Deutscher Bundestag Einsatz der Bundespolizei und privater Sicherheitsdienste zur Pirateriebekämpfung Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 013/12 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 013/12 Seite 2 Einsatz der Bundespolizei und privater Sicherheitsdienste zur Pirateriebekämpfung Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 013/12 Abschluss der Arbeit: 30. Januar 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 013/12 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Zusammenfassung 4 2. Fragestellung 5 3. Bundespolizei 5 4. Private Sicherheitsdienste 6 4.1. Gewerbeordnung 6 4.2. Rechtliche Stellung an Bord 7 4.3. Befugnisse privater Sicherheitsdienste 9 4.4. Führen von Waffen durch private Sicherheitsdienste 9 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 013/12 Seite 4 1. Zusammenfassung Die Bundespolizei ist nach den Kompetenzzuweisung im Bundespolizeigesetz und der Zuständigkeitsbezeichnungs -Verordnung See für Maßnahmen der Pirateriebekämpfung zuständig. Dies gilt für sowohl für die Gefahrenabwehr als auch den Bereich der Strafverfolgung. Die materiellen Eingriffsbefugnisse richten sich nach dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen. Allerdings wird eine Begleitung von Handelsschiffen durch die Bundespolizei aus Gründen der Zweckmäßigkeit von der Bundesregierung abgelehnt. Als Maßnahme des Eigenschutzes vor Piraterie können Reeder auf ihren Schiffen nach derzeit geltendem Recht private Sicherheitsdienste einsetzen. Die Bundesregierung plant allerdings die Einführung einer gewerberechtlichen Zertifizierungspflicht für maritime Sicherheitsdienste. Die Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste unterstehen der Bordgewalt des Kapitäns und haben seinen Anweisungen Folge zu leisten. Dies gilt allerdings nicht, soweit sie von ihrem Jedermannsrecht der Notwehr bzw. Nothilfe Gebrauch machen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 013/12 Seite 5 2. Fragestellung Als Maßnahme der Pirateriebekämpfung hat der Verband deutscher Reeder (VDR) bereits vor einem Jahr den Einsatz von Bundespolizisten bzw. Soldaten an Bord deutscher Handelsschiffe gefordert .1 Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) spricht sich für einen Einsatz von Bundespolizisten auf Handelsschiffen aus.2 Die Bundesregierung hat einen Einsatz der Bundespolizei bislang unter Hinweis auf logistische, finanzielle und operative Gründe abgelehnt.3 Sie plant hingegen die Einführung eines Zertifizierungsverfahrens für private Sicherheitsdienste.4 Reeder sollen durch das Engagement zertifizierter Sicherheitsdienste auf einen hohen Qualitätsstandard vertrauen können. Diese Ausarbeitung untersucht die Frage, ob ein Einsatz der Bundespolizei bzw. privater Sicherheitsdienste zur Pirateriebekämpfung aus Sicht des deutschen Rechts möglich ist.5 3. Bundespolizei Die Aufgaben und Befugnisse der Bundespolizei sind im Gesetz über die Bundespolizei (BPolG)6 geregelt. Nach § 6 S. 1 BPolG hat die Bundespolizei die Aufgabe, unbeschadet der Zuständigkeit anderer Behörden oder der Streitkräfte auf See außerhalb des deutschen Küstenmeers die Maßnahmen zu treffen, zu denen die Bundesrepublik Deutschland nach dem Völkerrecht befugt ist. Diese Befugnisse sind im Wesentlichen im Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ)7 geregelt, z.B. das Aufbringen von Seeräuberschiffen. Nach Art. 92 Abs. 1 SRÜ übt der jeweilige Flaggenstaat auf hoher See grundsätzlich die ausschließliche Hoheitsgewalt der unter seiner Flagge fahrenden Schiffe aus. § 6 S. 1 BPolG weist die Ausübung der Hoheitsgewalt im Bereich der Gefahrenabwehr grundsätzlich der Bundespolizei zu. Dies gilt auch für die Pirateriebekämpfung.8 Dementsprechend wäre es rechtlich möglich, 1 Pressemitteilung des VDR vom 30.01.2011, abrufbar unter: http://www.reederverband.de/de/presse/pressemitteilung/artikel/vdr-vorschlaege-zum-schutz-vorpiraterie .html (Abruf aller Internetseiten am 26.01.2012). 