Die finanzielle Förderung der wissenschaftlichen Forschung Förderalismusreform und Art. 74 Abs. 1 Nr. 13, 75 Abs. 1 Nr. 1a, 91a und 91b GG - Ausarbeitung - © 2006 Deutscher Bundestag WD 3 - 017/06 Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages Verfasser/in: Die finanzielle Förderung der wissenschaftlichen Forschung Ausarbeitung WD 3 - 017/06 Abschluss der Arbeit: 07.06.2006 Fachbereich WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Die Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste sind dazu bestimmt, Mitglieder des Deutschen Bundestages bei der Wahrnehmung des Mandats zu unterstützen. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Diese bedürfen der Zustimmung des Direktors beim Deutschen Bundestag. - Zusammenfassung - Sowohl vor als auch nach der Umsetzung der geplanten Föderalismusreform ist es dem Bund nicht gestattet, mit einzelnen Bundesländern staatsvertraglich oder durch Verwaltungsabkommen die finanzielle Förderung einzelner Hochschulen unter den Aspekten der Schaffung zusätzlicher Studienplätze, der Exellenzförderung oder der Hauptstadtförderung abzuschließen. Einer solchen Einzelförderung steht - der insoweit auch nach der Föderalismusreform unveränderte - Art. 91b GG entgegen, der die Rechtsgrundlage für die Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern ist. Danach müssen stets alle 16 Bundesländer die Vereinbarungen unterzeichnen. Welches Bundesland in welcher Höhe gefördert wird, ist in einem weiteren Schritt individuell zu lösen. Inhalt 1. Einleitung 4 2. Bildungsplanung, Forschungsförderung und Hochschulwesen nach dem Grundgesetz 4 2.1. Gesetzgebungskompetenzen 4 2.1.1. Förderung der wissenschaftlichen Forschung 4 2.1.2. Die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens 5 2.2. Bildung und Forschung als Gemeinschaftsaufgabe – Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 und 91b GG 7 3. Die Bund-Länder-Kommission und Vereinbarungen im Sinne des Art. 91b GG 8 4. Finanzielle Förderung einzelner Hochschulen 8 5. Reformvorhaben im Bereich der Bildungspolitik 9 5.1. Verfassungsänderung und Konsequenzen im Einzelnen 9 5.1.1. Abschaffung der Rahmengesetzgebung 10 5.1.2. Art. 91a GG: Mitwirkungsbereiche des Bundes bei Länderaufgaben 10 5.1.3. Art. 91b GG: Bildungsplanung und Forschungsförderung 11 5.2. Bund-Länder-Kommission nach Art. 91b GG 12 5.2.1.1. Rahmenvereinbarung Forschungsförderung 12 5.2.1.2. Rahmenvereinbarung Modellversuche 13 5.2.1.3. Kostentragung nach Art. 91b GG 13 5.2.1.4. Hochschulbauförderung 14 5.2.1.5. Förderung der wissenschaftlichen Forschung 14 5.2.1.6. Rahmenvereinbarung Forschungsförderung 15 5.2.1.7. Wegfall des Begriffs „gesamtstaatliche Bildungsplanung“ 16 5.2.1.8. Rahmenvereinbarung Modellversuche 16 5.2.1.9. Bundesmittel 17 6. Literaturverzeichnis 18 - 4 - 1. Einleitung In der Ausarbeitung wird zunächst erläutert, aus welchen Rechtsgrundlagen sich die Kompetenzen für Bund und Länder zur Gesetzgebung im Bereich der Bildungsplanung, Forschungsförderung und Hochschulwesen ergeben. Ferner werden Art. 91a und 91b GG behandelt, die sich mit den Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern befassen , speziell im Bereich der Bildungsplanung, der Forschungsförderung und Hochschulbau (Punkt 2). Unter Punkt 3 wird dargestellt, auf welcher Grundlage Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern zur finanziellen Förderung im Hochschulbereich erfolgen und ob in diesem Rahmen eine Förderung einzelner Hochschulen möglich ist (Punkt 4). Zuletzt werden die möglichen Konsequenzen, die die Föderalismusreform nach derzeitigem Planungsstand im Hochschulbereich zur Folge haben kann, aufgeführt (Punkt 5). 