© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 005/17 Fragen zur Integration von Flüchtlingen Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 2 Fragen zur Integration von Flüchtlingen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 005/17 Abschluss der Arbeit: 16.01.2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird, welche Behörden auf Bundesebene für die Aufgaben der Flüchtlingsintegration zuständig sind und ob es eine gesetzliche Grundlage für integrationspolitische Maßnahmen auf Bundesebene gibt. Darüber hinaus soll erläutert werden, unter welchen Voraussetzungen Asylbewerber und asylrechtlich Schutzberechtigte Zugang zu Integrationsmaßnahmen und Anspruch auf Familiennachzug haben sowie einen Antrag auf Einbürgerung stellen können. 2. Behördliche Zuständigkeiten auf Bundesebene Eine besondere ministerielle Zuständigkeit für die Integration von Flüchtlingen gibt es auf Bundesebene nicht. Die mit diesen Themen verbundenen Aufgaben verteilen sich vielmehr auf die einzelnen Fachministerien. Hervorzuheben sind insoweit das Bundesministerium des Innern mit seinen Zuständigkeiten für das Asyl- und Aufenthaltsrecht sowie das Bundesministerium für Arbeit und Soziales, das für die soziale Sicherung und die Arbeitsmarktintegration (auch) von Migranten zuständig ist. Aber auch die anderen Bundesministerien weisen in ihren Geschäftsbereichen einzelnen Einheiten Integrationsthemen zu. Hinzu kommt die Aufgabenwahrnehmung durch die Bundesbeauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration, die als Staatsministerin beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist. Zu ihren Aufgaben gehört es nach § 93 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)1, die Integration der dauerhaft im Bundesgebiet ansässigen Migranten zu fördern und insbesondere die Bundesregierung bei der Weiterentwicklung ihrer Integrationspolitik auch im Hinblick auf arbeitsmarkt- und sozialpolitische Aspekte zu unterstützen. Besondere Integrationsaufgaben obliegen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern. Nach § 75 Nr. 2 a), b), Nr. 9 AufenthG ist das BAMF für die Konzeption und Durchführung der Integrationskurse und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung sowie für entsprechende Beratungsangebote zuständig. Ferner hat das BAMF der Bundesregierung fachlich auf dem Gebiet der Integrationsförderung zuzuarbeiten, Informationsmaterial über die Integrationsangebote zusammenzustellen sowie wissenschaftliche Forschung zu Integrationsthemen zu betreiben, § 75 Nr. 3, Nr. 4a) AufenthG. 3. Gesetzliche Grundlage für integrationspolitische Maßnahmen auf Bundesebene Die Vorschrift des § 45 AufenthG sieht vor, dass Bund und Länder die bereits gesetzlich geregelten Integrationskurse (§§ 43 ff. AufenthG) durch weitere Integrationsangebote ergänzen sollen, insbesondere durch sozialpädagogische und migrationsspezifische Beratungsangebote. Ferner soll das Bundesministerium des Innern oder eine von ihm bestimmte Stelle ein bundesweites Integrationsprogramm entwickeln, das die bestehenden Integrationsangebote von Bund, Ländern, Kommunen und von privaten Trägern zusammenfasst und Empfehlungen zur Weiterentwicklung von Integrationsangeboten gibt. 1 Vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_aufenthg/englisch_aufenthg.html#p1435. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 4 4. Zugang zu Integrationsangeboten Zu den auf Bundesebene geregelten Integrationsangeboten gehören die Teilnahme an Integrationskursen (§§ 43 ff. AufenthG) und berufsbezogener Deutschsprachförderung (§ 45a AufenthG) sowie die Wahrnehmung von Arbeitsgelegenheiten, die auf der Grundlage des Arbeitsmarktprogramms „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ von der Bundesagentur für Arbeit bereitgestellt werden, vgl. § 5a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Dauer des Asylverfahrens hat keinerlei Einfluss auf die Zugangsberechtigung zu diesen Integrationsangeboten. 