2 Pressemitteilung der GdP vom 11.08.2011, abrufbar unter: http://www.gdp.de/gdp/gdp.nsf/id/DE_GdP- Bundespolizei_Bundesinnenministeium_kapituliert_vor_Piraterie. 3 BT-Drs. 17/6715, S. 9. 4 BT-Drs. 17/6715, S. 10; auch der diesjährige Verkehrsgerichtstag befasst sich mit der Frage des Einsatzes privater Sicherheitsdienste: http://www.deutsche-verkehrsakademie.de/images/stories/pdf/Internet_ 50_vgt.pdf. 5 Die völkerrechtlichen Grundlagen der Pirateriebekämpfung werden dem Gutachten WD 2 – 005/12 des Fachbereichs WD 2 erörtert. 6 Bundespolizeigesetz vom 19.10.1994 (BGBl. I S. 2978, 2979), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 31.07.2009 (BGBl. I S. 2507) geändert worden ist. 7 Vertragstext abrufbar unter: http://treaties.un.org/doc/publication/UNTS/Volume 1833/v1833.pdf. 8 Drewes/Malmberg/Walter, Bundespolizeigesetz, 4. Auflage, 2010, § 6 Rn. 48. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 013/12 Seite 6 die Bundespolizei zur präventiven Abwehr von Piraten auf Handelsschiffen, die unter deutscher Flagge fahren, einzusetzen. Die Zuständigkeit der Bundespolizei für Maßnahmen im Bereich der Strafverfolgung beruht auf der nach § 4 Abs. 3 Seeaufgabengesetz9 erlassenen Zuständigkeitsbezeichnungs-Verordnung See (ZustBV-See).10 Nach § 1 Nr. 2 lit. a ZustBV-See ist die Bundespolizei für Maßnahmen der Strafverfolgung im Falle der Seeräuberei auf hoher See zuständig. Ein Einsatz von Bundespolizisten zum Schutz vor Piraten entspräche daher den skizzierten innerstaatlichen Kompetenzzuweisungen und wäre aus rechtlicher Sicht möglich.11 Die Bundesregierung lehnt einen Einsatz allerdings aus Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten ab.12 4. Private Sicherheitsdienste Als Maßnahme des Eigenschutzes vor Piraterie wird von der Bundesregierung ein Einsatz privater Sicherheitsdienste an Bord von Handelsschiffen befürwortet.13 Im deutschen Recht gibt es bislang keine Regelungen, die einen Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Schiffen verbieten.14 Reeder können daher private Sicherheitsdienste verpflichten, um ihre Schiffe besser gegen Piraten zu schützen. Nachfolgend werden kurz die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Tätigkeit privater Sicherheitsdienste skizziert, insbesondere hinsichtlich ihrer Stellung an Bord sowie der Grenzen der erlaubten Abwehrmaßnahmen. 4.1. Gewerbeordnung Private Sicherheitsdienste bedürfen nach § 34a Abs. 1 Gewerbeordnung (GewO)15 einer Erlaubnis zur Ausübung des Bewachungsgewerbes. Außerdem müssen die eingesetzten Mitarbeiter eine 9 Seeaufgabengesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 26.07.2002 (BGBl. I S. 2876), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 22.12.2011 (BGBl. I S. 3069) geändert worden ist. 10 Zuständigkeitsbezeichnungs-Verordnung See vom 04.03.1994 (BGBl. I S. 442), die zuletzt durch Artikel 121 des Gesetzes vom 21.06.2005 (BGBl. I S. 1818) geändert worden ist. 11 Zur Frage, ob auch die Bundeswehr zur Pirateriebekämpfung eingesetzt werden dürfte vgl. , Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen für den Einsatz von Bundespolizei und Bundeswehr bei der Pirateriebekämpfung, Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste, WD 3 – 3000 –035/11. 12 S. Fn. 3. 