2. Bildungsplanung, Forschungsförderung und Hochschulwesen nach dem Grundgesetz 2.1. Gesetzgebungskompetenzen 2.1.1. Förderung der wissenschaftlichen Forschung Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG hat der Bund die konkurierrende Gesetzgebungszuständigkeit für die Regelung der Ausbildungsbeihilfen und die Förderung der wissenschaftlichen Forschung. Nachfolgend wird ausschließlich auf den Bereich der Förderung der wissenschaftlichen Forschung eingegangen. „Forschung“ als Rechtsbegriff ist die auf Gewinnung neuer Erkenntnisse gerichtete menschliche Tätigkeit1. Der Begriff der Forschung ist der gleiche wie in Art. 91b GG. „Förderung“ meint in diesem Zusammenhang finanzielle, organisatorische und planerische Maßnahmen, sowohl personenbezogen (z. B. Garduiertenförderung) als auch projekt- oder einrichtungsbezogen. 1 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 74, Rdnr. 178. - 5 - Ebenso wie die Kompetenz nach Art. 91b GG erfasst Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG nur die Förderung der wissenschaftlichen Forschung und nicht die Regelung der Forschung selbst2. Die Ausführung etwa ergehender Bundesgesetze richtet sich, wie bei allen Bundesgesetzen , nach dem Abschnitt VIII - Die Ausführung der Bundesgesetze und die Bundesverwaltung - des Grundgesetzes. Über Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG kann der Bund Forschungsförderungsmaßnahmen finanzieller, organisatorischer oder planerischer Art der Länder vorschreiben. Er kann aber auch von Art. 87 GG Gebrauch machen und im Rahmen des Abs. 3 Satz 1 dieser Bestimmung eigene zentrale Forschungsförderungseinrichtungen schaffen und damit die Förderungsaufgabe an sich ziehen. Von Art. 91b GG unterscheidet sich Art. 74 Nr. 13 GG dadurch, dass es sich in dem ersten Fall um eine Exekutiv- und in dem letzten Fall um eine Gesetzgebungskompetenz handelt. Im Übrigen ist der Kompetenzumfang in beiden Bestimmungen gleich3. Da Art. 91b GG nur fakultative Planungs- und Finanzierungskompetenzen enthält, bleiben die Gesetzgebungskompetenzen von Bund (insbesondere Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 und Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG) und Ländern auf den genannten Sachgebieten unberührt. Bundes- wie landesgesetzliche Regelungen gehen Vereinbarungen nach Art. 91b GG vor. 2.1.2. Die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens Die Rahmenkompetenz für die allgemeinen Grundsätze des Hochschulwesens nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG ist durch das 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12.5.19694 eingefügt worden, nachdem zuvor Pläne der Bundesregierung gescheitert waren, Art. 74 GG entsprechend zu erweitern, also eine konkurierrende Vollkompetenz für die Zuständigkeit im Hochschulbereich für den Bund zu gewinnen. Die Regelung ist im Zusammenhang mit einerseits Art. 91a Nr. 1 GG (Ausbau und Neubau von Hochschulen als Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern) und Art. 91b GG (Zusammenwirken von Bund und Ländern bei der Bildungsplanung und Forschungsförderung ), andererseits auch mit der Vollkompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 13 GG (Aus- 2 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 74, Rdnr. 179. 3 Vgl. Maunz, in: Festschrift für Gebhard Müller, S. 269. - 6 - bildungsbeihilfen und Forschungsförderung) zu sehen. Während Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG dem Bund Gesetzgebungszuständigkeiten gibt, richtet sich Art. 91a GG zunächst an die Exekutive. Mit „Hochschulwesen“ sind nicht nur die wissenschaftlichen Hochschulen (Universitäten ) gemeint. Eingeschlossen sind auch die Fachhochschulen, Kunsthochschulen und teils auch die nicht-staatlichen Hochschulen5. Dem Hochschulwesen unterfällt das gesamte Hochschulrecht. Aufgrund des Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG hat der Bund das Hochschulrahmengesetz (HRG)6 erlassen. Das HRG bestimmt die Aufgaben der Hochschulen (Studium und Lehre, Forschung), regelt die Zulassung zum Studium, die Mitgliedschaft und Mitwirkung der Mitglieder der Hochschule und ihre Organisation und Verwaltung . Die einschränkende Formulierung des Kompetenztitels indiziert, dass dem Bundesgesetzgeber im Hochschulwesen ungeachtet der Schranken, die ohnehin für jede Rahmengesetzgebung gelten, weitere Betätigungsbeschränkung auferlegt werden sollen: Rahmenvorschriften auf dem Gebiet des Hochschulwesens haben sich auf „Grundsätze“ zu beschränken, die ihrerseits wiederum nur „allgemeiner Natur“ sein dürfen7. Der Bund soll zurückhaltender von seiner Rahmenkompetenz Gebrauch machen als in anderen Materien des Art. 75 Abs. 1 S. 1 GG, er unterliegt zusätzlichen Beschränkungen in Bezug auf die Regelungsdichte8. Mit Blick auf die Restriktionen, die infolge der Zuordnung zur Rahmengesetzgebung als solche aufgrund der Erforderlichkeitsklausel gemäß Art. 72 Abs. 2 GG sowie materiell durch Art. 5 Abs. 3 GG bestehen, ist in der Literatur eine „vier-„ oder gar „fünffache“ Grenze für Rahmengesetze nach Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1a GG postuliert worden9. Darüber hinaus ist in der Literatur umstritten, ob der Begriff der „allgemeinen Grundsätze“ bundesgesetzliche Detail- und Durchgriffsregelungen nicht per se ausschließt10. 4 BGBl. 1969, I, S. 363. 5 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 75, Rdnr. 18. 6 Hochschulrahmengesetz vom 26.1.1976, BGBl. 1976, I, S. 185, derzeit in der Fassung vom 19.1.1999, BGBl. 1999, I, S.18. 7 BVerfGE 66, 270 [285]. 8 In diesem Sinne auch Degenhart, in: Sachs, Art. 75, Rdnr. 17. 9 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 75, Rdnr. 75. 10 Zusammenfassend Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 75, Rdnr. 21. - 7 - Demgegenüber hat das Bundesverfassungsgericht es abgelehnt, die Rahmengesetzgebung des Bundes für das Hochschulwesen auf Richtlinien- oder Grundsatzgesetzgebung zu reduzieren; vielmehr hat es diesen Kompetenztitel dahin gehend verstanden, dass Detailregelungen und unmittelbar geltende Vorschriften zulässig sein können11. 2.2. Bildung und Forschung als Gemeinschaftsaufgabe – Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 und 91b GG Nach Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG wirkt der Bund bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder mit, wenn diese Aufgaben für die Gesamtheit bedeutsam sind und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist. Zu diesen so genannten Gemeinschaftsaufgaben gehört der Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulkliniken. Der Hochschulbegriff ist wie in Art. 75 Abs. 1 Nr. 1a GG12 abzugrenzen und setzt der inhaltlichen Ausfüllung und Ausweitung durch das Landesrecht Grenzen. Aus der Beschränkung der Vorschrift auf den Neubau folgt, dass der Betrieb und die Unterhaltung nicht zur Gemeinschaftsaufgabe gehören13. Ein weiterer essentieller Teil der Gemeinschaftsaufgaben ist die gemeinsame Finanzierung (Art. 91a Abs. 4 GG). Sie ist durch Gesetz zu regeln, wobei für die Aufgaben nach Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG ein fester Finanzierungsanteil (jeweils 50 v.H.) vorgesehen ist14. Dabei bezieht sich die finanzielle Beteiligung aber nur auf die Zweckausgaben 15. Die Verwaltungskosten haben die Länder nach Art. 104a Abs. 5 Satz 1 GG, dem insoweit Vorrang eingeräumt wird, selbst zu tragen16. Nach Art. 91b GG können Bund und Länder aufgrund von Vereinbarungen bei der Förderung von Einrichtungen und Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung von überregionaler Bedeutung zusammenwirken. Aufgrund der Vereinbarung kann jede 11 BVerfGE 43, 291 [343]; 66, 270 [285]; 66, 291 [307]. 