© 2015 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 010/15 Einwanderung nach Deutschland - Bestandsaufnahme der geltenden ausländerrechtlichen Regelungen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 2 Einwanderung nach Deutschland - Bestandsaufnahme der geltenden ausländerrechtlichen Regelungen Verfasser/in: Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 010/15 Abschluss der Arbeit: 29.01.2015 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Telefon: + Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 3 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 4 2. Freizügigkeits- und Aufenthaltsgesetz 4 3. Unionsbürger 5 3.1. Aufenthalt/Dauerhaufenhalt 5 3.2. Familienangehörige 6 3.3. Assoziationsrecht 6 4. Drittstaatsangehörige 6 4.1. Aufenthaltszwecke und Aufenthaltstitel 6 4.2. Ausbildung 7 4.3. Erwerbstätigkeit 8 4.4. Völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe 9 4.5. Familiäre Gründe 10 5. Ausblick 11 Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 4 1. Einleitung In der aktuellen politischen Diskussion ist erneut die Forderung nach der Schaffung eines Einwanderungsgesetzes gestellt worden. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die geltenden Regelungen zur Einwanderung von Ausländern nach Deutschland nicht bereits ausreichen bzw. ob sie die – je nach politischer Ausrichtung unterschiedlichen – Erwartungen an ein Einwanderungsgesetz konzeptionell bereits erfüllen. Je nach politischer Vorstellung bedarf es in dieser Diskussion also einer Vergewisserung darüber, ob über Begriffe oder über Konzepte gestritten wird. Zu diesem Zweck soll eine – überblicksartige – Bestandsaufnahme der relevanten ausländerrechtlichen Regelungen zur Einwanderung nach Deutschland erfolgen. Die Frage, unter welchem Leitmotiv die ausländerrechtlichen Regelungen stehen, folgt nicht schon aus der Begriffswahl. So stehen die verschiedenen Begriffe der Migration, Zuwanderung, Zuzug und Einwanderung nicht für bestimmte – feststehende – Einwanderungskonzepte und können damit synonym gebraucht werden. Davon unabhängig sind den Begriffen jeweils unterschiedliche Konnotationen inhärent, die in der politischen Auseinandersetzung bedeutsam sind. In diesem Sinne bestehen Vorbehalte, Regelungen zur Einwanderung als Einwanderungsrecht oder Einwanderungsgesetz zu bezeichnen, da dieser Bezeichnung ggf. eine zu positive Haltung zur Einwanderung beigemessen werden könnte (Stichwort: Deutschland ist (k)ein Einwanderungsland ).1 Diese politischen Implikationen sollen für die vorliegende Ausarbeitung außen vor bleiben. Vielmehr wird hier der Begriff der Einwanderung in einem neutralen Sinn verwendet und als Oberbegriff für alle Arten des Aufenthalts von Ausländern in Deutschland, der mit dem Ziel oder der Möglichkeit eines dauernden Aufenthalts in Deutschland verbunden ist.2 2. Freizügigkeits- und Aufenthaltsgesetz Das Einwanderungsrecht in Deutschland bestimmt sich nicht rein national, sondern ist in unions-, europa- und völkerrechtliche Rahmenbedingungen eingebunden.3 Einen besonders großen Einfluss auf das nationale Einwanderungsrecht übt das Europäische Unionsrecht aus, und zwar in zweifacher Hinsicht: zum einen bestimmt es die (Ein)-Wanderung von Unionsbürgern sowie ihrer drittstaatsangehörigen Familienangehörigen innerhalb des Unionsgebietes; darüber hinaus ist der Unionsgesetzgeber selbst Einwanderungsgesetzgeber, indem er über Kompetenzen zur Regelung von Einwanderung und Asyl verfügt, vgl. Art. 78 ff. AEUV.4 Die unionsrechtlichen Vorgaben prägen die Grundstruktur des nationalen Einwanderungsrechts. Die Unterscheidung zwischen (privilegierten) Unionsbürgern einerseits und Drittstaatsangehörigen andererseits ist grundlegend und kommt in der Trennung der jeweils anzuwendenden Gesetze zum 1 Zum „Signalwort >Einwanderung<“ Bast, Aufenthaltsrecht und Migrationssteuerung (2011), 6 f. 2 Regelungen zu Kurzaufenthalten in Deutschland bleiben im Folgenden daher unberücksichtigt. 