© 2017 Deutscher Bundestag WD 3 - 3000 - 004/17 Möglichkeiten zur Einschränkung der Beschäftigung von Honorarkräften an Musikschulen Ausarbeitung Wissenschaftliche Dienste Die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützen die Mitglieder des Deutschen Bundestages bei ihrer mandatsbezogenen Tätigkeit. Ihre Arbeiten geben nicht die Auffassung des Deutschen Bundestages, eines seiner Organe oder der Bundestagsverwaltung wieder. Vielmehr liegen sie in der fachlichen Verantwortung der Verfasserinnen und Verfasser sowie der Fachbereichsleitung. Arbeiten der Wissenschaftlichen Dienste geben nur den zum Zeitpunkt der Erstellung des Textes aktuellen Stand wieder und stellen eine individuelle Auftragsarbeit für einen Abgeordneten des Bundestages dar. Die Arbeiten können der Geheimschutzordnung des Bundestages unterliegende, geschützte oder andere nicht zur Veröffentlichung geeignete Informationen enthalten. Eine beabsichtigte Weitergabe oder Veröffentlichung ist vorab dem jeweiligen Fachbereich anzuzeigen und nur mit Angabe der Quelle zulässig. Der Fachbereich berät über die dabei zu berücksichtigenden Fragen. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 004/17 Seite 2 Möglichkeiten zur Einschränkung der Beschäftigung von Honorarkräften an Musikschulen Aktenzeichen: WD 3 - 3000 - 004/17 Abschluss der Arbeit: 18. Januar 2017 Fachbereich: WD 3: Verfassung und Verwaltung Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 004/17 Seite 3 1. Fragestellung Gefragt wird nach den Möglichkeiten des Gesetzgebers, die Beschäftigung von Honorarkräften (also von solchen Beschäftigten, die in keinem Angestelltenverhältnis stehen) an staatlichen und privaten Musikschulen grundsätzlich auszuschließen oder zeitlich stark zu begrenzen (beispielsweise auf drei Monate). Ziel einer solchen Regelung soll die Vermeidung prekärer Beschäftigung sein. Da es vorliegend nicht gilt, einen bis in die Details konkretisierten Regelungsvorschlag zu prüfen, und hier auch keine vertieften Informationen über die wirtschaftliche Situation der Musiklehrer an Musikschulen in Deutschland vorliegen, können im Folgenden nur die rechtlichen Rahmenbedingungen für eine derartige Regelung aufgezeigt werden. 2. Regelungsebene Nach Art. 70 Abs. 1, Art. 30 GG haben die Länder das Recht der Gesetzgebung, soweit das Grundgesetz nicht dem Bund die Gesetzgebungskompetenz zuweist. Die Abgrenzung der Zuständigkeit zwischen Bund und Ländern bemisst sich nach den Vorschriften des Grundgesetzes über die ausschließliche und die konkurrierende Gesetzgebung (Art. 70 Abs. 2 GG). In Betracht kommt im vorliegenden Fall eine Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers nach den Vorschriften der konkurrierenden Gesetzgebung, aufgrund des Kompetenztitels des Rechts der Wirtschaft (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG) oder des Arbeitsrechts (Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Gesetzgebungskompetenz des Rechts der Wirtschaft aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG nachrangig gegenüber den übrigen Kompetenztiteln des Art. 74 Abs. 1 GG und damit auch gegenüber dem Kompetenztitel für das Arbeitsrecht ist.1 Das Arbeitsrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist das Recht der auf Erwerb gerichteten, abhängigen, nichtselbstständigen Tätigkeit.