12 Siehe unter 2.1.2. 13 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 91a, Rdnr. 33. 14 Krüger/Siekmann, in: Sachs, Art. 91a, Rdnr. 34. 15 Dazu Siekmann, in: Sachs, Art. 104a, Rdnr. 9. 16 BT-Drs. 5/2861; Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 91a, Rdnr. 52. - 8 - Form des Zusammenwirkens gewählt werden, auch die Schaffung von Institutionen17. Die Vereinbarungen, auf deren Grundlage die Zusammenarbeit stattfindet, können ihrer Rechtsnatur nach Verwaltungsabkommen oder Staatsverträge sein. 3. Die Bund-Länder-Kommission und Vereinbarungen im Sinne des Art. 91b GG Durch Verwaltungsabkommen vom 25. Juni 1970 haben Bund und Länder auf der Grundlage von Art. 91b GG die Errichtung einer gemeinsamen Kommission, der Bund- Länder-Kommission (BLK), vereinbart. Sie ist das ständige Gesprächsforum für alle Bund und Länder gemeinsam berührenden Fragen der Forschungsförderung. Die gemeinsame Forschungsförderung ist durch Rahmenvereinbarung vom 28. November 1975 und eine Reihe von Ausführungsvereinbarungen näher geregelt18. 4. Finanzielle Förderung einzelner Hochschulen Aus den vom Bundesverfassungsgericht zu Art. 104a Abs. 4 GG entwickelten Grundsätzen ergibt sich wegen der vergleichbaren Rechtslage auch für Art. 91b GG, dass bei dem Abschluss der Verwaltungsvereinbarungen alle Länder dem Bund gleichberechtigt gegenüberstehen und unsachgerechte Bevorzugungen einzelner Länder unzulässig sind19. Die Gültigkeit der Vereinbarungen hängt grundsätzlich von der Zustimmung aller betroffenen Länder ab, die ebenso wie die des Bundes gegenüber allen anderen Beteiligten zu erklären ist. Nur wenn ein betroffenes Land seine Zustimmung aus sachfremden Motiven versagt und somit gegen das Gebot der Bundestreue verstößt, kann die Vereinbarung auch ohne dieses Land zustande kommen20. Für die Bildungsplanung ergibt sich daraus, dass die jeweilige Vereinbarung nach Art. 91b GG nur mit allen Ländern abgeschlossen werden darf. 17 Krüger/Siekmann, in: Sachs, Art. 91b, Rdnr. 10. 18 BT-Drs. 15/3300, S. 3. Aktuelle Tätigkeitsbereiche der BLK bei der Bildungsplanung und Forschungsförderung im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarungen gemäß Art. 91b GG sind auf der Website http://www.blk-bonn.de/laender-vereinbarungen.htm aufgeführt. 19 Vgl. BVerfGE 39, 96; BVerfGE 41, 308. 20 Vgl. BVerfGE 1, 315; 12, 254; 39, 119; 41, 308. - 9 - Bei der Forschungsförderung kann eine Vereinbarung mit einem einzelnen Land zustande kommen, wenn gezielt eine einzelne Forschungseinrichtung oder ein Forschungsvorhaben in diesem Land gefördert werden soll. Mit solchen gezielten Vereinbarungen darf der Bund aber nicht einzelne Länder unsachlich bevorzugen21. Handelt es sich um eine generelle Vereinbarung über die Förderung von Einrichtungen oder Vorhaben der wissenschaftlichen Forschung oder um ein breit angelegtes Programm zur Förderung von einzelnen Forschungseinrichtungen oder –vorhaben, bedarf die Vereinbarung der Zustimmung aller Länder. Gemeinschaftsaufgaben müssen auch solche bleiben . Würde der Bund regelmäßig nur einzelne Hochschulen finanziell fördern, bliebe für die Gemeinschaftsaufgabe nach den Art. 91a ff. GG kein Raum mehr. Dies könnte einen Verstoß gegen Art. 91b GG darstellen. Es muss daher immer eine Aufgabe vorliegen , die für die Gesamtheit bedeutsam ist und die Mitwirkung des Bundes zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich macht (Gemeinschaftsaufgabe). Bei Art. 91b GG kommt als weitere Voraussetzung die überregionale Bedeutung der Bildungsplanung und Forschungsförderung hinzu. 