahmen der energetischen Sanierung alten Wohnraums oder des Neubaus von Wohnungen – getätigt hat, könnten diese Sonderfälle generell von der Anwendung einer Mietpreisbindung ausgenommen werden oder zumindest eine Regelung für entsprechende Härtefälle auf Gesetzes- oder Verordnungsebene vorgesehen werden. *** 43 Vgl. BVerfGE 71, 230 (250).