4.1. Integrationskurse Die Teilnahme an Integrationskursen nach den §§ 43 ff. AufenthG ist schon vor Abschluss des Asylverfahrens möglich. Allerdings haben nur Asylbewerber mit „guter Bleibeperspektive“ Zugang, d.h. Ausländer, bei denen ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist (§ 44 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 AufenthG). Bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten (§ 29a Asylgesetz – AsylG2) besteht die gesetzliche Vermutung, dass ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt nicht zu erwarten ist, § 44 Abs. 4 S. 3 AufenthG. Die Teilnahme an Integrationskursen von Asylbewerbern mit „guter Bleibeperspektive“ steht unter dem Vorbehalt verfügbarer Kapazitäten, § 44 Abs. 4 S. 1 AufenthG. Asylbewerber mit „guter Bleibeperspektive“ können darüber hinaus verpflichtet werden, an einem Integrationskurs teilzunehmen , wenn sie arbeitsfähig und nicht erwerbstätig sind, das 18. Lebensjahr vollendet haben und der Vollzeitschulpflicht nicht mehr unterliegen, § 5b Abs. 1 AsylbLG. Entsprechende Pflichtverletzungen haben Leistungskürzungen zur Folge, § 5b Abs. 2 AsylbLG. Nach Abschluss des Asylverfahrens und Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge sowie international subsidiär Schutzberechtigte3 einen Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen, § 43 Abs. 1 Nr. 3 lit. c) AufenthG. Ausländer mit Anspruch auf Teilnahme an Integrationskursen sind unter bestimmten Voraussetzungen zur Teilnahme an Integrationskursen verpflichtet, z.B. wenn sie sich nicht zumindest auf einfache Art in deutscher Sprache verständigen können, § 44a Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AufenthG. 4.2. Berufsbezogene Deutschsprachförderung Nach § 45a AufenthG kann die Integration in den Arbeitsmarkt durch berufsbezogene Deutschsprachförderung unterstützt werden. Asylbewerber haben nur dann Zugang zu diesen Maßnahmen, wenn sie über eine „gute Bleibeperspektive“ verfügen, d.h. wenn ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten ist, § 45a Abs. 2 S. 3 AufenthG. Bei Asylbewerbern aus sicheren Herkunftsstaaten (§ 29a AsylG) besteht die gesetzliche Vermutung, dass ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt nicht zu erwarten ist, § 44a Abs. 2 S. 4 AufenthG. Eine Verpflichtung zur Teilnahme besteht nur dann, wenn der Ausländer Sozialleistungen bezieht und die Teilnahme an der Maßnahme in einer Eingliederungsvereinbarung vorgesehen ist, § 45a Abs. 2 S. 1 AufenthG. 2 Vgl. https://www.gesetze-im-internet.de/englisch_asylvfg/englisch_asylvfg.html#p0012. 3 Zum international subsidiären Schutzstatus siehe Art. 15 ff. Richtlinie 2011/95/EU. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 5 4.3. Arbeitsgelegenheiten Nach § 5a Abs. 1 AsylbLG können die zuständigen Behörden Asylbewerbern „zu ihrer Aktivierung“ Arbeitsgelegenheiten zuweisen, die durch das Arbeitsmarktprogramm „Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen “ bereitgestellt werden. Eine Zuweisung kann dabei nur gegenüber solchen Asylbewerbern erfolgen, die arbeitsfähig und nicht erwerbtätig sind, die das 18. Lebensjahr vollendet haben und nicht der Vollzeitschulpflicht unterliegen. Eine Zuweisung von Arbeitsgelegenheiten an Asylbewerber aus sicheren Herkunftsstaaten kommt nicht in Betracht, § 5a Abs. 1 S. 2 AsylbLG. Die Wahrnehmung der zugewiesenen Arbeitsgelegenheit ist grundsätzlich verpflichtend, § 5a Abs. 2 AsylbLG. Entsprechende Pflichtverletzungen haben Leistungskürzungen zur Folge, § 5a Abs. 3 AsylbLG. 5. Familiennachzug zu asylrechtlich Schutzberechtigten Ein Familiennachzug zu Ausländern während des Asylverfahrens kommt nicht in Betracht, auch nicht bei langer Verfahrensdauer. Voraussetzung für den Familiennachzug ist vielmehr, dass den asylrechtlich Schutzberechtigten eine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde, § 29 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. 