© 2021 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 009/21 Zum Auskunftsanspruch nach § 15 Bundesverfassungsschutzgesetz unter besonderer Berücksichtigung juristischer Personen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. 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Die Vorschrift bildet das grundlegende Kontrollrecht des Betroffenen gegenüber dem BfV.1 1.1. Anspruchsberechtigte Einen Anspruch auf Auskunftserteilung haben grundsätzlich nur natürliche Personen.2 Zum Teil wird vertreten, das BfV könne nach seinem Ermessen auch Auskunft an juristische Personen und sonstige Personenmehrheiten erteilen.3 Eine Bestätigung dieser Auffassung durch die Rechtsprechung existiert – soweit ersichtlich – nicht. Ein gerichtlich durchsetzbarer Auskunftsanspruch für juristische Personen besteht aber auch nach dieser Auffassung nicht, da im Falle einer Ermessensentscheidung nur ein Anspruch auf eine ermessenfehlerfreie Entscheidung besteht.4 Einen durchsetzbaren Anspruch haben somit nur die einzelnen Mitglieder einer juristischen Person als natürliche Personen. 1.2. Voraussetzungen und Versagensgründe Die Auskunftserteilung erfolgt auf Antrag des Betroffenen, der auf einen konkreten Sachverhalt hinweisen und ein besonderes Interesse an der Auskunft darlegen muss, § 15 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 BVerfSchG. Es ist erforderlich, dass der Betroffene einen verfassungsschutzrelevanten Sachverhalt glaubhaft macht, der auf einen datenschutzrechtlich bedeutsamen Vorgang in der Verfassungsschutzbehörde hinweist.5 Hierdurch sollen Ausforschungsanträge vermieden werden, mit denen sich der Antragsteller Informationen über den Erkenntnisstand des BfV beschafft, um auf dieser Grundlage fortan seine verfassungsfeindlichen oder sicherheitsgefährdenden Aktivitäten zu planen oder eine weitere Beobachtung zu erschweren bzw. zu vereiteln.6 1 Mallmann, in: Schenke/Graulich/Rutig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 15 BVerfSchG Rn. 1. 2 Kutzschbach, in: Dietrich/Eifler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, VI § 6 Rn. 55; Mallmann, in: Schenke/Graulich/Rutig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 15 BVerfSchG Rn. 5; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 13. Dezember 2017, 6 A 7/16, juris Rn. 16. 3 Mallmann, in: Schenke/Graulich/Rutig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 15 BVerfSchG Rn. 5. 4 Vgl. BVerwG NVwZ 2016, 1487 (1489); BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2020, 6 B 62/19, juris Rn. 9. 5 Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 604. 6 Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 604. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 009/21 Seite 4 Des Weiteren muss ein qualifiziertes Informationsinteresse des Betroffenen bestehen, wobei es auf eine Abwägung zwischen dem individuellen Auskunftsinteresse und dem generellen Geheimhaltungsinteresse ankommt.7 Das alleinige Berufen auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung genügt nicht.8 Der Betroffene muss ein Interesse geltend machen, welches das allgemeine , jedem Auskunftsbegehren zu unterstellende Interesse übersteigt. Dazu zählt etwa das Begehren , einen Rechtsanspruch durchsetzen zu wollen, das Ansehen seiner Person nach einer Schädigung zu rehabilitieren oder einen Nachteil abzuwenden. § 15 Abs. 2 S. 1 BVerfSchG normiert Fälle, in denen eine Auskunft trotz Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen unterbleibt. Die Versagensgründe sind: - die Gefährdung der Aufgabenerfüllung des BfV (Nr. 1), - die Gefährdung von Quellen oder die Gefahr der Ausforschung des Erkenntnisstandes bzw. der Arbeitsweise des BfV (Nr. 2), - die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder die Benachteiligung des Wohles des Bundes oder eines Landes (Nr. 3), - die Geheimhaltungsbedürftigkeit von Datenbeständen aufgrund von Rechtsvorschriften, insbesondere Drittinteressen (Nr. 4). 