5. Reformvorhaben im Bereich der Bildungspolitik Auf der Grundlage der Vorarbeiten der Kommission von Bundestag und Bundesrat zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung hat sich die große Koalition im Koalitionsvertrag vom 18. November 2005 auf eine im Konsens mit den Ländern zu entwickelnde Föderalismusreform geeinigt. Gerade im Bildungsbereich sollen großflächige Veränderungen vorgenommen werden. Sowohl die Gesetzgebungskompetenzen als auch die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a, 91b GG werden neu strukturiert. 5.1. Verfassungsänderung und Konsequenzen im Einzelnen Nach dem Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD (BT-Drs. 16/813) sind im Bereich der Bildungspolitik insbesondere die nachfolgenden Regelungen vorgesehen. 21 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 91b, Rdnr. 35. - 10 - 5.1.1. Abschaffung der Rahmengesetzgebung Im Zuge der Abschaffung der Kategorie der Rahmengesetzgebung22 wird Art. 75 GG gestrichen. Im Hochschulrecht wird der Großteil der Regelungsbefugnis aus der bisherigen Rahmenkompetenz auf die Länder übertragen; die konkurierrende Gesetzgebung erfasst künftig nur die „Hochschulzulassung und die Hochschulabschlüsse“ (neuer Art. 74 Abs. 1 Nr. 33 GG). Die Kompetenz für die Hochschulzulassung gibt dem Bund die Möglichkeit, insbesondere bei bundesweit zulassungsbeschränkten Studiengängen Vorgaben für die Ermittlung und vollständige Ausschöpfung der vorhandenen Ausbildungskapazitäten der Hochschulen sowie für die Vergabe der Studienplätze und Auswahlverfahren einheitlich zu regeln. Damit kann der Bund sicherstellen, dass entsprechend den verfassungsrechtlichen Anforderungen die Einheitlichkeit eines transparenten und fairen Vergabeverfahrens gewährleistet wird. Eine Regelung von Studiengebühren ist davon nicht umfasst. Ebenfalls nicht erfasst werden von dieser Kompetenz auch Regelungen bezüglich des Hochschulzugangs, die aufgrund ihres engen Bezugs zum Schulwesen zur Zuständigkeit der Länder gehören. Die Kompetenz für die Hochschulabschlüsse gibt dem Bund die Möglichkeit, im Interesse der Gleichwertigkeit einander entsprechender Studienleistungen und –abschlüsse die Abschlussniveaus und die Regelstudienzeiten zu regeln. Der Bund kann damit einen Beitrag zur Verwirklichung des einheitlichen europäischen Hochschulraums und zur internationalen Akzeptanz deutscher Hochschulabschlüsse leisten23. 5.1.2. Art. 91a GG: Mitwirkungsbereiche des Bundes bei Länderaufgaben Im Rahmen des Art. 91a Abs. 1 Nr. 1 GG entfällt die Gemeinschaftsaufgabe „Ausbau und Neubau von Hochschulen einschließlich Hochschulkliniken“. Dieser Bereich soll ausschließlich von den Ländern geregelt werden. 22 BT-Drs. 16/813, S. 3. 23 BT-Drs. 16/813, S. 14. - 11 - Damit soll zugleich ein Beitrag zum Abbau von Mischfinanzierungen und zur Stärkung der Länder geleistet werden. Das aufgrund des bisherigen Art. 91a Abs. 2 GG in Verbindung mit Absatz 1 Nr. 1 GG erlassene Recht gilt nach dem neuen Art. 125c Abs. 1 GG bis zum 31. Dezember 2006 fort. Die durch die Abschaffung dieser Gemeinschaftsaufgabe frei werdenden Finanzierungsanteile des Bundes stehen nach Maßgabe von Art. 143c GG den Ländern zu. Das Nähere ist nach Art. 143c Abs. 4 durch Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates zu bestimmen. 5.1.3. Art. 91b GG: Bildungsplanung und Forschungsförderung Die Möglichkeit des Zusammenwirkens von Bund und Ländern bei der Förderung überregional bedeutsamer wissenschaftlicher Forschung wird beibehalten und im Hinblick auf Fördergegenstände und Adressaten differenziert und präzisiert (Art. 91b Abs. 1 GG - neu -). Die gesamtstaatliche Aufgabe Forschungsförderung erfolgt weiterhin - im Schwerpunkt gemeinsam durch Bund und Länder (Vereinbarungen auf der Grundlage von Artikel 91b GG, z. B. zuletzt die sog. Exzellenzinitiative), - außerhalb von Artikel 91b GG durch