© 2020 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 004/20 Fragen zur Kompetenz des Bundes hinsichtlich der Regelung von Parkgebühren Ergänzung zu WD 3 - 3000 - 284/19 Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/20 Seite 2 Fragen zur Kompetenz des Bundes hinsichtlich der Regelung von Parkgebühren Ergänzung zu WD 3 - 3000 - 284/19 Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 004/20 Abschluss der Arbeit: 21. Januar 2020 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/20 Seite 3 1. Fragestellung Der Sachstand befasst sich mit den Gründen, die gegen eine Nutzung der Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Einführung von Höchstgrenzen für Parkgebühren im öffentlichen Raum sprechen. Dies tangiert insbesondere die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 Grundgesetz (GG), nach dem für eine bundesgesetzliche Regelung unter anderem im Verkehrsrecht die Herstellung einheitlicher Lebensverhältnisse im Bundesgebiet beziehungsweise die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich ist. 2. Grundsätzliche Kompetenz des Bundes zur Regelung von Parkgebühren In dem Sachstand WD 3 - 3000 - 284/19 wurde bereits darauf hingewiesen, dass der Bundesgesetzgeber grundsätzlich aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG eine Kompetenz hat, Gebühren für den ruhenden Verkehr zu erheben. Nach Art. 72 Abs. 2 GG kann der Bund auf diesem Gebiet aber Regelungen nur dann erlassen, „wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht.“ 3. Begriffsklärung „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ Art. 72 Abs. 2 GG ermöglicht eine Regelung zur Erreichung von „gleichwertigen Lebensverhältnissen “. Diese Formulierung bleibt deutlich hinter der früher im Grundgesetz gewählten Formulierung der „einheitlichen Lebensverhältnisse“ zurück. Es wird mithin keine Vereinheitlichung verlangt.1 Das Bundesverfassungsgericht hat Ausführungen zum Begriffsverständnis der Norm gemacht, welche auch für die Beantwortung der vorliegenden Fragestellung hilfreich sind: „Das Erfordernis der ‘Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse‘ ist nicht schon dann erfüllt , wenn es nur um das Inkraftsetzen bundeseinheitlicher Regelungen geht. Dem Bundesgesetzgeber ist ein Eingreifen auch dann nicht erlaubt, wenn lediglich eine Verbesserung der Lebensverhältnisse in Rede steht. Dies folgt nicht nur aus dem Wortlaut der Norm, sondern auch, in systematischer Auslegung, aus einem Vergleich mit Art. 91a Abs. 1 GG. Dort ist die Mitwirkung des Bundes bei der Erfüllung von Aufgaben der Länder gestattet, wenn dies ‘zur Verbesserung der Lebensverhältnisse erforderlich ist‘. Es ist kein Grund ersichtlich, der den Verfassunggeber dazu hätte veranlassen können, sich bei der Kompetenznorm für eine andere Wortwahl zu entscheiden, wenn er in der Sache dasselbe gemeint hätte wie in Art. 91a GG. Der Zweck des Art. 72 Abs. 2 GG, die Bundeskompetenzen einzuschränken, würde zudem an Kraft verlieren, wäre es dem Bund erlaubt, irgendwelche Verbesserungen, die immer möglich und wünschenswert sind, ohne Weiteres zum Anlass für einen Eingriff in das grundsätzlich bestehende Gesetzgebungsrecht der Länder zu nehmen. Das bundesstaatliche Rechtsgut gleichwertiger Lebensverhältnisse ist vielmehr erst dann bedroht und der Bund erst dann zum Eingreifen ermächtigt, wenn sich die Lebensverhältnisse 1 Vgl. BVerfGE 106, 62, 143 f.; Burghart, in: Leibholz/Rinck (Hrsg.), Grundgesetz, 79. Lieferung 10.2019, Art. 72 GG, Rn. 201. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/20 Seite 4 in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet.“2 4. Begriffsklärung „Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit“ Auch zur Auslegung der Begrifflichkeiten der „Wahrung der Rechtseinheit“ und der „Wahrung der Wirtschaftseinheit“ hat das Bundesverfassungsgericht maßgebende Ausführungen gemacht. „Die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit betrifft unmittelbar institutionelle Voraussetzungen des Bundesstaats und erst mittelbar die Lebensverhältnisse der Bürger. Weder die Zielvorgaben der Rechts- oder Wirtschaftseinheit noch das Tatbestandsmerkmal des gesamtstaatlichen Interesses (vgl. BTDrucks 12/6000, S. 33 f. zu Nr. 2; BTDrucks 12/6633, S. 8 f.; Bericht des Rechtsausschusses in BTDrucks 12/8165, S. 31 f.) geben dem Bundesgesetzgeber die Erlaubnis, ausschließlich zur Verfolgung von sonstigen Gemeinwohlinteressen oder auch nur mit dem allgemeinen Ziel einer Verbesserung der Lebensverhältnisse tätig zu werden.“3 Zur „Wahrung der Rechtseinheit“ führt das Gericht näher aus: „Da es bei Art. 72 Abs. 2 GG in aller Regel um den Erlass eines rechtsvereinheitlichenden Bundesgesetzes geht, kann das Tatbestandsmerkmal ‘Wahrung der Rechtseinheit‘ in Art. 72 Abs. 2 GG nicht so verstanden werden, dass die Setzung bundeseinheitlichen Rechts stets erforderlich wäre. Unterschiedliche Rechtslagen für die Bürger sind notwendige Folge des bundesstaatlichen Aufbaus. Das Grundgesetz lässt unterschiedliche rechtliche Ordnungen in den Gliedstaaten zu und begrenzt insoweit auch eine Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. BVerfGE 10, 354 [371]; 12, 139 [143]). Eine Unterschiedlichkeit von Regelungen in den Ländern allein kann deshalb ein gesamtstaatliches Interesse an einer bundesgesetzlichen Regelung nicht begründen. Eine Gesetzesvielfalt auf Länderebene erfüllt die Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 GG erst dann, wenn sie eine Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen darstellt, die im Interesse sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden kann. Gerade die Unterschiedlichkeit des Gesetzesrechts oder der Umstand, dass die Länder eine regelungsbedürftige Materie nicht regeln, müssen das gesamtstaatliche Rechtsgut der Rechtseinheit, verstanden als Erhaltung einer funktionsfähigen Rechtsgemeinschaft, bedrohen. So würden beispielsweise unterschiedliche Personenstandsregelungen in den Ländern verhindern, dass die Eheschließung oder die Scheidung überall in Deutschland gleichermaßen rechtlich anerkannt und behandelt werden. Gäbe es in den Ländern grundlegend unterschiedliche Regelungen für das Gerichtsverfassungsrecht, könnten der Einzelne oder überregional agierende Unternehmen nicht darauf vertrauen, in allen Ländern in gleicher Weise Rechtsschutz zu erlangen. Ein unterschiedliches Verfahrensrecht erschwerte die Rechtswege zu den Bundesgerichten. Auf allen in Art. 74 und Art. 75 GG genannten Gebieten lässt das Grundgesetz eine Rechtsvielfalt prinzipiell zu. Einheitliche Rechtsregeln können in diesen Bereichen aber erforderlich 2 BVerfGE 106, 62, 144; Hervorhebung nur hier. 3 BVerfGE 106, 62, 145; Hervorhebung nur hier. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/20 Seite 5 werden, wenn die unterschiedliche rechtliche Behandlung desselben Lebenssachverhalts unter Umständen erhebliche Rechtsunsicherheiten und damit unzumutbare Behinderungen für den länderübergreifenden Rechtsverkehr erzeugen kann. Um dieser sich unmittelbar aus der Rechtslage ergebenden Bedrohung von Rechtssicherheit und Freizügigkeit im Bundesstaat entgegen zu wirken, kann der Bund eine bundesgesetzlich einheitliche Lösung wählen (eine Verpflichtung dazu enthält Art. 72 Abs. 2 GG nicht).