3 Die europa- und völkerrechtlichen Vorgaben beziehen sich vor allem auf menschenrechtliche Aspekte der Einwanderung . So ist beispielsweise bei der Frage der Asylgewährung u.a. die Genfer Flüchtlingskonvention zu beachten oder bei der Frage des Familiennachzuges u.a. die Europäische Menschenrechtskonvention. Ausführlich dazu Bast (Fn. 1), 167 ff. 4 Bast (Fn. 1), 140 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 5 Ausdruck. So bestimmt sich die Einwanderung der Unionsbürger nach dem Freizügigkeitsgesetz/EU (FreizügG/EU) und die Einwanderung der Drittstaatsangehörigen nach dem Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Eine weitere Gruppe bilden diejenigen Drittstaatsangehörigen, die aus mit der EU assoziierten Staaten kommen und einen privilegierten Status haben. 3. Unionsbürger Nach Art. 21 Abs. 1 AEUV hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. 3.1. Aufenthalt/Dauerhaufenhalt Das FreizügG/EU5 regelt den Aufenthalt und den Daueraufenthalt der Unionsbürger. Weitere Vorschriften über die Berechtigung zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung oder einer selbständigen Tätigkeit sind nicht erforderlich, sondern folgen unmittelbar aus dem Unionsrecht (Arbeitnehmerfreizügigkeit , Niederlassungs- und Dienstleitungsfreiheit). Aufenthaltsberechtigt sind die Unionsbürger nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU, wenn sie nach § 2 Abs. 2 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigt sind. Die Freizügigkeitsberechtigung folgt aus § 2 Abs. 2 FreizügG/EU und umfasst unter anderem: - Nr. 1: Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen - Nr. 1a: Unionsbürger, die sich zur Arbeitsuche aufhalten, für bis zu sechs Monate und darüber hinaus nur, solange sie nachweisen können, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden - Nr. 2: Unionsbürger, wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit berechtigt sind - (…) - Nr. 5: nicht erwerbstätige Unionsbürger - (…) Hervorzuheben ist, dass nicht erwerbstätige Unionsbürger dann freizügigkeitsberechtigt sind, wenn sie über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel verfügen, § 4 FreizügG/EU. Unter bestimmten Voraussetzungen, in der Regel nach fünfjährigem ständigen und rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet, wandelt sich das Aufenthaltsrecht in ein Daueraufenthaltsrecht (§ 4a FreizügG/EU), das das Vorliegen der Freizügigkeitsberechtigung (§ 2 Abs. 2 FreizügG/EU) nicht mehr voraussetzt. 5 Zur Entwicklung des Freizügigkeitsgesetzes Brinkmann, Zehn Jahre Freizügigkeitsgesetz, ZAR 2014, 13 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 6 3.2. Familienangehörige Die (drittstaatsangehörigen) Familienangehörigen verfügen über kein originäres Freizügigkeitsrecht, aber sie partizipieren am Aufenthaltsstatus des Unionsbürgers.6 Nach § 3 FreizügG/EU können Familienangehörige (u.a. Ehegatten, Lebenspartner und Kinder, § 3 Abs. 2 FreizügG/EU) den Unionsbürger begleiten oder ihm nachziehen. Nach in der Regel fünfjährigem gemeinsamem Aufenthalt mit dem Unionsbürger steht ihnen – wie den Unionsbürgern – das Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a Abs. 1 S. 2 FreizügG/EU zu. Besondere Anforderungen an die soziale Integration bestehen gegenüber Familienangehörigen von Unionsbürgern nicht. § 11 Abs. 1 FreizügG/EU verweist nur auf die Anwendung des § 44 Abs. 4 AufenthG, der eine Teilnahme an einem Integrationskurs bei freien Kapazitäten zulässt, aber nicht zur Teilnahme verpflichtet. 