© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 016/19 Möglichkeit der gesetzlichen Mietpreisregulierung durch die Länder aufgrund der Gesetzkompetenz für das Wohnungswesen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 016/19 Seite 2 Möglichkeit der gesetzlichen Mietpreisregulierung durch die Länder aufgrund der Gesetzkompetenz für das Wohnungswesen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 016/19 Abschluss der Arbeit: 31. Januar 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 016/19 Seite 3 1. Fragestellung Mit dem Gesetz zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung von 20151 (im Folgenden: Mietpreisbindungsgesetz ) hat der Bundesgesetzgeber Regelungen über die bei Mietbeginn zulässige Miethöhe bei Mietverträgen über Wohnraum ins Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) eingefügt. Nach § 556d Abs. 1 BGB darf die Miete zu Beginn eines Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um zehn Prozent übersteigen, wenn der Wohnraum in einem Gebiet mit einem angespannten Wohnungsmarkt liegt. Die Landesregierungen sind nach § 556d Abs. 2 BGB ermächtigt, die entsprechenden Gebiete durch Rechtsverordnung für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu bestimmen. Die Ausarbeitung befasst sich mit der Frage, ob die Länder aufgrund ihrer Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen eigene Gesetze zur Mietpreisregulierung erlassen dürften. 2. Gesetzgebungskompetenz für das Mietpreisrecht Das Mietpreisrecht ist grundsätzlich Teil des sog. sozialen Mietrechts2, das traditionell eine Materie des bürgerlichen Rechts darstellt3. Vorschriften des sozialen Mietrechts fallen daher unter den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, der unter anderem das bürgerliche Recht umfasst.4 Dementsprechend wurde das Mietpreisbindungsgesetz auf diesen Kompetenztitel, der der konkurrierenden Gesetzgebung angehört, gestützt.5 Im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung haben gemäß Art. 72 Abs. 1 GG die Länder die Befugnis zur Gesetzgebung, solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat. Mit dem Mietpreisbindungsgesetz hat der Bundesgesetzgeber auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts eine erschöpfende Regelung für die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn getroffen. Für die Länder gibt es unter diesem Kompetenztitel daher keine Möglichkeit einer eigenen gesetzlichen Regelung. 3. Zum Kompetenztitel des Wohnungswesens Die Kompetenz für das Wohnungswesen gehörte bis zur Föderalismusreform von 2006 als Bestandteil von Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG zur konkurrierenden Gesetzgebung.6 Im Zuge der Reform wurde 1 BGBl. I S. 610. 2 Vgl. Zehelein, in: Bamberger/Roth/Hau/Poseck (Hrsg.), BeckOK BGB, 48. Edition Stand: 1. November 2018, § 535 BGB Rn. 182. 3 Vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 10. 4 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81; Sannwald, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, 14. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 232. 5 BT-Drs. 18/3121, S. 19. 6 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 016/19 Seite 4 das Wohnungswesen aus dem Zuständigkeitskatalog des Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG entfernt.7 Es fällt seither gemäß Art. 70 GG in den Zuständigkeitsbereich der Länder. Ursprung der Schaffung der Gesetzkompetenz für das Wohnungswesen war die Notwendigkeit des Wiederaufbaus und der Beseitigung der Wohnungsnot nach dem Zweiten Weltkrieg.8 Das Wohnungswesen umfasst daher öffentlich-rechtliche Maßnahmen zur Wohnraumbeschaffung und zur Wohnraumnutzung.9 Zum Kompetenztitel gehören Regelungen über die Bewirtschaftung des Wohnraums, die soziale Wohnraumförderung, der Abbau von Fehlsubventionierungen im Wohnungswesen, das Wohnungsbindungsrecht, das Zweckentfremdungsverbot und das Wohnungsgenossenschaftsrecht .10 Mietpreisbindungen auf dem Gebiet des Wohnungswesens gibt es aktuell – soweit ersichtlich – nur für den öffentlich geförderten Wohnraum. Historisch waren Mietpreisbindungen in der Bundesrepublik über mehrere Jahrzehnte Teil der Wohnraumbewirtschaftung nach dem Zweiten Weltkrieg. Diese beiden Konzepte werden im Folgenden kurz dargestellt. 3.1. Öffentlich geförderter Wohnraum Das Modell des öffentlich geförderten Wohnraums (besser bekannt als sozialer Wohnungsbau) beruht darauf, dass der Eigentümer durch staatliche Subventionen bei der Vermietung auf eine moderate Kostenmiete beschränkt wird.11 Der öffentlich geförderte Wohnraum wird daher auch als preisgebundener Wohnraum bezeichnet. Er beruhte seit 1950 zunächst auf den Wohnungsbaugesetzen 12, die 2001 vom Wohnraumförderungsgesetz13 abgelöst wurden, sowie auf dem Wohnungsbindungsgesetz 14. Nachdem die Gesetzgebungskompetenz für das Wohnungswesen auf die Länder 7 Unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG fällt seitdem der städtebauliche Grundstücksverkehr, das Bodenrecht (ohne das Recht der Erschließungsbeiträge), das Wohngeldrecht, das Altschuldenhilferecht, das Wohnungsbauprämienrecht, das Bergarbeiterwohnungsbaurecht und das Bergmannssiedlungsrecht. 8 Vgl. Wandersleb, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens , in: DÖV 1959, 244 ff. (244). 