Deutscher Bundestag Übernahme der Kosten von Polizeieinsätzen durch Veranstalter Gegenwärtige Rechtslage und verfassungsrechtliche Grenzen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 016/13 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 2 Übernahme der Kosten von Polizeieinsätzen durch Veranstalter Gegenwärtige Rechtslage und verfassungsrechtliche Grenzen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 016/13 Abschluss der Arbeit: 25. Februar 2013 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Gegenwärtige Kostentragungsregelungen 4 3. Kostenerstattung nach Polizeirecht 5 3.1. Kostenerstattung bei privaten Großveranstaltungen 5 3.2. Kostenerstattung bei Versammlungen 7 4. Verfassungsmäßigkeit von Regelungen über die Kostentragung bei Großveranstaltungen 8 4.1. Kostentragung bei kommerziellen Großveranstaltungen 8 4.2. Kostentragung bei nicht-kommerziellen Veranstaltungen 10 4.3. Kostentragung bei Demonstrationen 10 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 4 1. Einleitung Die öffentliche Sicherheit gilt als öffentliches Gut, sodass auch die Kosten von Polizeieinsätzen nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich aus öffentlichen Mitteln zu bestreiten sind.1 Seit geraumer Zeit wird allerdings darüber diskutiert, ob von diesem Grundsatz nicht in bestimmten Situationen abgewichen werden kann. Für eine Kostentragung durch Private werden der enorme personelle und materielle Aufwand und die Kosten, die im Zusammenhang mit Großveranstaltungen der Polizei entstehen, ins Feld geführt.2 In der folgenden Ausarbeitung wird dargestellt, auf welcher Rechtsgrundlage und in welchem Umfang den Beteiligten an Großveranstaltungen Kosten für Einsätze der Polizei nach geltender Rechtslage auferlegt werden können und inwiefern darüber hinausgehende Regelungen verfassungsrechtlich zulässig wären. 2. Gegenwärtige Kostentragungsregelungen Die einzige Regelung über die Tragung von Kosten für polizeiliche Einsätze findet sich im Gebührenrecht Sachsens, § 1 Neuntes SächsKVZ3 i.V.m. Anlage zu § 1 lfd. Nr. 75 Tarifstelle 9. bis 9.3. Danach können im Falle von Absperr- und Sicherungsmaßnahmen, welche für private Zwecke nach § 3 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 SächsPolG4 stattfinden, mit Ausnahme von Amateursportveranstaltungen und ortsüblichen Umzügen, Gebühren für eingesetztes Personal und Fahrzeuge erhoben werden. Andere gebührenrechtliche Tatbestände gibt es für diesen Sachverhalt weder auf Landes- noch auf Bundesebene. Weitere Kostentragungsregelungen wurden aufgehoben: Die älteste Regelung ist § 81 Abs. 1 BWPolG a.F.5, wonach Kostenersatz von Organisatoren privater Veranstaltungen verlangt werden konnte, wenn der Einsatz eines größeren Polizeiaufgebotes als das örtlich vorhandene notwendig war.6 Auch § 2 Nds GebO7 sah vor, dass für Einsätze der Polizei Gebühren erhoben werden konnten , wenn die Beteiligten dazu durch einen Antrag Anlass gegeben hatten. 1 Gusy, Christoph, Polizeikostenüberwälzung auf Dritte, DVBl. 1996, S. 722 (723). 2 Böhm, Monika, Polizeikosten bei Bundesligaspielen: Keine Rechnung ohne Gesetz, Legal Tribune ONLINE, 20. Dezember 2012, http://www.lto.de/persistent/a_id/7840/ (Stand 7. Februar 2013); Nolte, Martin, Aufgaben und Befugnisse der Polizeibehörden bei Sportgroßveranstaltungen, NVwZ 2001, 147 (148); Schmidt, Thorsten Ingo, Der Anspruch auf Ersatz von Polizeikosten bei Großveranstaltungen, ZRP 2007, 120; siehe die Forderung der Deutschen Polizeigewerkschaft zur Einführung einer „Sicherheitsgebühr“ in Höhe von 50 Millionen Euro pro Jahr für die durch Fußballspiele verursachten Einsätze zulasten des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und der Deutschen Fußball Liga (DFL), http://www.dpolg.de/front_content.php?idcatart=1244&lang=1&client=1 (Letzter Abruf: 7. Februar 2013). 