© 2019 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 004/19 Rechtliche Einordnung des Beschlusses des Deutschen Bundestages zu den Empfehlungen der Unabhängigen Föderalismuskommission Sachstand Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/19 Seite 2 Rechtliche Einordnung des Beschlusses des Deutschen Bundestages zu den Empfehlungen der Unabhängigen Föderalismuskommission Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 004/19 Abschluss der Arbeit: 14. Januar 2019 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/19 Seite 3 1. Fragestellung Die 1991 vom Deutschen Bundestag berufene unabhängige Föderalismuskommission sollte zur Stärkung des Föderalismus Vorschläge zur Verteilung von Institutionen des Bundes und internationalen Einrichtungen erarbeiten. Die Föderalismuskommission beschloss am 27. Mai 1992 Vorschläge für eine ausgeglichene Verteilung von Bundesbehörden unter besonderer Berücksichtigung der neuen Länder.1 Unter anderem wurde vorgeschlagen, neue Bundeseinrichtungen grundsätzlich in den neuen Bundesländern anzusiedeln. Der Bundestag nahm diese Vorschläge mit einer großen Mehrheit am 26. Juni 1992 in Form einer namentlichen Abstimmung an.2 Der Sachstand befasst sich mit den Fragen, wie der Beschluss rechtlich einzuordnen ist und ob sich daraus Verpflichtungen des Bundestages oder des Bundes ergeben. Des Weiteren wurde gefragt, ob Gesetzgebung oder Rechtsprechung zur Einrichtung neuer Bundeseinrichtungen in den neuen Bundesländern existiert. Dies ist – soweit ersichtlich – nicht der Fall. 2. Rechtsnatur des Beschlusses Bei den Beschlüssen des Deutschen Bundestages wird zwischen den „echten“ und den „schlichten“ Parlamentsbeschlüssen unterschieden.3 Echte Beschlüsse sind solche mit rechtlicher Verbindlichkeit für den jeweiligen Adressaten.4 Diese verbindlichen Beschlüsse sind im Wesentlichen im Grundgesetz selbst genannt. Dazu gehören aus dem inneren Bereich des Bundestages z.B. die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen (Art. 44 Abs. 1 Satz 1 GG), aus dem Verhältnis zu anderen Verfassungsorganen z.B. das Herbeirufen von Mitgliedern der Bundesregierung (Art. 43 Abs. 1 GG) oder aus dem Bereich der besonderen Staatsangelegenheiten z.B. die Feststellung des Verteidigungsfalls (Art. 115a Abs. 1 GG).5 Demgegenüber geht von schlichten Parlamentsbeschlüssen keine (rechtliche) Verbindlichkeit aus. Es handelt sich dabei oft um Stellungnahmen zu aktuellen Ereignissen, politische Absichtserklärungen , Ersuchen an die Regierung oder andere Entschließungen, denen (ggf. noch) keine Regulierungsabsicht zu Grunde liegt.6 Diese Beschlüsse müssen sich nicht an ein anderes Staatsorgan wie z.B. die Regierung richten,7 sie können auch als Absichtserklärung für das zukünftige 1 BT-Drs. 12/2853 (neu). 2 Vgl. Plenarprotokoll 12/100 vom 26. Juni 1992, 8519. 3 Die folgenden Ausführungen entstammen dem Sachstand der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, Frage zur Wirkung eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, WD 3 - 3000 - 143/16, S. 3 f. 4 Luch, in: Morlok/Schliesky/Wiefelspütz, Parlamentsrecht, 2016, § 10 Rn. 14; Kluth, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann /Henneke, GG-Kommentar, 14. Aufl. 2018, Art. 40 Rn. 31 ff. 5 Siehe dazu ausführlich Luch (Fn. 4), § 10 Rn. 15 ff. 6 Kluth (Fn. 4), Art. 40 Rn. 34. 7 Luch (Fn. 4), § 10 Rn. 29. Wissenschaftliche Dienste Sachstand WD 3 - 3000 - 004/19 Seite 4 Handeln des Bundestages selbst zu sehen sein. Trotz der fehlenden Verbindlichkeit wird diesen Beschlüssen eine nicht unerhebliche politische Bedeutung zugemessen.8 Der Beschluss des Bundestages zu den Vorschlägen der Unabhängigen Föderalismuskommission ist ein schlichter Parlamentsbeschluss. Soweit ersichtlich ist er nicht auf der Basis einer spezifischen verfassungsrechtlichen Regelung ergangen und ist auch nicht die Grundlage für weiteres (haushaltsrechtliches ) Handeln der Regierung. Aus diesen Gründen geht von ihm auch keine rechtliche Bindungswirkung für andere Staatsorgane aus. Als Absichtserklärung des Bundestages geht von dem Beschluss ferner keine absolute Bindungswirkung für den Bundestag selbst aus. Der Bundestag kann den Beschluss jederzeit wieder (ausdrücklich) aufheben oder ihn durch einen inhaltlich abweichenden Beschluss ändern. Im Ergebnis entfaltet der Beschluss weder für andere Staatsorgane noch für den Bundestag selbst rechtliche Bindungswirkung. *** 8 Klein, in: Isensee/Kirchhoff, Handbuch des Staatsrechts, Band III, 3. Aufl. 2005, § 50 Rn. 14.