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts begründet Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG eine umfassende Kompetenz für die Regelung der Rechtsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer und erstreckt sich sowohl auf privatrechtliche als auch auf öffentlich-rechtliche Bestimmungen über abhängige Arbeitsverhältnisse.3 Die hier erwogene Regelung soll den Einsatz von Honorarkräften an Musikschulen einschränken oder gänzlich ausschließen. Sie zielt auf die Beschäftigung von festangestelltem Personal an Musikschulen und damit auf abhängige, nichtselbstständige Tätigkeit. Angesichts dieser Zielrichtung und des zugrunde zu legenden Begriffs des Arbeitsrechts könnte erwogen werden auch die hier zu schaffende Regelung für die Musikschulen auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu stützen. Hiergegen spricht jedoch, dass bei der Regelung nicht die Ausgestaltung der 1 Rengeling/Szczekalla, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 181. EL Oktober 2016 (Kommentierung: 131. EL September 2007), Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Rn. 60. 2 Maunz, in: ders./Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand: 78. EL September 2016 (Kommentierung: 23. EL November 1984), Art. 74 Rn. 161. 3 BVerfGE 107, 62 (132 f.), m.w.N. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 004/17 Seite 4 Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern an Musikschulen im Vordergrund steht, sondern vielmehr die im Vorfeld ansetzende Frage, ob bzw. in welchem Umfang selbstständige Musiklehrer an Musikschulen beschäftigt werden sollen. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG besitzt der Bund ebenfalls eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Recht der Wirtschaft, wobei im Rahmen der Föderalismusreform 2006 einzelne, ausdrücklich benannte Teilbereiche (zum Beispiel das Recht des Ladenschlusses oder der Gaststätten ) in die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz der Länder zurückgegeben wurden. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Begriff des Rechts der Wirtschaft im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG weit auszulegen.4 Zu ihm gehören nicht nur diejenigen Vorschriften , die sich auf die Erzeugung, Herstellung und Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs beziehen, sondern auch alle anderen das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung als solche regelnden Normen, wozu beispielsweise Gesetze mit wirtschaftsregulierendem oder wirtschaftslenkendem Charakter gehören.5 Auch die Einordnung der Tätigkeit der selbstständigen Musiklehrer als freiberufliche Tätigkeit6 dürfte dabei einer Subsumtion der zu schaffenden Regelung unter den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG nicht entgegenstehen. Nach überwiegender Ansicht werden von diesem Kompetenztitel auch Regelungen bezüglich freiberuflicher Tätigkeit erfasst.7 Hinzuweisen ist jedoch auf die Vorgaben des Art. 72 Abs. 2 GG, wonach der Bund auf bestimmten Gebieten der konkurrierenden Gesetzgebung nur die Gesetzgebungskompetenz besitzt, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht. Dieses Erfordernis gilt auch für den Kompetenztitel des Rechts der Wirtschaft aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG. Die Auswahl und Benennung der einschlägigen Bundeskompetenz obliegt dem Bundesgesetzgeber , der hierbei über einen gewissen Einschätzungs- und Ausgestaltungsspielraum verfügt.8 Die Zuordnung einer bestimmten Regelung zu einem Kompetenztitel geschieht anhand von unmittelbarem Regelungsgegenstand, Normzweck, Wirkung und Adressat der zuzuordnenden Norm sowie der Verfassungstradition.9 Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht des Umstandes, 4 Siehe zum Beispiel BVerfGE 116, 202 (215), m.w.N. 5 BVerfGE 116, 202 (215 f.). 6 Die Tätigkeit als selbstständiger Musiklehrer ist als freiberufliche Tätigkeit anzusehen, da gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Einkommenssteuergesetz zur freiberuflichen Tätigkeit unter anderem „die selbständig ausgeübte wissenschaftliche , künstlerische, schriftstellerische, unterrichtende oder erzieherische Tätigkeit“ zählt. 