3.3. Assoziationsrecht Einen den Unionsbürgern gleichgestellten oder angenäherten Status haben die Drittstaatsangehörigen , die aus Staaten kommen, die mit der EU ein Assoziationsabkommen abgeschlossen haben. So sind die Staatsangehörigen der EWR-Staaten (Island, Liechtenstein, Norwegen) sowie ihre Familienangehörigen nach § 12 FreizügG/EU den Unionsbürgern und ihren Familienangehörigen aufenthaltsrechtlich gleichgestellt. Die Rechte anderer assoziierter Drittstaatsangehöriger folgen aus dem jeweiligen Assoziationsrecht.7 4. Drittstaatsangehörige 4.1. Aufenthaltszwecke und Aufenthaltstitel Die Regelungen des AufenthaltsG zur Einwanderung von Drittstaatsangehörigen lassen sich nach den aufenthaltsberechtigenden Zwecken sowie nach den zu erreichenden Aufenthaltstiteln ordnen. Das AufenthaltsG sieht im Einzelnen folgende Aufenthaltszwecke vor: - Ausbildung (§ 16 f. AufenthG) - Erwerbstätigkeit (§ 18 ff. AufenthG) - völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe (§§ 22 ff. AufenthG) - familiäre Gründe (§§ 27 ff. AufenthG). Insoweit kann man von Arbeits-/Ausbildungs-, Flucht- und Familienmigration sprechen.8 6 Vgl. dazu auch die sog. Freizügigkeitsrichtlinie der EU, RL 2003/86/EU. 7 Zum EU-Assoziationsrecht siehe Kurzidem, Aufenthaltsrecht nach EU-Assoziationsrecht, in: Kluth/Hund/ Maaßen (Hrsg.), Zuwanderungsrecht (2008), § 7, 578 ff. Zu den Abkommen mit der Schweiz und der Türkei vgl. auch Erläuterung der verschiedenen Aufenthaltstitel aus dem Aufenthaltsgesetz sowie weiterer Aufenthaltsrechte , Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 251/14), 9. 8 Vgl. Bast (Fn. 1), 217. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 7 Die Einteilung nach den Aufenthaltstiteln erfasst die Qualität des Aufenthaltsstatus. Bezüglich der Aufenthaltstitel ist zwischen befristeten Aufenthaltstiteln (Aufenthaltserlaubnis, § 7 AufenthG und Blaue Karte, § 19a AufenthG) und unbefristeten Aufenthaltstiteln (Niederlassungserlaubnis, § 9 AufenthG und Daueraufenthalt-EU, § 9a AufenthG) zu unterscheiden, wobei jeweils zu berücksichtigen ist, ob und inwieweit diese Aufenthaltstitel mit Folgerechten (Beschäftigungserlaubnis, Familiennachzug ) verbunden sind. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass die befristeten Aufenthaltstitel keinen starren Charakter haben, sondern eine Entwicklung zu einem unbefristeten Aufenthaltsstatus zulassen. Die Regelungen des AufenthG enthalten damit verschiedene „Einwanderungschancen “, die letztlich in ein dauerndes und voraussetzungsloses Aufenthaltsrecht münden können.9 Voraussetzung für den Statuswechsel und letztlich für eine dauerhafte und voraussetzungslose Einwanderung ist das Gelingen der wirtschaftlichen und sozialen Integration. Das AufenthG knüpft dementsprechend die Verbesserung des Aufenthaltstitels daran, dass bestimmte Integrationserwartungen (z.B. Sprachkenntnisse, wirtschaftliche Unabhängigkeit) erfüllt werden, vgl. §§ 9 Abs. 2-4, 9a Abs. 2 AufenthG.10 Die konkreten Aufenthaltsvoraussetzungen sollen im Folgenden anhand der jeweiligen Aufenthaltszwecke dargestellt werden. Dabei werden die jeweils zu erlangenden Aufenthaltstitel einschließlich der Folgerechte berücksichtigt. 