13 Pressemitteilung des Maritimen Koordinators der Bundesregierung vom 16.12.2011, abrufbar unter: http://www.bmwi.de/BMWi/Navigation/Presse/pressemitteilungen,did=462786.html 14 Vgl. Bericht der Bundesregierung – Angriffe durch Piraten auf Handelsschiffe, Ausschussdrucksache 17(15)178, S. 7; König/Salomon, Private Sicherheitsdienste auf Handelsschiffen – Rechtliche Implikationen , PiraT ‐ Arbeitspapiere zur Maritimen Sicherheit Nr. 2, März 2011, S. 27 f.; abrufbar unter: http://www.maritimesecurity.eu/fileadmin/content/news_events/workingpaper/PiraT_Arbeitspapier_ Nr2_2011_Koenig-Salomon.pdf Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 013/12 Seite 7 Sachkundeprüfung vor der Industrie- und Handelskammer nachweisen, sofern sie Kontrollgänge im öffentlichen Verkehrsraum oder in Hausrechtsbereichen mit tatsächlich öffentlichem Verkehr durchführen, zum Schutz vor Ladendieben oder zur Bewachung im Einlassbereich von gastgewerblichen Diskotheken eingesetzt werden. Ein Sachkundenachweis für die Tätigkeit auf Schiffen zur Abwehr von Piratenangriffen ist gesetzlich bislang nicht vorgesehen. Die Bundesregierung plant aber, eine Zertifizierungspflicht für maritime Sicherheitsdienste in die GewO aufzunehmen.16 Außerdem soll eine Regelung in die See-Eigensicherungsverordnung17 aufgenommen werden, nach der nur zertifizierte Sicherheitsunternehmen eingesetzt werden dürfen. 4.2. Rechtliche Stellung an Bord Die rechtliche Stellung privater Sicherheitsdienste an Bord wird durch das Seemannsgesetz (SeemG)18 geprägt. Dieses regelt u.a. die Stellung des Kapitäns, die Rechtsverhältnisse der Besatzung sowie sonstiger im Rahmen des Schiffsbetriebs an Bord tätiger Personen. Letzterer Gruppe dürften die Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste zuzuordnen sein, da sie, ohne in einem Heuerverhältnis zu stehen, an Bord zur Sicherheit des Schiffsbetriebs tätig sind. Für sie folgt daher aus § 7 Abs. 2 SeemG, dass sie den Regelungen des SeemG hinsichtlich der Ordnung an Bord unterliegen. Diese wiederum sehen in § 106 SeemG eine besondere Stellung des Kapitäns vor, die sowohl durch privatrechtliche als auch öffentlich-rechtliche Elemente geprägt ist. §106 SeemG lautet: Stellung des Kapitäns (1) Der Kapitän ist der Vorgesetzte aller Besatzungsmitglieder (§ 3) und der sonstigen an Bord tätigen Personen (§ 7). Ihm steht die oberste Anordnungsbefugnis zu. (2) Der Kapitän hat für die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit an Bord zu sorgen und ist im Rahmen der nachfolgenden Vorschriften und der sonst geltenden Gesetze berechtigt, die dazu notwendigen Maßnahmen zu treffen. (3) Droht Menschen oder dem Schiff eine unmittelbare Gefahr, so kann der Kapitän die zur Abwendung der Gefahr gegebenen Anordnungen notfalls mit den erforderlichen Zwangsmitteln durchsetzen; die vorübergehende Festnahme ist zulässig. Die Grundrechte des Artikels 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 und des Artikels 13 Abs. 1 und 2 des Grundgesetzes werden insoweit eingeschränkt. 15 Gewerbeordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.02.1999 (BGBl. I S. 202), die zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 15.12.2011 (BGBl. I S. 2714) geändert worden ist. 16 (Fn. 13). 17 See-Eigensicherungsverordnung vom 19.09.2005 (BGBl. I S. 2787), die durch Artikel 516 der Verordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist. 18 Seemannsgesetz in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 9513-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch Artikel 324 der Verordnung vom 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407) geändert worden ist. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 013/12 Seite 8 Kommt die Anwendung mehrerer Mittel in Frage, so ist tunlichst das Mittel zu wählen, das den Betroffenen am wenigsten beeinträchtigt. (4) Die Anwendung körperlicher Gewalt oder die vorübergehende Festnahme sind nur zulässig, wenn andere Mittel von vornherein unzulänglich erscheinen oder sich als unzulänglich erwiesen haben. Sie dürfen nur insoweit und so lange angewendet werden, als die Erfüllung der Aufgaben des Kapitäns im Rahmen der Absätze 2 und 3 dies erfordert. (5) Der Kapitän kann die Ausübung der sich aus den Absätzen 1 bis 4 ergebenden Befugnisse auf den Ersten Offizier des Decks- und den Ersten Offizier