© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 014/19 Einzelfragen zum Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen in Deutschland Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 014/19 Seite 2 Einzelfragen zum Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen in Deutschland Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 014/19 Abschluss der Arbeit: 24. Januar 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 014/19 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand behandelt ausgewählte Aspekte des Wahlrechts von Menschen mit Behinderungen. 2. Ausschluss vom Wahlrecht Für den Ausschluss vom Wahlrecht, etwa nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Wahl der Abgeordneten des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland (EuWG) muss für eine Person in allen Angelegenheiten ein Betreuer bestellt sein. Eine Betreuung in „nur“ fast allen Angelegenheiten reicht hierfür nicht aus. Unter der gleichen Voraussetzung sind Personen vom Wahlrecht zum Deutschen Bundestag nach § 13 Nr. 2 Bundeswahlgesetz (BWG) ausgeschlossen. Sie können allerdings in fünf deutschen Bundesländern (Brandenburg, Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein) an Wahlen auf Landesebene teilnehmen.1 Der aktuelle Koalitionsvertrag der Bundesregierung sieht vor, den Ausschluss vom Wahlrecht von Menschen, die unter Vollbetreuung stehen, abzuschaffen.2 3. Anzahl der von einem Wahlrechtsausschuss betroffenen Menschen mit Behinderungen Eine Studie3 im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) hat die Anzahl der Menschen mit Behinderungen untersucht, die vom Wahlrecht ausgeschlossen sind. Demnach waren 81.220 Menschen in den Jahren 2014/2015 gemäß § 13 Nr. 2 BWG vom Wahlrecht ausgeschlossen , weil zur Besorgung all ihrer Angelegenheiten Betreuer bestellt worden waren.4 4. Barrierefreie Informationsangebote im Internet Die Internetseiten von verschiedenen Bundesministerien und anderen Bundesbehörden sind auch barrierefrei nutzbar. So enthält beispielsweise der Internetauftritt des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen Funktionen, die es ermöglichen, dass 1 Deutsches Institut für Menschenrechte, Übersicht über Wahlrechtsausschlüsse von Menschen mit Behinderungen , abrufbar unter: https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/monitoring-stelle-un-brk/monitoring/wahlrecht / (letzter Abruf am 23. Januar 2019). 2 Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD für die 19. Legislaturperiode, S. 95. 3 Studie zum aktiven und passiven Wahlrecht von Menschen mit Behinderungen, Stand Juli 2016, abrufbar unter: https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publikationen/Forschungsberichte/fb470-wahlrecht .pdf?__blob=publicationFile&v=2 (letzter Abruf am 23. Januar 2019). 4 BMAS-Studie, S. 46. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 014/19 Seite 4 Inhalte dort etwa in einfacher Sprache angezeigt werden oder denen, die dabei Schwierigkeiten/ Einschränkungen haben, vorgelesen werden können.5 Dies gilt auch für Inhalte zu Wahlen. 5. Möglichkeit zur Stimmabgabe in einem anderen Wahllokal Grundsätzlich hat jeder das Wahllokal bzw. den Wahlraum aufzusuchen, der auf der Wahlbenachrichtigung abgedruckt ist. Es besteht jedoch gemäß § 24 Europawahlordnung (EuWO) die Möglichkeit, einen Wahlschein zu beantragen. Dies ist normalerweise bis 18 Uhr am zweiten Tag vor der Wahl möglich (§ 26 Abs. 4 Satz 1 EuWO). Zuständige Behörde für die Erteilung des Wahlscheins ist die Gemeindebehörde. Mit diesem Wahlschein kann nach § 6 Abs. 5 EuWG in einem beliebigen Wahlraum des Kreises bzw. der kreisfreien Stadt gewählt werden. Diese Regelungen gelten für alle Wahlberechtigten und sind nicht speziell auf Menschen mit Behinderungen zugeschnitten.6 6. Anforderungen an die Hilfsperson Nach § 50 Abs. 1 EuWO kann ein Wähler, der des Lesens unkundig ist oder aufgrund einer körperlichen Beeinträchtigung daran gehindert ist, selbst die Stimmabgabe vorzunehmen, sich einer Hilfsperson bedienen. Diese kann frei ausgesucht werden; auch Mitglieder des Wahlvorstandes können diese Tätigkeit ausüben. Weitere Voraussetzungen/Anforderungen an die Hilfsperson werden in § 50 EuWO nicht genannt. Daher ist es auch möglich, dass sich die hilfsbedürftige Person von jemandem helfen lässt, der selbst noch nicht wahlberechtigt ist. Allerdings muss die Hilfsperson die nötigen Fähigkeiten in körperlicher und geistiger Hinsicht besitzen, um die Wünsche des Wählers vollständig erfassen und erfüllen zu können.7 7. Stimmabgabe durch Briefwahl Jeder Wahlberechtigte kann in Deutschland seine Stimme per Briefwahl abgeben. Dazu muss bei der Gemeindebehörde ein Wahlschein nach § 24 Abs. 1 EuWO beantragt werden. Der Antrag kann nach § 26 Abs. 1 EuWO sowohl mündlich als auch schriftlich gestellt werden. Die Schriftform gilt dann als gewahrt, wenn der Antrag bspw. als Fax, E-Mail oder auf einem anderen dokumentierbaren Weg der elektronischen Übermittlung gestellt wird. Es ist jedoch nicht möglich, den Antrag telefonisch zu stellen. Auch hierbei können sich Wahlberechtigte mit Behinderungen oder andern Einschränkungen Hilfspersonen bedienen. Dem Wahlschein werden nach § 27 Abs. 3 EuWO die für die Briefwahl erforderlichen Unterlagen beigefügt. Nach § 27 Abs. 4 EuWO wird der Wahlschein dem Wahlberechtigten an seine Wohnanschrift oder, falls gewünscht, an eine andere Adresse zugesandt oder amtlich überbracht. Daneben 5 Die Internetseite ist abrufbar unter: https://www.behindertenbeauftragter.de/DE/Home/home_node.html (letzter Abruf am 23. Januar 2019). 6 Informationen zum barrierefreien Wählen sind z.B. auf der Internetseite des Bundeswahlleiters abrufbar, unter: https://www.bundeswahlleiter.de/europawahlen/2019/informationen-waehler/barrierefreies-waehlen .html#84aa9fdd-85ee-498a-aba3-4d378bc9aab0 (letzter Abruf am 23. Januar 2019). 7 Bieber/Haag Europawahlordnung, 2. Auflage 2016, EuWO § 50 Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 014/19 Seite 5 kann ein Wahlberechtigter den Wahlschein und die Briefwahlunterlagen auch persönlich bei der Gemeindebehörde abholen (gemäß § 27 Abs 5 EuWO). In diesem Fall soll ihm die Gelegenheit gegeben werden, die Briefwahl an Ort und Stelle auszuüben. Auch wenn ein Wähler einen Wahlschein beantragt und diesen sowie die für die Briefwahl erforderlichen Unterlagen erhalten hat, steht es ihm frei, ob er die Unterlagen einsendet oder ob stattdessen die Stimme nach § 6 Abs. 5 EuWG in einem beliebigen Wahlraum des Kreises bzw. der kreisfreien Stadt abgibt.8 *** 8 Internetseite des Bundeswahlleiters zur Briefwahl bei der Europawahl, abrufbar unter: https://www.bundeswahlleiter .de/europawahlen/2019/informationen-waehler/briefwahl.html (letzter Abruf am 23. Januar 2019).