4.2. Ausbildung Nach § 16 AufenthG kann eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Studiums, zur Teilnahme an Sprachkursen und ausnahmsweise für den Schulbesuch erteilt werden. Die Aufenthaltserlaubnis ist ein befristeter Aufenthaltstitel (§ 7 Abs. 1 AufenthG) und wird im Fall des Studiums zunächst für ein oder höchstens zwei Jahre erteilt, § 16 Abs. 1 AufenthG. Die Möglichkeit zur Aufnahme einer – begrenzten – Beschäftigung (120 Tage pro Jahr) folgt aus den §§ 4 Abs. 2 S. 1, 16 Abs. 3 AufenthG. Der Aufenthaltsstatus endet aber nicht zwingend mit der Absolvierung des Studiums. Vielmehr besteht die Möglichkeit einer verlängerten Aufenthaltserlaubnis zur anschließenden Arbeitsplatzsuche, § 16 Abs. 4 AufenthG. Darin wird das „Eigeninteresse an der Erschließung einer Rekrutierungsreserve qualifizierter, in Deutschland ausgebildeter Arbeitnehmer“ gesehen.11 Gelingt die Anschlussbeschäftigung, kommt nach § 18b AufenthG ein dauerhafter Aufenthalt in Form der Niederlassungserlaubnis in Betracht. In ähnlicher Weise regelt § 17 AufenthG die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der betrieblichen Aus- und Weiterbildung. Insoweit ist die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit erforderlich, § 17 Abs. 1 AufenthG.12 9 Ausführlich zu den „gestuften Eröffnung von Einwanderungschancen“ Bast (Fn. 1), 220 ff. 10 Die Angebote zur Unterstützung der Integration sind in den §§ 43 ff. AufenthG geregelt und sind z.T. verpflichtend , § 44a AufenthG. 11 Hailbronner, Ausländerrecht (Loseblatt-Slg., Stand: 2013), Rn. 1 zu § 16 AufenthG (Herv. nicht im Original). 12 Eingehend zum Zustimmungserfordernis und zum Zustimmungsverfahren Breidenbach/Neundorf, Arbeitsmarktzugangsrechte von Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung von Neuerungen in der Gesetzgebung und Rechtsprechung, ZAR 2014, 227 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 8 4.3. Erwerbstätigkeit Zur Aufnahme einer abhängigen oder selbständigen Erwerbstätigkeit können nach den §§ 18 ff. AufenthG befristete und unbefristete Aufenthaltserlaubnisse erteilt werden. Gesondert geregelt ist der Aufenthalt zu Forschungszwecken nach § 20 AufenthG, der strengen Anforderungen unterliegt , u.a., dass sich die Forschungseinrichtungen zur Übernahme der Lebenshaltungskosten bereit erklären, § 20 Abs. 1 Nr. 2a) AufenthG. Die Aufnahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit setzt im Wesentlichen voraus, dass die Tätigkeit im wirtschaftlichen Interesse der Bundesrepublik liegt und finanziell durch Eigenkapital oder eine Kreditzusage abgesichert ist, § 21 Abs. 1 AufenthG. Erleichterte Bedingungen gelten für qualifizierte Ausländer, § 20 Abs. 2a AufenthG. Die weiteren Aufenthaltstitel zur Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung sind maßgeblich bestimmt durch die Qualifikation der Ausländer. Allgemein kann man sagen, je höher die Qualifikation , desto größer sind die Chancen auf den Erhalt eines unbefristeten Aufenthaltstitels. Nach § 19 AufenthG kann beispielsweise einem hoch qualifizierten Ausländer (Wissenschaftlicher oder Lehrpersonen in herausgehobener Position) in besonderen Fällen bereits bei der erstmaligen Erteilung eines Aufenthaltstitels eine Niederlassungserlaubnis, also ein unbefristeter Aufenthaltstitel gewährt werden, wenn die Integration und der Lebensunterhalt gesichert sind.13 Bei Fehlen einer qualifizierten Berufsausbildung darf andererseits eine Aufenthaltserlaubnis nur erteilt werden, wenn „dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist oder wenn auf Grund einer Rechtsverordnung nach § 42 die Erteilung der Zustimmung zu einer Aufenthaltserlaubnis für diese Beschäftigung zulässig ist“, § 18 Abs. 3 AufenthG.14 Qualifizierten Ausländern kann schon zur Arbeitsplatzsuche eine befristete Aufenthaltserlaubnis für bis zu sechs Monate erteilt werden, wenn der Lebensunterhalt gesichert ist, § 18c AufenthG. Dabei berechtigt die Aufenthaltserlaubnis nur zur Suche einer der Qualifikation entsprechenden Tätigkeit, aber nicht schon zur Erwerbstätigkeit selbst. Die (befristete) Aufenthaltserlaubnis zur Aufnahme der Erwerbstätigkeit setzt sodann voraus, dass die Bundesagentur für Arbeit der Ausländerbeschäftigung zustimmt.15 Vom Zustimmungserfordernis gibt es aber auch durch Rechtsverordnung bestimmte oder aus zwischenstaatlichen Vereinbarungen hervorgehende Ausnahmen, § 18 Abs. 2, 4 AufenthG. Die Aufenthaltserlaubnis darf darüber hinaus nur erteilt werden, wenn ein konkretes Arbeitsplatzangebot vorliegt, § 18 Abs. 5 AufenthG. 