“4 Schließlich legt es auch den Begriff der „Wahrung der Wirtschaftseinheit“ näher aus. „Die ‘Wahrung der Wirtschaftseinheit‘ liegt im gesamtstaatlichen Interesse, wenn es um die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik durch bundeseinheitliche Rechtssetzung geht. ‘Wirtschaftseinheit‘ setzt also mehr voraus als die Schaffung von ‘Rechtseinheit‘. Die beiden Zielvorgaben werden allerdings häufig eine Schnittmenge haben, da viele der in Art. 74 Abs. 1 und Art. 75 Abs. 1 GG aufgeführten Bereiche einen mittelbaren wirtschaftlichen Bezug aufweisen und sich Wirtschaftseinheit typischerweise über die Vereinheitlichung von Rechtslagen herstellen kann. Gleichwohl haben beide Zielvorgaben unterschiedliche Schwerpunkte. Geht es in erster Linie um wirtschaftspolitisch bedrohliche oder unzumutbare Auswirkungen einer Rechtsvielfalt oder mangelnder länderrechtlicher Regelung, greift die dritte Zielvorgabe des Art. 72 Abs. 2 GG ein. Wirtschaftliche Lagen vermögen die Länder grundsätzlich ebenso zu regulieren wie der Bund. Unterschiedliche landesrechtliche Regelungen können jedoch Schranken oder Hindernisse für den wirtschaftlichen Verkehr im Bundesgebiet errichten und insbesondere die Verteilung des wirtschaftlichen (personellen und sachlichen) Potentials verzerren; auch tatsächliche Verschiedenheiten zwischen den Ländern können der Gesamtwirtschaft in erheblichem Umfang abträglich sein. Der Erlass von Bundesgesetzen zur Wahrung der Wirtschaftseinheit steht dann im gesamtstaatlichen, also im gemeinsamen Interesse von Bund und Ländern, wenn Landesregelungen oder das Untätigbleiben der Länder erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft mit sich bringen. (…) Zur Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets und damit zur Wahrung der Wirtschaftseinheit ist ein Bundesgesetz jedenfalls dann erforderlich, wenn es die Einheitlichkeit der beruflichen Ausbildung sicherstellen oder wenn es für gleiche Zugangsmöglichkeiten zu Berufen oder Gewerben in allen Ländern sorgen muss, unabhängig davon, wo die Berufsgruppe selbst kompetentiell (Art. 74 Abs. 1 GG) einzuordnen ist. Zwar kann jedes Land solche Angelegenheiten – auch auf hohem professionellen Niveau – regeln, ohne die Interessen der anderen Länder zu beeinträchtigen. Unterschiedliche Ausbildungs- und Zulassungsvoraussetzungen können aber im deutschen Wirtschaftsgebiet störende Grenzen aufrichten, sie können eine Ballung oder Ausdünnung des Nachwuchses in bestimmten Regionen bewirken, sie können das Niveau der Ausbildung beeinträchtigen und damit erhebliche Nachteile für die Chancen des Nachwuchses sowie für die Berufssituation im Gesamtstaat begründen.“5 4 BVerfGE 106, 62, 145 f.; Hervorhebung nur hier. 5 BVerfGE 106, 62, 146 f.; Hervorhebung nur hier. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/20 Seite 6 5. Subsumtion der Höchstgrenzen für Parkgebühren Die dargestellten Anforderungen an die erheblichen Auswirkungen, die eine Rechtsangleichung für die Rechts- bzw. Wirtschaftseinheit haben muss, sind im Bereich von unterschiedlich hohen Parkgebühren in unterschiedlichen Kommunen nicht erfüllt. Weder drohen erhebliche Rechtsunsicherheiten , unzumutbare Behinderungen für den länderübergreifenden Rechts- oder Wirtschaftsverkehr noch wirtschaftspolitische Bedrohungen von gesamtdeutscher Bedeutung. Auch die durch das Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Beispiele für eine Rechtszersplitterung, die es im Sinne der Rechts- und Wirtschaftseinheit zu verhindern gilt (unterschiedliche Berufszugangsregelungen, divergierende Gerichtsverfassungen oder Abweichungen im Personenstandsrecht), zeigen ein anderes Beeinträchtigungsniveau auf, als es bei verschiedenen Parkgebühren der Fall ist. Ohne eine Regelung, die einheitliche Höchstgrenzen vorschreibt, können die Kommunen individuell auf die