7 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 74 Rn. 46; Kunig, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 6. Aufl. 2012, Art. 74 Rn. 44; Rengeling/Szczekalla, in: Kahl/Waldhoff/Walter (Hrsg.), Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: 181. EL Oktober 2016 (Kommentierung: 131. EL September 2007), Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 Rn. 129; differenzierend (dies aber für Bereiche wie das Kunstgewerbe oder den gewerblichen Fernunterricht bejahend) Maunz, in: ders./Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand: 78. EL September 2016 (Kommentierung: 23. EL November 1984), Art. 74 Rn. 140. 8 Seiler, in: Epping/Hillgruber (Hrsg.), Beck’scher Online-Kommentar Grundgesetz, Stand: 30. Edition Juni 2016, Art. 70 Rn. 14. 9 Degenhart, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 70 Rn. 57. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 004/17 Seite 5 dass im vorliegenden Fall noch kein konkreter Regelungsvorschlag, gleichzeitig aber eine Vielzahl von möglichen Ansatzpunkten für eine solche Regelung zur Beschränkung der Tätigkeit von selbstständigen Musiklehrern existiert, kann hier keine abschließende Beurteilung der Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers erfolgen. Eine bundesgesetzliche Regelung erscheint jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen. Nähere Aussagen können ebenfalls noch nicht zu der Frage getroffen werden, ob neben der Regelungsform des Gesetzes auch eine Regelung in Form einer Verordnung (die freilich einer entsprechenden gesetzlichen Ermächtigung im Sinne des Art. 80 GG bedarf) möglich wäre. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang insbesondere die sog. Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts als Ergänzung zum Vorbehalt des Gesetzes, nach der alle wesentlichen Entscheidungen, die die Grundrechtsausübung betreffen, in einem formellen Gesetz getroffen werden müssen.10 Inwieweit daneben auch eine Zuständigkeit der Landesgesetzgeber, etwa gestützt auf deren Kompetenz für Fragen der Kultur und der Bildung11, in Betracht kommt, wird an dieser Stelle aufgrund des Fokus der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages auf Fragen der Bundesgesetzgebung nicht näher untersucht. 3. Regelungsrahmen nach den Grundrechten In materieller Hinsicht ergibt sich der Rahmen für eine derartige Regelung insbesondere aus dem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, wobei zwischen den Betreibern der Musikschulen und den Beschäftigten der Musikschulen zu differenzieren ist. Ferner sind die Vorgaben des allgemeinen Gleichheitssatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG zu beachten. 3.1. Berufsfreiheit der Betreiber der Musikschulen In Hinblick auf die Vereinbarkeit der hier erwogenen Regelung mit der Berufsfreiheit der Betreiber der Musikschulen ist zunächst zwischen privaten und öffentlichen Musikschulen zu differenzieren. Private Musikschulen sind als juristische Personen des Privatrechts in Bezug auf die Berufsfreiheit gemäß Art. 19 Abs. 3 GG grundrechtsberechtigt, d.h. sie können sich auf dieses Grundrecht gegenüber dem Staat berufen. Öffentliche Musikschulen sind hingegen als juristische Personen des öffentlichen Rechts nicht grundrechtsberechtigt, da sie in den Staatsaufbau eingegliedert sind bzw. weil hinter ihnen der Staat steht. Das Grundrecht der Berufsfreiheit fasst die Berufswahlfreiheit und die Berufsausübungsfreiheit zu einem einheitlichen Grundrecht zusammen. Die hier in Frage stehenden Regelungen stellen einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit dar, da sie die Art und Weise des Betreibens einer Musikschule betreffen. 10 Siehe BVerfGE 40, 237 (249 f.); BVerfGE 49, 89 (126 f.); BVerfGE 98, 218 (251 f.). 