© 2018 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 013/18 Parlamentarisches Fragerecht zu Strafanzeigen eines Bundesministeriums Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 013/18 Seite 2 Parlamentarisches Fragerecht zu Strafanzeigen eines Bundesministeriums Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 013/18 Abschluss der Arbeit: 22.01.2018 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 013/18 Seite 3 1. Fragestellung Es wurde die Frage gestellt, inwieweit die Strafanzeige durch ein Bundesministerium der parlamentarischen Kontrolle unterliegt und inwieweit die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO) dem parlamentarischen Fragerecht Grenzen setzen kann. 2. Meinungsstand Anerkannt ist, dass sich das parlamentarische Fragerecht auf alle Gegenstände erstreckt, für welche die Regierung zuständig ist.1 Das Fragerecht begründet die Pflicht der Adressaten zu einer vollständigen und zutreffenden Antwort.2 Grenzen der Antwortpflicht sind „begründungsbedürftige Ausnahmen“ und können sich nur aus der Verfassung selbst ergeben.3 Die GGO ist der Rechtsnatur nach eine Verwaltungsvorschrift4 und kann daher für sich genommen dem parlamentarischen Fragerecht keine Grenzen setzen. Die durch das Bundesverfassungsgericht anerkannten verfassungsrechtlichen Grenzen des parlamentarischen Fragerechts listet eine Kommentierung wie folgt auf: „Zum einen müssen staatliche Geheimnisse nicht offenbart werden. Zum anderen darf durch Informationsersuchen nicht die Arbeits- und Funktionsfähigkeit der Bundesregierung bzw. der Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung beeinträchtigt werden. Und schließlich darf eine Informationsverweigerung auf den Schutz des Staatswohls und den Schutz anderenfalls gefährdeter individueller Rechte gestützt werden. […] In derartigen Fällen hat die Bundesregierung dem Bundestag die Gründe für die Auskunftsverweigerung grundsätzlich ausführlich darzulegen .“5 Bei einer Strafanzeige ist der Schutz von Grundrechten des Verdächtigen zu bedenken. Grundsätzlich greift hier das allgemeine Persönlichkeitsrecht,6 das in gewissem Umfang auch für juristische Personen gilt.7 Wie weit der Persönlichkeitsschutz in einem Strafverfahren reicht, ist Frage des Einzelfalls.8 1 Butzer, in: BeckOK, Grundgesetz, 35. Edition, Stand: 15.11.2017, Art. 38 Rn. 112. 2 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. EL September 2017, Art. 43 Rn. 96. 3 Klein, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. EL September 2017, Art. 43 Rn. 96. 4 So auch die Antwort der Bundesregierung in BT-Drs. 8/733, S. 1. 5 Butzer, in: BeckOK, Grundgesetz, 35. Edition, Stand: 15.11.2017, Art. 38 Rn. 114 (Hervorhebung durch Autor). 6 Temming, in: BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, 28. Edition, Stand: 01.07.2017, RiStBV 129 Berichterstattung durch Presse und Rundfunk, Rn. 6. 7 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, 81. EL September 2017, Art. 2 Rn. 224. 8 Vgl. Temming, in: BeckOK StPO mit RiStBV und MiStra, 28. Edition, Stand: 01.07.2017, RiStBV 129 Berichterstattung durch Presse und Rundfunk, Rn. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 013/18 Seite 4 Würde die Beantwortung einer parlamentarischen Frage in die Grundrechte Dritter eingreifen, führt dies noch nicht zu einem Ausschluss des Fragerechts: – Der Eingriff kann aufgrund der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein. – Der Verdächtige kann sich damit einverstanden erklären, dass Informationen in Bezug auf das Strafverfahren offen gelegt werden.9 – Die Bundesregierung kann die Informationen dem Bundestag in nichtöffentlicher Form unter Anwendung von Vorschriften zum Geheimschutz übermitteln.10 Das Bundesverfassungsgericht hat zu letztem Punkt bereits im Jahr 1984 in seinem Flick-Urteil ausgeführt: „Die Bedeutung, die das Kontrollrecht des Parlaments sowohl für die parlamentarische Demokratie als auch für das Ansehen des Staates hat, gestattet in der Regel dann keine Verkürzung des Aktenherausgabeanspruchs zugunsten des Schutzes des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Eigentumsschutzes, wenn Parlament und Regierung Vorkehrungen für den Geheimschutz getroffen haben, die das ungestörte Zusammenwirken beider Verfassungsorgane auf diesem Gebiete gewährleisten, und wenn der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.“11 *** 9 Jarass, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht im Grundgesetz, NJW 1989, 857 (860). 10 Butzer, in: BeckOK, Grundgesetz, Epping/Hillgruber, 35. Edition, Stand: 15.11.2017, Art. 38 Rn. 128.2. 11 Urteil vom 17.7.1984, 2 BvE 11, 15/83, Leitsatz 5c.