13 Vgl. Hailbronner, Ausländerrecht (Loseblatt-Slg., Stand: 2013), Rn. 1 ff. zu § 19 AufenthG. 14 Rechtsverordnung in diesem Sinn ist die Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern vom 6. Juni 2013 (BeschVO). 15 Zu beachten ist dabei, dass die Beschäftigung nur in einer nach der BeschVO zugelassenen Berufsgruppe erfolgen darf, § 18 Abs. 4 S. 1 AufenthG. Zur insoweit relevanten Ausgestaltung der BeschVO siehe Breidenbach/Neundorf (Fn. 12), 227, 234 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 9 Die Bedeutung der Qualifikation für die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zeigt sich an zwei weiteren Fallgruppen. Zum einen kann die Qualifikation auch den sog. Geduldeten zu einem besseren Aufenthaltsstatus verhelfen. Geduldete verfügen nämlich nicht über einen Aufenthaltstitel , sondern befinden sich lediglich in der Aussetzung ihrer Abschiebung, § 60a AufenthG. Über eine Beschäftigungsaufnahme können qualifizierte Geduldete unter bestimmten Voraussetzungen , u.a. bei ausreichenden Deutschkenntnissen, eine Aufenthaltserlaubnis und damit einen befristeten Aufenthaltstitel erlangen, § 18a AufenthG. Darüber hinaus ist die Qualifikation bedeutsam für die Erteilung der Blauen Karte EU. Die blaue Karte EU ist eine befristete Aufenthaltserlaubnis , die unter bestimmten Voraussetzungen qualifizierten Ausländern für zunächst vier Jahre gewährt wird, § 19a AufenthG.16 Die Voraussetzungen für die Erteilung der Blauen Karte sind einerseits strenger als die Voraussetzungen für die Gewährung der Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung nach § 18 AufenthG, z.B. hinsichtlich der Aussicht auf ein bestimmtes Mindesteinkommen, § 19a Abs. 1 Nr. 3 AufenthG, andererseits liegt die Erteilung der Blauen Karte bei Vorliegen der Voraussetzungen - im Gegensatz zu § 18 AufenthG - nicht im Ermessen der Behörde (§ 19a Abs. 1: „…wird….erteilt..“). Zudem erleichtert die Blaue Karte den Zugang zum dauernden Aufenthalt; nach § 19a Abs. 6 AufenthG haben Inhaber einer Blauen Karte unter bestimmten Voraussetzungen schon nach 33 Monaten - und nicht wie bei den §§ 9, 9a AufenthG nach fünf Jahren - einen Anspruch auf Erteilung einer Niederlassungserlaubnis. 4.4. Völkerrechtliche, humanitäre oder politische Gründe Die §§ 22 ff. AufenthG regeln den Aufenthalt aus völkerrechtlichen, humanitären und politischen Gründen. Der in diesen Fällen durch Aufenthaltserlaubnis zunächst befristet gewährte Aufenthalt (längstens 3 Jahre, § 26 Abs. 1 AufenthG) kann für Asylberechtigte und Flüchtlinge schon nach drei Jahren und ohne weitere Integrationsanforderungen in einen dauernden Aufenthaltstitel, einer Niederlassungserlaubnis, münden, § 26 Abs. 3 AufenthG.17 Im Übrigen kommt eine Niederlassungserlaubnis nach sieben Jahren in Betracht, § 26 Abs. 4 AufenthG. Von den aus völkerrechtlichen, humanitären und politischen Gründen aufenthaltsberechtigten Ausländern sind die Asylberechtigten, Flüchtlinge und subsidiär Schutzbedürftigen hervorzuheben . Ihnen muss im Fall ihrer Anerkennung eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, § 25 Abs. 1 und 2 AufenthG. Diese Aufenthaltserlaubnis berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Komplizierter gestalten sich der Aufenthaltsstatus und eine