© 2016 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 009/16 Wahlwerbung mit dem Foto eines Amtsträgers bei Kommunalwahlen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitungen und andere Informationsangebote der Wissenschaftlichen Dienste geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Der Deutsche Bundestag behält sich die Rechte der Veröffentlichung und Verbreitung vor. Beides bedarf der Zustimmung der Leitung der Abteilung W, Platz der Republik 1, 11011 Berlin. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 009/16 Seite 2 Wahlwerbung mit dem Foto eines Amtsträgers bei Kommunalwahlen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 009/16 Abschluss der Arbeit: 14.01.2016 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 009/16 Seite 3 1. Fragestellung und Bearbeitungsumfang Es ist die Frage aufgeworfen worden, ob ein Amtsträger (Landrat oder Bürgermeister) in einem Kommunalwahlkampf als Person auf Werbemitteln seiner Partei oder seiner Wählergruppe präsent sein darf, auch wenn er sich bei dieser Wahl um kein kommunales Amt bewirbt. Als Beispiel für einen solchen Sachverhalt wird angegeben, dass eine Partei mit dem Foto des (nicht mehr kandidierenden ) Amtsträgers mit dem Slogan „Eine Mehrheit für den Landrat“ wirbt. Aufgrund der kurzen Bearbeitungszeit konnte diese Frage nur summarisch geprüft werden. Zudem wurden die besonderen Regeln des in solchen Fällen auch zu berücksichtigenden Kommunalwahlrechts (Landeskommunalwahlgesetz) unbeachtet gelassen. Grundlage der Bearbeitung sind allein die Aussagen des Grundgesetzes, soweit sie auch für Kommunalwahlen gelten (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) und dazu ergangene wichtige Entscheidungen der Rechtsprechung. 2. Erläuterungen Die höchstrichterliche Rechtsprechung leitet aus den Grundsätzen der Chancengleichheit der Parteien1 (Art. 21 Abs. 1 GG) und der Freiheit der Wahl2 (Art. 38 Abs. 1 GG) eine Neutralitätspflicht von Amtsträgern bei Wahlen ab. Diese Wahlrechtsgrundsätze werden durch Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch auf kommunale Wahlen übertragen (so genanntes Homogenitätsprinzip).3 Diese Neutralitätspflicht verbietet es somit auch kommunalen Organen, sich in amtlicher Funktion im Wahlkampf mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern zu identifizieren und sie unter Einsatz staatlicher Mittel zu unterstützen oder zu bekämpfen.4 Eine solche unzulässige Unterstützung ist gegeben, wenn ein Amtsträger das ihm aufgrund seiner amtlichen Tätigkeit zufallende Gewicht und die ihm kraft seines Amtes gegebenen Einflussmöglichkeiten in einer Weise nutzt, die mit seiner der Allgemeinheit verpflichteten Aufgabe unvereinbar ist.5 Der Begriff des Amtsträgers umfasst dabei nach Teilen der Rechtsprechung jedoch nicht jedes kommunale Amt,6 allerdings zumindest das des Bürgermeisters.7 Insbesondere sind nach dieser Rechtsprechung die aktive Öffentlichkeitsarbeit von Amtsinhabern zugunsten „ihrer“ Partei8 und eine ausdrückliche Wahlempfehlung von Amtsträgern9 mit ihrer Neutralitätspflicht nicht vereinbar. 1 BVerfG, NJW 1977, 751 (752 ff.). 2 BVerwG, NVwZ 1997, 1220 f.; VGH Mannheim, NVwZ-RR 1998, 126 (127). 3 BVerfG, NVwZ-RR 2014, 538 (539 f.); BVerwG, NVwZ 1997, 1220 (1221); vgl. BVerwG, NVwZ 1992, 795. 4 BVerwG, NVwZ 1997, 1220 f. 5 BVerwG, NVwZ 1997, 1220 (1221); VG Gera, LKV 2004, 46 (47). 6 VG Meiningen, BeckRS 2009, 38474. 7 Vgl. BVerwG, NVwZ 1997, 1220 f.; vgl. VG Meiningen, BeckRS 2009, 38474. 8 BVerfG, NJW 1977, 751 (752 ff.). 9 BVerwG, NVwZ 1997, 1220. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 009/16 Seite 4 Ob eine unzulässige Wahlbeeinflussung vorliegt, ist jeweils eine Frage des Einzelfalls und seiner Umstände.10 Dies gilt auch für den eingangs dargestellten Beispielsfall. Dieser Beispielsfall unterscheidet sich von den Sachverhalten, zu denen die oben skizzierte Rechtsprechung ergangen ist, insbesondere dadurch, dass der Amtsinhaber – nach hiesigem Verständnis – nicht ausdrücklich, vor allem nicht durch entsprechende Aussagen und Aufrufe, für „seine“ Partei wirbt, sondern nur sein Foto für die Wahlwerbung zur Verfügung stellt. Soweit im Rahmen der summarischen Prüfung ersichtlich, ist ein solcher Fall von der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht entschieden worden. Allerdings hat sich das Verwaltungsgericht Potsdam in einer Entscheidung mit einem etwas anderen Sachverhalt, bei dem es um die Wahlwerbung mit einem wieder kandidierenden Bürgermeister ging, auch zu dieser Frage am Rande geäußert.11. Das Gericht führt aus, es sei anerkannt und entspreche ständiger Praxis, dass die Parteien bei Wahlen auch mit Personen werben dürften, die gar nicht zur Wahl anträten, aber die politische Grundausrichtung der Vereinigung verkörperten. In einem solchen Verhalten sei keine Verletzung der Neutralitätspflicht zu sehen, sofern die jeweilige Wahlwerbung nicht dazu geeignet sei, als amtliche Tätigkeit des Bürgermeisters wahrgenommen zu werden.12 Bei dem Beispielsfall handelt sich letztlich um einen Grenzfall, bei dem es darauf ankommen wird, ob die Umstände der Werbung, z.B. durch ihre Aussage, Gestaltung und Verbreitung, so zu interpretieren sind, dass hier der Amtsträger in seiner amtlichen Funktion offenbar mit dem Ziel der Wahlbeeinflussung Werbung für eine bestimmte Wahlentscheidungen macht.13 Ende der Bearbeitung 10 Siehe BVerwG, NVwZ 1992, 795. 11 VG Potsdam, BeckRS 2005, 27682. 12 VG Potsdam, BeckRS 2005, 27682. 13 BVerwG, NVwZ 1997, 1220 (1221); vgl. VGH München, NVwZ-RR 2004, 440.