Deutscher Bundestag Rechtsmittel juristischer Personen gegen Entscheidungen der Bundesregierung zur Genehmigung von Rüstungsexporten Sachstand Wissenschaftliche Dienste WD 3 – 3000 – 011/12 Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 011/12 Seite 2 Rechtsmittel juristischer Personen gegen Entscheidungen der Bundesregierung zur Genehmigung von Rüstungsexporten Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 – 3000 – 011/12 Abschluss der Arbeit: 10. Februar 2012 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 011/12 Seite 3 1. Einleitung Im Jahr 2010 wurden Kriegswaffen im Wert von 2.119 Mrd. Euro von der Bundesrepublik Deutschland ausgeführt und Einzelausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter im Wert von insgesamt ca. 4,754 Mrd. Euro erteilt.1 Die Ausfuhr von Kriegswaffen wird in den Medien und in der Öffentlichkeit kritisch begleitet, da die Gefahr der Nutzung von Kriegswaffen in nicht verfassungsmäßiger , da völkerrechtswidriger Weise durch die Käufer der Kriegswaffen insbesondere in Staaten außerhalb der NATO, der EU und diesen gleichgestellten Staaten besteht. Im Folgenden werden mögliche Rechtsmittel juristischer Personen gegen die Genehmigung der Ausfuhr von Kriegswaffen geprüft. Vorab werden die Rechtsgrundlagen für die Genehmigung der Ausfuhr von Kriegswaffen dargestellt. 2. Verfahren der Genehmigung der Ausfuhr von Kriegswaffen Gemäß Art. 26 Abs. 2 GG, § 11 Abs. 1 des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen (KrWaffKontrG)2 dürfen Kriegswaffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert oder in Verkehr gebracht werden. § 11 Abs. 2 KrWaffKontrG, der verfassungsrechtlich umstritten ist,3 ermächtigt die Bundesregierung, die Befugnis zur Erteilung der Genehmigung durch Rechtsverordnung je nach dem betroffenen Sachgebiet auf einzelne Minister zu übertragen. Genehmigungsbehörden können danach für die verschiedenen Bereiche die Bundesministerien der Verteidigung (BMVg), der Finanzen (BMF), des Innern (BMI), für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt (AA) sein (§ 11 Abs. 1, 2 und 3 KrWaffKontrG).4 Als Überwachungsbehörden fungieren das BMWi, wobei die Zuständigkeit für bestimmte Überwachungsmaßnahmen dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), einer Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des BMWi, übertragen ist (§ 14 Abs. 8 KrWaffKontrG), das BMVBS, das BMF und in bestimmten Fällen die Zolldienststellen (§ 14 Abs. 1 und 2 KrWaffKontrG). 1 Unterrichtung durch die Bundesregierung – Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahr 2010 (Rüstungsexportbericht 2010), BT-Drs. 17/8122, S. 3. 2 Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen in der Fassung vom 22. November 1990 (BGBl. I S. 2506), zuletzt geändert durch Art. 2 G zu dem Übereinkommen vom 30. Mai 2008 über Streumunition vom 6. Juni 2009 (BGBl. II S. 502). 3 Nach herrschender Lehre müsste die Bundesregierung nach dem Wortlaut des Art. 26 GG als Kollegialorgan handeln , § 11 Abs. 2 KrWaffKontrG sei daher verfassungswidrig. Entsprechende Bescheide einzelner zuständiger Minister seien rechtswidrig, aber bestandskräftig: Epping, Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle, 1993, S. 210 ff.; Fink, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Kommentar zum Grundgesetz, Bd. 2, 6. Aufl. 2010, Art. 26 Abs. 2, Rn. 75; Hartwig, in: Umbach/Clemens, Grundgesetz – Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Bd. 1, 2002, Art. 26, Rn. 40; Herdegen in: Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Lfg. 46 (2006), Art. 26 Rn. 56. Pernice, in: Dreier, Grundgesetz -Kommentar, Bd. 2, 2. Aufl. 2006, Art. 26, Rn. 28; Streinz, in: Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 26, Rn. 46. Anders Hernekamp, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Bd. 2, 5. Aufl. 2001, Art. 26, Rn. 29. 4 Fink in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Fn. 3), Art. 26 Rn. 76. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 011/12 Seite 4 3. Rechtsmittel juristischer Personen, die nicht Adressat der Ausfuhrgenehmigung sind Fraglich ist, ob eine juristische Person gegen die Erteilung einer Genehmigung der Ausfuhr von Kriegswaffen für ein Unternehmen Widerspruch einlegen oder Klage erheben kann. 3.1. Widerspruchsverfahren gemäß §§ 68 ff. VwGO5 Zunächst wären die Voraussetzungen für ein Widerspruchsverfahren zu prüfen. Vor Einreichen einer Anfechtungsklage ist gemäß § 68 VwGO ein Widerspruchsverfahren zu durchlaufen, in dem Recht- und Zweckmäßigkeit des erlassenen Verwaltungsaktes – also hier der Genehmigung – geprüft werden sollen. Gemäß § 11 Abs. 1 KrWaffKontrG ist die Bundesregierung für die Durchführung des Widerspruchsverfahrens zuständig. Der Widerspruch müsste sich zur Vorbereitung einer Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt richten, also gegen eine „Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“, § 35 VwVfG6. Die Genehmigung der Bundesregierung oder des jeweils zuständigen Ministers als einer obersten Bundesbehörde stellt eine Regelung des konkreten Einzelfalls – Genehmigung der Ausfuhr von Kriegsgütern – dar. Auch die weiteren Voraussetzungen liegen vor, so dass es sich bei der Genehmigung um einen Verwaltungsakt handelt. Um einen zulässigen Widerspruch einlegen zu können, müsste die juristische Person darlegen können, durch die Genehmigung für ein anderes Unternehmen in ihren Rechten betroffen zu sein.7 Hierdurch soll – ebenso wie bei der Anfechtungsklage – eine Popularklage oder ein Popularwiderspruch, also das Erheben von Widerspruch und Klage durch Dritte, ausgeschlossen werden. Ein Klagerecht nicht betroffener Unternehmen oder Personen muss als Ausnahme jeweils in einem formellen Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen werden.8 Das KrWaffKontrG sieht eine solches Klagerecht nicht vor. Eine juristische Person, die selber keinen Antrag auf Genehmigung der Ausfuhr gestellt hat, könnte keine Verletzung eigener Rechte geltend machen. Es sind keine Rechte ersichtlich, auf die sie sich berufen könnte. Sollte die juristische Person – ein Unternehmen – selber einen Antrag auf Genehmigung der Ausfuhr von Rüstungsgütern gestellt haben, der abgelehnt worden wäre, könnte dieses Unternehmen 5 Verwaltungsgerichtsordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686), die zuletzt durch Artikel 2 Absatz 34 des Gesetzes vom 22. Dezember 2011 (BGBl. I S. 3044) geändert worden ist. 6 Verwaltungsverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Januar 2003 (BGBl. I S. 102), das zuletzt durch Artikel 2 Absatz 1 des Gesetzes vom 14. August 2009 (BGBl. I S. 2827) geändert worden ist. 7 Zur Voraussetzung der Widerspruchsbefugnis vgl. Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung – Kommentar, 13. Aufl. 2003, § 69 Rn. 6. 8 Beispiele hierfür finden sich bei Kopp/Schenke (Fn. 7), § 42, Rn. 180. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 – 3000 – 011/12 Seite 5 dennoch die Genehmigung des Konkurrenzunternehmens nicht anfechten. Insbesondere kann das Unternehmen sich nicht auf das Recht auf Gleichbehandlung (Art. 3 GG) berufen. Sollte das begünstigte Unternehmen zu Unrecht die Genehmigung erhalten haben, wäre diese also rechtswidrig , ergibt sich hieraus noch kein Anspruch des Unternehmens auf „Gleichbehandlung im Unrecht“9. Sollte das Konkurrenzunternehmen zu Recht die Genehmigung erhalten haben, könnte das andere Unternehmen sich eventuell auf den Gedanken der Selbstbindung der Verwaltung an deren rechtmäßiges Verhalten berufen.10 Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass gemäß § 6 KrWaffKontrG kein Anspruch auf Erteilung einer Genehmigung besteht. Jedenfalls könnte das Unternehmen auch in dieser Konstellation nicht gegen die Genehmigung für ein Konkurrenzunternehmen vorgehen, da keine eigenen Rechte betroffen wären. Vielmehr müsste es gegen die Ablehnung der Genehmigung den Rechtsweg beschreiten und einen Widerspruch einlegen. Ein Widerspruch einer nicht betroffenen juristischen Person gegen die Erteilung der Genehmigung von Rüstungsexporten ist damit unzulässig. Damit wäre auch eine Anfechtungsklage unzulässig. 3.2. Feststellungsklage gemäß § 43 VwGO Gemäß § 43 VwGO kann bei Vorliegen eines berechtigten Interesses durch Klage die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes begehrt werden. Voraussetzung hierfür ist zunächst ein Rechtsverhältnis, von dem auch eigene Rechte des Klägers – in diesem Falle der juristischen Person, die gegen die Genehmigung klagen will – abhängen müssen.11 Hieran fehlt es, wie bereits unter 3.1 ausgeführt. Damit ist auch eine Feststellungsklage nicht zulässig. Weitere möglicherweise zulässige Klagearten sind nicht ersichtlich. 9 BVerwGE 92, 153, 157; ausführlich Jachmann in: Maunz/Dürig (Fn. 3), Art. 3 Rn. 179 ff. (63. Lfg. 2011). 10 Hierzu ausführlich Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Auflage 2008, § 40 Rn. 105 ff. 11 Kopp/Schenke (Fn. 7), § 43 Rn. 16.