entsprechenden Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse vor Ort eingehen. Dabei kann auch die örtliche Kaufkraft beziehungsweise das Einkommensniveau einbezogen werden. Diese Möglichkeit der individuellen Regelung betonte auch die Begründung des Gesetzentwurfs zur Streichung der bis 2004 bestehenden Rahmenvorgaben für Parkgebühren. „Die Neufassung des § 6a Abs. 6 StVG erfolgt mit dem Ziel, die Parkgebührenerhebung künftig vollständig der freien Disposition der Kommunen zu überlassen. Eine staatliche Reglementierung dieses Bereiches erscheint nicht erforderlich, da die Kommunen ohnehin in eigener Verantwortung den straßenrechtlichen Widmungszweck, den garantierten Gemeingebrauch und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten haben. Im Hinblick auf die derzeitigen allgemeinen Bestrebungen zur Deregulierung sind weitreichende Vorgaben auch nicht mehr zeitgemäß.“6 Insofern hielt der Gesetzgeber eine bundeseinheitliche Regelung für nicht erforderlich. Insbesondere hätten die Kommunen aus sich heraus das Bestreben, den individuellen Ausgleich zwischen den unterschiedlichen Zielen im (ruhenden) Verkehr zu erreichen. Zu diesen Zielen zählen die Regulierung des ruhenden Verkehrs, die Verbesserung der lokalen Luftqualität, Gebührenvereinnahmung und Erhalt der Attraktivität der Innenstädte einschließlich einer guten Erreichbarkeit der örtlichen Gewerbetreibenden.7 Den bestmöglichen Ausgleich dieser und weiterer relevanter Interessen erreicht wohl die Verwaltungseinheit, die die Umstände vor Ort aufgrund ihrer Nähe am besten beurteilen kann. Dass insbesondere auch die Emissionen des ruhenden Verkehrs bzw. Parksuchverkehrs bei der Gebührengestaltung einbezogen werden können, hat auch der Bundesgesetzgeber in § 3 Abs. 4 Nr. 4 Elektromobilitätsgesetz deutlich gemacht. Er schuf darin eine Ermächtigung für die Länder, durch Rechtsverordnungen im Sinne des § 6 a Abs. 6 S. 2 StVG Ermäßigungen oder Befreiungen von der Gebührenpflicht für Elektroautos vorzusehen. Diese Ermächtigung kann 6 Gesetzentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 28.8.2003, BT-Drs. 15/1496, S. 6. Hervorhebung nur hier. 7 Vgl. dazu Gesetzentwurf des Bundesrates, Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 28.8.2003, BT-Drs. 15/1496, S. 6. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/20 Seite 7 auch von den Ländern an die Kommunen übertragen werden.8 Weiter lässt sich für das Unterlassen einer Regelung auf Bundesebene anführen, dass dies im Sinne der Deregulierung wäre. Darüber hinaus soll darauf hingewiesen werden, dass medial Bestrebungen des Bundesverkehrsministeriums zitiert werden, auch den bislang noch bestehenden Gebührenrahmen für die Ausstellung von Anwohnerparkausweisen aufzuheben.9 6. Verwendung von Parkgebühren Die Verwendung der Parkgebühren steht den jeweiligen Kommunen/Trägern der Straßenbaulast frei. Es besteht keine Zweckbindung der so generierten Einnahmen. Eine solche ist nicht gesetzlich fixiert und wurde darüber hinaus gar ausdrücklich im Jahr 1994 aus dem § 6a Abs. 6 StVG gestrichen .10 In der früheren Regelung war vorgeschrieben, dass die Einnahmen aus den Parkgebühren ausschließlich zur Deckung der Kosten vorhandener oder zukünftiger Parkeinrichtungen verwendet werden durften. Im Zuge der Bestrebungen der Länder, auch weitere Zwecke in die Norm mit aufzunehmen, hob der Bundestag diese Regelung vollständig auf.11 Er zweifelte, ob diesbezüglich überhaupt eine Gesetzgebungskompetenz vorhanden war, beziehungsweise nahm an, dass die vorherige Regelung wegen Verstoß gegen Art. 109 GG verfassungswidrig war.12 Insofern wurde auch die damals im Bundestag begrüßte Verwendung der Parkgebühren für die Förderung des Öffentlichen Personennahverkehrs nicht in das Gesetz aufgenommen, sondern jegliche Zweckbindung aufgehoben . Da die Regelungslage insoweit weiter Bestand hat, können die Gebühreneinnahmen auch zum Beispiel für die Zwecke der Verkehrslenkung oder Haushaltssanierung verwendet werden. 