3 Neunte Verordnung des Sächsischen Staatsministeriums der Finanzen über die Bestimmung der Verwaltungsgebühren und Auslagen (Neuntes Sächsisches Kostenverzeichnis – 9. SächsKVZ) vom 21. September 2011, Sächs- GVBl. 2011, 410. 4 Polizeigesetz des Freistaates Sachsen (SächsPolG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. August 1999, SächsGVBl. 1999, 466. 5 Polizeigesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. Januar 1968, GBl. BW 1968, 61; aufgehoben durch das Gesetz zur Änderung des Polizeigesetzes vom 22. Oktober 1991, GBl. BW 1991, 625. 6 Vgl. Schmidt (Fn. 2), 120. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 5 3. Kostenerstattung nach Polizeirecht 3.1. Kostenerstattung bei privaten Großveranstaltungen Eine Kostentragung bzw. -erstattung kommt in anderen Ländern als dem Freistaat Sachsen nur aufgrund der allgemeinen Polizeipflichtigkeit der in Anspruch genommenen Beteiligten in Betracht . Weil die Polizeigesetze der Länder in diesem Punkt ähnlich sind, wird nachfolgend auf eine Darstellung der einzelnen Normen verzichtet und nur der generelle Regelungsgehalt beschrieben . Eine Pflicht zur Kostentragung für polizeiliche Einsätze ist nach den Polizeigesetzen der Länder nur dann möglich, wenn die Polizei im Wege der Ersatzvornahme im sofortigen Vollzug oder der unmittelbaren Ausführung an Stelle des Organisators einer Großveranstaltung tätig wird.8 Das Handeln der Polizei im Wege des sofortigen Vollzuges und der unmittelbaren Ausführung kommt dann in Betracht, wenn Maßnahmen gegen die Verursacher einer Gefahr nicht mehr rechtzeitig ergriffen werden können oder keinen Erfolg versprechen.9 Der Unterschied zwischen den beiden Rechtsinstituten liegt darin, dass sich der sofortige Vollzug gegen den Willen der polizeilich Verantwortlichen richtet, wohingegen bei der unmittelbaren Ausführung im Einklang mit dem mutmaßlichen Willen des Betroffenen gehandelt wird.10 Das Handeln an Stelle des Veranstalters setzt aber voraus, dass dessen Inanspruchnahme durch die Polizei rechtmäßig erfolgen kann.11 Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn der Veranstalter als Störer eingestuft werden kann. Nach einer Ansicht kann der Veranstalter direkt als Störer12 oder über die Rechtsfigur des sog. Zweckveranlassers immer als Polizeipflichtiger gelten.13 Durch die Rechtsfigur des Zweckveranlassers soll derjenige polizeipflichtig gemacht werden, der zwar die Entstehung einer Gefahr nicht unmittelbar verursacht hat und diese womöglich auch nicht wollte, aber dessen Verhalten sich zwangsläufig darauf gerichtet hat.14 Selbst wenn er die mit einer Großveranstaltung verbundenen störenden Ereignisse nicht herbeiführen möchte - wovon in der Regel auszugehen ist - führt er eine Menschenmenge zusammen, obwohl es ihm bewusst ist, dass diese nicht ohne wei- 7 Verordnung über die Erhebung von Gebühren für die Inanspruchnahme der Polizei und ihrer Einrichtungen vom 13. Juli 1982, GVBl. 1982, 285; aufgehoben durch Achtzehnte Verordnung zur Änderung der Allgemeinen Gebührenordnung vom 24. August 1993, GVBl. 1993, 322. 8 Sailer, Wolfgang, in: Lisken, Hans/Denninger, Erhard, Handbuch des Polizeirechts, 5. Auflage, 2012, N, Rn. 61 ff. 9 Denninger, in: Lisken/ders. (Fn. 8), D, Rn. 153 ff. 10 Denninger, in: Lisken/ders. (Fn. 8), D, Rn. 157. 11 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 61. 12 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 59. 