den Bund (Projektförderungen, insbesondere durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung), - durch die einzelnen Länder. Die in der Sache nötige Transparenz und gegenseitige Unterrichtung bei Projektförderungen des Bundes24 und der einzelnen Länder ist durch die dazu bestehende und insoweit unberührt bleibende Bund-Länder-Zusammenarbeit gewährleistet25, eine Zustimmung der Länderseite ist nicht erforderlich. Die bisherige Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung wird ersetzt durch die Grundlage für eine gemeinsame Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im 24 Zu ihren bisherigen Gegenständen siehe den Bundesbericht Forschung 2004 (www.bmbf.de/de/2003.php). 25 Vgl. Artikel 1 Abs. 1, Artikel 2 Abs. 1 Nr. 7 (nebst zugehöriger Protokollnotiz) und Artikel 3 der „Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die gemeinsame Förderung der Forschung nach Artikel 91b GG“ – vom 28. November 1975 (BAnz 1975, Nr. 240 vom 30. Dezember 1975, S. 4), zuletzt geändert durch Vereinbarung vom 25. Oktober 2001 (BAnz 2001, S. 25218). - 12 - internationalen Vergleich und diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen (Art. 91b Abs. 2 GG - neu -). 5.2. Bund-Länder-Kommission nach Art. 91b GG26 Aufgrund des bisherigen Artikels 91b GG sind eine Reihe von Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern abgeschlossen worden. Dazu gehört das Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Ländern über die Errichtung einer gemeinsamen Kommission für Bildungsplanung (BLK-Abkommen) vom 25. Juni 1970 in der Fassung vom 17./21. Dezember 199027. Dieses Abkommen ist nach den Maßgaben des Begleittextes zu Artikel 91b GG wegen der in der Neufassung von Artikel 91b GG wegfallenden bisherigen Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung und der neuen Gemeinschaftsaufgabe Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich und diesbezüglichen Berichten und Empfehlungen (Artikel 91b Abs. 2 GG) anzupassen. Bei der Bereinigung des BLK-Abkommens ist entsprechend der Maßgabe des Begleittextes28 zur Koalitionsvereinbarung eine auf Kooperation und Effizienz orientierte Aufgabenabstimmung mit der Kultusministerkonferenz vorzunehmen. 5.2.1.1. Rahmenvereinbarung Forschungsförderung Die „Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die gemeinsame Förderung der Forschung nach Artikel 91b GG“ – Rahmenvereinbarung Forschungsförderung – vom 28. November 197529, zuletzt geändert durch Vereinbarung vom 25. Oktober 200130 sowie hierzu ergangene Ausführungsvereinbarungen sind gemäß der Begründung des Gesetzentwurfs (BT-Drs. 16/813) „nach Maßgabe der Eckpunkte des Begleittextes zu Artikel 91b Abs. 1 GG anzupassen. Die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über die Förderung der angewandten Forschung und Entwick- 26 Siehe auch Antwort der Bundesregierung zu „Auswirkungen der geplanten Föderalismusreform auf die Situation von Bildung und Forschung“, BT-Drs. 16/330. 27 BAnz 1991, S. 683. 28 BT-Drs. 16/814. 29 BAnz 1975, S. 4. 30 BAnz 2001, S. 25218. - 13 - lung an Fachhochschulen nach Artikel 91b GG des Grundgesetzes vom 3. November 200331 gilt fort“32. 5.2.1.2. Rahmenvereinbarung Modellversuche Die „Rahmenvereinbarung zur koordinierten Vorbereitung, Durchführung und wissenschaftlichen Begleitung von Modellversuchen im Bildungswesen“ – Rahmenvereinbarung Modellversuche - vom 7. Mai 197133 ist wegen Wegfalls der bisherigen Gemeinschaftsaufgabe Bildungsplanung nach Maßgabe des Begleittextes zur Koalitionsvereinbarung aufzuheben. Die aufgrund dieser Rahmenvereinbarung verabredeten Modellversuche sollen entsprechend der jeweils bestehenden Befristungen auslaufen, sofern sie nicht zuvor aufgehoben werden. Die Länder treten grundsätzlich in