9 Vgl. Wandersleb, Die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes auf dem Gebiete des Bau-, Wohnungs- und Siedlungswesens , in: DÖV 1959, 244 ff. (244). 10 Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 131; Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 74 Rn. 81. 11 Vgl. Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (7). 12 Erstes Wohnungsbaugesetz vom 24. April 1950 (BGBl. I S. 83) und Zweites Wohnungsbaugesetz vom 27. Juni 1956 (BGBl. I S. 523). 13 Wohnraumförderungsgesetz vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2376), zuletzt geändert durch Gesetz vom 2. Oktober 2015 (BGBl. I S. 1610). 14 Wohnungsbindungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. September 2001 (BGBl. I S. 2404), zuletzt geändert durch Verordnung vom 31. August 2015 (BGBl. I S. 1474). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 016/19 Seite 5 übergegangen war, haben die meisten Länder eigene Wohnungsförderungs- und Wohnungsbindungsgesetze erlassen.15 3.2. Wohnraumbewirtschaftung Das Konzept der Wohnraumbewirtschaftung sah vor, dass dem Eigentümer die freie Verfügungsgewalt über das Mietobjekt entzogen wurde und die Vermietung nur mit Genehmigung ausgeübt werden durfte. Mietverhältnisse konnten zudem durch Verfügung zwangsweise begründet werden. Erste Regelungen zur Wohnraumbewirtschaftung gab es bereits gegen Ende des Ersten Weltkriegs.16 Nach zwischenzeitlichen Lockerungen wurden wohnungswirtschaftliche Restriktionen im Dritten Reich wieder eingeführt und verschärft, etwa durch die Einführung der sog. Preisstop-Verordnung im Jahr 1936.17 Grundlage der Wohnraumbewirtschaftung nach dem Zweiten Weltkrieg war ursprünglich das Kontrollratsgesetz Nr. 18 vom 8. März 194618, später unter anderem das Wohnraumbewirtschaftungsgesetz von 195319. Die Preisbindung von 1936 galt weiterhin fort.20 Durch das Erste Wohnungsbaugesetz von 1950 wurde es für frei finanzierte Neubauten erlaubt, eine Marktmiete zu vereinbaren.21 Das Erste Bundesmietengesetz von 1955 erlaubte erstmals eine gestaffelte Mieterhöhung für Altbauten. Es galten jedoch Preisobergrenzen. Zudem konnten nach dem Gesetz Mieten auf Antrag des Mieters von den sog. Preisbehörden abgesenkt werden. In den Sechziger Jahren wurde der sog. Lücke-Plan erarbeitet, der eine stufenweise Abschaffung der Zwangsbewirtschaftung vorsah. Danach gab es sog. weiße Kreise mit freigegebenen Mieten und schwarze Kreise mit Mietbegrenzung.22 Für Altbauwohnungen war ein Schlusstermin der Zwangsbewirtschaftung im Jahr 1965 vorgesehen, der jedoch verlängert wurde. Mitte der Siebziger Jahre gab es noch in Berlin, Hamburg und München Mietbegrenzungen.23 In Berlin wurde die Preisbindung für Altbauten erst 1987 durch das Gesetz zur dauerhaften sozialen Verbesserung der Wohnungssituation 15 Siehe https://www.bmi.bund.de/DE/themen/bauen-wohnen/stadt-wohnen/wohnraumfoerderung/soziale-wohnraumfoerderung /soziale-wohnraumfoerderung-node.html (Stand: 30. Januar 2019). 16 Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (6). Siehe zu bereits nach dem Ersten Weltkrieg bestehenden Maßnahmen der Wohnraumbewirtschaftung und Mietpreisbegrenzung auch Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Wohnraummietrecht – Historisches und Statistisches, WD 7 - 3000 - 121/18, 5 f. 17 Verordnung über das Verbot von Preiserhöhungen (RGBl. I 1936 S. 955). 18 ABl. des Kontrollrats in Deutschland 1946, 117. 19 BGBl. I S. 97. 20 Vgl. Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Mietpreisbindung seit der Weimarer Republik, WD 7 - 3000 - 011/18, S. 1. 21 Sonnenschein, Der Mietvertrag über Wohnraum zwischen Vertragsfreiheit und staatlicher Reglementierung, in: DWW 1999, 193 ff. (196). 22 Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (7). 23 Derleder, Die Regulierung des Mietwohnungsmarktes, in: KJ 2015, 5 ff. (7). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 016/19 Seite 6 im Land Berlin24 aufgehoben. Das Gesetz sah aber Übergangsfristen bis 1994 für Kappungsgrenzen bei Mieterhöhungen und Neuvermietungen vor. 4. Möglichkeit einer gesetzlichen Mietpreisbindung unter dem Kompetenztitel des Wohnungswesens Aufgrund der grundsätzlichen Zuordnung des Mietpreisrechts zum bürgerlichen Recht kann eine gesetzliche Mietpreisbindung nur in engen Grenzen dem Wohnungswesen als Bereich des öffentlichen Rechts zugeordnet werden. Um nicht dem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu unterfallen, müsste das entsprechende Gesetz schwerpunktmäßig einen öffentlich-rechtlichen Regelungsgegenstand betreffen. Dies wäre beispielsweise bei einer nur strenger als § 556d BGB gefassten Vorschrift nicht der Fall, da diese ebenfalls dem bürgerlichen Recht zuzuordnen wäre. Da das Wohnungswesen Maßnahmen der Wohnraumbeschaffung und der Wohnraumnutzung umfasst, müsste eine gesetzliche Mietpreisbindung in diesem Bereich wohl als untergeordneter Teil in ein diesen Zwecken dienendes Regelungskonzept eingebunden werden. In Betracht dürfte dabei nur ein Konzept kommen, das den Wohnraum einer öffentlich-rechtlichen Zweckbindung unterwirft, wie im Falle des öffentlich geförderten Wohnraums oder der Wohnraumbewirtschaftung. Für frei am Wohnungsmarkt angebotene Mietwohnungen dürfte hingegen das Mietpreisbindungsgesetz des Bundes eine abschließende gesetzliche Regelung darstellen. *** 24 BGBl. I S. 1625.