13 Böhm (Fn. 2); Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 60. 14 VGH Baden-Württemberg NVwZ-RR 1995, 663; Denninger, in: Lisken/ders. (Fn. 8), D, Rn. 80. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 6 teres kontrolliert werden kann. Diese Auffassung führt zu dem Ergebnis, dass schon in der Organisation einer Großveranstaltung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung zu sehen wäre und fast jeder Organisator einer Großveranstaltung wegen vereinzelter störenden Ereignisse als Störer (Zweckveranlasser) eingestuft werden könnte. Nach überwiegender Auffassung wird hiergegen eingewandt, dass der Veranstalter im Falle von störenden Ereignissen im Rahmen seiner Veranstaltungen eher als Gestörter und Begünstigter des Polizeihandelns zu gelten habe. Der Einsatz der Polizei schütze letztlich die Wahrnehmung seiner Grundrechte.15 Eine Kostenhaftung kommt nach dieser Ansicht auch nicht bei Annahme der Störereigenschaft des Veranstalters in der Ausprägung als Zweckveranlasser in Betracht, denn das Handeln der Polizei könne auch dann nur im Wege des sofortigen Vollzuges oder der unmittelbaren Ausführung erfolgen. Dies setze voraus, dass dem Veranstalter die Durchführung der Maßnahmen, die von der Polizei ergriffen würden, rechtlich und tatsächlich möglich gewesen wären. Dem Veranstalter fehle aber einerseits regelmäßig die Befugnis für ein Vorgehen gegen störende Veranstaltungsteilnehmer und ihm könne andererseits auch nicht zugemutet werden, für Sicherheitsmaßnahmen außerhalb des Veranstaltungsortes zu sorgen. Es fehle ihm folglich sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit, die von der Polizei durchgeführten Maßnahmen selber zu ergreifen, so dass diese nicht an seiner Stelle und somit nicht im Wege des sofortigen Vollzuges oder der unmittelbaren Ausführung handeln könne.16 In den Polizeigesetzen ist eine Kostenpflicht auch vorgesehen, falls gegen einen Störer unmittelbarer Zwang ausgeübt wird. Der unmittelbare Zwang gehört zu den drei polizeilichen Zwangsmitteln ; er bedeutet das Zwingen des Polizeipflichtigen zu einem Tun, Dulden oder Unterlassen und wird nur dann angewandt, wenn die anderen zwei Mittel, nämlich die Ersatzvornahme und das Zwangsgeld nicht erfolgsversprechend sind.17 Die Ausübung von polizeilichen Mitteln setzt aber eine rechtmäßige Inanspruchnahme des Betroffenen voraus und somit seine Störereigenschaft . Wie oben dargestellt, kommt eine solche hinsichtlich des Veranstalters nicht in Betracht. Verstoßen dagegen einzelne Teilnehmer an einer Veranstaltung durch ihr Verhalten gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung, dann kann gegen sie als Störer unmittelbarer Zwang ausgeübt werden. Sie haben dann auch die Kosten des gegen sie erfolgten polizeilichen Einsatzes zu tragen.18 Folglich scheidet eine Kostentragungspflicht des Organisators von Großveranstaltungen grundsätzlich aus. Eine Haftung der einzelnen Teilnehmer ist aber dann möglich, wenn sie durch störendes Verhalten polizeipflichtig werden und die Polizei gegen sie unmittelbaren Zwang ausübt .19 Denkbar ist aber eine unabhängig von der Polizeipflichtigkeit des Veranstalters zu regelnde Kostentragung für Großveranstaltungen über Gebührentatbestände (siehe 2. und 4.1.). 15 Gusy (Fn. 1), S. 722 (725); Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 60; Schmidt (Fn. 2), 120; vgl. Schenke, Wolf-Rüdiger, Erstattung der Kosten von Polizeieinsätzen, NJW 1983, 1882 (1883). 16 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 61 ff.; Schenke (Fn. 15), 1882 (1883); Schmidt (Fn. 2), 120 (121). 17 Denninger, in: Lisken/ders. (Fn. 8), D, Rn. 163. 