© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 015/20 Zur Beteiligung und Mitwirkung des Deutschen Bundestages an dem Zustandekommen von völkerrechtlichen Verträgen und Verwaltungsabkommen und dem Geheimschutz Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 015/20 Seite 2 Zur Beteiligung und Mitwirkung des Deutschen Bundestages an dem Zustandekommen von völkerrechtlichen Verträgen und Verwaltungsabkommen und dem Geheimschutz Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 015/20 Abschluss der Arbeit: 31. Januar 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 015/20 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand beschäftigt sich mit der Beteiligung und Mitwirkung des Deutschen Bundestages an dem Zustandekommen von völkerrechtlichen Verträgen und Verwaltungsabkommen und dem Geheimschutz. 2. Mitwirkung des Parlaments beim Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen Der Deutsche Bundestag wirkt unter bestimmten, im Grundgesetz (GG) ausdrücklich geregelten Voraussetzungen beim völkerrechtlichen Vertragsabschluss mit (völkerrechtliche Staatsverträge). Die Beteiligung des Deutschen Bundestages bei völkerrechtlichen Staatsverträgen ergibt sich aus Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG. Dieser lautet: „Verträge, welche die politischen Beziehungen des Bundes regeln oder sich auf Gegenstände der Bundesgesetzgebung beziehen, bedürfen der Zustimmung oder Mitwirkung der jeweils für die Gesetzgebung zuständigen Körperschaften in der Form eines Bundesgesetzes.“ Die Zustimmung in Form eines Bundesgesetzes nach Art. 59 Abs. 2 GG ist damit verfassungsrechtliche Voraussetzung für die Geltung des völkerrechtlichen Vertrages. Sinn und Zweck der festgelegten Mitwirkung der gesetzgebenden Körperschaften ist es, langfristige oder gar grundsätzlich unauflösbare Bindungen völkerrechtlicher Art nicht ohne deren Beteiligung eintreten zu lassen. Die gesetzgebenden Körperschaften sind nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG in Form von „Zustimmung oder Mitwirkung“ zu beteiligen. Neben dem Deutschen Bundestag ist damit auch die Partizipation des Bundesrates verfassungsrechtlich bestimmt. Geheime völkerrechtliche Staatsverträge könnten damit nicht wirksam abgeschlossen werden. Um einen völkerrechtlichen Staatsvertrag handelt es sich gemäß der Voraussetzungen des Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG dann, wenn es sich um einen Vertrag über die politischen Beziehungen oder um einen Vertrag handelt, der sich auf die Gegenstände der Bundesgesetzgebung bezieht. Der Begriff der politischen Beziehungen ist dabei eng auszulegen. Es muss sich nach der Definition des Bundesverfassungsgerichts um einen Vertrag handeln, der die Existenz des Staates, seine territoriale Integrität, seine Unabhängigkeit, seine Stellung oder sein maßgebliches Gewicht in der Staatengemeinschaft berührt. Ein Bezug zu Gegenständen der Bundesgesetzgebung ist dann gegeben, wenn für die innerstaatliche Umsetzung des Vertrages im konkreten Fall ein formelles Gesetz nötig ist. Darüber hinaus ist der Anwendungsbereich vom Bundesverfassungsgericht dahingehend definiert worden, dass ein Vertragsgesetz auch dann erforderlich ist, wenn die Umsetzung durch Rechtsverordnung erfolgt, die der Zustimmung von Bundestag oder Bundesrat bedarf. Werden durch völkerrechtlichen Vertrag Hoheitsrechte auf zwischenstaatliche Einrichtungen, wie insbesondere internationale Organisationen, übertragen, dann bedarf es nach Art. 24 Abs. 1 GG eines Bundesgesetzes, über das Bundestag und Bundesrat an dieser Entscheidung beteiligt werden. Der zugrundeliegende völkerrechtliche Staatsvertrag bedarf zudem der Zustimmung nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG, weil eine Hoheitsrechtsübertragung immer auch die politischen Beziehungen im Sinne dieser Bestimmung regelt. Das Übertragungsgesetz gemäß Art. 24 Abs. 1 GG und das Zustimmungsgesetz nach Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG werden als ein Gesetz verabschiedet. Es erfüllt eine Doppelfunktion. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 015/20 Seite 4 Für weitergehende Informationen zur Rolle des Parlaments bei völkerrechtlichen Verträgen siehe auch Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste, Parliament’s Role in International Treaties, WD 2 - 3000 - 038/17 vom 18. April 2017.1 3. Mitwirkung des Parlaments beim Abschluss von völkerrechtlichen Verwaltungsabkommen Von den völkerrechtlichen Staatsverträgen zu unterscheiden sind die völkerrechtlichen Verträge, an deren Abschluss allein die Exekutive beteiligt ist (sogenannte Verwaltungsabkommen). Verwaltungsabkommen sind alle völkerrechtlichen Verträge des Bundes, die nicht die notwendige politische Bedeutung haben und zu deren Durchführung kein Gesetz, sondern nur eine Rechtsverordnung (die keiner Zustimmung von Bundestag oder Bundesrat bedarf), eine Verwaltungsvorschrift oder ein anderer Akt der Exekutive notwendig ist. Völkerrechtliche Verwaltungsabkommen bedürfen gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG nicht der Zustimmung des Bundestages, da sie nur Angelegenheiten der Exekutive regeln. Gemäß Art 59 Abs. 2 GG gelten für sie die verfassungsrechtlichen Vorschriften über die Bundesverwaltung (Art. 83 ff. GG) entsprechend. Bei Verwaltungsabkommen werden Ressort- und Regierungsabkommen unterschieden. Sie werden je nach innerstaatlicher Zuständigkeit von den zuständigen Fachministern oder den Regierungschefs abgeschlossen. Sie können im einphasigen Verfahren regelmäßig schon mit Unterzeichnung durch die Bundesregierung (bzw. den zuständigen Bundesminister) oder mit anschließendem Notenwechsel in Kraft treten. Obwohl eine Parlamentsbeteiligung bei Verwaltungsabkommen nicht erforderlich ist, ist es dennoch möglich die parlamentarische Zustimmung einzuholen. Die parlamentarische Zustimmung könnte somit wohl auch als Bedingung in den Vertrag aufgenommen werden. In der Praxis werden die meisten der völkerrechtlichen Verträge, an denen Deutschland beteiligt ist, als Verwaltungsabkommen abgeschlossen. Sie erfüllen abgelöst oder nur in loser Verbindung zu bestehenden Staatsverträgen regional oder örtlich begrenzte Aufgaben verwaltungstechnischer Art oder setzen die in internationalen Organisationen beschlossenen technischen Standards und Regelwerke in innerstaatliches Recht um. Zahlreiche Abkommen fallen in den Bereich der militärischen Zusammenarbeit. Auch im Bereich der Zusammenarbeit der Sicherheitsdienste werden Verwaltungsabkommen abgeschlossen. Die Bundesrepublik Deutschland ist zudem verschiedenen bedeutenden internationalen Organisationen auf der Grundlage von Art. 59 Abs. 2 S. 2 GG beigetreten . Da Verwaltungsabkommen nicht durch ein auf Vollständigkeit ausgerichtetes und systematisch geordnetes amtliches Fundstellenverzeichnis erschlossen werden, ist ihre Anzahl nicht leicht zu ermitteln. Nur einzelne Verwaltungsabkommen werden im Bundesgesetzblatt Teil II bekannt gemacht. 1 Abrufbar unter https://www.bundestag.de/resource/blob/509982/1316a1c42f1a8ee8a04cc65640d8af40/WD-2- 038-17-pdf-data.pdf (in englischer Sprache). Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 015/20 Seite 5 4. Sonderfall Art. 23 GG – Übertragung von Hoheitsrechten auf die EU Für den Bereich der Angelegenheiten der Europäischen Union ist Art. 23 GG zu beachten, der explizite Mitwirkungs- und Zustimmungspflichten des Bundestages und des Bundesrates begründet. Die Mitwirkung des Bundestages bezieht sich auf die Verträge der Europäischen Union sowie auf alle sonstigen Angelegenheiten der Europäischen Union. Während die Änderung der vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union eines Parlamentsgesetzes bedarf, und zwar in der Regel mit Zweidrittelmehrheit von Bundestag und Bundesrat, beschränkt sich die Mitwirkung des Bundestages in anderen Angelegenheiten der Europäischen Union auf das Recht gegenüber der Bundesregierung auf Unterrichtung sowie auf das Recht zur Abgabe von Stellungnahmen. Die nähere Ausgestaltung der parlamentarischen Mitwirkungsrechte regeln das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBBG) und das Gesetz über die Wahrnehmung der Integrationsverantwortung des Bundestages und des Bundesrates in Angelegenheiten der Europäischen Union (IntVG). 5. Mitwirkung bei den Verhandlungen von völkerrechtlichen Verträgen und Abkommen und Geheimschutz Das Verhandeln von völkerrechtlichen Verträgen und Abkommen fällt grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Exekutive. Gemäß Art. 32 Abs. 1 GG hat der Bund die Zuständigkeit für die Ausübung der auswärtigen Gewalt. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts hat das Grundgesetz der Regierung im Bereich auswärtiger Politik einen weit bemessen Spielraum zur eigenverantwortlichen Aufgabenwahrnehmung überlassen. Das Gericht hat festgestellt, dass der Verkehr mit anderen Staaten, die Vertretung in internationalen Organisationen, zwischenstaatlichen Einrichtungen und Systemen gegenseitiger kollektiver Sicherheit sowie die Sicherstellung der gesamtstaatlichen Verantwortung bei der Außenvertretung Deutschlands grundsätzlich in den Kompetenzbereich der Exekutive, insbesondere der Bundesregierung fällt. Die Rolle des Parlaments ist nach Ansicht des Gerichts schon aus Gründen der Funktionsgerechtigkeit in diesem Bereich beschränkt. Mangels spezieller Regelungen zur begleitenden Mitwirkung und Information des Deutschen Bundestages , gelten hier die allgemeinen Instrumente der politischen Kontrolle. Der Deutsche Bundestag kann von seinem Frage-, Debatten- und Entschließungsrecht Gebrauch machen und seine Haushaltsbefugnisse wahrnehmen und so auf die Entscheidungen der Regierung einwirken, was in der parlamentarischen Praxis auch geschieht. Zur parlamentarischen Kontrolle zählt auch, dass dem Bundestag selbst das Initiativrecht für ein Zustimmungsgesetz zu einem völkerrechtlichen Vertrag als Mittel außenpolitischer Ausdrucksweise zugebilligt wird und dass er die Bundesregierung auffordern kann, bestimmte völkerrechtliche Verträge abzuschließen. Darüber hinaus beschließt der Bundestag mitunter Berichtspflichten der Bundesregierung. Die Frage- und Informationsrechte gelten allerdings nicht unbegrenzt. Die Bundesregierung ist nur insoweit zur Information verpflichtet, als sich das Informationsbegehren auf einen zulässigen Gegenstand richtet und der Informationsweitergabe keine verfassungsrechtlichen Gründe entgegenstehen . So dürfen sich Fragen zunächst nur auf Sachverhalte aus dem Verantwortungsbereich der Regierung beziehen. Als verfassungsrechtliche Grenze des Informationsrechts kommen sowohl Gründe des Staatswohls als auch der Grundrechtsschutz Dritter (z. B. der Schutz von personenbezogenen Daten, der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen) in Betracht. Eine weitere Grenze bildet zudem der Schutz des Kernbereichs der exekutiven Eigenverantwortung. Dieser Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 015/20 Seite 6 basiert auf dem Grundsatz der Gewaltenteilung und gewährt der Regierung einen nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs- und Handlungsbereich mit der Folge, dass sich die Kontrollkompetenz des Bundestages grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge bezieht. In laufende Verhandlungen und Entscheidungsvorbereitungen soll von Parlamentsseite her nicht hineinregiert werden. Die entgegenstehenden verfassungsrechtlichen Schutzgüter sind mit dem Informationsinteresse des Bundestages grundsätzlich abzuwägen. Allein die Einstufung einer Information als Verschlusssache durch die Bundesregierung steht einer Kontrolle durch das Parlament nicht entgegen. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu ausgeführt, dass das Parlament ohne eine Beteiligung am geheimen Wissen der Regierung weder das Gesetzgebungsrecht noch das Haushaltsrecht noch das parlamentarische Kontrollrecht gegenüber der Regierung auszuüben vermöchte. Zum Schutz der geheimen Sachverhalte müssen Bundesregierung und Bundestag daher beiderseits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen treffen. So ist beispielsweise vorgesehen, dass eingestufte Dokumente nur in besonders gesicherten Räumen unter Aufsicht der dortigen Mitarbeiter eingesehen werden dürfen. Die maßgebenden Regelungen zum Geheimschutz finden sich im Sicherheitsüberprüfungsgesetz, der Geheimschutzverordnung des Deutschen Bundestages und der Verschlusssachenanweisung des Bundes. Die Einstufung von Dokumenten durch die Bundesregierung kann der Bundestag gerichtlich voll nachprüfen lassen. Verweigert die Bundesregierung eine Antwort ganz oder teilweise bzw. antwortet sie nicht öffentlich, so hat sie diese Entscheidung zu begründen. Der Bundestag kann das Bundesverfassungsgericht anrufen, um zu klären, ob die Nichtbeantwortung oder unzureichende Beantwortung von Fragen gegen seine Rechte verstößt. ***