des Maschinendienstes innerhalb ihrer Dienstzweige übertragen, wenn er nicht in der Lage ist, sie selbst auszuüben. Jede Ausübung der Befugnisse ist spätestens innerhalb von vierundzwanzig Stunden dem Kapitän mitzuteilen. Die Übertragung soll den Besatzungsmitgliedern bekanntgegeben werden. (6) Der Kapitän hat Maßnahmen nach den Absätzen 3 und 4 und die Übertragung der Befugnisse nach Absatz 5 unter Darstellung des Sachverhalts in das Schiffstagebuch einzutragen. Aus § 106 Abs. 1 SeemG folgt, dass der Kapitän der Vorgesetzte der an Bord tätigen Personen ist, ihm also ein arbeitsrechtliches Direktionsrecht zusteht.19 Zugleich hat er die oberste Anordnungsbefugnis in Sachen der Ordnung und Sicherheit an Bord inne. Diese sog. Schiffsgewalt umfasst das Recht, Anordnungen zur Abwehr von Gefahren notfalls mit Zwangsmitteln durchzusetzen sowie körperliche Gewalt anzuwenden. Die Ausübung dieser Rechte hat hoheitlichen Charakter.20 Die Schiffsgewalt kann nach § 106 Abs. 6 SeemG nur eingeschränkt auf die ersten Offiziere übertragen werden, eine Übertragung auf andere Personen ist nicht vorgesehen. Die Mitarbeiter privater Sicherheitsdienste müssten demnach den Anweisungen des Kapitäns Folge leisten und könnten etwaige Maßnahmen zur Piratenabwehr nur im Falle eines gegenwärtigen rechtswidrigen Angriffs eigenständig in Ausübung ihres Notwehr- bzw. Nothilferecht (s.u. 4.3.) ergreifen. In der Praxis könnten sich Probleme ergeben, wenn der Kapitän und die Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes die Erforderlichkeit von Maßnahmen im Vorfeld eines Piratenangriffs bzw. zur Vermeidung derartiger Angriffe unterschiedlich einschätzen.21 Da die Letztverantwortung gesetzlich beim Kapitän liegt, können die Sicherheitsdienste hinsichtlich der Erforderlichkeit von Maßnahmen zunächst nur beratend tätig werden und erst auf Anweisung des Kapitäns auch konkrete Maßnahmen ergreifen.22 19 Bemm/Lindemann, Seemannsgesetz, 3. Auflage, 1991, § 106 Rdnr. 4. 20 Bemm/Lindemann (Fn. 19), § 106 Rdnr. 7 ff; Hanses, Die rechtliche Stellung des Kapitäns auf deutschen Seeschiffen unter besonderer Berücksichtigung der historischen Entwicklung, 1983, S. 160 ff. 21 König/Salomon (Fn. 14), S. 34 f. weisen darauf hin, dass private Sicherheitsdienste bspw. ehemalige Marinesoldaten einsetzen könnten, die über mehr Erfahrung hinsichtlich der Abwehr von Angriffen auf Schiffen verfügen als zivile Kapitäne. 22 Vgl. König/Salomon (Fn. 14), S. 35. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 013/12 Seite 9 4.3. Befugnisse privater Sicherheitsdienste Private Sicherheitsdienste haben keine eigenen Eingriffsbefugnisse gegenüber Angreifern bzw. Störern, da sie keine hoheitlichen Aufgaben wahrnehmen. Ihnen stehen nach § 34 a Abs. 5 GewO die sog. Jedermannsrechte wie Notwehr und Nothilfe sowie originäre und vom Auftraggeber übertragene Selbsthilferechte zu.23 Bezogen auf die Tätigkeit an Bord eines Schiffes dürfte insbesondere die Nothilfe nach § 32 Strafgesetzbuch (StGB)24 von Bedeutung sein. Danach handelt nicht rechtswidrig, wer sich gegen einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff auf sich (Notwehr) oder andere (Nothilfe) verteidigt und diese Verteidigungshandlung erforderlich ist. Ein gegenwärtiger rechtswidriger Angriff liegt vor, wenn er unmittelbar bevorsteht, gerade stattfindet oder noch fortdauert.25 Dies dürfte bezogen auf Piraten der Fall sein, wenn sich diese auf Schussdistanz einem Handelsschiff nähern.26 Zur Abwehr eines Piratenangriffs kann der Einsatz von Schusswaffen (auch mit Todesfolge) erforderlich sein.27 Dies bedarf jedoch einer Prüfung im Einzelfall. 