5.1. Anerkannte Asylberechtigte und Flüchtlinge Auf den Familiennachzug zu Flüchtlingen besteht für die sog. Kernfamilie, also Ehegatten (§ 30 AufenthG), minderjährige ledige Kinder (§ 32 AufenthG) und Eltern minderjähriger Kinder (§ 36 Abs. 1 AufenthG) unter bestimmten Umständen ein Anspruch. Sonstigen Familienangehörigen eines Ausländers kann der Familiennachzug gemäß § 36 Abs. 2 S. 1 AufenthG gewährt werden, wenn es zur Vermeidung einer außergewöhnlichen Härte erforderlich ist. Grundsätzlich setzt der Familiennachzug dabei nach § 29 Abs. 1, 2 AufenthG voraus, dass ausreichender Wohnraum zur Verfügung steht und der Lebensunterhalt des Nachzugswilligen gesichert ist. Diese Voraussetzungen gelten für den Nachzug der Eltern zu einem minderjährigen Kind nach § 36 Abs. 1 AufenthG nicht. Für den Nachzug des Ehegatten und/oder minderjähriger lediger Kinder sind die Voraussetzungen des ausreichenden Wohnraums und der Lebensunterhaltssicherung nach § 29 Abs. 2 S. 2 AufenthG entbehrlich, wenn der Antrag auf Familiennachzug innerhalb von drei Monaten nach der unanfechtbaren Anerkennung der Asylberechtigung oder Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Zusammenführenden gestellt wird und die Familienzusammenführung in einem Drittstaat, zu dem der Ausländer oder seine Familienangehörigen eine besondere Bindung haben, nicht möglich ist. 5.2. International subsidiär Schutzberechtigte Der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten wurde dem Familiennachzug zu Flüchtlingen im Jahr 2015 zunächst gleichgestellt. Mit dem am 17.03.2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren wurde der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten jedoch für einen Zeitraum von zwei Jahren ausgesetzt. Regelungstechnisch erfolgte die Aussetzung des Familiennachzugs durch eine Übergangsvorschrift in § 104 Abs. 13 AufenthG. Diese sieht vor, dass der Familiennachzug zu international subsidiär Schutzberechtigten , die nach dem 17.3.2016 eine Aufenthaltserlaubnis erhalten haben, bis zum 16.3.2018 nicht gewährt wird. Dabei gilt die Aussetzung des Familiennachzugs auch für den Nachzug zu minderjährigen Kindern. Die Übergangsvorschrift enthält allerdings einen ausdrücklichen Hinweis Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 005/17 Seite 6 auf die Anwendbarkeit der §§ 22, 23 AufenthG, nach denen eine humanitäre Aufnahme von Familienangehörigen aus dem Ausland im Rahmen von Ermessensentscheidungen weiterhin möglich bleibt. 6. Einbürgerung Für die Einbürgerung von Flüchtlingen gibt es keine besonderen Bestimmungen. Vielmehr gelten die allgemeinen Bestimmungen der §§ 8 ff. Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG). Dauerhaft in Deutschland lebende Ausländer haben unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch darauf, die deutsche Staatsangehörigkeit durch Einbürgerung zu erwerben, § 10 StAG (Anspruchseinbürgerung ). Grundsätzlich sind nach § 10 Abs. 1 StAG folgende Bedingungen zu erfüllen: ein unbefristetes Aufenthaltsrecht zum Zeitpunkt der Einbürgerung, seit acht Jahren gewöhnlicher und rechtmäßiger Aufenthalt in Deutschland, Lebensunterhaltssicherung (auch für unterhaltsberechtigte Familienangehörige) ohne Sozialhilfe und Arbeitslosengeld II, ausreichende Deutschkenntnisse, Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung sowie der Lebensverhältnisse in Deutschland, keine Verurteilung wegen einer Straftat, Bekenntnis zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland und Verlust bzw. Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit. Die Teilnahme an Integrationskursen wirkt sich positiv auf die Einbürgerungschancen aus. Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des BAMF die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die achtjährige Frist des § 10 Abs. 1 StAG nach § 10 Abs. 3 S. 1 StAG auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere im Hinblick auf Sprachkenntnisse, kann die Frist nach § 10 Abs. 3 S. 2 StAG auf sechs Jahre verkürzt werden. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, von den oben genannten Voraussetzungen im Rahmen des § 8 StAG zugunsten des Ausländers abzuweichen. Nach § 8 StAG liegt die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit bei Vorliegen bestimmter Mindestvoraussetzungen im Ermessen der Behörde (Ermessenseinbürgerung). Die Ermessenseinbürgerung findet insbesondere auf Ehegatten oder Lebenspartner von Deutschen Anwendung (§ 9 StAG). Eine Einbürgerung ist nach § 11 StAG ausgeschlossen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche, extremistische oder terroristische Bestrebungen oder Betätigungen durch den Ausländer bestehen. Dieser Ausschlussgrund gilt für die Anspruchseinbürgerung und für die Ermessenseinbürgerung. ***