11 Beispielhaft sei auf die Vorgaben aus der Bayerischen Verordnung über die Führung der Bezeichnung Singschule und Musikschule (Sing- und Musikschulverordnung) verwiesen, die auf der Grundlage des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) erlassen wurde und der Sicherung des besonderen Werts dieser Lehrgänge für die musikalische Erziehung der Jugend dient (siehe Art. 122 Abs. 2 S. 2 BayEUG). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 004/17 Seite 6 Nach Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG kann die Berufsausübungsfreiheit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Die entsprechende rechtliche Grundlage muss verfassungskonform ausgestaltet sein, insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.12 Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit fordert, dass der Staat mit dem Grundrechtseingriff einen legitimen Zweck mit geeigneten, erforderlichen und angemessenen Mitteln verfolgt.13 Zur berufsfreiheitsspezifischen Strukturierung der Verhältnismäßigkeitsprüfung hat das Bundesverfassungsgericht die sogenannte Drei-Stufen-Lehre entwickelt, die zwischen Berufsausübungsregelungen sowie subjektiven und objektiven Berufswahlregelungen differenziert.14 Dabei werden qualifizierte Anforderungen an die gesetzliche Zwecksetzung im Verhältnis zur Eingriffsintensität gestellt. Nach der hier betroffenen ersten Stufe sind Berufsausübungsregeln, die im Vergleich zu Berufswahlregeln zu einer geringeren Beeinträchtigung der Berufsfreiheit führen, bereits zulässig, wenn sie aufgrund vernünftiger Erwägungen des Allgemeinwohls zweckmäßig erscheinen.15 Die hier bezweckte Vermeidung von prekärer Beschäftigung stellt eine solche vernünftige Gemeinwohlerwägung dar. Eine Regelung zum Ausschluss oder zur zeitlichen Beschränkung der Beschäftigung von Honorarkräften in Musikschulen erscheint auch geeignet im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, prekäre Beschäftigungsverhältnisse an Musikschulen zu verhindern. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ein Mittel bereits dann geeignet im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist, wenn mit seiner Hilfe der verfolgte Zweck gefördert werden kann.16 Es ist dabei nicht erforderlich, dass der Erfolg in jedem Einzelfall auch tatsächlich erreicht wird oder jedenfalls erreichbar ist; das Bundesverfassungsgericht lässt die Möglichkeit der Zweckerreichung genügen.17 Ferner muss die Regelung dem Gebot der Erforderlichkeit und dem Gebot der Angemessenheit entsprechen. Näherer Prüfung bedarf hier insbesondere die Angemessenheit einer solchen Regelung . Nach diesem Element des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes darf der Grundrechtseingriff nach seiner Art und Intensität nicht außer Verhältnis zu dem mit der Regelung verfolgten Ziel stehen.18 Die Grenzen für die dabei anzustellende Abwägung zu ziehen, ist jedoch mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden, da Abwägungsentscheidungen rational nur begrenzt zu strukturieren und zu kontrollieren sind.19 12 Siehe BVerfGE 9, 83 (88). 13 Siehe statt vieler nur BVerfGE 109, 279 (335 ff.). 14 BVerfGE 7, 377 (397 ff.). 15 BVerfGE 7, 377 (405 f.); BVerfGE 65, 116 (125); BVerfGE 93, 362 (369). 16 Vgl. BVerfGE 96, 10 (23). 17 BVerfGE 96, 10 (23). 18 BVerfGE 50, 217 (227); BVerfGE 80, 103 (107); BVerfGE 99, 202 (212 f.). 19 Grzeszick, in: Maunz/Dürig (Begr.), Grundgesetz, Kommentar, Stand: 78. EL September 2016 (Kommentierung: 48. EL November 2006), Art. 20 VII. Rn. 118. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 004/17 Seite 7 Im vorliegenden Fall sind die mit der Beschränkung der Beschäftigung von Honorarkräften an Musikschulen verbundenen Nachteile für die Betreiber von Musikschulen und das Ziel der wirtschaftlichen Absicherung der Beschäftigten der Musikschulen gegeneinander abzuwägen. Zu problematisieren ist dabei, ob den Betreibern einer Musikschulen eine Beschäftigung von Mitarbeitern im Rahmen fester Anstellungen zugemutet werden kann, wenn von den Lehrern etwa aufgrund der geringen Größe der Musikschule oder aufgrund der Spezialisierung der Musiklehrer nur eine sehr begrenzte Anzahl von Lehrstunden abzudecken ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Verwaltungsgericht Cottbus in einem anderen Zusammenhang (nämlich hinsichtlich des für die Erteilung einer Ersatzschulgenehmigung zu beachtenden Gebots einer genügenden wirtschaftlichen und rechtlichen Sicherung der Lehrkräfte) eine gesetzliche Vorgabe zum Abschluss sozialversicherungspflichtiger Arbeitsverhältnisse als unangemessen angesehen hat: „Ausgehend hiervon wäre eine gesetzliche Vorgabe, dass nur der Abschluss von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen für alle Lehrkräfte die Anforderungen des § 121 Abs. 3 BbgSchulG erfüllt und somit zur Erteilung bzw. Aufrechterhaltung einer Genehmigung der Ersatzschule führen könnte, gemessen an den Zielen des Art. 7 Abs. 4 S. 4 GG unverhältnismäßig . Zwar mag in der Mehrzahl der Fälle eine hauptberufliche Tätigkeit einer Lehrkraft bei einem Schulträger gegeben und von den Beteiligten gewollt sein. Es sind aber durchaus Konstellationen denkbar, in denen dem Träger der zu genehmigenden oder bereits genehmigten Ersatzschule ein Abschluss von Angestelltenverhältnissen in jedem Fall seiner Lehrkräfte nicht zumutbar ist […]. Hinsichtlich des ersten Aspekts kommt insbesondere in Betracht, dass nach dem Bildungsziel der Ersatzschule und deren Größe kein Bedarf für eine volle Beschäftigung besteht, sondern nur eine begrenzte Anzahl von Lehrstunden (vor allem in Speziallehrfächern) abzudecken ist.“20 Gegebenenfalls müsste der Gesetzgeber derartige Konstellationen bei der Ausgestaltung der zu schaffenden Regelung berücksichtigen und etwa entsprechende Ausnahmeregelungen schaffen. Würde der Gesetzgeber statt eines vollständigen Verbots der Beschäftigung von Honorarkräften eine Beschränkung deren Einsatzes auf beispielsweise drei Monate vorsehen, erscheint auch dies jedoch nicht unproblematisch. Eine solche Regelung würde nämlich nicht der Beschäftigung von Lehrern für seltene Instrumente Rechnung tragen, die zwar nur ein sehr begrenztes Stundendeputat abdecken müssen, dies jedoch möglicherweise über einen längeren Zeitraum. Wird die Regelung jedoch so ausgestaltet, dass sie in erster Linie auf Musiklehrer abzielt, die an einer Musikschule mit einer bedeutenden Anzahl von Lehrstunden fest eingeplant sind, stellt sich die Frage, ob diese Beschäftigten nicht nach den Grundsätzen der Scheinselbstständigkeit 20 VG Cottbus, Urteil vom 22. August 2013 – 1 K 867/10, Rn. 36 (zitiert nach juris), Hervorhebungen nicht im Original. Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 004/17 Seite 8 tatsächlich als Arbeitnehmer zu behandeln sind und ihre wirtschaftliche Situation durch die Maßnahmen zur Einschränkung von Scheinselbstständigkeit hinreichend gewährleistet wird.21 Eine abschließende Beurteilung der Abwägung kann an dieser Stelle jedoch nicht erfolgen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass im Rahmen der Abwägung auch das Gewicht und die Dringlichkeit der den Eingriff rechtfertigenden Gründe zu bewerten ist.22 Dafür müsste untersucht werden, wie hoch der Anteil der Musiklehrer ist, die auf die hier erwogene Regelung angewiesen sind. Oder umgekehrt formuliert müsste geprüft werden, wie hoch der Anteil der Musiklehrer ist, die neben der Tätigkeit an der Musikschule (hauptberuflich) eine andere Tätigkeit (zum Beispiel als Orchester- oder Studiomusiker) ausüben, mit der ihre wirtschaftliche Absicherung gewährleistet wird, und die auf die besondere Flexibilität einer Beschäftigung als Honorarkraft angewiesen sind. Sollte in der Praxis nur ein eher geringer Teil der Musiklehrer an Musikschulen an einem festen Angestelltenverhältnis bei der Musikschule und einer entsprechenden Absicherung interessiert sein, würde sich dies negativ bei der Abwägung auf das Gewicht und die Dringlichkeit des Regelungsziels auswirken. 