mögliche Beschäftigungsbefugnis bei den Asylbewerbern und bei den sog. Geduldeten. Asylbewerber haben den Aufenthaltsstatus der Aufenthaltsgestattung, § 55 Abs. 1 S. 1 AsylVfG, der kein Aufenthaltstitel im Sinne des § 4 Abs. 1 AufenthG darstellt und demzufolge nach § 4 Abs. 3 AufenthG auch keine Beschäftigung zulässt. Abweichend hiervon regelt aber § 61 Abs. 2 AsylVfG, dass die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt werden kann, und zwar nach jüngster Gesetzesänderung bereits nach drei Monaten und nicht 16 Insoweit wurde die sog. Hochqualifizierten-Richtlinie der EU umgesetzt, RL 2009/50/EG. Siehe dazu auch Sußmann , in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht (10. Auflage 2013), Rn. 4 ff. zu § 19a AufenthG. 17 Durch die Ausnahmeregelung in § 8 Abs. 4 AufenthG entfällt die Pflicht zum Nachweis von Integrationsbemühungen nach § 8 Abs. 3 AufenthG, siehe auch Dienelt, in: Renner/Bergmann/Dienelt (Fn. 16), Rn. 19 zu § 26 AufenthG. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 10 mehr nach neun Monaten Aufenthalt im Bundesgebiet. Die Zustimmungspflicht bzw. die Entbehrlichkeit der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit ist in der Beschäftigungsverordnung (BeschVO) geregelt.18 Eine ähnliche Problematik trifft die geduldeten Ausländer. Auch sie verfügen über keinen Aufenthaltstitel nach § 4 Abs. 1 AufenthG, sondern werden in Aussetzung ihrer Abschiebung geduldet, § 60a AufenthG. Die Ausnahmen vom grundsätzlich fehlenden Zugang zum Arbeitsmarkt sind in der Beschäftigungsverordnung geregelt. Nach § 32 BeschVO kann Geduldeten die Beschäftigung gestattet werden; unter bestimmten näher geregelten Voraussetzungen ist dabei die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit entbehrlich.19 4.5. Familiäre Gründe Der Familiennachzug von Drittstaatsangehörigen ist in den §§ 27 ff. AufenthG geregelt. Beim Familiennachzug stellen sich insbesondere Fragen zu den Anforderungen an die familiäre Bindung, an die Art des Aufenthaltstitels des Ausländers, der zum Familiennachzug berechtigt, sowie die Möglichkeit des nachgezogenen Familienmitglieds, einen unabhängigen Aufenthaltstitel zu erlangen . Unproblematisch ist der Zugang zum Arbeitsmarkt. Nach § 27 Abs. 5 AufenthG berechtigen die zum Familiennachzug gewährten Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Nach § 27 Abs. 1a AufenthG wird ein Familiennachzug in den Fällen der sog. Scheinehe (Nr. 1) oder Zwangsehe (Nr. 2) nicht zugelassen. In den Fällen der Lebenspartnerschaft ist der Familiennachzug ausdrücklich möglich, § 27 Abs. 2 AufenthG. Die weiteren Voraussetzungen des Familiennachzugs hängen davon ab, ob der Familiennachzug zu Deutschen oder zu Ausländern erfolgen soll. Der Familiennachzug zu deutschen Staatsangehörigen richtet sich nach § 28 AufenthG. Nach § 28 Abs. 2 AufenthG ist dem nachgezogenen Ausländer in der Regel nach drei Jahren eine Niederlassungserlaubnis, also ein unbefristeter Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn die familiäre Lebensgemeinschaft fortbesteht, kein Ausweisungsgrund vorliegt und er über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt. Der Familiennachzug zu Ausländern ist von der Art und der Dauer des Aufenthaltstitels des Ausländers abhängig. Grundsätzlich kommen alle befristeten und unbefristeten Aufenthaltstitel des Ausländers für den Familiennachzug in Betracht, § 29 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG (einschließlich der Aufenthaltserlaubnis eines Asylberechtigten). Zu beachten sind aber gesondert geregelte Ausnahmen , z.B. hinsichtlich „nur“ geduldeter Ausländer (§ 29 Abs. 3 S. 3 AufenthG), die einen Familiennachzug ausschließen. Der Familiennachzug