die Pflichten des Bundes ein. 5.2.1.3. Kostentragung nach Art. 91b GG Art. 91b Absatz 3 GG sieht vor, dass die Kostentragung in der Vereinbarung geregelt wird. Durch den Begriff „Kostentragung“ soll klargestellt werden, dass der Bund im Rahmen der Vereinbarung auch alleine fördern darf. In der Koalitionsvereinbarung vom 18. November 2005 heißt es dazu in der Anlage 2, Rn. 34: „Vereinbarungen nach Artikel 91b GG sind grundsätzlich solche zwischen Bund und allen Ländern; sie können auf Seiten der Länder nur mit einer Mehrheit von mindestens 13 Stimmen abgeschlossen werden.“ 31 BAnz 2003, S. 24921. 32 BT-Drs. 16/813, S. 16. 33 GMBl. 1971, S. 248. - 14 - 5.2.1.4. Hochschulbauförderung Zu Artikel 91b Abs. 1 GG lautet die Gesetzesbegründung34: „Die höchst erfolgreiche und zur Gewährleistung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands allseits anerkannte Gemeinschaftsaufgabe der gemeinsamen Förderung überregional bedeutender wissenschaftlicher Forschung wird im Hinblick auf die Zuständigkeit der Länder für das Hochschulwesen (soweit nicht Kompetenz des Bundes für Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse) präzisiert und durch überregionale Bestandteile der bisherigen Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau ergänzt.“ Die Bundesmittel für die Hochschulbauförderung wird folgendermaßen aufgeteilt: 70 v. H. von den Länder und 30 v. H. vom Bund (siehe Artikel 143c neu GG). 5.2.1.5. Förderung der wissenschaftlichen Forschung35 Der Begriff „Förderung der wissenschaftlichen Forschung“ ist weit zu verstehen (Artikel 5 Abs. 3 GG). Er ist nicht auf bestimmte Institutionen bezogen und umfasst damit Förderungen inner- und außerhalb von Hochschulen. Ferner ist er nicht auf bestimmte Förderarten beschränkt und umfasst somit institutionelle Förderungen außerhochschulischer Einrichtungen und Projektförderungen inner- und außerhalb der Hochschulen . Außerdem sind unter ihn sowohl Einrichtungen zu subsumieren, die selbst forschen , als auch solche, deren Aufgabe in der Forschungsförderung besteht. Künftig können als „Vorhaben“ der Hochschulforschung auch sog. Großgeräte einschließlich der notwendigen Investitionsmaßnahmen und Bauvorhaben, die Forschungszwecken dienen, finanziert werden. Die Ressortforschung des Bundes bleibt unberührt. Wie bisher geht es allein um die Förderung wissenschaftlicher Forschung von überregionaler Bedeutung. Es muss sich deshalb um eine Förderung handeln, die Ausstrahlungskraft über das einzelne Land hinaus hat und bedeutend ist im nationalen oder internationalen Kontext. Eine weitere Konkretisierung des Begriffs muss im Rahmen der Bund-Länder-Vereinbarung erfolgen, auf deren Grundlage das Zusammenwirken von 34 BT-Drs. 16/813, S. 16. 35 BT-Drs. 16/813, S. 16. - 15 - Bund und Ländern in der Forschungsförderung erst möglich wird. Dabei ist eine alleinige Förderung des Bundes mit Zustimmung der Länder nicht ausgeschlossen. 5.2.1.6. Rahmenvereinbarung Forschungsförderung36 Die „Rahmenvereinbarung zwischen Bund und Ländern über die gemeinsame Förderung der Forschung nach Artikel 91b GG“ – Rahmenvereinbarung Forschungsförderung – vom 28. November 1975, 17./21. Dezember 1990, zuletzt geändert durch Vereinbarung vom 25. Oktober 2001, soll dem neu gefassten Artikel 91b Abs. 1 GG mit folgenden Eckpunkten angepasst werden: „a) Für Projektförderungen im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Forschungsförderung sollte in Abstimmung von Bund und Ländern eine Bagatellgrenze definiert werden. b) Die Förderung der wissenschaftlichen Forschung erfasst nicht den allgemeinen Aus- und Neubau von Hochschulen einschließlich der Hochschulklinika . Dieser Tatbestand der bisherigen Gemeinschaftsaufgabe Hochschulbau ist entfallen mit dem Ziel, dass diese