7. Maßstab der Verhältnismäßigkeit Die Erhebung von Parkgebühren und deren Höhe muss stets verhältnismäßig sein und liegt im Ermessen der jeweiligen Kommune.13 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt auch für sogenannte lenkende Gebühren, die für die Durchsetzung eines bestimmten Ziels nicht mehr zwingend an die 8 Schubert, NZV 2016, 153, 157. 9 Vgl. u.a. „Scheuer will Gebührengrenze für Bewohner-Parkausweise abschaffen“, Der Tagesspeigel, 30.10.2019, https://www.tagesspiegel.de/politik/wird-parken-jetzt-teurer-scheuer-will-gebuehrengrenze-fuer-bewohnerparkausweise -abschaffen/25171612.html (zuletzt aufgerufen am 16.1.2020); „Kostet Anwohnerparken bald 200 Euro?“, Autobild.de, 4.11.2019, https://www.autobild.de/artikel/anwohnerparkausweis-beantragen-hoeheregebuehren -fuers-parken--15954445.html (zuletzt aufgerufen am 16.1.2020). 10 Gesetz vom 2.8.1994 – BGBl. I 1994, Nr. 53, 11.8.1994, S. 2047. 11 Materialien zur vollständigen Gesetzeshistorie: http://dipbt.bundestag.de/dip21.web/bt?rp=http://dipbt.bundestag .de/dip21.web//searchProcedures/simple_search.do?nummer=12/7364%26method=Suchen%26wahlperiode =%26herausgeber=BT (zuletzt aufgerufen am 15.1.2020). 12 Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr, 22.4.1994, BT-Drs. 12/7364; dazu auch ausführlich und das Ergebnis bestätigend: Henseler, NVwZ 1995, 745, 746 ff. 13 BVerwG, Beschluss vom 7.1.1974 – VII B 32.73; Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke (Hrsg.), StVO, 25. Aufl. 2018, § 45, Rn. 4. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/20 Seite 8 Vorgaben des Kostenüberdeckungsverbots und des Äquivalenzprinzips gebunden sind.14 Lenkende Gebühren dürfen aber keine „erdrosselnde Wirkung“ haben, also nicht dazu führen, dass der gebührenpflichtige Tatbestand – hier das Parken in bestimmten Gebieten – nicht mehr verwirklicht wird.15 Die Verhältnismäßigkeit der Regelungen verlangt, dass diese geeignet und erforderlich sind, um ein legitimes Ziel zu erreichen und zudem angemessen sind. Darauf, dass die Kommunen diesen Maßstab wahren, hat auch der Gesetzgeber in der oben (5.) zitierten Gesetzesbegründung hingewiesen. Der Gesetzgeber hat, was aus der Entwicklung des § 6a Abs. 6 StVG deutlich wird, im Laufe der Jahre auf alle ausdrücklichen Einschränkungen der Kommunen verzichtet und auch eine Zielsetzung für die Parkraumbewirtschaftung abgeschafft. So bestand bis zur Gesetzesänderung 2004 die Zielsetzung (§ 6a Abs. 6 S. 6 StVG a.F.): „Die Nutzung des Parkraums durch eine möglichst große Anzahl von Verkehrsteilnehmern ist zu gewährleisten.“ Auch wenn dies nicht mehr ausdrücklich beschrieben steht, ist im Sinne des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit davon auszugehen, dass die Erforderlichkeit für das Aufstellen von Parkuhren und Parkscheinautomaten dort gegeben ist, wo die örtlichen Gegebenheiten aus einem oder mehreren Gründen eine entsprechende Regulierung erfordern. Dies kann unter anderem dann der Fall sein, wenn der begrenzte Parkraum möglichst vielen Nutzern zur Verfügung stehen soll und daher Anreize geschaffen werden müssen, dass Nutzer dort nur für eine begrenzte Zeit parken.16 Die in § 45 Abs. 1 StVO für Verkehrsbeschränkungen normierten Gründe (Sicherheit oder Ordnung) sind nach allgemeiner Auffassung nicht erforderlich.17 Selbst wenn zusätzliche Anforderungen von vereinzelten Stimmen angenommen wurden, lassen auch diese eine flächendeckende Parkraumbewirtschaftung zu Zwecken