wird durch eine Aufenthaltserlaubnis gewährt, deren Befristungsdauer an die Dauer des Aufenthaltstitels des Ausländers gebunden ist, § 27 Abs. 4 AufenthG. Weiterhin setzt der Familiennachzug gewisse Integrationsanforderungen voraus. Grundsätzlich müssen sich Ehegatten auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können, § 30 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG; bei minderjährigen Kindern sind Sprachkenntnisse erst erforderlich, wenn sie zum Zeitpunkt des Familiennachzugs bereits das 16. Lebensjahr vollendet haben, § 32 Abs. 2 AufenthG. 18 Ausführlich dazu , Erwerbstätigkeit von Drittstaatsangehörigen in der Bundesrepublik, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 003/15), 8 ff. 19 Vgl. (Fn. 13), 11 ff. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 010/15 Seite 11 Die Erlangung eines unbefristeten Aufenthaltstitels richtet sich für Ehegatten nach § 31 AufenthG und für Kinder nach § 35 AufenthG. Die nachgezogenen Kinder von aufenthaltsberechtigten Ausländern können nach § 35 AufenthG eine Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG), also einen unbefristeten Aufenthaltstitel erhalten und unterliegen dabei gegenüber den grundsätzlichen Anforderungen aus § 9 Abs. 2 AufenthG - je nach Alter - erleichterten Voraussetzungen, vgl. § 35 Abs. 1 AufenthG. So müssen beispielsweise minderjährige Ausländer lediglich vorweisen, dass sie bis zur Vollendung des 16. Lebensjahres seit fünf Jahren im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis waren. Die Ehegatten hingegen können einen eigenständigen dauerhaften Aufenthaltstitel (Niederlassungserlaubnis ) grundsätzlich nur erlangen, wenn sie die allgemeinen Voraussetzungen nach den §§ 5, 9 AufenthG erfüllen. Diese setzen insbesondere die Sicherung des Lebensunterhalts sowie ausreichende Deutschkenntnisse voraus.20 5. Ausblick Die Einwanderung der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen ist unionsrechtlich determiniert und enthält angesichts des Vorrangs des Unionsrechts nur begrenzte Räume für nationale Steuerung. So dürfte sich die Diskussion um mögliche konzeptionelle Änderungen des Einwanderungsrechts primär auf die Einwanderung von Drittstaatsangehörigen beziehen. Insofern wären Änderungen/Konkretisierungen der Einwanderungsziele21 sowie der Instrumente der Einwanderungssteuerung denkbar. Für letztere dient nicht selten das sog. kanadische Punktesystem als Vorbild.22 So hat beispielsweise Österreich 2011 die sog. Rot-Weiß-Rot-Karte (RWR-Karte) eingeführt , die Elemente eines Punktesystems enthält.23 Unabhängig von den jeweils favorisierten Einwanderungszielen und -instrumenten sind auch bei den Regelungen zur Einwanderung von Drittstaatsangehörigen neben den verfassungsrechtlichen Vorgaben die europa- und völkerrechtlichen Rahmenbedingungen zu beachten. 20 Hailbronner, Ausländerrecht (Loseblatt-Slg., Stand: 2011), Rn. 42 zu § 31 AufenthG. 21 Zum Fehlen konkreter Steuerungsziele (z.B. in Form von Quoten oder Immigrationsprofilen) im AufenthG vgl. Bast (Fn.1), 32 f. 22 Vgl. , Das Punktesystem zur Bewertung von Zuwanderungsanträgen in Kanada, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 148/14). Siehe aber auch zur Einwanderung nach Australien und in die USA , Einwanderung und Asyl in den USA, Kanada und Australien, Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages (WD 3 - 3000 - 011/15). 23 Kreuzhuber, Arbeitsmigration nach Österreich - Eckpunkte und erste Erfahrungen zur Rot-Weiß-Karte, ZAR 2014, 13 ff., beschreibt die RWR-Karte als „Hybridmodell“, in dem humankapitalorientierte (Punktesystem) und arbeitgeberbezogene (Erfordernis Arbeitsplatzangebot) Steuerungselemente kombiniert werden“.