18 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 64; vgl. Schmidt (Fn. 2), 120 (121). 19 Böhm (Fn. 2); vgl. Sailer in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 64. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 7 3.2. Kostenerstattung bei Versammlungen Versammlungen im Sinne von Art. 8 GG unterscheiden sich dadurch von anderen Veranstaltungen , wo sich mehrere Menschen beteiligen, dass sie „Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung“ sind.20 Zugunsten der Teilnehmer ist auch das in Art. 5 Abs. 1 GG garantierte Grundrecht auf Meinungsfreiheit einschlägig. Dieses Grundrecht gehört zusammen mit dem aus Art. 8 GG „zu den unentbehrlichen und grundlegenden Funktionselementen eines demokratischen Grundwesens“21, sodass die Einstufung des Veranstalters einer rechtmäßig stattfindenden Versammlung als Störer nach allgemeiner Meinung ausgeschlossen ist.22 Eine Kostenhaftung würde nämlich die Veranstaltung von Demonstrationen und damit die Veranstalter in der Ausübung der soeben genannten Grundrechte aufgrund des damit verbundenen Abschreckungseffektes verhindern und wird daher einhellig als in einer Demokratie nicht hinnehmbar betrachtet.23 Bei verbotenen oder aufgelösten Versammlungen ist dagegen allgemein anerkannt, dass der Veranstalter als Störer direkt oder über die Rechtsfigur des Zweckveranlassers herangezogen werden kann. Allerdings wird es ihm oftmals sowohl rechtlich als auch tatsächlich unmöglich sein, die von der Polizei ergriffenen Maßnahmen selbst durchzuführen, sodass er ebenfalls für die Kosten eines Polizeieinsatzes nicht haften wird (siehe bereits oben 3.1).24 Einzelnen Teilnehmern von verbotenen oder aufgelösten Versammlungen kann die Polizei die Kosten ihres Einsatzes auferlegen, wenn die Voraussetzungen für ein Einschreiten im Wege des unmittelbaren Zwangs gegen sie vorliegen. Findet nämlich eine Versammlung rechtswidrig statt, dann liegt in diesem Gesetzesverstoß eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, welche die Störereigenschaft der einzelnen Teilnehmer begründet und ein Einschreiten der Polizeikräfte rechtfertigt.25 Allerdings müssen bei der Bemessung der Kostenhöhe die Grundrechte der betroffenen Teilnehmer ebenfalls Berücksichtigung finden. So darf jeder Störer nur für die Kosten haften, die er selbst verursacht hat. Eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Versammlungsteilnehmer ist folglich ausgeschlossen. Einer Gesamtschuld liegt nämlich die Erwägung zugrunde, dass der einzelne Schuldner die Höhe der zu erbringenden Leistung beeinflussen kann. Das ist aber bei Massenveranstaltungen zwangsläufig nicht der Fall.26 20 BVerfGE 69, 315 (342 f.). 21 BVerfGE 69, 315 (344 ff.). 22 Kunig, in: von Münch/ders., Grundgesetz Kommentar, 6. Auflage, 2012, Art. 8, Rn. 28; Sailer, in: Lisken /Denninger (Fn. 8), N, Rn. 73 m.w.N. 23 BVerfG NVwZ 2008, 414; Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 72; vgl. Greve, Holger/Quast, Fabian, Gebührenerhebung versus Versammlungsfreiheit, NVwZ 2009, 500 (501ff.). 24 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 73. 25 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 74. 26 Gusy (Fn. 1), S. 722 (724); Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 75 f.; vgl. OVG Lüneburg, NVwZ 1984, 323 (324). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 8 Problematisch sind die Fälle, wo innerhalb einer rechtmäßig stattfindenden Versammlung einzelne Personen oder Personengruppen auftreten, die aufgrund ihres Verhaltens ein Einschreiten der Polizei herbeiführen. Ob überhaupt und wem die Kosten für einen solchen Einsatz auferlegt werden können, hängt dann von der Störereigenschaft der jeweiligen Teilnehmer ab. Oftmals wird diese aber schwer zu ermitteln sein, sodass im Zweifel eher von einer rechtmäßigen Teilnahme an der Versammlung auszugehen sein wird.27 4. Verfassungsmäßigkeit von Regelungen über die Kostentragung bei Großveranstaltungen Eine über die nach gegenwärtiger Rechtslage mögliche Kostenhaftung von Veranstaltern und Teilnehmern von Großveranstaltungen könnte durch die Einführung von gebührenrechtlichen Tatbeständen in Bundes- (für die Bundespolizei) bzw. Landesnormen stattfinden,28 wenn die Grundrechte der Beteiligten und sonstige verfassungsrechtliche Vorgaben beachtet werden. Dabei muss ebenfalls nach der Art der Veranstaltung unterschieden werden. 4.1. Kostentragung bei kommerziellen Großveranstaltungen Im Falle kommerzieller Großveranstaltungen könnte eine Kostentragung der damit verbundenen Polizeieinsätze durch die Veranstalter verfassungswidrig sein. Zu denken wäre an einem Eingriff in die Berufs- und Eigentumsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG) der Veranstalter. Einer Gebühr für Polizeimaßnahmen fehlt aber eine unmittelbare Verbindung zur Berufsausübung der Veranstalter, sodass der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG nicht eröffnet ist.29 Des Weiteren dient die Eigentumsfreiheit nicht dazu „das Vermögen als solches gegen Eingriffe durch Auferlegung von Geldleistungspflichten“ schützen, sodass auch der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG nicht eröffnet ist.30 Eine Kostentragung stellt aber einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) des Veranstalters dar. Der Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein. Dies ist nur dann der Fall, wenn er verhältnismäßig ist.31 Durch die Gebühr muss ein legitimer Zweck verfolgt werden. Durch eine Gebühr für Einsätze der Polizei soll vor allem der Staat finanziell entlastet und dadurch dem Gemeinwohl gedient werden. Diese Gebühr ist auch geeignet und, da ein anderes milderes Mittel nicht in Betracht kommt, auch erforderlich, diesen Zweck zu erreichen. Die Gebühr müsste auch verhältnismäßig i.e.S., also dem Veranstalter zumutbar sein. Dabei ist erstens ist zu berücksichtigen, dass kommerzielle Veranstaltungen nicht in erster Linie einem öffentlichen Interesse dienen, sondern ihrer Natur nach materielle Vorteile für die Veranstalter mit sich bringen. Die Veranstalter können also nicht nur als Verursacher der Polizeieinsätze, 27 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 74. 28 Gusy (Fn. 1), S. 722 (724); Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 65; Schmidt (Fn. 2), 120 (122). 29 Vgl. BVerfGE 75, 108 (153 f.) m.w.N.; anderer Ansicht Schmidt (Fn. 2), 120 (121), im Ergebnis aber gleich, weil der Autor von einer Rechtfertigung dieses Eingriffes ausgeht. 30 Vgl. BVerfGE 75, 108 (154) m.w.N.; anderer Ansicht Schmidt (Fn. 2), 120 (121) (vgl. Fn. 29). 31 BVerfGE 75, 108 (155 ff.) m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 9 sondern auch als die „Nutznießer“ dieser Maßnahmen betrachtet werden.32 Die Polizei sorgt nämlich in solchen Fällen für einen geordneten Ablauf der jeweiligen Veranstaltung und sichert dem Organisator den Gewinn. Die Prinzipien der Begünstigung und des Vorteilsausgleiches sprechen folglich für eine Kostentragung durch die Organisatoren solcher Veranstaltungen.33 Allerdings sind bei Einführung solcher Gebührentatbestände mehrere Grundsätze zu beachten. Zum einen wird aus dem Demokratieprinzip die Forderung abgeleitet, dass die Gebührenpflicht zumindest in ihren groben Zügen in einem Gesetz geregelt werden sollte,34 Nach anderer Ansicht würde hierfür aber auch eine Regelung