3.2. Berufsfreiheit der Beschäftigten der Musikschulen Die hier erwogene Regelung ist am Maßstab der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht nur in Hinblick auf die privaten Betreiber der Musikschulen, sondern auch in Hinblick auf die Beschäftigten der Musikschulen zu prüfen. Ein Eingriff in die Berufsfreiheit der Beschäftigten der Musikschulen ist anzunehmen, wenn aufgrund der zu schaffenden Regelung Beschäftigte, konkret Musiklehrer, nicht mehr als Selbstständige an einer Musikschule, sondern nur noch festangestellt an einer Musikschule tätig sein können. Wie bereits oben unter 3.1. angesprochen, ist im Zusammenhang mit der Berufsfreiheit im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit nach der Drei-Stufen-Lehre zwischen Berufsausübungsregelungen sowie subjektiven und objektiven Berufswahlregelungen zu differenzieren. Da nicht davon auszugehen ist, dass die Tätigkeit als selbstständiger Musiklehrer an einer Musikschule ein eigenständiges Berufsbild darstellt, stellt eine Regelung zur Beschränkung einer solchen Tätigkeit an Musikschulen keine Berufswahlregelung, sondern lediglich eine Berufsausübungsregelung dar. Der nach der Drei-Stufen-Lehre erforderliche Rechtfertigungsgrund der vernünftigen Gemeinwohlerwägungen ist hier mit dem Ziel der Vermeidung prekärer Beschäftigung gegeben. Zu prüfen ist jedoch wiederum insbesondere die Erforderlichkeit und Angemessenheit der hier erwogenen Regelung. Hinsichtlich des Gebots der Erforderlichkeit – also der Frage, ob es eine alternative staatliche Maßnahme gibt, die den Zweck in gleicher Weise erfüllt, die grundrechtlich 21 Siehe hierzu beispielsweise den sich derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze (BT-Drs. 18/9232), der unter anderem die Rechtsprechung zum Arbeitnehmerbegriff in Gesetzesform bringt. Arbeitnehmer ist danach, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrages im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Ferner wird normiert, dass es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht ankommt, wenn die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses zeigt, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt (BT-Drs. 18/9232, S. 12). 22 Siehe Wienbracke, Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, ZJS 2013, S. 148 (152 f.). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 004/17 Seite 9 geschützte Freiheit aber weniger stark beschränkt23 – ist zu problematisieren, ob die Maßnahmen zur Bekämpfung der Scheinselbstständigkeit nicht gleichermaßen geeignet sind, die wirtschaftliche Situation von Musiklehrern an Musikschulen zu sichern und weniger intensiv in die Grundrechte solcher Musiklehrer eingreifen, die keine Festanstellung an einer Musikschule anstreben (siehe hierzu auch oben unter 3.1.). Dies kann jedoch nur nach näherer Ermittlung der Beschäftigungsverhältnisse der Musiklehrer an Musikschulen in der Praxis beurteilt werden. Hinsichtlich des Gebots der Angemessenheit sind die mit der Beschränkung der Tätigkeit von Honorarkräften an Musikschulen verbundenen Nachteile für die Musiklehrer, die nicht entsprechend festangestellt tätig sein wollen, und das Ziel der wirtschaftlichen Absicherung der Musiklehrer , die eine solche Festanstellung anstreben, gegeneinander abzuwägen. Bezüglich der Frage des Gewichts und der Dringlichkeit des Regelungsziels sei auf die