Aufgabe künftig allein von den Ländern wahrgenommen wird. c) Förderungsfähige Investitionsvorhaben für die Hochschul-Forschung müssen sich durch besondere nationale Excellenz auszeichnen. d) Eine „Bagatellgrenze“ (Orientierungsgröße 5 Mio. Euro) soll auch für die Beschaffung von Großgeräten einschließlich notwendiger Investitionsmaßnahmen gelten. e) Die Beschaffung von Großgeräten und die Förderung von Baumaßnahmen im Zusammenhang mit einer Forschungsförderung von überregionaler Bedeutung sind auf die Hochschulen beschränkt. In diesen Fällen beteiligt sich der Bund in der Regel mindestens zur Hälfte an den Kosten. Im Bereich der außeruniversitären Forschung erfolgt die Finanzierung von Großgeräten und Baumaßnahmen wie bisher im Rahmen der institutionellen Förderung.“ 36 BT-Drs. 16/813, S. 17. - 16 - 5.2.1.7. Wegfall des Begriffs „gesamtstaatliche Bildungsplanung“ Zu Artikel 91b Abs. 2 GG lautet die Gesetzesbegründung37: Der im Jahr Begriff der 1969 übergreifend gedachten, aber nicht realisierten Gemeinschaftsaufgabe gesamtstaatlicher Bildungsplanung wird ersetzt durch die Grundlage für eine zukunftsorientierte gemeinsame Evaluation und Bildungsberichterstattung zur Feststellung der Leistungsfähigkeit des Bildungswesens im internationalen Vergleich. Die neue Gemeinschaftsaufgabe hat drei Elemente: Gemeinsame Feststellung, gemeinsame Berichterstattung (d. h. in der Konsequenz die Veröffentlichung) und die Möglichkeit der Abgabe von gemeinsamen Empfehlungen . Ziel derartiger gemeinsamer Bildungsberichterstattung ist die Schaffung von Grundinformationen (einschließlich Finanz- und Strukturdaten) für die Gewährleistung der internationalen Gleichwertigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bildungswesens . Für Folgerungen aus diesem Zusammenwirken sind – unbeschadet eventueller gemeinsamer Empfehlungen – allein die Länder zuständig, soweit nicht der Bund konkrete Zuständigkeiten hat (außerschulische berufliche Bildung und Weiterbildung, Hochschulzulassung und Hochschulabschlüsse). Die bestehende Zusammenarbeit der Länder und des Bundes zur nationalen Bildungsberichterstattung bleibt als notwendige Grundlage internationaler Berichtspflichten und internationaler Vergleiche unberührt und wird weitergeführt. 5.2.1.8. Rahmenvereinbarung Modellversuche Die „Rahmenvereinbarung zur koordinierten Vorbereitung, Durchführung und wissenschaftlichen Begleitung von Modellversuchen im Bildungswesen“ (Rahmenvereinbarung Modellversuche vom 7. Mai 1971 bzw. 17./21. Dezember 1990) entfällt. 37 BT-Drs. 16/813, S. 17. - 17 - 5.2.1.9. Bundesmittel Die Aufteilung der Bundesmittel für die Bildungsplanung erfolgt hälftig zwischen Bund und Ländern (siehe Art. 143c neu GG). - 18 - 6. Literaturverzeichnis - Grawert, Rolf, Verwaltungsabkommen zwischen Bund und Länder, 1967. - Jarass, Hans D. / Pieroth, Bodo, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Kommentar, 8. Auflage, 2006 (zit.: Bearbeiter, in: Jarass/Pieroth). - Maunz, Theodor in: Festschrift für Gebhard Müller, Zum 70. Geburtstag des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, Ritterspach, Theo/Geoger, Willi (Hrsg.), Tübingen, 1970. - Maunz, Theodor / Dürig, Günter, Grundgesetz, Kommentar, 45. Lfg., 2005 (zit.: Bearbeiter, in: Maunz/Dürig). - Sachs, Michael, Grundgesetz, Kommentar, 3. Aufl., 2003 (zit.: Bearbeiter, in: Sachs). - V. Mangoldt, Herrmann / Klein, Friedrich / Starck, Christian, Kommentar zum Grundgesetz, Band 2: Art. 20 - 82, Band 3: 83 - 146, 5. Auflage, 2005 (zit.: Bearbeiter , in: v. Mangoldt/Klein/Starck). - V. Münch, Ingo / Kunig, Philip, Grundgesetz - Kommentar, Band 1: Art. 1 – 19, 5. Aufl., 2000; Band 2: 20 – 69, 5. Aufl., 2001; Band 3: Art. 70 - 146, 5. Aufl. 2003 (zit.: Bearbeiter, in: v. Münch/Kunig).