im Kostenverzeichnis des jeweiligen Landesgebührengesetz genügend sein.35 Zum anderen beinhaltet das Rechtsstaatsprinzip gemäß Art. 20 Abs. 3 GG die Grundsätze der Bestimmtheit einer Norm und der Rechtssicherheit,36 wobei ersterer für Verordnungen auf Bundesebene auch aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG unmittelbar folgt. Diesen Prinzipien wird aber nur dann Genüge getan, wenn die Gebührentatbestände die Kostenschuld der Veranstalter klar festlegen, und es somit diesen ermöglichen, aufgrund eigener Prognosen die Kosten für anstehende Veranstaltungen zu errechnen.37 Zweitens muss bei der Einführung eines Gebührentatbestandes auch dem sog. Steuerstaatsprinzip Rechnung getragen werden.38 Danach sind grundsätzlich Maßnahmen des Staates durch Steuermittel zu finanzieren, sodass eine Gebühr nur dann erhoben werden darf, wenn die jeweilige Maßnahme einer bestimmten Person zurechenbar ist und diese konkret begünstigt.39 Dies dürfte bei polizeilichen Einsätzen im Rahmen kommerzieller Veranstaltungen aus den oben dargestellten Gründen regelmäßig der Fall sein.40 Drittens müsste nach dem Äquivalenzprinzip41 auch nicht wesentlich mehr von den Organisatoren an Kosten verlangt werden als tatsächlich durch die Veranstaltung der Polizei entstanden sind. Da sich in der Praxis eine genaue Errechnung der Aufwendungen der Polizei schwer durchführen lässt,42 stößt die Einführung einer Pflicht zum vollständigen Ersatz dieser Kosten auf Be- 32 Gusy (Fn. 1), S. 722 (725); Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 67. 33 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 67. 34 Gusy (Fn. 1), S. 722 (727); Schmidt (Fn. 2), 120 (122). 35 Lege, Joachim, Polizeieinsätze bei Fußball-Bundesligaspielen, VerwArch 89 (1998), S. 71 (89). 36 BVerfGE 19, 253 (267); 49, 343 (362); Schenke (Fn. 15), 1882 (1884); Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 65, Schmidt (Fn. 2), 120 (122). 37 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 65. 38 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 16 ff., 68. 39 BVerfG NVwZ 2008, 414 f. m.w.N.; Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 67. 40 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 67 f. 41 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 9), N, Rn. 11 ff., 68; Schmidt (Fn. 2), 120 (122). 42 Gusy (Fn. 1), 722, (726). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 10 denken.43 Empfohlen wird deswegen eine pauschale Gebühr, die sich an den Rahmenbedingungen und den Gewinnaussichten der jeweiligen Veranstaltung orientiert.44 Im Falle der einzelnen Teilnehmer dürften die oben dargestellten Erwägungen dagegen wohl nicht einschlägig sein. Diese erzielen nämlich durch eine kommerzielle Veranstaltung direkt keinen materiellen, sondern allenfalls einen ideellen Gewinn, für den sie regelmäßig dem Veranstalter ein Entgelt zahlen. Sie zusätzlich dazu zur Tragung weiterer Kosten nur aufgrund ihrer Teilnahme an einer Veranstaltung zu verpflichten, dürfte folglich schwer zu begründen sein.45 Die Einführung einer Gebühr zu ihren Lasten würde danach wohl nicht den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit i.e.S. entsprechen und deren Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzen. 4.2. Kostentragung bei nicht-kommerziellen Veranstaltungen Für die Organisatoren von nicht-kommerziellen Veranstaltungen könnte eine Tragung von Polizeikosten verfassungswidrig sein. Hier ist nämlich kraft Natur der Sache weder das Vorteilsausgleichs - noch das Begünstigungsprinzip einschlägig. Finden solche Veranstaltungen aus politischen , gewerkschaftlichen oder religiösen Gründen statt, dann dienen sie der Ausübung der Grundrechte der Veranstalter und Teilnehmer aus Art. 4 (Religionsfreiheit), Art. 5 Abs. 1 (Meinungsfreiheit ) bzw. Art. 9 GG (Vereinigungsfreiheit).46 Eine über die Unterstützung der Beteiligten bei der Wahrnehmung ihrer Grundrechte hinausgehende Begünstigung findet somit durch den Einsatz der Polizei nicht statt.47 Diese Unterstützung gehört aber zu den Kernaufgaben des Staates und kann folglich nicht zum finanziellen Nachteil der Veranstalter und Teilnehmer an dieser Veranstaltung geschehen. 