Ausführungen oben unter 3.1. zur Erforderlichkeit einer Erhebung zur wirtschaftlichen Situation der Musiklehrer an Musikschulen verwiesen. Zur Frage der mit der erwogenen Regelung verbundenen Nachteile für die betroffenen Musiklehrer kann einerseits festgehalten werden, dass den Musiklehrern jedenfalls die Möglichkeit verbleibt, außerhalb von Musikschulen als selbstständiger Musiklehrer tätig zu sein. Andererseits stellt es für die Musiklehrer auch eine erhebliche Beeinträchtigung dar, wenn sie nicht mehr die Musikschulen als Plattform für das Angebot ihres Unterrichts nutzen können. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Akquisition von Musikschülern und der Nutzung von Räumlichkeiten für die Durchführung des Musikunterrichts. Eine abschließende Bewertung der Angemessenheit der erwogenen Regelung ist auch hier nicht möglich, jedoch erscheint ein vollständiges Verbot des Einsatzes von selbstständigen Musiklehrern an Musikschulen auch aus Sicht der Musiklehrer (solcher, die keine entsprechende Festanstellung anstreben) nicht unproblematisch. 3.3. Allgemeiner Gleichheitssatz Schließlich müsste die hier erwogene Regelung auch dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen. Danach muss der Gesetzgeber wesentlich Gleiches rechtlich gleich und wesentlich Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden behandeln.24 Hinsichtlich der Rechtfertigung einer (Un-)Gleichbehandlung existiert eine umfassende Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, die insbesondere von der sogenannten Willkürformel25 und der sogenannten Neuen Formel26 geprägt wird. In seiner jüngeren Rechtsprechung hat das Gericht versucht, die Formeln zusammenzufassen. Danach ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die stufenlos von gelockerten, auf ein Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitsanforderungen reichen können.27 23 Vgl. BVerfGE 25, 1 (20); BVerfGE 77, 84 (109 ff.); BVerfGE 100, 313 (375). 24 Krieger, in: Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke (Hrsg.), Grundgesetz, Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 3 Rn. 23. 25 Siehe BVerfGE 1, 14 (52). 26 Siehe BVerfGE 55, 72 (88). 27 BVerfGE 129, 49 (1. Leitsatz). Wissenschaftliche Dienste Ausarbeitung WD 3 - 3000 - 004/17 Seite 10 Soll sich die hier zu schaffende Regelung auf die Beschäftigten von Musikschulen beschränken, ist im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zunächst zu prüfen, ob eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung gegeben ist. Hierfür müssen (Personen-)Gruppen verglichen werden, die solche gemeinsamen Eigenschaften, Kriterien oder Oberbegriffe aufweisen, die die Gruppen in Bezug auf die in Rede stehende Regelung als im Wesentlichen gleich erscheinen lassen. Als solche Vergleichsgruppe kommen vorliegend beispielsweise andere private Bildungseinrichtungen oder etwa Sportvereine in Betracht, soweit für diese keine entsprechenden Regelungen existieren. Eine Ungleichbehandlung der Schulbetreiber bzw. Beschäftigten der Musikschulen müsste dann durch hinreichend gewichtige Unterschiede gerechtfertigt sein. Zu prüfen wäre also beispielsweise, ob für den Bereich der Musikschulen die Problematik der prekären Beschäftigung in Bezug auf selbstständig Tätige besonders stark ausgeprägt ist. Stellt sich dabei jedoch heraus, dass die Regelung sich auf den Bereich der Musikschulen beziehen soll, weil neben dem Ziel der Verhinderung prekärer Beschäftigung auch noch weitere Regelungsziele verfolgt werden, ist sicherzugehen, dass diese nicht in die Kompetenz der Landesgesetzgeber fallen. Dies betrifft etwa das Ziel der Qualitätssicherung des Unterrichts, das von der Zuständigkeit der Landesgesetzgeber für Kultur- und Bildung umfasst wird (siehe hierzu oben unter 2.). ***