2. Ermessen im Rahmen des § 15 Abs. 1 S. 1 Bundesverfassungsschutzgesetz Aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten und durch Art. 79 Abs. 3 GG geschützten Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folgt, dass Behörden bei ihrer Entscheidungsfindung die gesetzlich festgelegten Voraussetzungen und Rechtsfolgen zu beachten haben. Dabei ist zu differenzieren , ob von Gesetzes wegen nur eine bestimmte Entscheidung der Behörde zulässig ist (sog. gebundene Entscheidung) oder ob der Behörde ein eigener Entscheidungsspielraum zugestanden wird.9 2.1. Grundsätzlich gebundene Entscheidung Nach dem Wortlaut von § 15 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG „erteilt“ das BfV dem Antragsteller auf seinen Antrag hin Auskunft, sofern die Voraussetzungen der Norm vorliegen. Bei dem Anspruch nach § 15 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG handelt es sich somit grundsätzlich um eine gebundene Entscheidung . Dem BfV steht folglich kein Ermessen in Bezug auf das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen oder der Versagungsgründe zu.10 Bei der Prüfung der Versagensgründe des § 15 7 Kornblum, Rechtsschutz gegen Geheimdienstliche Aktivitäten, 2011, S. 129. 8 Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 604 f. 9 Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 40 Rn. 12 f. 10 Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 609. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 009/21 Seite 5 Abs. 2 BVerfSchG hat allerdings eine Abwägung zwischen dem individuellen Informationsinteresse mit dem Geheimhaltungsinteresse des Staates zu erfolgen.11 Das Vorliegen eines Versagensgrundes allein genügt für die Auskunftsverweigerung nicht. Vielmehr muss das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse im Einzelfall überwiegen.12 Ein behördliches Ermessen folgt aus dieser Abwägung nicht.13 Die Entscheidung ist daher gerichtlich voll überprüfbar.14 Bei der Abwägung ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des BfV grundsätzlich geheimhaltungsbedürftig ist. Zur Sicherstellung eines funktionierenden Verfassungsschutzes muss der Kernbereich nachrichtendienstlicher Aktivität im Verborgenen bleiben. Es ist zu vermeiden, dass die Beobachtungsobjekte von dem Informationsstand des BfV Kenntnis erlangen und ihre zukünftige Tätigkeit danach ausrichten.15 Nach der gesetzlichen Wertung aus § 15 Abs. 2 BVerf- SchG überwiegen daher in der Regel die öffentlichen Sicherheitsinteressen.16 Das BfV ist allerdings gemäß § 15 Abs. 2 BVerfSchG nur zur Auskunftsverweigerung berechtigt, „soweit“ ein Versagungsgrund vorliegt. Hinsichtlich der nicht betroffenen Daten dürfte ein Anspruch auf Erteilung einer Teilauskunft bestehen.17 2.2. Ermessen bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen Liegen die Voraussetzungen von § 15 Abs. 1 BVerfSchG nicht vor, etwa weil kein konkreter Sachverhalt vorgetragen wird oder kein besonderes Interesse dargelegt wird, so hat das BfV nach seinem Ermessen zu entscheiden, ob die Auskunft erteilt wird.18 Der Antragsteller hat in diesem Fall einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung.19 11 Mallmann, in: Schenke/Graulich/Rutig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 15 BVerfSchG Rn. 19; BVerwG, Urteil vom 24. März 2010, 6 A 2/09, juris Rn. 19. 12 Scheffczyk/Wolff, Das Recht auf Auskunftserteilung gegenüber den Nachrichtendiensten, in: NVwZ 2008, 1316 (1318). 13 Kutzschbach, in: Dietrich/Eifler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, VI § 6 Rn. 59; siehe auch BVerwGE 89, 14 zu der ähnlichen Bestimmung des § 19 Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz. 14 Kutzschbach, in: Dietrich/Eifler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, VI § 6 Rn. 59. 15 Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 609. 16 Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 609. 17 Scheffczyk/Wolff, Das Recht auf Auskunftserteilung gegenüber den Nachrichtendiensten, in: NVwZ 2008, 1316 (1318); Mallmann, in: Schenke/Graulich/Rutig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 15 BVerf- SchG Rn. 19. 18 BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2020, 6 B 62/19, juris Rn. 9; Kutzschbach, in: Dietrich/Eifler (Hrsg.), Handbuch des Rechts der Nachrichtendienste, 2017, VI § 6 Rn. 56. 19 BVerwG NVwZ 2016, 1487 (1489); BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2020, 6 B 62/19, juris Rn. 9. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 009/21 Seite 6 Ist eine Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, so hat sie das Ermessen gemäß § 40 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Ein Ermessensfehler liegt beispielsweise vor, wenn eine Behörde ihr Ermessen gar nicht ausübt, weil sie von einer gebundenen Entscheidung ausgeht.20 Folgt man der oben genannten Ansicht, dass auch juristischen Personen nach dem Ermessen des BfV eine Auskunft erteilt werden kann, so läge danach ein Ermessensfehler vor, wenn die Behörde davon ausgeht, sie dürfe die Auskunft von vornherein nicht erteilen. Im Übrigen müssen im Rahmen der Ermessensentscheidung die Interessen des Antragstellers mit denen des Staates abgewogen werden.21 In Bezug auf die staatlichen Interessen ist zu beachten, dass die in § 15 Abs. 1 BVerfSchG genannten Voraussetzungen sowohl einen unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand als auch eine unzulässige Ausforschung verhindern sollen.22 Wie diese Belange im Vergleich zu den Interessen des Antragstellers zu gewichten sind, ist eine Frage des Einzelfalls. Bei der Abwägung bezüglich einer Auskunftserteilung gegenüber juristischen Personen dürfte auch zu berücksichtigen sein, dass die Interessen einzelner natürlicher Personen dagegen sprechen können (siehe unter 5.). 2.3. Begründungspflicht Die Ablehnung eines Auskunftsbegehrens muss grundsätzlich begründet werden.23 Gemäß § 15 Abs. 4 S. 1 BVerfSchG bedarf die Ablehnung allerdings keiner Begründung, soweit dadurch der Zweck der Auskunftsverweigerung gefährdet würde. Hierdurch soll verhindert werden, dass der Betroffene über die Begründung Rückschlüsse auf die gespeicherten Daten ziehen kann.24 Dem Betroffenen wird Rechtsschutz in der Weise gewährt, dass die Gründe gemäß § 15 Abs. 4 S. 2 BVerfSchG aktenkundig zu machen sind und gemäß § 15 Abs. 4 S. 3 BVerfSchG auf die Rechtsgrundlage für das Fehlen der Begründung sowie auf die Möglichkeit der Hinzuziehung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) hinzuweisen ist. Dem BfDI ist nach § 15 Abs. 4 S. 4 BVerfSchG grundsätzlich auf sein Verlangen hin Auskunft zu erteilen . Dem Betroffenen wird dadurch ermöglicht, durch den BfDI prüfen zu lassen, ob die Auskunftsverweigerung seine Rechte verletzt.25 20 Riese, in: Schoch/Schneider/Bier (Hrsg.), VwGO, 39. EL Juli 2020, § 114 Rn. 60. 21 BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2020, 6 B 62/19 , juris Rn. 9. 22 BVerfG NVwZ 2001, 185 (186). 23 Mallmann, in: Schenke/Graulich/Rutig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 15 BVerfSchG Rn. 28. 24 Mallmann, in: Schenke/Graulich/Rutig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 15 BVerfSchG Rn. 28. 25 Mallmann, in: Schenke/Graulich/Rutig (Hrsg.), Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 15 BVerfSchG Rn. 28. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 009/21 Seite 7 Eine Begründung der Ablehnung muss – sofern nicht der Ausschlussgrund des § 15 Abs. 4 S. 1 BVerfSchG vorliegt – grundsätzlich auch im Falle einer Ermessensentscheidung erfolgen.26 Dabei kann es allerdings nach der Rechtsprechung genügen, dass auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen der Ablehnung verwiesen und die zu Lasten des Antragstellers erfolgte Güterabwägung dargestellt wird.27 Die Begründung muss hinreichend erkennen lassen, dass die Entscheidung auf der Grundlage einer Ermessensabwägung unter Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls getroffen wurde.28 3. Alternative Auskunftsansprüche für juristische Personen? Informationen über Beobachtungsobjekte des BfV sind dem jährlichen Verfassungsschutzbericht und den themenbezogenen Publikationen des BfV zu entnehmen.29 Alternative Auskunftsansprüche zu § 15 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG für juristische Personen sind nicht ersichtlich. Ein Auskunftsanspruch nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) kommt bereits aufgrund der Bereichsausnahme des § 3 Nr. 8 IFG für nachrichtendienstliche Informationen nicht in Betracht. Einen verfahrensgebundenen Anspruch auf Akteneinsicht gewährt § 29 VwVfG, der jedoch ebenfalls für Informationen der Nachrichtendienste ausscheidet.30 Ein Auskunftsanspruch nach § 57 