4.4. Führen von Waffen durch private Sicherheitsdienste Für den Umgang mit Waffen, die unter das Waffengesetz (WaffG)28 fallen, ist nach § 2 Abs. 2 WaffG eine Erlaubnis erforderlich. Dies betrifft die in Anlage 2 Abschnitt 2 zum WaffG genannten Waffen (z.B. Schusswaffen). Die Erteilung einer Erlaubnis setzt voraus, dass ein Bedürfnis für den Umgang mit Waffen glaubhaft gemacht wird, § 8 WaffG. Für Bewachungsunternehmen nach § 34a GewO wird nach § 28 WaffG ein Bedürfnis zum Erwerb , Besitz und Führen von Schusswaffen anerkannt, wenn glaubhaft gemacht wird, dass Bewachungsaufträge wahrgenommen werden oder werden sollen, die aus Gründen der Sicherung einer gefährdeten Person im Sinne des § 19 WaffG oder eines gefährdeten Objektes Schusswaffen erfordern. Dies dürfte bei der Bewachung eines Handelsschiffs, das durch gefährdete Gebiete fährt, anzunehmen sein. Private Sicherheitsdienste könnten daher bei Bewachungsaufgaben auf Handelsschiffen mit Waffen nach dem Waffengesetz ausgerüstet sein. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Art der Bewaffnung zur Piratenabwehr geeignet ist.29 Denkbar wäre daher, private Sicherheitsdienste mit Kriegswaffen auszustatten. Dies ist jedoch recht- 23 Vgl. Brinktrine, Der Einsatz privater Sicherheitsdienste zum Schutz vor Piraterie und maritimen Terrorismus , in Stober: Der Schutz vor Piraterie und maritimen Terrorismus zwischen internationaler, nationaler und unternehmerischer Verantwortung, 2010, S. 48. 24 Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.11.1998 (BGBl. I S. 3322), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 23.06.2011 (BGBl. I S. 1266) geändert worden ist 25 BGH NJW 1973, 255. 26 König/Salomon (Fn. 14), S. 33. 27 König/Salomon (Fn. 14), S. 33. 28 Waffengesetz vom 11.10.2002 (BGBl. I S. 3970, 4592; 2003 I S. 1957), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 5 des Gesetzes vom 17.07.2009 (BGBl. I S. 2062) geändert worden ist. 29 Näher hierzu König/Salomon (Fn. 14) S. 30 f. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 – 3000 – 013/12 Seite 10 lich problematisch, da Kriegswaffen aufgrund ihrer Verwendungsmöglichkeiten besonderen Beschränkungen unterliegen. Kriegswaffen unterfallen den Vorschriften des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KrWaffG).30 Nach § 1 Abs. 1 KrWaffG erfasst der Begriff Kriegswaffe alle in der Anlage zum KrWaffG (sog. Kriegswaffenliste ) aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen (z.B. Maschinengewehre, Kanonen , Handgranaten). Für den Erwerb der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen ist nach § 2 Abs. 2 KrWaffG eine Genehmigung erforderlich. Dies gilt auch für die Beförderung von Kriegswaffen auf deutschen Schiffen, § 4 Abs. 2 KrWaffG. Auf die Erteilung derartiger Genehmigungen besteht nach § 6 Abs. 1 KrWaffG kein Anspruch. In der Praxis wird die Nutzung von Kriegswaffen durch Private offenbar grundsätzlich nicht genehmigt.31 Es wäre demnach rechtlich zwar grundsätzlich möglich, privaten Sicherheitsdiensten, Genehmigungen zum Erwerb der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen zu erteilen, dies würde jedoch von der sonstigen Praxis abweichen. Ergänzend sei angemerkt, dass das Mitführen von Waffen auf deutschen Handelsschiffen Probleme beim Einlaufen in ausländische Häfen verursachen kann, da nach der dort jeweils geltenden nationalen Rechtsordnung bspw. das Einlaufen bewaffneter Schiffe verboten oder eine korrekte Anmeldung im Vorfeld erforderlich sein kann.32 30 Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen in der Fassung der Bekanntmachung vom 22.11.1990 (BGBl. I S. 2506), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 27.07.2011 (BGBl. I S. 1595) geändert worden ist. 31 Vgl. Antwort der Bundesregierung BT-Drs. 15/5824, S. 20. 32 Näher hierzu Oechsle/Pötschke, Piraterie – Rechtliche Risiken beim Einsatz privater Sicherheitsdienste in Ahlers/Vogel Jusletter, Februar 2011, S. 2, abrufbar unter http://www.ahlers-vogel.de/tl_files/ahlersvogel /pdfs/Jusletter_2011-02_Piraterie_Einsatz-privater-Sicherheitsdienste.pdf.