4.3. Kostentragung bei Demonstrationen Die Entrichtung von Gebühren für Demonstrationen könnte die Grundrechte der Beteiligten aus Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit) und Art. 5 Abs. 1 GG (Meinungsfreiheit) verletzen. Handelt es sich bei einer Veranstaltung um eine Versammlung, dann ist der Schutzbereich sowohl der Versammlungs -, als auch der Meinungsäußerungsfreiheit eröffnet.48 Eine Gebühr würde die Ausübung dieser Grundrechte zumindest mittelbar beschränken, so dass auch ein Eingriff in deren Schutzbereich vorläge.49 Dieser Eingriff könnte aber gerechtfertigt sein. Dies ist dann der Fall, wenn er „zum Schutz eines mit der Versammlungsfreiheit kollidierenden Rechtsguts geeignet und erforderlich und ferner angemessen“ ist, „weil der Schutz des anderen Rechtsguts gegenüber der Versammlungsfreiheit 43 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 68. 44 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 68. 45 Vgl. Böhm (Fn. 2). 46 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 66; Schmidt (Fn. 2), 120 (121). 47 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 66. 48 Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 70. 49 Greve/Quast (Fn. 23), 500 (501). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 016/13 Seite 11 im konkreten Fall vorrangig ist.“50 Davon kann jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, „wenn die Gebühr für eine versammlungsrechtlich begründete Amtshandlung erhoben wird, die nicht an die Verursachung einer dem Betroffenen zuzurechnenden konkreten Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung anknüpft“.51 Im Einzelnen bedeutet dies, dass für die „bloße Verursachung “ einer Amtshandlung durch Anmeldung oder Durchführung einer Versammlung Gebühren nicht erhoben werden können.52 Die Möglichkeit dazu besteht aber, wenn es sich um Auflagen im Sinne von § 15 Versammlungsgesetzes (VersammlG)53 handelt, die zur Abwendung einer Gefahr der Versammlung auferlegt werden.54 Gefahrentatbestände dürfen dem Veranstalter oder Leiter einer Versammlung aber nicht zugerechnet werden, wenn sie „nicht von ihm, sondern - wenn auch im Zusammenhang oder infolge der konkreten Versammlung - eigenständig durch Dritte unter Einschluss von Versammlungsteilnehmern geschaffen werden.“55 Folglich ist eine Gebührenlast vor allem mit dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit aus Art. 8 GG grundsätzlich nicht vereinbar, es sei denn, dass die Kosten aus einer Auflage nach § 15 VersammlG resultieren, die aufgrund einer konkreten, dem Veranstalter oder Leiter der Versammlung zurechenbaren Gefahr den Beteiligten auferlegt werden.56 50 BVerfG NVwZ 2008, 414. 51 BVerfG NVwZ 2008, 414. 52 BVerfG NVwZ 2008, 414 f. 53 Versammlungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. November 1978 (BGBl. I S. 1789), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 8. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2366) geändert worden ist. 54 BVerfG NVwZ 2008, 414. 55 BVerfG NVwZ 2008, 414 f. 56 So auch Greve/Quast (Fn. 23), 500 (502); Sailer, in: Lisken/Denninger (Fn. 8), N, Rn. 73.