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) kommt nicht in Betracht, weil das BDSG zum einen gemäß § 1 Abs. 2 BDSG subsidiär zu speziellen Datenschutzregeln und somit auch § 15 Abs. 1 BVerfSchG ist, und zum anderen der Anspruch nur natürlichen Personen zusteht .31 4. Juristische Personen und das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung Fraglich ist, welche Rolle das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf effektiven Rechtsschutz im Hinblick auf eine Auskunftserteilung nach § 15 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG an juristische Personen spielen. Der Auskunftsanspruch ist eine Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung, das den Einzelnen berechtigt, selbst über Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen und das auch den Zugang zum Wissen Dritter erfasst.32 Ob juristischen Personen ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung überhaupt zusteht, ist in der Rechtswissenschaft 26 Vgl. OVG Berlin, NVwZ 1987, 817 (820). 27 BVerwG NJW 1990, 2761 (2764 f.). 28 OVG Berlin, NVwZ 1987, 817 (820). 29 Diese sind abrufbar unter https://www.verfassungsschutz.de/de/oeffentlichkeitsarbeit/publikationen. 30 Scheffczyk/Wolff, Das Recht auf Auskunftserteilung gegenüber den Nachrichtendiensten, in: NVwZ 2008, 1316; Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 2007, S. 603. 31 Vgl. Schild, in: Wolff/Brink (Hrsg.), BeckOK Datenschutzrecht, 34. Edition Stand: 01.11.2020, § 57 BDSG Rn. 7. 32 Siehe zum Grundrecht etwa BVerfG NJW 1984, 419; BVerfG NJW 2006, 1116. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 009/21 Seite 8 umstritten. Grundrechte sind gemäß Art. 19 Abs. 3 GG auf juristische Personen nur dann anwendbar , wenn das jeweilige Grundrecht seinem Wesen nach auf juristische Personen übertragbar ist. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG.33 Bei diesem wird eine Übertragbarkeit auf juristische Personen zum Teil insgesamt angezweifelt.34 Überwiegend wird danach differenziert, ob die jeweilige Ausprägung des Grundrechts im Einzelfall nur dem Schutz und Interesse natürlicher Personen dient, oder ob das Grundrecht auch korporativ ausgeübt werden kann.35 Im Falle einer Anwendbarkeit ist der Grundrechtsschutz jedenfalls im Vergleich zu natürlichen Personen abgesenkt, da juristischen Personen nach einhelliger Auffassung der in Art. 1 Abs. 1 GG garantierte Menschenwürdeschutz nicht zusteht, hierin aber gerade der besondere Schutzcharakter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts im Vergleich zur allgemeinen Handlungsfreiheit liegt.36 Aufgrund dieses nur eingeschränkten Grundrechtsschutzes dürfte eine verfassungskonforme Auslegung nicht zu dem Ergebnis kommen, dass auch juristischen Personen ein Anspruch aus § 15 Abs. 1 S. 1 BVerfSchG zustehen muss. Zudem ist zu beachten, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der einzelnen Mitglieder einer Auskunft an juristische Personen entgegenstehen kann. Das Recht schützt den Einzelnen unter anderem vor einer nicht autorisierten Weitergabe seiner personenbezogenen Daten .37 Art. 19 Abs. 4 GG gewährt das Recht auf effektiven Rechtsschutz. Ein allgemeines Auskunftsoder Akteneinsichtsrecht gegenüber Behörden folgt daraus nicht.38 Der Grundsatz kann aber dann eine Rolle spielen, wenn ohne die Auskunft über personenbezogene Daten eine effektive Rechtsverfolgung erschwert oder unmöglich ist. Die Behörde hat dies im Rahmen ihrer Entscheidung über die Auskunftserteilung zu berücksichtigen.39 *** 33 Vgl. Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 2 Abs. 1 Rn. 173; Murswiek/Rixen, in: Sachs (Hrsg.), GG, 8. Aufl. 2018, Art. 2 Rn. 73. 34 Als „grundsätzlich problematisch“ bezeichnet dies etwa Kube, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band VII, 3. Aufl. 2009, § 148 Rn. 75. 35 Vgl. BVerfG NJW 2007, 2464 (2471); BVerfG NJW 2002, 3619 (3622), siehe auch Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 2 Abs. 1 Rn. 224. 36 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 2 Abs. 1 Rn. 224. 37 Di Fabio, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 2 Abs. 1 Rn. 176. 38 Schmidt-Aßmann, in: Maunz/Dürig, GG, 92. EL August 2020, Art. 19 Rn. 256 ff. 39 BVerwG NJW 1990, 2761 (2764 f.).