der geordneten städtebaulichen Entwicklung oder zum Schutz der Bevölkerung vor Lärm und Abgasen zu.18 In Fortentwicklung der aktuellen (höchsten) Verwaltungsgerichtsrechtsprechung zu Fahrverboten für dieselbetriebene Fahrzeuge ist anzunehmen, dass auch für Einschränkungen des ruhenden Verkehrs der Schutz der Luftqualität einbezogen werden kann.19 Diesbezüglich ist auch auf die ausdrückliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Wiesbaden aus dem Jahr 2018 hinzuweisen. Darin wurde seitens des Gerichts die Aufnahme eines Parkraumbewirtschaftungskonzepts in den Luftreinhalteplan der Stadt Frankfurt am Main ausdrücklich angeregt. 14 BVerfGE 108, 1, 18; Hebrank, NVwZ 1996, 976, 977. Vgl. bereits grundsätzlich BVerfGE 50, 217, 230 f.; Holzkämper, DÖV 1993, 475, 478 f.; Fechner, DVBl. 1997, 11. 15 Wienbracke, JuS 2019, 1070, 1074 nennt insofern das Beispiel von 1000 Euro City-Maut pro Tag und Fahrzeug, wobei die erdrosselnde Wirkung tatsächlich wohl schon früher angenommen werden kann. 16 Kralik, in: PdK Bund L-13, Die Aufgaben der unteren und örtlichen Straßenverkehrsbehörden, Zweites Kapitel: Straßenverkehrs-Ordnung, Nr. 72, beck-online. 17 Anders insoweit Ringwald, ZUR 2019, 659, 660 f. 18 Ringwald, ZUR 2019, 659, 661. Dabei ist jedoch stets eine Gesamtschau notwendig, weil auch die durch bestimmte Beschränkungen erzeugten Verlagerungen von Verkehr an andere Orte zu Beeinträchtigungen führen können. Dazu: Hühnermann, in: Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke (Hrsg.), StVO, 25. Aufl. 2018, § 45, Rn. 9a. 19 Ringwald, ZUR 2019, 659, 661. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/20 Seite 9 „Als weitere kurzfristig umsetzbare und mit deutlichem Minderungspotential versehene Maßnahme sieht das Gericht die Aufnahme eines Parkraumbewirtschaftungskonzepts in den Luftreinhalteplan als erforderlich an. Hierbei gilt es, den Parkraum auf dem öffentlichen Verkehr gewidmeten Flächen gegebenenfalls neu zu regeln und zu bewirtschaften. Die Reduzierung bzw. Abschaffung kostenlosen Parkraums dürfte zu einer erheblichen Abnahme des innerstädtischen motorisierten Individualverkehrs, insbesondere des Parksuchverkehrs, und somit zu einer signifikanten Minderung der NO2-Belastung führen, selbst wenn die Minderungswirkung durch die Beteiligten nicht konkret beziffert wurde. Dabei sollte die Überwachung der Einhaltung der Vorschriften zum ruhenden Verkehr gewährleistet sein. In diesem Zusammenhang erscheint auch ein Hinwirken auf die Einführung höherer Bußgelder, die insbesondere über den erhobenen Parkgebühren liegen sollten, ratsam. Kostenloser Parkraum sollte grundsätzlich Anwohnern und Schwerbehinderten vorbehalten und vorgehalten bleiben.“20 Auch die grundgesetzliche Staatszielbestimmung zum Umweltschutz (Art. 20a GG) kann argumentativ für eine umweltschützende lenkende Gebühr herangezogen werden.21 Zur Darstellung des jeweiligen Zweckes einer Gebührenregelung kann auch die Begründung der Vorschriften herangezogen werden. Dass sich neben zulässigen Zielrichtungen auch unzulässige Elemente in einer Begründung befinden, kann nicht zur Rechtswidrigkeit einer Regelung führen. Hinzuweisen sei schließlich auch auf die in die Verhältnismäßigkeitsprüfung einzubeziehende Tatsache, dass der Öffentliche Personennahverkehr in nahezu allen Innenstädten eine Alternative zum Individualverkehr ist und daher eine Parkgebührenerhebung regelmäßig ohne Hinzutreten weiterer Gründe nicht als unzumutbar anzusehen sein wird.22 Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist regelmäßig verwaltungsgerichtlich überprüfbar. *** 20 VG Wiesbaden, Urteil vom 5.9.2018 – 4 K 1613/15. 21 Fechner, DVBl. 1997, 11. 22 Holzkämper, DÖV 1993, 475, 478.